John Sinclair 2456 - Marc Freund - E-Book

John Sinclair 2456 E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

Der Spuk hatte sein Reich der Schatten verloren, war eingekerkert und wahnsinnig geworden! Und womöglich existierte er gar nicht mehr! Doch er hatte noch drei Diener, die ihm weiterhin treu ergeben waren: der Halbdämon Ty Frazier, die Hexe Anahid und der Wendigo! Sie wollten dem Spuk zur alten Macht verhelfen - koste es, was es wolle! Nach langer Zeit trafen Suko und ich wieder auf dieses höllische Trio - am Untersberg, der an der Grenze zwischen dem deutschen Berchtesgaden und dem österreichischen Salzburg liegt. Doch nicht nur mit ihnen bekamen wir es zu tun, sondern auch mit einem wiederauferstandenen Orden Kreuzritter, der sich ›Die Herren vom Schwarzen Stein‹ nannte und einer finsteren Göttin huldigte!

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Die Herren vom Schwarzen Stein

Grüße aus der Gruft

Vorschau

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Die Herren vom Schwarzen Stein

von Marc Freund

Sie waren ein Verbund aus Dämonen, die sich zwar nicht ge‍sucht, aber auf verschlungenen Pfaden gefunden hatten. Diese Wege waren voller Verderben gewesen und besudelt mit Blut.

Es hatte auch Opfer in ihren eigenen Reihen gegeben, dennoch hatten sie bisher erfolgreich allen Gegnern und Gefahren getrotzt.

Der Halbdämon Ty Frazier, die Hexe Anahid und der Wendigo.

Sie gehörten zu den letzten Dienern des Spuks!

Vor einiger Zeit ...

Er schreckte aus seinem Schlaf auf, der nicht mehr als ein schwebender Dämmerzustand war, aus dem er sich jederzeit und im Bruchteil einer Sekunde selbst befreien konnte.

Mit einem Satz war der Wendigo auf den Beinen. Bedrohlich zeichnete sich seine hohe Gestalt mit dem knöchernen Geweih gegen das Halbdunkel des Raums ab. Unter ihm lag eine schmutzige Matratze, die ihm als Lager diente.

Sein Körper war dominiert von langen Gliedern und sehnigem Muskelgewebe. Die ehemals schneeweiße Haut war von unzähligen schwarzen Narben durchzogen, die Asmodis' Feuer im Kampf um die Höllenscheibe hinterlassen hatte.

Der Wendigo reckte seinen gewaltigen Schädel Richtung Decke und stieß einen schnaufenden Laut aus. Für einen Augenblick noch hielt er inne, dann setzte er sich mit einem gewaltigen Satz in Bewegung. Er huschte zwischen den beiden Pfeilern hindurch, die den Eingang zu seiner unterirdischen Höhle markierten, und war im nächsten Moment bei der Treppe, die über grob in den Fels gehauene Stufen steil nach oben führte.

Dort war ein blasser Fleck zu erkennen. Ein letzter Rest Helligkeit, der in diesem Haus in einer der unzähligen Zwischendimensionen im Reich des Spuks herrschte.

Der Wendigo hetzte hinauf, machte dabei gewaltige Sätze, die katzengleich wirkten und die unbändige Kraft erahnen ließen, die in diesem Wesen wirkte.

Währenddessen war von draußen ein dumpfer Schlag zu hören. Eine Art Donnergrollen, dessen Druckwelle das Gebäude am dunklen Fluss erschütterte. Staub und feine Gesteinspartikel rieselten von der Decke.

Irgendetwas passierte, und der Wendigo war der Erste gewesen, der es gewittert hatte.

Er gelangte in eine weitläufige dunkle Halle, die mit pechschwarzem Boden ausgelegt war. Er wirkte wie ein glatter Spiegel, wie das Abbild einer unendlichen Nacht, in der es keine Sterne gab.

Der Wendigo huschte darüber hinweg und steuerte auf eine unscheinbare Tür zu, die einen Durchgang in der fast drei Meter hohen Felswand bildete.

Das Wesen preschte hindurch und befand sich im nächsten Moment inmitten eines Raums, in dem sich außer einem breiten Himmelbett kein weiteres Möbelstück befand.

Gardinenartige Vorhänge hingen vom Dach des Betts. Dahinter zeichneten sich im seltsam fahlen Licht, dessen Quelle nicht auszumachen war, die Umrisse einer schlafenden Frau ab. Sie lag still da, auf dem Rücken, und rührte sich nicht. Auch war nicht zu erkennen, ob sie atmete.

Der Wendigo zögerte nicht. Er jagte auf das Bett zu, stieß einen schnaubenden Laut aus, hob seine krallenbewehrte Pranke und riss den Vorhang mit einer einzigen Bewegung in Stücke!

Gegenwart

Ich erhielt den Anruf ungefähr drei Minuten, nachdem ich die Tür zu meiner Wohnung aufgeschlossen und meine Jacke an den ihr angestammten Platz an der Garderobe gehängt hatte.

Gerade war ich dabei, den Öffner an eine Flasche Bier zu halten, die ich mir aus dem Kühlschrank geangelt hatte.

Ich setzte beides wieder ab und stellte es beiseite, ohne zu wissen, dass ich an diesem Abend kein Bier mehr trinken, mehr noch, dass das Bier nach dem Anruf sogar vollkommen in Vergessenheit geraten und auf meinem Küchentisch Zimmertemperatur annehmen würde.

Ich langte nach meinem Smartphone, wischte über das Display und setzte aller Wahrscheinlichkeit nach ein verdrossenes Gesicht auf, da ich den Namen des Anrufers bereits gelesen hatte. Trotzdem bemühte ich mich um einen heiteren, fast ausgelassenen Ton.

»Sir James! Was für eine angenehme Überraschung!«

»Geben Sie sich keine Mühe, John. Aus Ihnen wird doch kein guter Schauspieler mehr.«

Ich spürte regelrecht, wie meine Mundwinkel herabsackten. Der Alte klang nicht nur humorlos wie eigentlich immer, nein, heute Abend schien er dazu auch noch schlecht gelaunt zu sein.

»Och, für eine Laienspielgruppe wird es sicher noch reichen«, meinte ich, dann wurde ich ernst. »Gibt es Ärger?«

»Das will ich wohl meinen. Gerade eben kam ein Anruf rein, der zu mir ins Büro durchgestellt wurde.«

»Lassen Sie hören!«

»Das Beste wird sein, Sie machen sich gleich auf den Weg. Ich erkläre Ihnen, was Sie wissen müssen, und lasse Ihnen parallel die Adresse und einen Mitschnitt des Anrufs auf Ihr Handy senden.«

Ich war bereits auf dem Weg zur Garderobe, nahm meine Jacke vom Haken und schlüpfte hinein.

Als ich die Wohnungstür öffnete, stand Suko davor, gerade im Begriff, meinen Klingelknopf unter seinem Daumen zu begraben.

»Suko müsste inzwischen bei Ihnen eingetroffen sein«, sagte Sir James in diesem Moment.

»Alles klar«, antwortete ich.

Ich nickte Suko mit einem Grinsen zu.

Vor einiger Zeit ...

Anahid riss die Augen auf und wandte ihren Kopf nach links. Durch die wehenden Fetzen der Bettgardine blickte sie auf die Gestalt des Wendigos, der in leicht gebeugter Haltung vor ihr stand. Das Wesen stieß einen knurrenden Laut aus.

Die blonde Frau war sofort hellwach. Sie wusste, dass ein besonderer Grund vorliegen musste, wenn der Wendigo sich hierher begab, noch dazu um diese Zeit. Es konnte kein angenehmer Grund sein.

»Was ist los?«, flüsterte sie.

Der Wendigo knurrte abermals und wandte seinen gewaltigen Schädel in Richtung der Zimmertür.

In dieser Sekunde schwoll von draußen ein unheimliches Grollen an, so als hätte sich aus den zerklüfteten schwarzen Felsen, die das einsame Haus umgaben, eine gewaltige Lawine gelöst, die nun unerbittlich auf sie zurollte, um das Gebäude mit allem darin für immer dem Erdboden gleichzumachen.

Dann zuckten Lichter auf. Ein ungleichmäßiges Flackern. Feuer!

Der Raum verfügte nicht über Fenster, es gab nur eine Art Schießscharte, an die Anahid herantrat. Sie blickte auf das dunkle, stetig murmelnde Wasser des Flusses, der das Haus von beiden Seiten umgab und es damit zu einer Art Insel machte. Hinter den Felsen intensivierte sich der unheilvolle Feuerschein mit jeder Sekunde.

Für einen Wimpernschlag stand Anahid still und versuchte, die Situation zu erfassen, die ihr jedoch zunächst unbegreiflich erschien. Sie wusste nur, dass die Geräusche und das Flackern keine guten Vorzeichen waren. Im Gegenteil, sie schienen eine tödliche Gefahr zu bedeuten.

Bisher hatten sie alle das Reich des Spuks als den vermeintlich sichersten Ort der Welt wahrgenommen, doch dieses Bild schien nun ins Wanken zu geraten.

Ein Geräusch des Wendigos riss Anahid aus ihren Gedanken. Die Bestie hinter ihr schnaubte und scharrte mit seinen Krallenfüßen tiefe Rillen in den Boden.

Im Laufe der Zeit hatte sich zwischen der Hexe und dem Wesen eine Art stiller Kommunikation entwickelt, die hauptsächlich auf Blicken und Gesten basierte, hin und wieder auch auf Lauten, die der Wendigo ausstieß, wenn Gefahr drohte. So wie jetzt.

Das Reich des Spuks schien in Aufr‍uhr. Anahid glaubte nun auch Kampflärm wahrzunehmen. Sie machte kehrt und warf dem Wendigo einen kurzen Blick zu.

»Komm!«

Das Wesen setzte sich in Bewegung und war mit einem Satz bei der Tür und zurück in der Halle, die jetzt bereits von dem Feuerschein erhellt war. Was auch immer jenseits der Berge geschah – es schien mit jeder Sekunde weiter auf sie zuzurollen.

Anahid begann zu laufen, quer durch die Halle, die kurze Treppe hinauf, die zur wuchtigen Tür der Bibliothek führte. Sie war nur angelehnt.

Anahid stieß die Tür auf. Der Wendigo war die ganze Zeit über an ihrer Seite.

Ihr Blick irrte durch den Raum, der nur spärlich von einigen Kerzen erhellt wurde.

Auf dem dunkelroten Läufer kniete eine Gestalt, das Gesicht in seinen Händen verborgen. Merkwürdige Geräusche drangen aus der Kehle des Mannes. Dazu bewegte er den Oberkörper hin und her.

Als die beiden anderen eintraten, erstarrte er mitten in der Bewegung. Langsam ließ er die Hände sinken. Es war, als rutschten sie kraftlos an seinen Wangen hinab.

Es handelte sich um Ty Frazier, den Halbdämon.

Sein Blick suchte Anahid, die ihn mit Entsetzen anstarrte.

In Fraziers Augen glomm ein geheimnisvolles Feuer. Langsam öffnete er die schmalen Lippen.

»Das Reich des Spuks ist verloren. Unser Herr ist gefallen!«

Gegenwart

Gemeinsam begaben wir uns in die Tiefgarage, wo ich meinen Audi abgestellt hatte.

Sir James Powell redete derweil unermüdlich auf mich ein.

»Der Name ist Isaac Moran. Er ist Antiquitätenhändler und hat einen kleinen Laden in der Brewer Street. Das liegt in Soho. Soeben hat er unserer Telefonistin erklärt, seine Frau umgebracht zu haben.«

»Bitte, was?«

Suko und ich hatten den Wagen erreicht und stiegen ein. Parallel checkte ich die Adresse, ließ meinen Partner einen kurzen Blick darauf werfen und sie sicherheitshalber ins Navi eingeben.

»Er hat zugegeben, sie mit einem Dolch getötet zu haben, den er für einen Kunden beschaffen sollte. Kaum war die Waffe eingetroffen, hat der Mann sie benutzt.«

»Hat er irgendwelche weiteren Angaben dazu gemacht?«, wollte ich wissen.

»Er sagt, etwas habe ihn dazu gezwungen. Eine Stimme in seinem Kopf. Weiterhin hat er berichtet, es sei ihm vorgekommen, als habe die Waffe selbst zu ihm gesprochen und ihm den grauenhaften Befehl erteilt.«

»Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass der Mann geistig nicht ganz gesund ist?«, hakte ich nach, während ich den Wagen startete und aus der Parkbucht lenkte.

»Nach allem, was wir wissen – nicht, dass es besonders viel wäre –, war Moran bisher geistig vollkommen gesund. Er gilt in der Nachbarschaft höchstens als ein wenig merkwürdig, aber das ist wohl eher auf sein Geschäft zurückzuführen, in dem er allerhand Kuriositäten anbietet.«

»Sie wollen, dass Suko und ich uns die Sache aus der Nähe ansehen«, fasste ich zusammen.

»Mir wäre wohler bei diesem Gedanken. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Sie beide die Ersten am Tatort sein. Ich habe das so verfügt, weil augenscheinlich bei dem Mann keine Fluchtgefahr besteht. Finden Sie heraus, was es mit dem Dolch auf sich hat und warum ein Mann, der seit vielen Jahren als seriöser und gut situierter Geschäftsmann gilt, plötzlich durchgedreht ist.«

Damit war die Unterredung beendet, und ich konzentrierte mich auf den dichten Londoner Stadtverkehr.

»So hat die Sache in Coonagh auch angefangen«, murmelte Suko. »Mit einem Anruf von Sir James. Und dann sind Shao und ich in diesen Fall mit der Mörder-Fee gestolpert.«

Ich war darüber natürlich informiert. Suko und Shao hatten eigentlich an der walisischen Küste Urlaub machen wollen, den mein Partner nach den Ereignissen in Russland auch dringend nötig gehabt hätte, denn dort war er in die Fänge eines dämonischen Folterknechts geraten. Doch ein Anruf von Sir James hatte diesen Urlaub beendet und meine beiden Freunde in einen Fall verstrickt, der dramatische Ausmaße angenommen hatte.

Die Sache unterlag strenger Geheimhaltung, das Dorf Coonagh war seitdem tabu. Nur Sir James, ich und ein paar wenige Leute wussten Bescheid.

»Was dagegen, wenn wir uns den Anruf anhören?«, fragte Suko und deutete auf mein Smartphone.

Ich schüttelte den Kopf, entsperrte das Gerät und drückte es meinem Partner in die Hand.

Suko wählte die entsprechende Funktion und startete das Abspielen des Mitschnitts.

Zu hören war ein kurzes Rauschen, so als hätte sich der Anrufer von irgendwo aus den Weiten des Weltalls gemeldet und nicht vom Festnetzapparat seines Londoner Geschäfts.

»Mein ... mein Name ist Isaac Moran, und ich ... ich muss Ihnen ein Verbrechen melden. Eines, das ich selbst begangen habe.«

Es folgte ein Räuspern und danach ein tiefes Luftholen, so als koste es den Anrufer unendliche Mühen, die folgenden Worte über die Lippen zu bringen.

»In den frühen Abendstunden habe ich meine Frau Cathryn umgebracht. Die Tat habe ich verübt mit einem ... einem Dolch, der sich erst seit einem Tag in meinem Besitz befindet. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Cathryn ... sie ... sie hat mir nicht das Geringste getan. Dennoch hatte ich das Gefühl, sie töten zu müssen. Da war ... diese Stimme. In meinem Kopf. Sie ... sie hat mir die Tat befohlen. Und jetzt ... jetzt ist es geschehen, und ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Bitte schicken Sie jemanden her, denn ich werde allein nicht damit fertig.«

Ein tiefes Seufzen war zu hören, das schon einem Schluchzen gleichkam. Etwas so unendlich Qualvolles klang in der Stimme des alten Mannes mit, dass es mir beim Zuhören eiskalt den Rücken hinunterlief.

Ohne den Menschen zu kennen, der zu dieser Stimme gehörte, nahm ich ihm das soeben Gesagte nahezu ohne Einschränkung ab. Immerhin habe ich oft genug erlebt, wie jemand unter dämonischem Zwang oder unter dem Einfluss von Hypnose Dinge getan hat, von denen er ansonsten nicht einmal geträumt hätte, sie zu tun.

Die Sachbearbeiterin des Yard war zu hören, wie sie zielgerichtet die altbekannten W-Fragen stellte. Ich blendete diesen Teil gedanklich aus, weil ich emotional noch immer bei dem alten Mann war.

Kurz vor dem Auflegen meldete er sich noch einmal zu Wort: »Diese Stimme! Das war SIE. Ich könnte schwören, dass SIE es gewesen ist. Bitte helfen Sie mir. Ich werde hier auf Sie warten!«

Die Aufnahme war beendet.

Suko wischte über das Display meines Smartphones und legte es zurück in das Ablagefach.

»Was hältst du davon?«, fragte er.

Ich nagte an der Unterlippe, während ich die Spur wechselte und den Wagen eine Abzweigung entlangschickte. »Schwer zu sagen. Er klingt ehrlich betroffen. Da ist jemand absolut entsetzt darüber, was er getan hat.«

»Keine allzu seltene Reaktion«, antwortete Suko. »Hast du eine Ahnung, wer SIE sein könnte? Wen hat er damit gemeint?«

»Vielleicht sie – die Stimme«, überlegte ich.

»Es klang mir eher danach, als hätte er eine ganz bestimmte Person damit gemeint.«

»Schon möglich. Wir werden ihn danach fragen, sobald wir da sind.«

Vor einiger Zeit ...

Anahid hielt in ihrer Bewegung inne. Noch immer konnte sie ihren Blick nicht von ihrem Gefährten lösen, dessen Gesicht, dessen ganze Gestalt sie noch nie so ausgezehrt gesehen hatte. Er wirkte, als läge gerade eine unvorstellbar große Anstrengung hinter ihm. Und etwas in ihr flüsterte ihr zu, dass sie damit vermutlich richtig lag.

»Was ist los?«, platzte es aus ihr heraus. »Was passiert hier?«

Ty Frazier hockte noch immer am Boden. Er hatte die Hände an die Schläfen erhoben und starrte auf einen unsichtbaren Fleck auf dem Teppich.

»Das Reich des Spuks wurde angegriffen«, flüsterte er, schien kurz zu überlegen und fügte hinzu: »Wir werden angegriffen!«

»Von wem?«

»Eine große Anzahl von Kriegern und Kreaturen, angeführt von Pandora.«

»Pandora?«, entfuhr es Anahid. Sie zog ihre Augenbrauen zusammen. »Aber ich dachte ...«

Frazier erhob sich. Die Bewegung allein schien ihm unendliche Mühe zu bereiten. »Das haben wir alle gedacht. Aber wir lagen falsch. Sie ist keine Verbündete. Sie hat sich als Feindin entpuppt. Und jetzt ist es bereits zu spät, um etwas gegen sie und ihre Invasion zu unternehmen.«

»Woher weißt du das alles?«

»Der Spuk hat es mich sehen lassen. In einer Vision, die so lebhaft und entsetzlich war, dass ich ...«

Frazier verstummte.

»Was können wir tun?«, fragte Anahid, die versucht war, auf ihren Gefährten zuzugehen, um ihn zu stützen.

Frazier musste diese Absicht bemerkt haben, denn er schüttelte unmerklich den Kopf.

»Es gibt für uns nur eins zu tun. So schnell wie möglich von hier verschwinden. Noch ist vielleicht Zeit. Noch haben sie die Berge und den Fluss nicht überquert. Aber sie kommen. Sie wissen, wo wir sind. Und sie sind zahlreich und mächtig genug, um uns zu vernichten.«

Wie um Fraziers Worte zu unterstreichen, bäumte sich der Wendigo zu voller Größe auf und ließ ein dunkles, kehliges Knurren vernehmen. Den Blick richtete er dabei in Richtung der Berge, die sich dunkel und als letzter verbliebener Schutzwall im Osten ihres Zuhauses erhoben.

»Ich bin bereit«, sagte Anahid.

Frazier nickte. »Dann los.«

Als sie vor das Gebäude traten, wurde das Murmeln des Flusses bereits vom Kampflärm auf der anderen Seite überschattet.

Die Flammen schlugen höher und bildeten inzwischen eine Art Feuerkreis, der sich um das gesamte Gebiet zog. In die Geräuschkulisse mischten sich nun auch das Klirren von Waffen und die Schreie der letzten verbliebenen Echsenkrieger, die sich vermutlich chancenlos gegen die drohende Übermacht stemmten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Gegner über den Bergen auftauchen würde.

»Zum Fluss!«, entschied Frazier, der nun tatsächlich von Anahid gestützt werden musste, während sie über ein ausgedehntes Geröllfeld hasteten.

»Was hast du vor?«, fragte die Hexe, während sie ihr Tempo weiter forcierten.

»Am Ufer liegt ein Kahn«, antwortete Frazier atemlos. »Wir werden damit flussabwärts fliehen.«

»Aber in der gesamten Dimension dürfte es inzwischen keinen einzigen sicheren Ort mehr geben!«

»Deswegen werden wir sie auf dem schnellsten Weg verlassen. Der Spuk hat mir in der Vision den Ort gezeigt, an dem sich das Tor befindet.«

Sie hatten beinahe das Ufer erreicht.

»Der Spuk verzichtet darauf, dass wir ihm in dieser Schlacht zur Seite stehen?«, fragte Anahid. In ihrer Stimme klang Verwunderung mit.

»Die Schlacht ist bereits geschlagen«, antwortete Frazier mit einem Ächzen. »Wir könnten nichts mehr ausrichten. Der Spuk hat es rechtzeitig erkannt und mir einen neuen Auftrag erteilt.«

»Welchen?«

»Später. Uns läuft die Zeit davon.«

Die Böschung nahm zum Ufer hin einen steilen Verlauf. Sie war mit verdorrten Sträuchern bewachsen, die spitze Dornen aufwiesen. Die drei ungleichen Gefährten bahnten sich ihren Weg durch die feindlichen Pflanzen.

Ein schmaler Holzsteg tauchte vor ihnen auf. An seinem Ende befand sich ein baumdicker Poller. Er war tief im Grund des schwarzen Schlamms verankert, den der Fluss mit sich führte.

Ihre Schritte erzeugten dumpfe, hohle Geräusche auf den ausgedienten Planken.

Am Ende des Stegs und am Poller vertäut lag der Kahn, von dem Frazier gesprochen hatte.