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Miltons "Paradise Lost" (1667) ist eines der großen Weltgedichte, ein Epos über den Sturz der abtrünnigen Engel in die Hölle, über deren Rache durch Verführung des ersten Menschenpaares, Adam und Eva, im neu geschaffenen Paradies und und über die Verbannung aus dem Paradies. Eingeschlossen sind alttestamentarische Geschichte, Sagen des antiken Mythos und Vorstellungen der Geographie und Kosmographie der Zeit Miltons. Die Übersetzung sucht, mehr als manche Vorgänger, die hohe und schwierige Sprache Miltons möglichst authentisch wiederzugeben.
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Seitenzahl: 413
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Notiz
Inhalt der Bücher
BUCH I
BUCH II
BUCH III
BUCH IV
Buch V
BUCH VI
Buch VII
Buch VIII
Buch IX
Buch X
Buch XI
Buch XII
BUCH I
BUCH II
BUCH III
BUCH IV
BUCH V
Buch V
BUCH VI
Buch VII
Buch VIII
Buch IX
Buch X
Buch XI
Buch XII
ANHANG: Namenschlüssel
John Milton (1608 – 1674) gilt in der englischen Literatur als der wohl größte Dichter nächst Shakespeare, als Lyriker und vor allem durch sein Epos „Paradise Lost“, das man an die Epen Homers, Vergils und Dantes reiht. Milton wurde in London geboren als Sohn eines wohlhabenden Notars und Geldmaklers. Er genoss eine sorgfältige Bildung mit Privatunterricht, an der St. Paul‘s School und im Studium am Christ‘s College in Cambridge. Nicht der Theologie, wie vom Vater gewünscht, widmete er sich, sondern, da er sich zum Dichter berufen fühlte, dem Studium der Freien Künste, das er 1632 mit dem Magistergrad abschloss. Er zog sich auf das Landgut des Vaters in Horton, Buckinghamshire, zurück und betrieb ausgiebige Studien der griechischen und lateinischen Literatur sowie auch des Hebräischen und noch vielerlei Wissenschaften. Er verfasste Gedichte, zwei kleine Maskenspiele und eine gerühmte Elegie „Lycidas“ zum Tode seines Studienfreundes.
1638/39 unternahm er eine Reise nach Italien, auf der er einige Berühmtheiten besuchte, den Humanisten Hugo Grotius, den päpstlichen Bibliothekar Lucas Holstenius, Tasso und den greisen Galilei. Bald schon kehrte er nach England zurück wegen der dort aufgebrochenen religiösen und politischen Konflikte, an denen er sich in zahlreichen Streitschriften beteiligte. Er war, wie sein Vater, entschiedener Anhänger der reformierten Religion. Im Kampf um die Verfassung der Kirche schrieb er gegen die Episkopalhierarchie und die Anglikanische Kirche 21 bedeutende Schriften über religiöse und bürgerliche Freiheit. Berühmt wurde seine Schrift „Areopagitica“ (1644) gegen die Zensur und für die Freiheit der Presse und des Wortes. Wohl auch in der Zeit verfasste er eine erst später (1670) veröffentlichte„Geschichte Britanniens“. 1643 heiratete Milton, wenig glücklich, Mary Powell, die ihn bald verließ, später aber zu ihm zurückkehrte. Nach ihrem Tod heiratete er noch zweimal.
Unter Cromwell führte Milton gegen das Königshaus die Sache der Republik. 1649 wurde er lateinischer Sekretär für Auswärtiges. Seine Sehkraft hatte sich unterdessen zunehmend verschlechtert, 1652 war er völlig erblindet. Nach dem Sieg der Restauration unter Charles II. 1660 wurde Milton als Monarchiegegner angeklagt und gefangengesestzt, jedoch bald darauf bei Verlust seines Vermögens begnadigt. Er lebte recht bescheiden in Cripplegate und widmete sich nun ganz der Arbeit an „Paradise Lost“, das in der Zeit 1658 bis 1665 entstand. 1667 wurde das Werk erstmals gedruckt bei Samuel Simmons, aufgeteilt in 10 Bücher und mit den kurzen Inhaltsangaben Miltons zusammen voran. Die 2. Auflage 1674 änderte die Aufteilung in 12 Bücher und stellte die Inhaltsangaben jeweils jedem Buch voran. Textvarianten sowie auch unterschiedliche Interpunktionen gab es in den späteren Ausgaben immer wieder, doch schreibt man solche den Herausgebern und Druckereien zu. 1695 erschien eine erste annotierte Ausgabe, 1732 von Richard Bentley die erste kritische. Die erste deutsche Übersetzung erschien 1682 unter dem Titel „Das verlustigte Paradies“ von E. G. Berge, in iambischem Metrum. Nachhaltig wirksam auf die deutsche Dichtung, namentlich auf Klopstock, wurde 1742 J. J. Bodmers mit Anmerkungen versehene Prosaübersetzung „Episches Gedichte von dem Verlohrnen Paradiese“.
Milton hat die recht kurze biblische Geschichte vom Sündenfall (1. Mose 2-3) zu einem gewaltigen tragischen Weltdrama geformt, mit barocken Visionen der himmlischen Sphären und der Hölle, einer Schau über die Grenzen der Erde und auf die künftige Menschheitsgeschichte, einem heroischen Kampf zwischen Satan – einer großartigen Gestalt als Verkörperung des Bösen – und Gott / Christus. Die psychologische und politische Deutung des Geschehens geschieht in zahlreichen großen Reden, unter denen die Reden des unbeugsamen Satan und der leidenschaftlich mit Gott rechtende, das Theodizee-Problem vorführende Monolog Adams im Buch 10 hervorragen.
Monumental wie das Geschehen ist der hohe Stil der Sprache: strenger Blankvers, gewichtig, würdevoll die Wortwahl und Phraseologie, rhetorisch wohlgeformt und ausbalanciert Sinneinheiten und Versbau. Charakteristisch, und von manchen später auch kritisiert, sind in der Wortwahl zahlreiche Wörter lateinischer Herkunft und eine Syntax mit langen, verschränkten oder mehrfach gestaffelten Sätzen und Satzeinheiten. Der Kritik wird aber entgegengehalten, dass zu Miltons Zeit Latein die Gelehrtensprache und breites Bildungsgut war und lateinischstämmige Wörter zum gehobenen englischen Wortschatz gehören; und ebenso ist von daher auch die ausgefeilte Syntax nicht so außergewöhnlich.
Jedenfalls ist die Lektüre des Werkes nicht einfach. Und dies ist der Grund für diese erneute Übersetzung. Um das Werk angemessen zu vermitteln, genügt keine nur philologisch richtige Wiedergabe; vielmehr soll die Übersetzung dem dichten Ausdruck und Stil, der Kraft, Würde und Größe des Originals gerecht werde, soll Sinneinheiten, Gewicht und Balance sowie rhetorische Formen treffen. Der Text soll nicht mundgerecht, nicht trivialisiert, nicht zerredet werden. Unsere Übersetzung soll Miltons Sprache – außer den Latinismen natürlich – möglichst weit folgen, ihm nichts nehmen und nichts hinzutun.
* * * *
Es wurde folgende englische Ausgabe zugrunde gelegt: John Milton: Paradise Lost / Ed. by Alastair Fowler / 2. ed. , London, New York, 2007. XXVIII, 716 S. [Enthält eine ausführliche Einleitung zu Autor und Werk sowie gründlichen Kommentar.]
Deutsche Übersetzungen:
Johann Miltons Episches Gedichte von dem Verlohrnen Paradiese./ Übers. und durchgehends mit Anm. über die Kunst des Poeten begleitet von Johann Jacob Bodmer. / Zürich: Conrad Orell, 1742 / u. Leipzig: Gleditsch. Faksimiledruck mit e. Nachw. von Wolfgang Bender. Stuttgart: Metzler, 1965. (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des 18. Jahrh.)
Bernhard Schuhmann, 1855, in: John Miltons Poetische Werke, 4 Teile in 1 Bd. / Übers. von Bernhard Schuhman [u. a.] / Hrsg. mit biograph.-literarischer Einl. u. vollst. Kommentar von Hermann Ullrich. / Leipzig: Heise, (1909).
Derselbe: John Milton: Das verlorene Paradies. Das wiedergewonnene Paradies. / Vollst. Ausg. in der Übertr. von Bernhard Schuhmann, mit e.Nachw. von Dieter Mehl u. Anm. von Siegfried Schmitz. / München: Winkler, 1966.
Miltons Das verlorene Paradies. / Aus d. Engl. von Karl Eitner. / Leipzig: Bibliogaph. Insttitut, (1867).
Milton‘s Poetische Werke. / Deutsch von Adolf Böttger. /Leipzig: Reclam, 1879 [u. öfter.]
John Milton: Das verlorene Paradies. / Aus d. Engl. übertr. u. hrsg. von Hans Heinrich Meier. / Durchges. Aufl., Stuttgart: Reclam, 1968 [u.ö.]
Wichtige Gesamtdarstellung zu Miltons Leben und Werk: A New Companion to Milton. / Ed. by Thomas N. Corns. / Chicester: Wiley Blackwell, 2016. XVI, 651 S.
von Milton jeweils den einzelnen Büchern vorangestellt.
Buch I
Dieses erste Buch stellt zuerst kurz das ganze Thema vor, des Menschen Ungehorsam und den Verlust darum des Pardieses, wo er seinen Platz hatte; schildert dann den hauptsächlichen Grund seines Falls, die Schlange, oder vielmehr Satan in der Schlange: der von Gott abfiel und auf seine Seite zog Legionen von Engeln und auf Gottes Befehl aus dem Himmel vertrieben wurde mit seiner ganzen Bande in die große Tiefe. Hiernach eilt das Gedicht unmittelbar zur Sache, indem es Satan mit seinen Engeln nun gefallen zeigt, beschrieben hier nicht im Mittelpunkt der Erde (denn Himmel und Erde stelle man sich als noch nicht geschaffen vor, jedenfalls noch nicht verflucht), sondern an einem Ort äußerster Finsternis, am passendsten Chaos genannt: hier kommt Satan, der mit seinen Engeln auf dem flammenden See liegt, vom Donner gerührt und gelähmt, nach einer gewissen Zeit wieder zu sich wie aus einer Betäubung, ruft den an, der nächst an Rang und Würde neben ihm liegt; sie reden von ihrem unseligen Fall. Satan weckt seine Legionen, die da noch in derselben Weise verstört liegen; sie erheben sich, ihre Zahlen, Schlachtordnung, ihre Hauptführer werden genannt nach den Götzen, wie sie später in Kanaan und den angrenzenden Ländern bekannt sind. An diese richtet Satan seine Rede, ermutigt sie mit Hoffnung, den Himmel noch wiederzugewinnen, und erzählt ihnen zuletzt von der künftigen Schöpfung einer neuen Welt und eines neuen Wesens, gemäß einer alten Prophezeiung oder Sage im Himmel; denn dass Engel waren lange vor dieser sichtbaren Schöpfung, war die Meinung vieler alter Kirchenväter. Um die Wahrheit dieser Prophezeiung herauszufinden, und was dazu zu beschließen, trägt er einer Vollversammlung an. Was seine Verbündeten darauf unternehmen. Pandämonium, der Palast Satans erhebt sich, plötzlich erbaut aus der Tiefe: die höllischen Fürsten sitzen dort zu Rate.
Buch II
Zu Beginn der Beratung erörtert Satan, ob eine weitere Schlacht zu riskieren sei zur Wiedergewinnung des Himmels: einige raten zu, einige raten ab; ein dritter Vorschlag wird vorgebracht, erwähnt zuvor von Satan, nämlich die Wahrheit jener Prophetie oder Sage im Himmel zu erforschen von einer weiteren Welt und einer anderen Art Geschöpf, gleich oder nicht viel geringer als sie selbst, das um diese Zeit geschaffen werden sollte: ihr Zweifel, wer zu dieser schwierigen Forschung entsandt werden solle: Satan, ihr Oberhaupt, unternimmt allein die Reise, erhält dafür Ehre und Beifall. Nachdem der Rat so beendet ist, unterhalten sich die übrigen auf allerlei Weise und mit allerlei Beschäftigungen, je nach ihren Neigungen, um die Zeit hinzubringen bis zu Satans Rückkehr. Er kommt auf seiner Reise an die Höllentore, findet sie verschlossen; und wer dort saß, sie zu bewachen, und von wem sie am Ende geöffnet werden und ihm eröffnen den großen Schlund zwischen Hölle und Himmel; mit welcher Schwierigkeit er hindurchgelangt, gewiesen von Chaos, der Macht jener Region, zum Blick auf die neue Welt, die er suchte.
Buch III
Gott, sitzend auf seinem Thron, sieht Satan zu dieser gerade neu geschaffenen Welt fliegen; zeigt ihn seinem Sohn, der zu seiner Rechten saß; sagt ihm voraus Satans Erfolg in der Verführung der Menschheit; erklärt seine eigene Gerechtigkeit und Weisheit, frei von jedem Vorwurf, da er den Menschen frei und wohl fähig geschaffen hat, seinem Versucher zu widerstehen; erklärt noch seine Absicht der Gnade gegen ihn, mit Rücksicht darauf, dass er nicht durch eigene Bosheit falle wie Satan, sondern durch diesen verführt. Der Sohn preist seinen Vater für die Offenbarung seiner gnädigen Absicht gegen den Menschen; aber Gott erklärt wieder, dass Gnade nicht dem Menschen gewährt werden könne ohne Erfüllung des göttlichen Rechts; der Mensch hat Gottes Majestät verletzt mit seinem Streben nach Göttlichkeit, und dafür muss er, mit all seiner Nachkommenschaft verfallen, sterben, es sei denn, jemand kann gefunden werden, imstande, für seine Schuld einzustehen und seine Strafe auf sich zu nehmen. Der Sohn Gottes bietet sich freiwillig an als Erlösung für den Menschen: der Vater nimmt ihn an, verfügt seine Fleischwerdung, verkündet seine Erhebung über alle Namen im Himmel und auf Erden; befiehlt allen Engeln, ihn anzubeten; sie gehorchen, und Hymnen singend zu ihren Harfen und in vollem Chor, feiern sie den Vater und den Sohn. Unterdessen landet Satan auf der kahlen Wölbung des äußersten Kreises dieser Welt; darauf fortschreitend findet er zuerst einen Platz, der hernach Limbus der Eitelkeit heißt; welche Personen und Dinge dorthin auffliegen; von dort kommt er an das Himmelstor; beschrieben der Aufstieg über Treppen und die Wasser, die dort fließen über dem Firmament: sein Weg von dort zum Kreis der Sonne; er findet dort Uriel, den Herrn jenes Kreises, und zuerst verwandelt er sich in die Gestalt eines niederen Engels; und ein heißes Verlangen vorschützend, die neue Schöpfung anzuschauen und den Menschen, den Gott dorthin gesetzt hatte, fragt er ihn nach dem Ort seiner Wohnung und erhält Wegweisung; landet zuerst auf dem Berg Nephates.
Buch IV
Satan, jetzt mit Blick auf Eden und nahe dem Ort, wo er nun das kühne Unterfangen versuchen muss, das er allein auf sich nahm gegen Gott und den Menschen, verfällt in viele Zweifel bei sich selbst und in viele Leidenschaften, Furcht, Neid und Verzweiflung; doch schließlich bestärkt er sich in Bosheit, reist weiter zum Paradies, dessen äußeres Aussehen und Lage beschrieben wird, überspringt die Grenzen, sitzt in Gestalt eines Kormorans auf dem Baum des Lebens, dem höchsten im Garten, um sich umzusehen. Beschreibung des Gartens; Satans erster Blick auf Adam und Eva; seine Verwunderung über ihre wunderbare Gestalt und ihr Glück, doch mit dem Entschluss, ihren Fall zu bewirken; belauscht ihre Unterhaltung, entnimmt daraus, dass vom Baum der Erkenntnis ihnen zu essen verboten wurde unter Todesstrafe; und nimmt sich vor, darauf seine Versuchung zu gründen, indem er sie zur Übertretung verführt: dann verlässt er sie eine Weile, um auf irgendeine Weise mehr über ihren Stand zu erfahren. Unterdessen auf einem Sonnenstrahl niederfahrend, warnt Uriel Gabriel, dem das Tor zum Paradies oblag, dass ein böser Geist der Tiefe entkommen sei und zu Mittag in Gestalt eines guten Engels seine Sphäre passiert habe hinunter zum Paradies, dennoch entdeckt an seinem wilden Gebaren auf dem Berg. Gabriel verspricht, ihn noch vor Morgen aufzufinden. Zur Neige des Abends sprechen Adam und Eva davon, zur Ruhe zu gehen: Beschreibung ihrer Laube; ihr Abendgebet. Gabriel zieht seine Trupps der Nachwache heran zum Rundgang um das Paradies, bestellt zwei starke Engel zu Adams Laube, dass der böse Geist nicht dort Adam und Eva in ihrem Schlaf ein Leid zufüge; dort finden sie ihn am Ohr Evas, sie im Traum versuchend, und bringen ihn trotz Widerstrebens zu Gabriel: von diesem verhört, antwortet er höhnisch, schickt sich zum Widerstand an, doch gehindert durch ein Zeichen vom Himmel, flieht er aus dem Paradies.
Buch V
Am Morgen erzählt Eva Adam ihren verstörenden Traum; ihm gefällt der nicht, doch beruhigt er sie; sie kommen heraus zu ihren Arbeiten: ihr Morgenpreislied an der Tür ihrer Laube. Gott, um dem Menschen keine Entschuldigung zu lassen, sendet Raphael, ihn an seinen Gehorsam zu gemahnen, an seinen freien Stand, an seinen nahe bereiten Feind; wer der ist und warum sein Feind und was immer sonst Adam zu wissen nützen mag. Raphael fährt hinab zum Paradies; seine Erscheinung beschrieben, sein Kommen von weitem bemerkt von Adam, der an der Tür seiner Laube sitzt; er geht ihm entgegen, bringt ihn zur Wohnung, bewirtet ihn mit den erlesensten Früchten des Paradieses, die Eva gesammelt hat; ihr Tischgespräch: Raphael erfüllt seinen Auftrag, gemahnt Adam an seinen Stand und seinen Feind; erzählt auf Adams Frage, wer jener Feind ist und wie der dazu kam, beginnend mit seiner ersten Rebellion im Himmel und der Gelegenheit dazu; wie er seine Legionen nach sich zog in die Gebiete des Nordens und dort sie anstachelte, mit ihm zu rebellieren, und alle überredete, bis einzig auf Abdiel, einen Seraphen, der im Wortstreit abrät und sich widersetzt, dann ihn verlässt.
Buch VI
Raphael fährt mit der Erzählung fort, wie Michael und Gabriel ausgeschickt wurden zum Kampf gegen Satan und seine Engel. Schilderung des ersten Kampfes: Satan und seine Kräfte ziehen sich unter dem Schutz der Nacht zurück: er beruft zu einer Beratung ein, erfindet teuflische Geschütze, die im Kampf des zweiten Tages Michael und seine Engel in einige Verwirrung bringen; doch schließlich, indem sie Berge ausreißen, überschütten sie Satans Truppen und Geschütze: doch da der Aufruhr so noch nicht endet, sendet Gott am dritten Tag Messias, seinen Sohn, für den er den Siegesruhm vorbehalten hat: in der Machtfülle seines Vaters kommt er an den Ort, lässt alle seine Legionen zu beiden Seiten stille stehen, fährt mit seinem Gespann und mit Donner mitten unter seine Feinde und verfolgt sie, die unfähig sind zu widerstehen, bis an die Mauer des Himmels; die öffnet sich, und sie springen hinab in Schrecken und Verwirrung, hinunter an den Ort der Strafe, vorbereitet für sie in der Tiefe; Messias kehrt im Triumph zurück zu seinem Vater.
Buch VII
Raphael erzählt auf Adams Frage, wie und wozu diese Welt zuerst geschaffen wurde: dass Gott, nach der Vertreibung Satans und dessen Engeln aus dem Himmel, sein Gefallen erklärte, eine neue Welt zu schaffen und neue Geschöpfe, darin zu wohnen; entsendet seinen Sohn mit Glorie und Unterstützung von Engeln, das Werk der Schöpfung zu vollenden in sechs Tagen: die Engel feiern mit Hymnen die Vollendung und seinen Aufstieg zurück in den Himmel.
Buch VIII
Adam fragt darauf nach den himmlischen Bewegungen, erhält Antwort, die ihn im Zweifel lässt, und wird ermahnt, lieber nach Dingen zu forschen, die seines Wissens mehr wert sind; Adam stimmt zu und, weiterhin begierig, Raphael dort zu behalten, erzählt er ihm, woran er sich erinnert seit seiner Erschaffung, seiner Einsetzung im Paradies, seinem Gespräch mit Gott über Einsamkeit und passende Gesellschaft, seine erste Begegnung und Hochzeit mit Eva. Sein Gespräch hierauf mit dem Engel, der nach wiederholten Ermahnungen ihn verlässt.
Buch IX
Nachdem er die Erde erreicht hat, kehrt Satan mit bedachter List als Nebel des Nachts ins Paradies zurück, geht in die schlafende Schlange ein. Adam und Eva gehen am Morgen an ihre Arbeiten, die Eva aufzuteilen vorschlägt auf verschiedene Plätze, so dass jedes getrennt arbeite: Adam ist nicht einverstanden, weist auf die Gefahr hin, dass jener Feind, vor dem sie gewarnt wurden, sie verführen solle, wenn er sie allein anträfe; Eva, unwillig, weil für nicht umsichtig oder fest genug gehalten, besteht darauf, einzeln zu gehen, desto mehr in dem Wunsch, ihre Stärke zu prüfen; Adam willigt schließlich ein. Die Schlange findet sie allein; deren raffinierte Annäherung, zuerst sie anstarrend, dann sprechend, mit viel Schmeichelei Eva erhebend über alle anderen Geschöpfe. Eva, verwundert, die Schlange sprechen zu hören, fragt, wie diese die menschliche Sprache und solchen Verstand, wie bisher nicht, erworben habe; die Schlange antwortet, dass sie durch Kosten von einem gewissen Baum im Garten beides erworben habe, Sprache und Verstand, während sie bis dahin ohne beides war: Eva fordert, sie zu jenem Baum zu bringen, und findet, es ist der verbotene Baum der Erkenntnis: die Schlange, nun dreister, verführt sie mit vielen Listen und Gründen schließlich zu essen; beglückt von dem Geschmack, überlegt Eva eine Weile, ob sie Adam davon abgeben soll oder nicht, bringt ihm schließlich von der Frucht, erzählt, was sie überzeugt hat, davon zu essen: Adam, zuerst bestürzt, doch erkennend, dass sie verloren ist, entschließt sich aus leidenschaftlicher Liebe, mit ihr zugrunde zu gehen; und die Übertretung abmildernd, isst er gleichfalls von der Frucht: die Folgen davon bei beiden; dann geraten sie in Streit und gegenseitige Vorwürfe.
Buch X
Als des Menschen Übertretung bekannt wird, verlassen die Wächterengel das Paradies, um ihre Wachsamkeit zu beteuern, und werden bestätigt, denn Gott erklärt, dass das Eindringen Satans von ihnen nicht verhindert werden konnte. Er sendet, die Ungehorsamen zu richten, seinen Sohn, der hinabsteigt und entsprechend Richtspruch erteilt; dann, aus Mitleid, kleidet er sie beide und steigt wieder auf. Sünde und Tod, die bis dahin an den Toren der Hölle sitzen und jetzt durch wundersame Übertragung des Gefühls Satans Erfolg in dieser neuen Welt und die vom Menschen begangene Sünde fühlen, beschließen, nicht länger eingeschränkt in der Hölle zu sitzen, sondern Satan, ihrem Herrn, zu folgen hinauf zum Platz des Menschen: um den Weg von der Hölle zu dieser Welt hin und zurück leichter zu machen, pflastern sie eine breite Straße oder Brücke über das Chaos, entsprechend dem Weg, den Satan zuerst nahm; als sie sich dann für die Erde bereit machen, begegnen sie ihm, der, seines Erfolges stolz, zur Hölle zurückkehrt; ihre gegenseitige Beglückwünschung. Satan kommt im Pandämonium an, in voller Versammlung berichtet er prahlend seinen Erfolg gegen den Menschen; anstelle von Beifall wird er mit allgemeinem Zischen aufgenommen von seiner ganzen Hörerschaft, die sich samt ihm selbst auch plötzlich in Schlangen verwandelt, gemäß seinem ihm im Paradies erteilten Urteilsspruch; dann, genarrt von einem Scheinbild des verbotenen Baumes, der vor ihnen aufsprießt, greifen sie gierig nach der Frucht und kauen nur Staub und bittere Asche. Was Sünde und Tod unternehmen. Gott sagt voraus den endlichen Sieg über sie und die Erneuerung aller Dinge; doch gegenwärtig gebietet er seinen Engeln, einige Veränderungen an den Himmeln und Elementen vorzunehmen. Adam, der mehr und mehr seinen gefallenen Zustand merkt, beklagt sich heftig und weist Evas Tröstung zurück; sie fährt fort und versöhnt ihn schließlich: dann, um dem Fluch zu entkommen, der voraussichtlich auf ihre Nachkommen fallen wird, schlägt sie Adam gewaltsame Wege vor, die er nicht gutheißt, sondern, bessere Hoffnung schöpfend, ruft er ihr in Erinnerung das ihnen jüngst gegebene Versprechen, dass ihre Saat gerächt werden würde an der Schlange, und ermuntert sie, Versöhnung der verletzten Gottheit zu suchen durch Reue und demütiges Bitten.
Buch XI
Der Sohn Gottes unterbreitet seinem Vater die Gebete unserer Ureltern, die nun bereuen,und tritt für sie ein; Gott nimmt an und erklärt, dass sie nicht länger im Paradies bleiben dürften; entsendet Michael mit einem Trupp Cherubim, sie zu vertreiben; zuvor jedoch Adam künftige Geschehen zu enthüllen. Michaels Ankunft unten. Adam zeigt Eva gewisse unheilvolle Zeichen; er bemerkt Michaels Nahen, geht ihm entgegen: der Engel verkündet ihre Ausweisung. Evas Jammer. Adam plädiert noch für Milde, ergibt sich aber darein: der Engel führt ihn auf einen hohen Berg, unterbreitet ihm in einer Vision, was geschehen wird bis zur Flut.
Buch XII
Danach berichtet er von der Flut und erläutert schrittweise, wer jene Saat der Frau sein wird; dessen Fleischwerdung, Tod, Auferstehung und Aufstieg in den Himmel; der Zustand der Kirche bis zu seiner zweiten Wiederkehr. Adam, höchst zufrieden und nun getröstet durch diese Berichte und Versprechen, steigt mit Michael den Berg hinab; weckt Eva, die während dieser ganzen Dauer geschlafen hatte, doch mit sanften Träumen zur Gemütsruhe und Ergebung besänftigt ist. Michael führt sie, eines an jeder Hand, aus dem Paradies hinaus, während hinter ihnen das Flammenschwert schwingt und die Cherubim ihre Posten beziehen zur Bewachung der Stätte.
Wie erstmals sündigte der Mensch und aß
Von des verbotnen Baums fataler Frucht,
Die brachte Tod der Welt, all unser Leid,
Mit Bann aus Eden, bis ein größrer Mensch
Uns heilte und neu gewann den sel’gen Sitz, 5
Sing, Himmels Muse, die auf stiller Höh
Des Horeb oder Sinai den Hirten du
Zuerst beseeltest, das erwählte Volk
Zu lehren, wie am Anfang Himmel und Erd
Vom Chaos schieden. Oder falls der Berg 10
Zion dich mehr freut und Siloahs Bach,
Der nah beim Tempel Gottes floss, ruf ich
Von dort um Hilf’ dich für mein kühnes Lied,
Das in nicht mäß’gem Flug sich höher als
Der Helikon will heben; denn Dinge hat 15
Es vor, noch nie gewagt in Prosa und Vers.
Und sonders du, Geist, der vor allen Tempeln
Du vorziehst das gerade, reine Herz,
Belehr mich, denn du weißt; du warst seit je,
Und, mächt’ge Fittiche gebreitet, gleich 20
Der Taube saßt du brütend auf der Tiefe
Und zeugtest Frucht: was dunkel ist in mir,
Erleuchte, und heb und halte, was niedrig ist,
Dass ich der Höhe wert des großen Stoffs
Die ew’ge Vorsehung bezeugen mag 25
Und Gottes Wege zu den Menschen künd.
Sag – denn nichts birgt der Himmel deinem Blick
Und nicht der Hölle Tiefe – sag zuerst den Grund,
Der unsre Ureltern in jenem Glück,
So hoch in Himmels Gunst, sich wenden ließ 30
Von ihrem Schöpfer und verschmähn sein Wort
Um ein Verbot, sonst Herren doch der Welt?
Wer stiftete sie an zum falschen Abfall?
Der höll’sche Drache; er war’s, dessen List,
Von Neid und Rachgier aufgewühlt, betrog 35
Der Menschheit Mutter, da Vermessenheit
Vom Himmel ihn gestürzt mit allem Heer
Aufsäss’ger Engel, mit deren Hilfe er,
Sich glorreich hebend über seinen Rang,
Sich schmeichelte, dem Höchsten gleich zu sein, 40
Wenn er ihm trotzte; und voll Ehrgeiz rührt’
Er gegen Gottes Thron und Herrscherreich
Ruchlosen Krieg im Himmel und stolzen Kampf:
Ein eitler Schlag! Kopfüber stieß ihn der
Allmächt’ge flammend von des Äthers Höhen 45
In fürchterlichem Sturz und Brand hinab
In bodenloses Unheil, zu hausen dort
In Ketten von Demant und Feuers Zucht,
Ihn, der gefordert den Allmächtigen.
Neunmal die Zeit, die Tag und Nacht durchmisst 50
Den Sterblichen, lag er samt wilder Schar
Besiegt, sich windend in dem Feuerschlund,
Zuschanden - doch unsterblich; doch sein Fluch
Schont’ nur zu größrer Wut ihn: denn nun quält
Ihn beides, Wissen ums verlorene Glück 55
Und dauernd Schmerz; rings schweift sein Schreckensblick,
Der von gewalt’gem Leiden zeugt und Gram,
Vermischt mit trotzigem Stolz und stetem Hass:
Auf eins - so weit sehn Engel - schaut er da
Die jammervolle Stätte, wüst und wild; 60
Ein schreckliches Gefängnis, ringsum wie
Ein großer, flammender Ofen, doch kein Licht
Von diesen Flammen, sondern Finsternis,
Die sehn lässt, jedoch Blicke nur auf Leid,
Ein Land von Gram, elende Schatten, wo 65
Nie Ruh noch Frieden wohnt, nie Hoffnung kommt,
Die sonst zu allen kommt; nur endlos Qual
Drängt an und eine Feuerflut, genährt
Von Schwefel, immer brennend, nie verzehrt;
So war der Ort vom Ewigen Recht bestellt 70
Für jene Meutrer, hier lag ihr Verlies
In völligem Dunkel, war ihr Los erteilt
So fern von Gott und Himmels Licht, wie von
Der Mitte dreimal bis zum fernsten Pol.
Oh, wie ungleich dem Platz, von dem sie fielen! 75
Dort nimmt er die Genossen seines Falls,
Von Fluten und Feuerstürmen überschwemmt,
Bald wahr, und neben ihm sich wälzend Einen,
An Macht zunächst ihm und zunächst an Schuld,
Hernach bekannt in Palästina einst 80
Als Beelzebub. Zu ihm begann der Erzfeind,
Genannt im Himmel Satan, kühnen Worts
Das fürchterliche Schweigen brechend, so:
“Wenn du es bist - doch wie gestürzt! wie sehr
Verändert, der im seligen Reich des Lichts 85
Du in vollkommner Helle überschienst
Myriaden noch so hell! - bist du’s, den Bund,
Vereintes Sinnen, Planen, gleicher Wunsch
Und Wagnis bei dem ruhmesreichen Werk
Mir einst verband, jetzt elend zugesellt 90
In gleichem Fall: in welchen Schlund du blickst,
Aus welcher Höh gestürzt, so viel zeigt’ E r
Mit seinem Donner stärker sich: wer kannte
Schon dieser grausigen Waffen Kraft? Doch nicht
Um sie, noch was der mächt’ge Sieger sonst 95
Kann tun im Zorn, bereu ich oder beug,
Gebeugt an Glanz nur, meinen festen Sinn
Und stolzen Groll gekränkten Ehrgefühls,
Der mit den Mächtigsten mich zu kämpfen trieb
Und mir zum wilden Kampf zur Seite gab 100
Zahllose Macht bewehrter Geister, die
Sein Regiment verwarfen und für mich
Die höchste Macht bekriegten mit Gegenmacht,
In ungewisser Schlacht im Himmelsfeld,
Und rüttelten seinen Thron. Verlor’ne Schlacht? 105
Verloren nicht alles: der Wille unbesiegt,
Nach Rache Trachten, unsterblicher Hass
Und Mut, der nie sich beugt noch unterwirft,
Und was sonst heißt es, nicht besiegt zu sein?
De n Ruhm soll nie mir seine Wut noch Macht 110
Entwinden. Mich beugen und um Gnade flehn
Auf Knien und vergöttern seine Kraft,
Der vor dem Schrecken dieses Arms noch jüngst
In Furcht war um sein Reich, das wär doch feig,
Das wäre Schmach und Schande, niedriger 115
Als dieser Sturz. Nun kann uns kraft Geschicks
Nicht Götter Kraft und Himmels Stoff vergehn,
Nun durch Erfahrung dieses großen Falls
In Waffen schlechter nicht, an Vorsicht besser,
Da können hoffnungsvoller wir bestehn 120
Gewaltsam oder listig ewigen Krieg,
Nie je versöhnt, mit unserm großen Feind,
Der triumphiert jetzt und im Übermut
Allein die Himmelsherrschaft innehat.”
So sprach der Abgefallene, trotz Schmerz 125
Laut prahlend, doch in tief gedrückter Qual.
Und ihm gab Antwort so sein kühner Gesell.
“O Fürst, Anführer vieler Mächtiger,
Die kampfbereite Seraphim zum Krieg
Dir brachten und mit Schrecknissen ohne Furcht 130
Des Himmels König brachten in Gefahr,
Und prüften seine hohe Obermacht,
Ob Kraft sie trage, ob Zufall, ob Geschick:
Zu gut seh ich, beklag den bittren Fall,
Der uns mit traurigem Sturz und bösem Schlag 135
Den Himmel raubte und dies mächt’ge Heer
In grässlicher Verwüstung niederwarf –
Soweit denn Götter und Geister nur zugrund
Gehn können: denn doch unbesiegbar ist
Der Sinn und Mut, und Kraft kehrt bald zurück, 140
Ist all unser Ruhm auch hin und unser Glück
Verschlungen hier in Trübsal ohne End.
Doch was, wenn er, der Sieger (den ich jetzt
An Kraft allmächtig glaub, da kein Geringrer
Als solcher unsre Macht bezwingen konnt), 145
Uns Mut und Stärke ganz gelassen hat,
Zu leiden stark und tragen unsre Qualen,
Um so ihm grimmige Rache zu befriedigen,
Sei’s bessren Dienst als Knechte ihm zu tun
Kraft Kriegsrecht, was er so im Herzen hier 150
Der Hölle hat im Feuer zu versehn,
Sei’s Boten in der Düsternis zu sein;
Was kann es wert sein, fühlen wir die Kraft
Doch ungeschwächt und ewig unser Sein,
Wenn wir uns ewiger Strafe unterziehn?” 155
Worauf geschwind der Erzfeind Antwort gab.
“Gefallener Cherub, schwach zu sein, ist Schmach
Im Tun und Leiden: aber sei gewiss,
Das Gute tun wird unsre Sache nie,
Nur Böses stets tun unsre einz’ge Lust, 160
Das Gegenteil zu seinem hohen Willen,
Des, dem wir trotzen. Wenn sein Plan denn sucht,
Aus unserm Bösen Gutes zu erzielen,
So müssen wir verkehren diesen Zweck
Und noch aus Gut für Böses Wege erspähn; 165
Was oftmals wohl gelingt und ihn vielleicht
Verdrießen wird und, irr ich nicht, durchkreuzt
Die innersten Pläne vom bestimmten Ziel.
Doch sieh, der zornige Sieger hat zurück
Geholt die Diener seiner Rachejagd 170
Zum Himmelstor: der Schwefelhagel, im Sturm
Nach uns geschossen, hat verweht gelegt
Die glühende Flut, die von den Klippen her
Des Himmels uns empfing, der Donner auch,
Beschwingt mit rotem Blitz und hitz’ger Wut, 175
Hat wohl verbraucht die Pfeile und hört auf
Zu brüllen durch den bodenlosen Schlund.
Lass uns verpassen nicht die Gunst, ob Hohn
Oder ob gestillte Wut sie gibt vom Feind.
Siehst du das öde Feld dort, einsam, wüst, 180
Sitz der Trostlosigkeit, verwaist von Licht
Bis auf der fahlen Flammen Widerschein
Dort, bleich und schrecklich? Dorthin lass uns gehn
Fern von dem Wälzen dieser glühenden Flut,
Dort ruhen - falls dort Ruhe weilen kann - 185
Und, sammelnd unsre heimgesuchte Schar,
Beraten, wie fortan wir unserm Feind
Am meisten schaden, wie uns selbst erholen,
Wie überwinden diesen schweren Schlag,
Welche Stärkung uns die Hoffnung geben kann, 190
Und wo nicht, die Verzweiflung welchen Plan.“
So Satan zum vertrautesten Kumpan,
Das Haupt erhoben aus der Woge, die Augen
Von Funken sprühend, die andern Glieder längs
Hin auf der Flut, weit ausgestreckt und groß, 195
Bedeckten schwimmend manches Joch, so riesig,
Wie nach der Sage von gewalt’gem Maß
Titanen, Erdgeborene, feind dem Zeus,
Briareus oder Typhon, den die Höhle
Bei Tarsus barg, oder jenes Ungetüm 200
Leviathan, das gewaltigste Geschöpf,
Das Gott zu schwimmen schuf im Ozean:
Wenn der auf Norwegs Meerschaum schlummert, macht
Der Schiffer eines nachts verirrten Kahns,
Ein Eiland wähnend, wie das Seevolk sagt, 205
Oft mit dem Anker in der Schuppenhaut
Fest an ihm leeseits, während Nacht die See
Bedeckt und der ersehnte Morgen säumt:
So lag der Erzfeind riesig ausgestreckt,
Gekettet auf dem brennenden See, von dem 210
Er nie sich, nie sein Haupt erhoben hätt,
Hätt’s nicht des allherrschenden Himmels Wille
Für seine dunklen Pläne ihm eingeräumt,
Auf dass mit neuerlichen Freveln er
Vedammnis auf sich häufe, wenn er Andern 215
Das Böse suchte und dann grimmig säh,
Wie alle Bosheit zu befördern hülfe
Unendlich Güte, Gnade, Erbarmen für
Den Menschen, der von ihm verführt, auf ihn
Jedoch nur dreifach Schimpf, Zorn, Rache schütte. 220
Sogleich erhebt er aufrecht aus dem Pfuhl
Den mächt’gen Leib; die Flammen beiderseits
Zurückgedrängt, die spitzen Lohen gekrümmt
Wie Wogen, bilden inmitten ein grausig Tal.
Dann breitet er die Schwingen, lenkt den Flug 225
Empor, sich lehnend auf die düstre Luft,
Die ungewohnte Last fühlt, bis er trifft
Auf trocknes Land - falls Land wär, was stets brennt
Mit festem Brand, wie flüssig brennt der See;
Und so beschaffen schien’s, wie wenn die Kraft 230
Von unterird’schem Wind einen Felsbrock schiebt,
Gerissen vom Pelorus, oder wie Klüfte
Des grollenden Ätna, dessen Inneres,
Entzündlich, brennbar Feuer fängt und steigt
Empor mit steiniger Wucht, facht Winde an 235
Und lässt versengten Boden, ganz gehüllt
In Dunst und Rauch. Solchen Ruhplatz fanden des
Verfluchten Füße, ihm folgte sein Kumpan,
Sich rühmend beide des Entrinnens aus
Der Styg’schen Flut, aus eigner, neuer Kraft 240
Als Götter, nicht durch Duldung höherer Macht.
“Ist dies die Landschaft, dies der Grund, die Luft,”
Sprach der verlorene Engel, “dies der Sitz,
Den für den Himmel wir getauscht, dies Düster
Für jenes selige Licht? Sei’s so, da er, 245
Der Souverän nun ist, bestimmen kann,
Was Recht sein soll: je ferner ihm, je besser!
Den Recht uns gleich, Gewalt hat hoch gestellt
Vor seinesgleichen. Lebt wohl, ihr sel’gen Auen,
Wo ewig Freude wohnt! Heil, Schrecken, heil, 250
Du untre Welt und tiefste Hölle, du,
Empfang den neuen Herrn hier: einen, der
Bringt Willen, den nicht ändern Ort und Zeit,
Der Wille ist selbst sich Ort, kann in sich selbst
Aus Hölle Himmel machen, aus Himmel Hölle. 255
Was macht es, wo und was ich bin, wenn ich,
Derselbe bleib, geringer nur als er,
Den Donner größer machte? Hier sind wir
Zumindest frei; nicht schuf hier der Allmächt’ge
Für seinen Neid, von hier treibt er uns nicht: 260
Hier herrschen wir sicher, und hab ich die Wahl,
Lohnt Herrschen Ehrgeiz in der Hölle selbst:
Eh’r Herr der Hölle als im Himmel Knecht!
Doch weshalb lassen wir die treuen Freunde,
Genossen und Begleiter unsres Falls, 265
Betäubt so liegen im vergessnen Pfuhl
Und rufen sie, zu teilen nicht mit uns
Den Unglückssitz hier, oder neu vereint
Zu proben mit Kampf, was man zurückgewinnt
Im Himmel oder in der Hölle verliert?” 270
So sprach Satan, und Beelzebub gab so
Ihm Antwort. “Führer dieses prächt’gen Heers,
Das einzig der Allmächt’ge schlagen konnt,
Wenn deine Stimme sie hören, stärkstes Pfand
Der Hoffnung in Gefahr, so oft gehört 275
In schlimmster Not und wenn auf Messers Schneide
Die Schlacht herging, in jedem Angriffssturm
Ihr sicherstes Signal, dann fassen sie
Bald neuen Mut und leben auf, so sehr sie
Gestreckt jetzt liegen auf dem Feuersee, 280
Wie wir vordem, benommen und verwirrt –
Kein Wunder nach so heillos tiefem Fall!”
Kaum endet’ er, als schon der Oberfeind
Zum Ufer hinging; seinen wucht’gen Schild,
Ätherischen Stoffes, massig, groß und rund, 285
Zurückgeworfen: breit hing ihm die Scheibe
Auf seinen Schultern wie der Mond, dessen Reif
Durchs Fernglas der Toskaner Künstler schaut
Am Abend von der Höh Fiesoles,
Am Arno, neue Länder zu erspähn 290
Und Flüsse und Berge im gefleckten Rund.
Sein Spieß, verglichen dem die höchste Tann,
Gefällt auf Norwegs Bergen für den Mast
Des großen Flaggschiffs, nur ein Stecken wär,
Dient’ ihm, zu stützen den unsichren Schritt 295
Auf brennendem Morast, nicht gleich dem Schritt
Auf himmlischem Azur; die sengende Luft
Traf ihn mit Schmerzen, flimmerte von Glut;
Doch er hielt’s aus, bis er am Ufer stand
Des Flammenmeers, und rief nach seinem Heer, 300
Engelsgestalten, die bewusstlos lagen
Dicht wie das Herbstlaub, das die Bäche deckt
In Vallombrosa, wo sich Schatten hoch
Von Tuscien wölben; oder schwimmend Schilf,
Als Orion, mit Sturmgewalt bewehrt, 305
Die Rotmeer-Küste peitschte, dessen Woge
Busiris und sein Memphisch Heer verschlang
Bei der Verfolgung, tückisch, hasserfüllt,
Der Siedler Goshens, die vom sichren Strand
Die Leichen und die Fuhrwerkstrümmer sahn: 310
So dicht verstreut, verloren, hingeworfen,
So lagen sie bedeckend dort die Flut,
Gelähmt vom fürchterlichen Wechselfall.
Er rief so laut, dass in der Tiefe hohl
Die Hölle hallte: „Prinzen, Mächtige, 315
Des Himmels Glanz, einst euer, nun dahin,
Falls ew’ge Geister packen kann ein Schreck
Wie dieser; oder habt ihr diesen Platz
Gewählt, von Schlachtenmühsal auszuruhn
Die müde Kraft in Ruhe, die zu schlummern 320
Ihr find’t hier wie im himmlischen Gefild?
der habt gelobt ihr, so verächtlich hier
Zu huldigen dem Sieger? Der nun schaut
Seraph und Cherub wogend in der Flut,
Zerstreut die Waffen und Standarten, bis bald 325
Die raschen Verfolger von des Himmels Tor
Den Vorteil sehn und niedertreten uns,
So sinkend, oder uns mit Donnerkeilen
Durchbohren fest am Boden dieses Schlunds?
Erwacht, steht auf, oder liegt auf ewig hier!” 330
Sie hörten, waren beschämt und fuhren auf
Im Flug, wie Leute, die beim Wächteramt
Von dem Gefürchteten im Schlaf ertappt,
Auffahren und sich regen, kaum ganz wach.
Und wohl erkannten sie die Not, in der 335
Sie steckten, fühlten wohl die wilde Qual;
Und gleich gehorchten sie des Feldherrn Ruf
Zahllos. Wie, als der mächt’ge Stab des Sohns
Amrams zu schlimmer Zeit Ägyptens um
Die Küste schwang und eine schwarze Wolke 340
Von Heuschrecken rief, vom Ostwind hergelenkt,
Die überm frevlen Reiche Pharaos hing
Wie Nacht, verfinsternd ganz das Land am Nil:
So zahllos sah man dort die bösen Engel
Im Flug umschweben unterm Höllendach, 345
Und Feuer oben, unten, ringsherum;
Bis, als ein Zeichen, der erhobne Speer
Ihres großen Sultans Ihnen Richtung winkt
Und sie im Gleichgewicht sich senken auf
Dem festen Schwefel und die Eb’ne füllen; 350
Eine Menge, wie der völkerreiche Nord
Nie aus gefrornen Landen strömen ließ
Über Rhein und Donau, als Barbarenvolk
Gleich einer Flut nach Süden vordrang hin
Bis über Gibraltar und zu Libyens Sand. 355
Gleich eilen da von jedem Korps und Trupp
Die Obersten und Führer hin, wo stand
Der große Feldherr; gottgleich von Gestalt
Und übermenschlich, Fürstenhoheiten
Und Mächte, die auf Himmels Thronen saßen, 360
Sind ihre Namen auch im Himmel nicht
Mehr registriert, getilgt und ausradiert
Durch ihre Rebellion im Lebensbuch.
Auch hatten unter Evas Söhnen sie
Noch ihre neuen Namen nicht, bis sie 365
Auf Erden wanderten, mit Gottes hoher
Erlaubnis, um die Menschheit zu versuchen;
Mit Falsch und Trug verführten sie zumeist
Die Menschen, abzufallen vom Schöpfer Gott,
Die unsichtbare Glorie dessen, der 370
Sie schuf, zu wandeln oftmals in das Bild
Von einem Scheusal, bunt herausgeputzt
Mit frohem Kultus voll von Prunk und Gold,
Und Teufel als Gottheiten zu verehren:
Da kannte man mit vielen Namen sie
Und vielen Bildern in der Heidenwelt. 375
Sag, Muse, ihre spätren Namen, wer zuerst,
Wer letzt vom glühenden Lager sich erhob
Auf ihres Großherrn Ruf, wer nächst an Rang
Kam einzeln, wo er stand am kahlen Strand,
Indes die große Menge ferne stand. 380
Rang hatten solche, die, vom Höllenschlund
Auf Erden Beute suchend, ihren Sitz
Zu stellen wagten einst nächst Gottes Sitz,
Altäre neben seinen, Götter verehrt
Von Völkern rings, und wagten zu bestehn 385
Jehovahs Donner her von Sion, wo
Er thronte zwischen Cherubim; ja, oft
In seinen Tempel legten sie den Schrein,
Ein Gräuel; und heil’ge Feste und Handlungen
Entweihten sie mit lästerlichem Kult, 390
Beleidigten sein Licht mit ihrem Dunkel. –
Zuerst kam Moloch, schauriger Fürst, mit Blut
Beschmiert von Menschenopfer und Elterntränen,
Blieb auch im Tamburin- und Trommellärm
Das Schreien der Kinder ungehört, die Feuer 395
Zu seinem Bild durchschritten. Ihn verehrte
Der Ammoniter in Rabbas feuchtem Tal,
Im Argob und im Basan, bis zum Strom
Des fernsten Arnon. Und zufrieden nicht
Solch dreister Nachbarschaft, verführt’ er selbst 400
Den weisen Salomon, sein Heiligtum
Just vor dem Tempel Gottes zu erbauen,
Auf jenem Schandberg, und zu seinem Hain
Macht’ er das heitre Hinnom-Tal, seitdem
‘Tophet’ und ‘Schwarz-Gehenna’, Bild der Hölle. – 405
Als nächster Chemos, ekles Schreckgespenst
Der Söhne Moabs, von Aroer bis Nebo
Und südwärts bis zum wüsten Abarim;
In Hesebon, Horonaim, Seons Reich,
Jenseits des blühenden Sibmatals, voll Wein, 410
Und Eleale bis zum Toten Meer.
Auch Peor hieß er, als er Israel
In Sittim lockte auf dem Marsch vom Nil
Zu geilem Feste, das zum Leid ausschlug.
Doch dehnt’ er seine wüsten Orgien aus 415
Gar bis zum Berg der Schande, bei dem Hain
Des Mörders Moloch, Wollust nah beim Hass,
Bis sie zur Hölle jagte Josiah. –
Mit diesen kamen die, die von dem Grenzfluss
Des alten Euphrat bis zum Bach, der trennt 420
Von Syrien Ägypten, insgemein
Man Báalim und Áshtaroth nannte, jene
Als männlich, diese weiblich. Geister sind
Beliebig beiderlei Geschlechts; so weich
Und stofflos ist ihr reines Sein und nicht 425
Verknüpft, gebunden durch Gelenk und Glied
Noch auf zerbrechliches Gebein gestützt
Wie schweres Fleisch; vielmehr in Form nach Wahl,
Ob ausgedehnt, ob fest, ob dunkel, ob klar,
Gehn sie den oberird’schen Zwecken nach 430
Und können Werke tun als Freund und Feind.
Für sie gab auf der Stamm von Israel
Oft die lebend’ge Kraft und ließ im Stich
Den rechten Altar, tief sich beugend vor
Tiergötzen; wofür ihre Häupter tief 435
Sich beugten im Kampf, gesunken vor dem Speer
Verachtenswerter Feinde. – Mit dieser Schar
Kam Astoreth, bei den Phöniziern
Astarte, Himmelsfürstin, sichelgehörnt;
Dem strahlenden Bilde weihten nachts beim Mond 440
Sidonische Jungfrauen ihr Gebet und Lied,
Gesungen auch in Sion, wo auf dem
Schandbaren Berg ihr Tempel stand, erbaut
Von jenem lüsternen König, dessen Herz, stark zwar,
Berückt von hübschen Priesterinnen, doch 445
Verfiel dem Götzen. – Thammuz kam danach,
Dessen Wunde jährlich Syrische Mädchen lockte
Zum Libanon, um einen Sommertag
Sein Schicksal zu beklagen im Liebessang,
Wenn sanft Adonis von dem fels’gen Quell 450
Purpurn zum Meer floss, wie geglaubt vom Blut
Des Thammuz, jährlich wund: die Liebes-Mär
Fiel Sions Töchter an mit gleicher Glut;
Die Orgien im geweihten Hofe sah
Ezechiel, als durch Vision geführt 455
Sein Auge schaut’ den düstren Götzendienst
Des abgefallenen Juda.- Dann kam einer,
Der laut wehklagte, als die Lade, die
Erbeutet in Händen der Philister war,
Zerschlug sein Tierbild, kappte Händ’ und Kopf
Im eignen Tempel, auf der Schwelle, wo 460
Er niederfiel, den Anbetern zur Scham:
Dagon hieß er, Meerunhold, oben Mensch
Und unten Fisch: sein Tempel ragte hoch
In Azotus, gefürchtet am Gestad
Von Palästina, in Gath und Ascalon, 465
Und Accaron und Gazas Grenzgebiet. –
Ihm folgte Rimmon, dessen heitrer Sitz
Das schöne Damaskus war, an fetten Ufern
Der klaren Ströme Abbana und Pharphar.
Auch er war trotzig gegen Gottes Haus: 470
Ein Aussätz’ger entging ihm, ihm verfiel
Ein König, Ahas, sein Bezwinger, Narr,
Den lockt’ zu schmähn er Gottes Altar und
Für einen syrischen zu tauschen zu
Verhassten Brandopfern und Gebet zu Göttern, 475
Die er besiegt doch hatte. – Drauf erschien
Ein Trupp, der unter Namen, altbekannt,
Osiris, Isis, Horus und ihr Tross,
Mit Schreckgestalten und mit Zauber täuschte
Ägypten und die Priester, dass im Wahn 480
Sie ihre Götter suchten in Tiergestalt
Statt menschenartig. Und auch Israel
Blieb nicht verschont, als sein geborgtes Gold
Zum Kalb am Horeb wurd: und doppelt sündigt
Der frevle König in Bethel und in Dan, 485
Den Schöpfer bildend wie den weidenden Stier,
Jehovah, der beim Auszug aus Ägypten
In einer Nacht erschlug die Erstgeburt
Und all die blökenden Götter mit einem Streich.-
Zuletzt kam Belial, zuchtloser fiel 490
Kein Geist als er vom Himmel, gieriger nicht
Nach Laster bloß; kein Tempel stand für ihn,
Kein Altar rauchte; doch wer mehr als er,
In Tempeln, an Altären, wenn gottlos
Der Priester wurd, wie Elis Söhne, wer füllte 495
Mehr mit Gewalt und Wollust Gottes Haus?
An Höfen, in Palästen herrscht er auch
Und auch in üppigen Städten, wo der Lärm
Von Orgien über die höchsten Türme steigt,
Und Unrecht und Verbrechen: und wenn Nacht 500
Die Straßen dunkelt, schwärmen fort die Söhne
Des Belial, voll Übermut und Wein.
Beispiel sind Sodoms Straßen und die Nacht
In Gibeah, als das gastfreie Haus
Die Frau preisgab, zu meiden schlimmeren Raub. – 505
Die Ersten waren dies an Rang und Macht;
Die andern nennen, wär zu lang, so groß
Ihr Ruhm war, Joniens Götter, göttlich verehrt
Von Javans Stamm, doch jünger als Erd und Himmel,
Gerühmt als Eltern; Himmels Erstling war 510
Titan mit Riesensaat; sein Vorrecht raubte
Der jüngere Saturn, der Gleiches litt
Vom stärkren Zeus, dem eignen und Rheas Sohn;
So herrschte siegreich Zeus: zuerst bekannt
Auf Kretas Ida, regierten die dann auf 515
Dem schneereichen Olymp die Mittelluft,
Ihren höchsten Himmel, und auf Delphis Fels
Und in Dodona und im ganzen Land
Der Dorer; andre flohn mit Alt Saturn
Über Adria nach Hesperien und hausten 520
Jenseits des Keltischen am Rand der Welt.
All diese und weitre kamen zuhauf, den Blick
Gesenkt und dumpf, doch so dass vage erschien
Ein Funken Freude, ihren Herrn zu sehn
Verzweifelt nicht, sich selbst verloren nicht 525
Auch im Verlust; was gleichfalls zweifelnd glomm
In seiner Miene: doch sich fassend bald
Zum alten Stolz, hob er mit großem Wort,
Das schien bedeutsam, doch nicht war, gemach
Den zagen Mut ihnen und vertrieb die Furcht. 530
Er gibt Befehl, zum kriegerischen Schall
Der Zinke und Trompeten aufzuziehn
Sein mächt’ges Banner; dies stolze Amt nahm sich
Als Recht ein großer Cherub, Azazel:
Sogleich entrollte er vom glänzenden Schaft 535
Das Herrschaftszeichen, das hoch aufgepflanzt
Schien wie ein Meteor fließend im Wind,
Mit goldnem Glanz und Gemmen reich geschmückt,
Mit Engelswappen und Trophäen, und stets
Von schmetternden Trompeten Töne des Kriegs: 540
Wozu das ganze Heer Geschrei erhob,
Das schier zerriss die Höllenkuppel und
Das Reich des Chaos schreckte und der Nacht.
Im Augenblick sah man im Düster sich
Zehntausend Banner heben in die Luft, 545
In bunten Farben winkend; dazu hob sich
Ein Wald von Speeren; Helme dicht gedrängt
Erschienen und von Schilden ein dichter Block,
Unmessbar tief: gleich rücken sie voran,
Vollkommen in Phalanx, zu dem Dorischen Ton 550
Der Flöten und Schalmeien; wie er hob
Zu edelstem Mut die alten Helden einst,
Zur Schlacht sich rüstend, und statt Wut verströmte
Bedachte Kraft, fest, ungerührt im Drohn
Des Tods zu feigem Rückzug oder Flucht, 555
Nicht ohne Macht, zu sänftigen und zu stillen
Mit Ernst besorgte Ahnungen und fort
Zu treiben Zweifel, Furcht und Gram und Leid
Von Sterblichen und auch Unsterblichen.
Vereinte Kraft so atmend, festen Sinns, 560
Marschierten schweigend sie zu Flöten, die
Den Schmerz der Schritte heilten auf glühndem Grund;
Zur Must’rung stehn sie nun, starrende Front,
Bedrohlich lang im Waffenglanz, nach Art
Antiker Krieger, Speer und Schild bei Fuß, 565
Erwartend ihres mächt’gen Herrn Befehl:
Hin durch die Reihen in Waffen wirft er sein
Geübtes Aug und überblickt bald quer
Das ganze Bataillon, die Disziplin,
Gesichter und Gestalt von Götterart, 570
Und überschlägt zuletzt die Zahl. Nun schwillt
Sein Herz von Stolz, und festigend sich an Kraft
Frohlockt’s: denn seit der Mensch erschaffen, nie
Kam solche Macht zusammen, die mit diesen
Verglichen mehr zählt’ als der kleine Trupp, 575
Bekriegt von Kranichen: wär auch die Brut
Von Phlegras Riesen mit dem Heldenvolk
Vereint des Kriegs bei Theben und Troja nebst
Hilfreichen Göttern beidseits; und was tönt
In Sage und Roman von Uthers Sohn, 580
Umringt von Brit’schen und Armor’schen Rittern;
Und alle dann, ungläubig oder getauft,
Die fochten in Aspramont und Montalban,
Damaskus und Marokko und Trebisond,
Oder die Biserta schickte aus Afrika, 585
Als Karl der Große samt den Edlen fiel
Bei Fontarabbia. Doch so unvergleichbar
Dem Kriegsmut Sterblicher, sahn sie mit Scheu
Auf ihren hehren Führer: der, an Wuchs
Und Haltung über alle ragend stolz, 590
Stand wie ein Turm; verloren hatt’ nicht ganz
Sein Bild den früheren Glanz, schien Mind’res nicht
Als ein Erzengel, gefallen, nur verblasst
Sein höchster Ruhm: wie wenn die Sonne neu
Schaut durch die dunst’ge Luft des Horizonts, 595
Beraubt der Strahlen, oder hinterm Mond
Verfinstert bleich bedrohliches Zwielicht schickt
Dem halben Erdkreis und die Herrscher schreckt
Mit Furcht vor Umsturz. So getrübt, schien doch
Der Erzengel noch vor allen: wohl war sein 600
Gesicht von Donnernarben gekerbt, saß Unruh
Auf welker Wange, doch unter Brauen
Von kühnem Mute und bewusstem Stolz,
Auf Rache lauernd: wild sein Blick, warf doch
Von Reue Zeichen und von Schmerz, zu sehn, 605
Die mit ihm frevelten, vielmehr ihm folgten
(Sehr anders einst zu sehn im Glück), verdammt
Für immer nun zum Los der Qual,
Millionen Geister, um seine Schuld verbannt
Vom Himmel und aus ew’gem Glanz verstoßen 610
Um seinen Aufruhr, standen treu doch da,
Ihr Ruhm dahin. Wie wenn des Himmels Glut
Waldeichen oder Föhren hat versengt,
Und mit verdorrtem Wipfel kahl, doch stolz
Ihr Stamm auf dürrer Heide steht. Nun hub 615
Er an zu sprechen; wozu sie die Reihn
Im Halbkreis um ihn an den Flügeln bogen
Mit allen Edlen: achtsam schwiegen sie.
Dreimal versucht er’s, dreimal, wider den Stolz,
Entsprossen Tränen, wie sie Engel weinen: 620
Zuletzt, unter Seufzern, fand sein Wort den Weg.
“Ihr Myriaden Geister, unsterblich, mächtig
Vor allen, nur dem Allmächt’gen nicht: die Schlacht
War ruhmlos nicht, ging sie auch schrecklich aus,
Wie dieser Ort unser schrecklich Los bezeugt, 625
Verhasst zu nennen: doch welch’ Geisteskraft,
Vorschauend oder prophetisch aus dem Wissen,
Was war und ist, hätt fürchten können je,
Wie solche vereinte Macht von Göttern, eine,
Die stand wie diese, jemals scheitern könnt? 630
Denn wer kann’s glauben, selbst nach dem Verlust,
Dass diese mächt’ge Heerschar, deren Fall
Den Himmel hat entleert, nicht sollt zurück
Aufsteigen zu dem angestammten Sitz?
Das ganze Himmelsheer sei Zeuge mir, 635
Ob von mir falscher Rat, ob Feigheit uns
Um unsre Hoffnungen brachten! Er, der herrscht
Im Himmel, saß so sicher bis dahin
Auf seinem Thron, gestützt von altem Ruf,
Konsens und Brauch, und allen Herrschaftsprunk 640
Entfaltet’ er, doch barg stets seine Kraft,
Was uns zum Anschlag lockte und stürzen ließ.
Nun kennen seine Macht wir und die eigne,
Um weder ihn zu reizen noch, gereizt,
Zu fürchten neuen Krieg; gut tun wir dran, 645
Geheim zu planen, mit Betrug und List,
Was nicht Gewalt vermochte: dass er doch
Am End einseh von uns, wer mit Gewalt
Auch siegt, hat halb besiegt nur seinen Feind.
Der Raum mag neue Welten bringen; davon 650
Ging oft die Rede im Himmel, längst gedacht
Er sie zu schaffen und drin ein Geschlecht
Zu pflanzen, das er mit der gleichen Gunst
Würd schätzen wie des Himmels Söhne selbst:
Dorthin, und sei’s zu spähn nur, soll vielleicht 655
Der erste Ausfall gehn, oder sonst wohin:
Denn dieser Höllenschlund soll halten nie
In Knechtschaft Himmelsgeister noch die Schlucht
Sie lang mit Dunkel decken. Doch dies muss
Gut Rat noch reifen lassen: Frieden gibt es nicht, 660
Denn wer dächt an Ergebung? Krieg denn, Krieg
Sei drum beschlossen, offen oder verdeckt!”
Er sprach’s: und zur Bestätigung fuhren auf
Millionen Flammenschwerter von der Seite
Der mächtigen Cherubim; der jähe Glanz 665
Erhellte weit die Hölle rings: wild tobten
Sie gegen den Höchsten, grimmig schlugen sie
Mit Schild und Waffen dröhnend Kriegeslärm,
Gen Himmelskuppel schleudernd ihren Trotz.
Es stand ein Berg nicht fern; sein wüster Kegel 670
Spie Feuer und wirbelnd Rauch; sonst schien er ganz
Von blanker Kruste, Zeichen zweifellos,
Dass er im Schoß metallisch Erz verbarg,
Das Werk von Schwefel. Dorthin flog geschwind
Ein großes Bataillon. So wie wenn Trupps 675
Von Pionieren mit Pick und Spaten eilen
Dem Königsheer voran, ein Camp mit Wall