Jochen Kraidler - Philipp Porter - E-Book

Jochen Kraidler E-Book

Philipp Porter

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Beschreibung

Ein Toter wird aufgefunden. Auf seinem kahl rasierten Hinterkopf ein tätowierter Lorbeerkranz. LKA-Beamter Jochen Kraidler aus Erfurt bekommt den Fall zugeteilt. Die ersten Ermittlungen in dem Fall ergeben, dass der Tote keine Zugehörigkeit zu einer bekannten Neonazi-Gruppierung hatte. Vermutlich, so die erste Einschätzung, ist der Mann ein bisher unbekannter Mitläufer. Die Gerichtsmedizin stellt nach der Leichenöffnung fest, dass der Tod durch einen gezielten Schlag auf den Hinterkopf des Opfers herbeigeführt wurde. Die flächigen, teilweise schweren Verletzungen an Thorax und Gliedmaßen, die der Mann ebenfalls aufweist, hätten aber ebenso zum Tode geführt. Jochen Kraidlers Ermittlungen führen ihn zunächst zu der Verlobten des Toten. Kurze Zeit später wird jedoch die Tatwaffe, ein Baseballschläger, in einer Flüchtlingsunterkunft sichergestellt. Tatverdächtig ist ein junger Mann aus Marokko, der als Asylant eingereist ist. Seine Fingerspuren wurden auf der Tatwaffe sichergestellt. Doch es wird noch eine weitere verdeckte Fingerspur an der Tatwaffe gefunden, die in dem anhaftenden Blut des Opfers eingebettet ist. Und dieser verdeckte Abdruck führt zu einem Mörder aus den eigenen Reihen.

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Seitenzahl: 100

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Philipp Porter

JOCHEN KRAIDLER Einfach nur Mord

Alle Rechte vorbehalten

Texte: © Copyright by Philipp Porter, Lützelbach, 2016

www.philipp-porter.de

Umschlaggestaltung, Titelbild: © Copyright by Philipp Porter, Lützelbach

Verlag: Philipp Porter, Am Hofgarten 13, 64750 Lützelbach

Lektorat: Marianne Glaßer, Röslau

Übersetzung Berlinerisch: Petra Wolf, Berlin

Druck: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Jochen Kraidler – Einfach nur Mord

Jochen Kraidler saß an seinem Schreibtisch im LKA Erfurt und schaute sich Tatortbilder an. Er hielt ein Foto, das den Kopf eines Toten großformatig zeigte, in den Händen. Ein massiger, glatt rasierter Schädel mit einem auf den Hinterkopf tätowierten schwarzen Lorbeerkranz, in dem die Zahl achtundachtzig stand, war auf dem Bild zu erkennen. Und direkt in der Mitte des Lorbeerkranzes eine Einbuchtung. Unschwer war zu erkennen, dass der Schlag sehr heftig gewesen sein musste, denn die Schädeldecke war stark verformt und die Kopfhaut ringsum eingerissen.

„Da hatte einer eine ganz schöne Wut im Bauch …”, murmelte Kraidler und zog ein weiteres Foto aus der Mappe heraus. Dieses zeigte die Arme des Toten, in unnatürlicher Stellung verdreht. Auf dem nächsten Bild waren die Beine zu sehen. Hier erkannte er einen zersplitterten Oberschenkelknochen, der spitz aus der Hose des Opfers ragte. Unschwer war zu erkennen, dass der Mann mehrmals an- oder überfahren wurde. Die Tatsache, dass er an der Wand einer Lagerhalle sitzend aufgefunden wurde und man an dieser erhöhte Anhaftungen von seiner Jacke und Hose sichergestellt hatte, legte den begründeten Verdacht nahe, dass er erst stehend und dann sitzend angefahren wurde. Das Opfer musste, so der Bericht der Rechtsmedizin, mehrfach massiv stumpfer Gewalt ausgesetzt gewesen sein – vermutlich durch die Stoßstange eines Fahrzeuges oder ein dazugehöriges Anbauteil. Letztendlich hätte aber ein gezielter Schlag auf den Hinterkopf des Mannes mittels eines stumpfen Gegenstandes den Tod herbeigeführt. Vermutlich, so der Schlusssatz des Berichtes der Rechtsmedizin, wäre das Opfer aber kurze Zeit später auch an seinen schwerwiegenden inneren Verletzungen verstorben.

Kraidler legte die Bilder und den Bericht zur Seite. Er mochte diese Typen mit den Glatzen nicht sonderlich, doch dass man einen Menschen derart zurichtete, konnte er nun auch nicht verstehen und akzeptieren.

In den weiteren Unterlagen war lediglich die Wohnortadresse des Verstorbenen vermerkt. Eine Zugehörigkeit zu einer dem LKA bekannten rechtsextremistischen Gruppierung gab es bisher nicht. Doch dies hatte nichts zu bedeuten.

Kraidler schaute sich die Adresse an und klappte die Mappe zu. Er würde erst einmal in die Wohnung des Toten fahren und sich dort ein wenig umschauen. Dann würde er entscheiden, ob sein Dienststellenleiter ein Team zusammenstellen sollte oder er vorerst weiter alleine ermitteln würde.

Die Kleider und Gegenstände, die das Opfer bei sich gehabt hatte, waren noch in der Rechtsmedizin. Kraidler wollte schon los, um den Wohnungsschlüssel dort zu holen, als er nochmals zur Fallakte griff. Ein kurzer Blick sagte ihm, dass er sich den Weg sparen konnte. Es wurden keine Schlüssel bei dem Opfer gefunden. Lediglich seine Kleidung, seine Schuhe, ein paar handschriftliche Notizen, eine zwei Tage alte Tankquittung, vier Ringe aus Silber, ein billiges Mobiltelefon, sein Personalausweis und ein Klappmesser standen auf der Liste.

Die Fahrt zur Wohnortadresse dauerte nicht lange, da das Opfer direkt in Erfurt gemeldet war. Sie führte nach Norden, über die L2156 in Richtung Ilversgehofen. Kraidler benötigte nach wie vor ein Navigationsgerät, da er sich seit dem Umzug vor fast vier Monaten nach Thüringen immer noch nicht zurechtfand. Die ganzen Stadtteile rund um Erfurt und die kleinen Ortschaften, die stellenweise gerade einmal sechzig oder siebzig Häuser hatten, waren für ihn verwirrend.

Als er die Spittelgartenstraße erreichte und dort einbog, sah er auf der linken Seite einen großen Wohnblock. An der Zieladresse, die die nette Frauenstimme ansagte, der Martin-Niemöller-Straße, war er dann überrascht. Es waren insgesamt drei große Wohnblocks in einer Reihe und einer stand längsseits. Kraidler fasste in die Jackentasche und holte einen Zettel heraus. Nummer 38 stand hinter dem Straßennamen. Die Hausnummer hatte er in das Navi nicht eingegeben und daher hatte die nette Frau mit der immer gleichen netten Stimme ihn lediglich bis zur Einmündung der Martin-Niemöller-Straße navigiert. Langsam fuhr er los, an dem ersten Wohnblock entlang. Die erste Hausnummer war die Sechs. Am Ende des Blockes war die Nummer sechzehn zu lesen. Kraidler bog rechts ab und fuhr in die nächste Straße ein. Er schaute auf die Hausnummer. Die 28 stand in gleicher Ausführung wie die bereits gelesenen über der Eingangstür. Somit waren die Wohnblocks alle mit sechs Hausnummern versehen. Und da er zur Hausnummer 38 musste, konnte es nur der letzte Block sein, die Wohnung musste fast am Ende der Straße liegen.

Kraidler parkte seinen Volvo und schaute an der Frontseite des Wohnblocks entlang. Augenscheinlich keine schlechte Wohngegend. Es sah sauber und aufgeräumt aus. Doch ob er bei den Nachbarn des Toten Erfolg haben würde, sollte er sie befragen, bezweifelte er schon jetzt. Denn in diesen Wohnblocks waren Bekanntschaften unter den Bewohnern eher selten.

Kraidler schaute sich die Namensschilder an. Alle waren sauber beschriftet, keines überklebt, alle in gleicher Schriftart und auf den Millimeter genau platziert. Hier hatte ein penibler Hausmeister alles im Griff. Der Name K. Obermann stand in der zweiten Reihe von oben. Kraidler schaute an dem Haus empor. „Dritter Stock …”, murmelte er und drückte auf einen Klingelknopf rechts neben dem Namen des Opfers. Nach ein paar Sekunden versuchte er es mit der Klingel auf der anderen Seite und kurz darauf summte der elektrische Türöffner.

Im dritten Stockwerk angekommen, schaute er sich um. Keine Tür stand offen und niemand war auf dem Flur. Langsam lief er auf gut Glück los, da das Treppenhaus, aus dem er heraustrat, genau in der Mitte des Gebäudes lag. Als er am Ende des Ganges ankam, wurde hinter ihm eine Tür geöffnet.

„Sie sind falsch …”, flüsterte eine junge Frau mit belegter Stimme. Sie war Mitte zwanzig und schaute Kraidler aus verschlafenen Augen an. Ihre verschmierte Wimperntusche erregte seine Aufmerksamkeit. In den Haaren der Nachtschwärmerin erkannte er bunten Glitter und unter dem Hausmantel einen extrem kurzen roten Minirock aus billigem Kunstleder. Offensichtlich war die junge Frau noch nicht lange zu Hause und schon gar nicht im Bett gewesen.

„Guten Tag. Mein Name ist Kraidler, Jochen Kraidler. LKA Erfurt.”

Die junge Frau nickte und schaute sich seinen Ausweis, den er ihr entgegenhielt, noch nicht einmal an.

„Und, was willste?”

„Kennen Sie Klaus Obermann? Welche Tür ist es?”

„Klausie?”

„Ja”, erwiderte Kraidler und hätte fast gelacht. Klausie passte nun gar nicht zu dem massigen Dickschädel mit der Tätowierung.

„Is was mit dem?”

„Wissen Sie, ob es vielleicht Angehörige gibt? Eltern, Geschwister?”

„Hat der was verbrochen?” Die mit Wimperntusche verschmierten Augen wurden kugelrund.

„Nein. Ich denke nicht. Wann haben Sie den Klaus Obermann zuletzt gesehen?”

Ein Schulterzucken war die Antwort. Kraidler hatte auch nichts anderes erwartet.

„Haben Sie die Nummer vom Hausmeister? Ich müsste einmal in die Wohnung.”

„Brauchste nich, hab ’nen Schlüssel.”

Die junge Frau griff neben sich und am metallischen Klimpern hörte Kraidler, dass sie einen Schlüssel vom Brett nahm. Kurz darauf bekam er einen Wohnungsschlüssel mit Anhänger in die Hand gedrückt und einen Fingerzeig auf die schräg gegenüberliegende Tür. „Gibste mir aber wieder.”

Die Tür wurde ins Schloss gedrückt und Kraidler stand alleine auf dem Flur. Er schaute auf den Schlüssel in seiner Hand hinab. Micky Maus als Schlüsselanhänger. Einen Totenkopf oder ein Hakenkreuz, das hätte er verstanden. Aber eine Comicfigur aus Plastik?

In der Wohnung von Klaus Obermann sah es nicht so aus, wie Kraidler es erwartet hatte. Keine Fahnen an den Wänden, keine Schriftzüge, keine Plakate, keine neonazispezifische Lektüre. Nichts von dem. Die Wohnung sah so aus, als ob eine Person darin lebte, die einigermaßen ordentlich war und einem anscheinend geregelten Leben nachging. TV-Zeitschriften, ein paar Automagazine, ein Buch - ein Kriminalroman. Auf dem Tisch stand eine angebrochene Flasche Wasser, in der Küche in einer Ecke ein Kasten Bier. Der Inhalt des Kühlschranks vermittelte, dass der Bewohner außer Haus speiste. Eine Tube Senf, ein noch verpackter Käse und ein Glas Oliven waren der einzige essbare Inhalt. Das Flaschenabteil war jedoch voll mit Bier und im oberen Fach lagen zwei Flaschen Weißwein.

Kraidler ging in das Schlafzimmer. Ein nicht gemachtes Bett mit hellgrauer Bettwäsche, ein Flachbildschirm an der Wand, ein Paar Socken auf dem Bettvorleger. Im Kleiderschrank schwarze Jeans, Shirts und nur eine braune Hose wie auch eine braune Jacke. Der Rest der Kleidung war ebenfalls unauffällig. Das Bad war ebenso nüchtern bestückt wie der Rest der Wohnung. Lediglich der blinkende Rasierapparat in der Aufladestation erregte Kraidlers Aufmerksamkeit. Es war ein sehr gutes und teures Gerät. Offensichtlich immer sauber und aufgeladen. Der Glatzkopf wurde gepflegt.

Wieder im Wohnzimmer angekommen, setzte Kraidler sich auf die Couch. Irgendwie passte hier nichts zueinander. Es fing schon mit der Wohnortadresse an. Die ordentlichen Namensschilder, die Wohnung, die Einrichtung. Und nicht zu vergessen der Schlüsselanhänger.

Schublade für Schublade durchsuchte Kraidler den Wohnzimmerschrank, der fast die gesamte Wandfläche einnahm. Und erst im letzten Fach wurde er fündig. Ein Fotoalbum mit Urlaubsbildern aus unterschiedlichen Jahren und Orten. Hier war Klaus Obermann mit Haaren zu sehen und einigen Kilo weniger auf den Rippen. Auch eine junge blonde Frau mit langen Haaren war mit auf den Urlaubsfotos, offensichtlich waren Klaus Obermann und die Blondine ein Paar. In dem Album fand Kraidler auch ein paar lose Fotografien. Ein Bild zeigte die junge Frau vor einem roten, kleinen Auto mit einer großen Schleife auf dem Dach. Offensichtlich ein Geschenk. Die Personen im Hintergrund winkten und waren wohl die Gäste der Feier. Und da das Auto eine Zulassung hatte, steckte Kraidler das Bild ein. Über das Kennzeichen würde er schnell den Halter herausfinden und die junge Frau konnte ihm sicherlich weitere Auskünfte über Klaus Obermann geben. Ein anderes Bild war ebenso interessant. Klaus Obermann an einem Grill. Mit Freunden, wie es schien, und im Hintergrund eine große Gartenlaube. Kraidler schaute genauer hin. Auch ein Kamin war an der Laube zu erkennen und am Rande des Bildes das kleine Auto. Kraidler steckte die beiden Bilder ein und verließ die Wohnung. Sorgfältig klebte er ein Polizeisiegel zwischen Zarge und Türblatt und verschloss die Tür. Er wollte der jungen Frau noch mitteilen, dass er den Schlüssel behalten würde, ließ es aber bleiben. Weshalb sollte er etwas erklären, das nur zu weiteren unnötigen Fragen führen würde.

Die Kennzeichenabfrage ergab, dass das Fahrzeug kurze Zeit auf eine Clarissa Ebert zugelassen gewesen war. An der angegebenen Adresse wäre sie aber nicht mehr wohnhaft, da sie sich abgemeldet hätte. Eine neue Wohnortanmeldung lag nicht vor, da die betreffende Person Deutschland verlassen wollte. Ob sie an der hinterlegten Adresse in Spanien, Mallorca, wohnhaft sei, müsste ermittelt werden.

Kraidler drückte das Gespräch weg. „Wäre auch zu einfach gewesen“, dachte er für sich, als ein Mann in blauem Kittel und einer Harke in der Hand auf ihn zukam.

„Tschuldigung. Zu wem willst‘n? Is det deine Nuckelpinne da uff de Wiese?“

Kraidler schaute zu seinem Volvo. Tatsächlich stand der rechte Vorderreifen ungefähr zehn Zentimeter auf dem gepflegten Grün. Der Mann vor ihm musste der penible Hersteller der Namensschilder sein.

„Tut mir leid. Das habe ich beim Einparken wohl nicht bemerkt. Ich fahre gleich weiter. Aber eine Frage hätte ich: Pflegen Sie hier die Anlage und die Häuser? Sind ja alle top in Schuss.“

Der Mann streckte sich und wurde um einiges größer. „Ja, ick bin de Hausmeesta. Ick kiek, det allet paletti is. Und du?“

Kraidler zückte seinen Dienstausweis.

Der Mann beugte sich vor und begutachtete den Ausweis. „L … K … A …“, murmelte er gedehnt. „Bist aba nich von hia. Ick meen, aus Erfurt. Meen Schwaga is ooch bei de Polente. Im LKA, wa.“

„Welche Abteilung?“

„Nich bei de Polente, keen Stubenpisser. In de Kantine!“

Kraidler steckte den Ausweis wieder ein und holte das Foto hervor, auf dem die junge Frau zu sehen war. „Kennen Sie diese Frau?“

Der Hausmeister nahm das Bild an sich und begutachtete es eingehend. „Det is die Clara. Die Ische vom Klausie. Die heeßt Clarissa Ebert. Ick sach imma Clara zu de Kleene. Hat die wat ausjefressen?“

Kraidler musste grinsen. Das war immer der erste Gedanke. „Nein. Ich müsste sie nur einmal befragen. Sie ist oder war mit dem Herrn Klaus Obermann zusammen.“

„Klausie? Hat der wat ausjefressen?“