John Sinclair 2156 - Marc Freund - E-Book

John Sinclair 2156 E-Book

Marc Freund

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Dämonenfänger

Die Klapperschlange schoss aus ihrem Versteck im Schatten einer Sanddüne. Sie stellte ihr Vorderteil aufrecht und erzeugte mit ihrem gestreiften Schwanz ein rasselndes Geräusch, das allen Feinden eine Warnung war. Etwas hatte sie aufgeschreckt. Sie konzentrierte sich auf den Angriff, der jede Sekunde erfolgen würde, bereit, dem Gegner ihre nadelspitzen Zähne in den Leib zu schlagen. Jetzt!
Eine Hand stieß von unten durch den glühenden Sand. Kräftige Finger packten das Tier kurz unterhalb des Kopfes und zerquetschten es auf der Stelle. Die Mojave-Klapperschlange erschlaffte, während sie noch immer in der Faust baumelte, die sich siegesgewiss in Richtung der sengenden Sonne streckte ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Der Dämonenfänger

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: camilkuo; Alex Tooth/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8862-6

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Dämonenfänger

von Marc Freund

Die Klapperschlange schoss aus ihrem Versteck im Schatten einer Sanddüne. Sie stellte ihr Vorderteil aufrecht und erzeugte mit ihrem gestreiften Schwanz ein rasselndes Geräusch, das allen Feinden eine Warnung war. Etwas hatte sie aufgeschreckt. Sie konzentrierte sich auf den Angriff, der jede Sekunde erfolgen würde, bereit, dem Gegner ihre nadelspitzen Zähne in den Leib zu schlagen. Jetzt!

Eine Hand stieß von unten durch den glühenden Sand. Kräftige Finger packten das Tier kurz unterhalb des Kopfes und zerquetschten es auf der Stelle. Die Mojave-Klapperschlange erschlaffte, während sie noch immer in der Faust baumelte, die sich siegesgewiss in Richtung der sengenden Sonne streckte …

Er hatte sich aus seinem Grab in der Wüste erhoben. Nur noch der Staub auf seinen reptiliengrünen Stiefeln und seiner Kleidung zeugte davon, wo er die letzten zweihundert Jahre verbracht hatte. In der flirrenden Hitze über dem Sand blickte er nach Westen, wo eine Straße mitten durch die menschenfeindliche Landschaft verlief.

Er schritt schneller aus, kräftige Bewegungen trieben ihn voran. Über ihm hatte sich eine dunkle Wolke aus Sturm und Sand gebildet, die er wie einen gigantischen Luftballon hinter sich her zog.

Seine scharfen Augen machten Umrisse aus, die sich auf der anderen Straßenseite aus der Hitze herauskristallisierten. Eine kleine Ansammlung von Häusern und Wohnwagen. Ein Restaurant, eine Bar oder was auch immer. Etwas reflektierte das gleißend helle Sonnenlicht. Er wusste nicht, dass man es Chrom nannte, aber es faszinierte ihn auf den ersten Blick. Zumal es zu den Dingern gehörte, die sich auf zwei Rädern fortbewegten.

Als er nur noch etwa einhundert Meter von der Straße entfernt war, kamen mehrere Männer aus dem Saloon, schwangen sich auf die Sitze und rasten unter ohrenbetäubendem Lärm auf ihren zweirädrigen Maschinen davon.

Er blieb eine Weile stehen, um ihnen zuzusehen. Die Motorengeräusche, die Geschwindigkeit, der aufgewirbelte Staub, das alles beeindruckte ihn. Als die Männer auf ihren Rädern in dem winzig schmalen Streifen zwischen dem Himmel und der Wüste verschwunden waren, setzte er sich wieder in Bewegung.

Sein rechter Stiefel machte Bekanntschaft mit dem glühenden Asphalt des Highway 375.

Natürlich kannte er diese Bezeichnung noch nicht, wurde sie doch, genau wie die Straße, erst gebaut lange nachdem er in Vergessenheit geraten war.

Das sollte sich schon bald ändern. Denn er würde den Menschen neben dem Sand und dem Sturm vor allem eines bringen: den Tod!

Wenige Minuten zuvor

»Hat einer von euch Pennern schon mal aus dem Fenster gesehen?«

Jayden Price, ein dunkelhaariger, sehniger Typ mit Dreitagebart, kam gerade aus dem Waschraum des Little Sand Springs Inn und blickte durch die staubigen Scheiben über den Highway hinweg, hinaus in die Wüste.

Vor dem langen Tresen an der Bar drehten sich sechs Männer auf ihren langbeinigen Hockern um.

»Verflucht, was soll das denn?«, gab einer von ihnen mürrisch zurück. »Vor ner Minute war der Himmel doch noch blank wie ne rasierte …«

»Überleg dir genau, was du sagst, mein Junge!«, fuhr ihm die Frau hinter der Theke dazwischen.

Skye Ford gehörte der Laden, der zu einem Treffpunkt der Biker Gang geworden war. Sie hatte die Fünfzig schon vor einigen Jahren hinter sich gelassen und kleidete sich gern schillernd wie ein Paradiesvogel, um genau das zu kaschieren. Ihre grüne Bluse mit den knallgelben Applikationen und den langen Fransen an den Ärmeln bildete einen nahezu perfekten Kontrast zu ihrem orangeroten Haar. Ihre Augen trieften geradezu vor dunkelblauem Lidschatten.

»Jayden hat recht«, sagte sie, als sie ihren stämmigen Oberkörper ein Stück weit über den Tresen beugte, um einen Blick durch ihre Fenster zu erhaschen. »Ich sag’s nicht gern, aber ihr solltet vielleicht besser machen, dass ihr euer Zeug austrinkt und dann von hier verschwindet.«

»Ja, Ma’am«, antwortete einer der Biker, der auf den Namen Floyd Cramer hörte. Er setzte sein Bierglas an und leerte den Rest in einem Zug. Als er es wieder abstellte, rülpste er geräuschvoll.

Logan MacDonald, der der Anführer der fröhlichen Truppe war, glitt in seiner Lederkluft vom Hocker und trat an die großen Scheiben heran.

»Da braut sich was zusammen. Kommt direkt auf uns zu, würde ich sagen.«

»Sieht wie ein verdammter Sandsturm aus«, rief jemand von hinten. Nacheinander wurden die Gläser geleert und auf die Theke gestellt.

»Ja, schon möglich«, knurrte Logan, ein untersetzter, kräftiger Kerl mit grauem, ausuferndem Bart. »Obwohl ich so etwas wie das da noch nie gesehen habe.«

Das Gebilde in der Ferne sah aus wie eine Sandhose, die durch die Wüste direkt auf die Bar zuwanderte.

Sammy Chan, der Asiate, trat neben ihn. Er blinzelte. »Geht da etwa einer voran?«

Logan MacDonald warf dem anderen einen kurzen Blick zu, bevor er wieder durch die Scheibe starrte.

Direkt vor der wirbelnden Erscheinung aus Sand, die bis weit in den Himmel reichte, schritt eine Gestalt, von der nicht viel mehr zu erkennen war als ihre Umrisse.

»Verdammt, du könntest tatsächlich recht haben. Muss ein Wahnsinniger sein.«

»Was ist?«, wollte einer der anderen wissen. »Hauen wir ab?«

»Nein«, sagte MacDonald gedehnt und ohne seinen Blick von dem Schauspiel abzuwenden. »Wir ziehen weiter. Das ist ein Unterschied, klar? Und ich schlage vor, dass ihr euch nicht mehr allzu viel Zeit lasst. In fünf Minuten ist Abfahrt. Besser noch in drei.«

»Was machen wir mit unserem Baby Boy?«, fragte Jayden Price und deutete auf einen jungen Mann, der am rechten Ende des Tresens in der Nähe der Tür hockte. Sein Kopf lag auf dem blank gewienerten Mahagoni. Lediglich sein dunkler Haarschopf war zu sehen.

Price versetzte seinem Kollegen einen Stoß mit dem Ellenbogen in dessen Rippen, der ihn beinahe vom Hocker katapultiert hätte.

Der junge Mann, Delray Martin, hob den Kopf und blickte verschlafen drein.

»Was ist los?«

»Aufbruch, mein Junge«, antwortete Price grinsend und deutete nach draußen.

Delray Martin hatte Mühe, zu erkennen, was dort vor sich ging. Seine Augen zwinkerten.

Logan MacDonald löste sich mit finsterer Miene von dem Fenster und wandte sich ihrem jüngsten Mitglied zu. »Verdammt noch mal, wie viel hat der denn in der kurzen Zeit gebechert?«

»Schätze, er hat den Tequila nicht vertragen«, gab Price zurück. Sein Kommentar sorgte für allgemeine Heiterkeit.

»Ich … komme schon«, sagte Martin Delray. Bei dem Versuch, vom Barhocker zu steigen, verlor er das Gleichgewicht und konnte im letzten Augenblick noch von Sammy Chan aufgefangen werden.

Logan MacDonald schüttelte energisch den Kopf. »Der fährt heute nirgendwo mehr hin.« Er wandte sich an die Chefin. »He, Skye, du hast nach hinten raus doch die beiden Zimmer, die du vermietest. Sind die frei?«

Die rothaarige Besitzerin des Little Sand Springs Inn nickte. »Dreißig Dollar pro Nacht.« Sie verzog das Gesicht, als sie den Blick des Bikers auffing. »Also schön, fünfundzwanzig, weil ihr es seid.«

Logan MacDonald nickte. »Sammy, du bleibst bei ihm, klar? Und morgen treffen wir uns im Banger Brewing in Las Vegas.«

Sammy Chan nickte und tippte sich mit Zeige- und Mittelfinger gegen die Stirn. »Klar, Boss.«

Die Biker-Truppe wandte sich dem Ausgang entgegen.

»Ihr wollt die beiden wirklich hier lassen?«, meldete sich eine Stimme aus dem Hintergrund.

Logan MacDonald drehte sich um.

Am hinteren Ecktisch, in der Nähe der Fenster, saß ein Mann, der hier nur Der Professor genannt wurde. Er war seit etwa fünfzehn Jahren Dauergast der kleinen Bar und finanzierte sie durch einen Großteil seiner Invalidenrente. Vor sich auf dem Tisch stand eine Tasse Kaffee. Daneben lag ein dickes Rätselmagazin, in das der langhaarige Mann die meiste Zeit über vertieft war.

Sein richtiger Name lautete Harrison Jones, aber das wusste außer Skye Ford kaum jemand.

Logan MacDonald machte einen Schritt auf den Stammgast zu.

»Haben Sie was dagegen, Mister?«

Der Professor blickte den Biker-Chef aus klaren Augen an. Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich meine nur, weil mir das da draußen nicht nach einem gewöhnlichen Sandsturm aussieht.«

»Sondern?«, fragte MacDonald. Der Rocker hatte seine Augen leicht zu Schlitzen verengt.

»Na ja«, sagte der schmächtige Mann an dem Tisch, in einem Tonfall, der so viel ausdrückte wie: Sie wissen doch wohl, was ich meine. Dazu faltete der Professor die Hände auseinander und deutete nach draußen. »Ihnen ist schon bekannt, wo wir uns befinden, oder?«

MacDonald legte den Kopf leicht schief. »Also, falls Du mich verscheißern willst, Opa …«

»Am besten, ihr hört gar nicht auf ihn«, mischte sich Skye vom Tresen her ein. »Ihr kennt ihn doch, er kommt seit Jahren her und prophezeit, dass es irgendwann so weit ist, dass einer von ihnen ausbricht.«

Der Biker-Boss sah sich kurz zu ihr um. »Ah, jetzt begreife ich langsam.« Sein Blick wanderte wieder zu dem Alten. »Du denkst, dass uns einer deiner Freunde besuchen kommt, hm?« MacDonald beugte sich leicht herunter und stützte sich leicht auf dem Tisch auf, sodass die Platte unter seinem Gewicht knarrte. »Wahrscheinlich ist es Zeit für den Abflug, und sie kommen, um dich abzuholen, was?« MacDonald lachte laut auf und genoss es sichtlich, dass die gesamte Truppe – bis auf Delray Martin, der den Spruch nicht mitbekommen hatte – in dieses Lachen mit einstimmte.

Nur der Professor verzog keine Miene. »Ich weiß, was ich weiß«, sagte er düster, und die allgemeine Heiterkeit legte sich nach und nach.

»Die Sache mit Area 51 ist Wirklichkeit. Was glaubt ihr, warum sich die Gerüchte darüber seit Jahrzehnten so hartnäckig halten?«

Der stämmige Biker strich sich seinen wallenden Bart glatt, während er den Alten schelmisch anzwinkerte. »Weil sie alte Spinner wie du einfach nicht zur Ruhe kommen lassen, ganz einfach.« Logan MacDonald wandte sich ab und gab den anderen ein Zeichen. »Los, Leute, bevor den Aliens auffällt, dass sie für ihr Raumschiff noch ein paar Sklaven brauchen.«

»Beam mich rauf, Scotty«, rief Cramer, der die Tür öffnete und zum Abschied noch einmal »Beep, beep«, hineinrief.

Der Tross der Biker folgte, und die Bar leerte sich nach und nach.

Lediglich Sammy Chan blickte seinen Kumpanen mit gemischten Gefühlen nach. Er musste sich eingestehen, dass er lieber mit ihnen gefahren wäre.

»Ich wusste, dass der Tag irgendwann kommen würde«, flüsterte der Professor, der mit einem Mal direkt hinter ihm stand.

Der Chinese zuckte hefig zusammen, erwiderte aber nichts.

Die beiden ungleichen Männer blickten nach draußen und beobachteten, wie sich die anderen auf ihre Maschinen schwangen.

Ein Motor nach dem anderen erwachte röhrend zum Leben.

In einer gewaltigen Staubwolke machten sich die Biker davon.

»Die haben es richtig gemacht«, flüsterte der Professor. »Aber für uns, fürchte ich, ist es zu spät.«

Sammy Chan keuchte. Er hatte gerade die beiden verbliebenen Motorräder hinter das Haus geschoben und war vor der Eingangstür des Little Sand Springs Inn stehengeblieben. Er war zwar nicht in dieser Gegend aufgewachsen, hatte aber dennoch bereits allerhand in seinem Leben gesehen. Nur das, was sich ihnen da näherte, wollte etwas in ihm nicht begreifen.

Es war kein Sandsturm, der da auf die Kleinstadt Rachel zuhielt. In dem Fall wäre die Sand- und Staubwolke bereits weithin sichtbar gewesen und der Himmel hätte sich verdunkelt.

Am ehesten handelte es sich um eine Sandhose, die weit um sich zu greifen schien und nach oben hin einen breiten Trichter bildete. Selbst das war nicht einmal äußerst ungewöhnlich. Chan hatte schon Wind- und Sandhosen gesehen, die weit spektakulärer gewirkt hatten.

Was ihm inzwischen wirklich Angst machte, war die Gestalt, die dem Phänomen voranschritt. Es war, als würde er den Sand dirigieren, ihm die Richtung anzeigen. Natürlich war das ein Ding der Unmöglichkeit, und Sammy Chan hütete sich, auch nur ein Wort davon laut auszusprechen. Dennoch sah er es mit eigenen Augen.

Chan beeilte sich, die Bar zu betreten und die Tür hinter sich zu schließen. Er trat an eines der Fenster heran.

Rechts neben ihm stand der Professor, der die ganze Zeit irgendwelches unverständliche Zeug in seinen krautigen Bart murmelte.

Selbst Skye Ford hatte ihren Platz hinter dem Tresen verlassen und wagte sich mit kleinen Schritten näher. Ihr Haar wirkte zerzaust, als wäre sie vor Nervosität mehrfach mit den Fingern hindurchgegangen.

»Wer, zur Hölle, ist das?«, flüsterte Chan, als die Gestalt einen Fuß auf den Highway setzte, und sich daranmachte, ihn mit forschen, zügigen Schritten zu überqueren.

Die Erscheinung war jetzt nur noch etwa zwanzig Meter entfernt. Noch immer war von ihr allerdings nicht mehr zu erkennen als einige vage Umrisse. Eine menschliche Silhouette. Doch Chan bezweifelte langsam, dass es sich dabei wirklich um einen Menschen handelte.

»Es ist gekommen, um sich zu rächen«, sagte der Professor, dieses Mal mit fester Stimme, die vor Überzeugung strotzte. »Für das, was man ihm und seinen Gefährten jahrzehntelang angetan hat. Und wir sind die Ersten, die seine Rache zu spüren bekommen.«

Chan tauschte einen kurzen Blick mit Skye. »Kannst du ihm nicht irgendwas einflößen, damit er seine Klappe hält?«

Skye blickte sich zur Bar um, als würde sie tatsächlich überlegen, was für diesen Zweck am besten geeignet wäre. Stattdessen beobachtete sie Delray Martin, wie er seinen Kopf hob und sie aus glasigen Augen anstarrte.

»Was’n los? Was glotzt ihr denn die ganze Zeit aus dem Fenster?«

»Nichts weiter, mein Freund«, antwortete der Professor. »Legen Sie sich wieder hin.« Der Alte nickte Chan zu. »Ihr Kumpel ist vermutlich der einzige Glückliche, der die Apokalypse verpennt.«

Der Chinese machte ein wütendes Gesicht und wollte etwas erwidern, als sich der Himmel über dem Little Sand Springs Inn schlagartig verdunkelte. Der Sand schmirgelte über das Dach hinweg und erzeugte dabei Geräusche, als würde er sie anbrüllen.

Millionen von feinsten Sandkörnern prickelten gegen die Fensterscheiben.

Chan und Frye traten unwillkürlich mehrere Schritte zurück, bis sie mit ihren Hinterteilen gegen die Barhocker vor dem Tresen stießen.

Lediglich Harrison Jones, der Professor, machte einen Schritt auf die mannshohen Scheiben zu und breitete seine Arme aus.

»Freiheit für eure geknechteten Seelen«, schrie er plötzlich. »Und die Sterne des Himmels fielen herab auf die Erde, wie wenn ein Feigenbaum seine Früchte abwirft, wenn ein heftiger Sturm ihn schüttelt!«

Skye Ford stieß einen spitzen Schrei aus, als es plötzlich nahezu stockfinster in der Bar wurde und gleichzeitig aus der Steckdose hinter dem Flipperautomaten blaue Funken sprühten.

Die Jukebox in der Ecke beim Durchgang zu den Waschräumen schien plötzlich von innen her zu glühen, als der Plattenarm mehrfach über eine der kleinen Vinylscheiben kratzte.

Die Flaschen und Gläser klirrten in den Regalen.

»Die Zeit seines Gerichts ist gekommen«, brüllte der Professor gegen den Lärm an. Der alte Mann klebte jetzt förmlich an der Scheibe. Seine Augen waren weit aufgerissen, und er versuchte, durch den dichten Vorhang aus Sand nach draußen zu starren.

Genauso schnell, wie der Sturm über sie gekommen war, schien er auch wieder zu verschwinden. Der Sand fegte über sie hinweg. Allmählich wurde es wieder heller.

Zurück blieb eine Totenstille.

Selbst Delray Martin war jetzt endgültig wach. Er klammerte sich am Tresen fest. Seine Augen waren weit geöffnet, die Kinnlade war heruntergesackt.

Draußen vor dem Gebäude hatte sich der Sand abgelagert und reichte fast bis an die Fenster heran.

Ansonsten war nichts zu sehen. Die Stadt, der ohnehin wenig befahrene Highway, alles schien still zu sein, wirkte wie ausgestorben.

Auch von der unheimlichen Gestalt war nichts mehr zu sehen.

Die vier Menschen im Little Sand Springs Inn blickten sich gegenseitig an.

Sie alle dachten, es sei vorüber.

Da waren plötzlich vor dem Eingang Schritte zu hören. In der nächsten Sekunde schwang leise knarrend die Tür nach innen auf.

Das Ding auf der Schwelle starrte sie an!

Es verfügte über eine menschliche Gestalt, wobei sein Kopf kahl war, dafür jedoch mit einer rauen, grobporigen Haut überzogen, unter der sich panzerartige Schädelplatten abzeichneten. Eine Nase war allenfalls angedeutet, und die Augen erinnerten an das Gelb eines Reptils.

Auch die grünen Lederstiefel wirkten nur auf den ersten Blick wie Kleidungsstücke. Wenn man näher hinsah, wirkten die schuppigen Schäfte wie angewachsen.

»Großer Gott«, flüsterte der Professor, »sie sind doch gelandet. Alles, was ich über sie gelesen habe, ist wahr.«

Delray Martin sagte kein Wort. Er presste sich gegen den Tresen. Seine hektischen Atemgeräusche waren für einen Moment lang die einzigen Laute im Raum.

»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, presste Sammy Chan hervor. Seine rechte Hand wanderte dabei langsam unter seine geöffnete Lederjacke.

Der Kopf des Wesens ruckte herum. Der fremde Gast fixierte den Chinesen mit einem kalten Blick.

»Ich habe Sie etwas gefragt, Mister«, mahnte Chan, der seine Hand aus der Innentasche seiner Bikerkutte zog. Bei dieser Bewegung war ein klirrendes Geräusch zu hören.

In den Händen des Rockers lag eine schwere Kette mit silbernen, fingerbreiten Gliedern. Chan entfaltete sie und zog sie zwischen seinen ausgebreiteten Händen stramm. So trat er einen Schritt vor und behielt den anderen dabei genau im Auge.

An dieser Stelle wagte sich der Professor nach vorne.

»Was haben Sie vor? Das dürfen Sie nicht tun! Man hat ihm schon genug angetan. Verbotene Experimente.«

»Halt’s Maul, Alter!«, schnappte Chan zurück und wandte den Kopf.

In dieser Sekunde machte der Besucher einen gewaltigen Schritt nach vorne und packte Chan mit einer Hand im Nacken.

Der Chinese schrie entsetzt auf, während der Professor zur Seite katapultiert wurde und gegen einen der Tische am Fenster prallte.

Sammy Chan riss seine Arme in die Höhe. Die Kette klirrte. Er versuchte, sie seinem Gegner um den Hals zu schlingen, führte seine Bewegung allerdings nicht mehr zu Ende.

Das fremde Wesen öffnete seinen Mund. Aus dem Oberkiefer ragten zwei gebogene Eckzähne, die nach unten hin nadelspitz zuliefern. Dazwischen züngelte etwas, das wie die Zunge einer Schlange aussah.

Chan schrie wie von Sinnen, die Kette rutschte aus seiner Hand und fiel klirrend zu Boden.

Die beiden Fangzähne schlugen sich in seinen Hals. Eine blitzschnelle Bewegung, mit tödlicher Präzision ausgeführt.

Chan stieß einen kurzen, abgehackten Schrei aus. Er taumelte rückwärts, presste sich beide Hände an den Hals. Zwischen seinen Fingern sickerte hellrotes Blut hindurch.

Der Chinese keuchte. Er hatte seinen Mund weit aufgerissen. Er wankte und schien nach Luft schnappen zu wollen. Seine Zunge, blau-violett angeschwollen, quoll zwischen seinen Zähnen hindurch. Dann verdrehte Sammy Chan die Augen und kippte hintenüber.

Der Schlangendämon stand über ihm und starrte ihn mit kalten Augen an. Als Nächstes fiel sein Blick auf Harrison Jones, der sich noch immer in der Nähe der Tische befand.

Der Professor gab einen wimmernden Laut von sich. Er stolperte zwei Schritte vor und fiel vor dem Fremden auf die Knie.

»Bitte verschone mich! Ich bin dein Diener. Ich will tun, was d…«

Weiter kam der Alte nicht. Der Dämon packte seinen Kopf und drehte ihn einmal herum. Ein trockenes, knirschendes Geräusch war zu hören, dann kippte Jones zur Seite und fiel dabei quer über den toten Biker.

Ein Gewehr wurde durchgeladen. Skye Ford hatte die Zeit genutzt, um hinter ihren Tresen zurückzukehren, wo sie ein Gewehr mit langem Lauf aufbewahrte. Ohne zu zögern zielte sie auf den Besucher und drückte im nächsten Moment ab.

Die Barbesitzerin traf, doch die Kugel prallte von dem Wesen ab und sirrte als Querschläger davon.