John Sinclair 1999 - Marc Freund - E-Book

John Sinclair 1999 E-Book

Marc Freund

4,9
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nebel war keine Seltenheit in London, doch dieser hier wirkte wie ferngelenkt.

Andy riss die Augen auf, als er registrierte, dass der Nebel direkt auf ihn zu schwebte. Als er den Mund öffnete, um zu schreien, drang die Erscheinung in seinen Rachen ein und erfüllte schon im nächsten Augenblick sein gesamtes Denken. Sein Bewusstsein wurde abgeschaltet. Der Drang, sich zu wehren, erlosch genauso schnell wieder, wie er gekommen war.

Andy Skinner hörte auf zu existieren. Als er die Augen wieder öffnete, war er zu einem anderen geworden.

Er war Shador!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 145

Bewertungen
4,9 (18 Bewertungen)
16
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Auferstehung des Schreckens

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3814-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Auferstehung des Schreckens

von Marc Freund

Andy Skinner rannte um sein Leben.

Er hatte Mist gebaut, und die anderen wussten es. Es war ein Fehler gewesen, in die verdammte Bar zu kommen. Dort hatten sie ihm aufgelauert. Don und die anderen. Für Erklärungen war es jetzt viel zu spät, diesen Punkt hatten sie alle längst überschritten. Er hatte einen von ihrer Gang ans Messer geliefert, um seine eigene Haut zu retten. Und genau das kam ihm jetzt vermutlich teuer zu stehen.

Wie durch ein Wunder war ihm die Flucht aus dem billigen Lokal gelungen. Als Andy allerdings die Mauer erkannte, die sich am Ende der schmalen Gasse unüberwindbar vor ihm auftürmte, wurde ihm eines schlagartig klar: Sein Weg war genau an diesem Punkt zu Ende.

Andy stand schwer atmend mit dem Rücken zur Wand. Er hatte die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Die Gasse war nur spärlich beleuchtet. Von irgendwoher drang Musik, ein stampfender Beat, der eins zu werden schien mit seinem rasenden Herzschlag.

Er konnte hier nicht bleiben. Hier war er ihnen ausgeliefert. Sein Blick fiel auf ein altes Regenfass unterhalb einer defekten Dachrinne. Unmittelbar darüber befand sich ein schmales Fenster, das gerade breit genug sein mochte, um sich hindurchzuzwängen. Das war möglicherweise seine letzte Chance, denn wenn sie ihn hier fanden, würden sie kurzen Prozess mit ihm machen. Don Carrington hatte keine Skrupel, ihn hier an Ort und Stelle kaltzumachen.

In diesem Augenblick bog ein Wagen verkehrswidrig in die Straße ein. Er holperte durch eines der Schlaglöcher, was die Scheinwerfer auf und ab tanzen ließ. Es war ein breiter, amerikanischer Schlitten. Der Fahrer schaltete in dieser Sekunde das Fernlicht ein.

Andy wurde geblendet. Er hob den rechten Arm und schirmte seine Augen gegen die gleißende Helligkeit ab.

Er musste es wagen, bevor es zu spät war. Andy drehte sich um, sprintete zu dem randvollen Regenfass und wuchtete sich daran in die Höhe. Er kam auf dem schmalen Rand zu stehen. Seine Hände hangelten nach dem altmodischen Verschluss des angelehnten Fensters. Im nächsten Moment hatte er es nach außen aufgezogen.

Der Wagen war heran und kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Autotüren wurden geöffnet.

Andy hörte das hämmernde Geräusch von teuren Absätzen auf dem Kopfsteinpflaster. Er zog sich nach oben, stemmte seinen Oberkörper durch die Fensteröffnung … und wurde an beiden Beinen gleichzeitig gepackt.

Mit brutaler Gewalt wurde Andy Skinner zurückgezogen. Er versuchte noch, sich am Fensterrahmen festzuhalten, doch dabei brach er sich nur zwei Fingernägel ab.

Sie hatten ihn.

Andy versuchte, nach den Angreifern zu treten. Mindestens einen traf er sogar, das verriet ihm der schrille Schmerzlaut, den jemand unter ihm ausstieß.

Dann befand sich Andy wieder auf dem Boden der Tatsachen. Don Carrington und seine Gang hatten ihn eingeholt.

»Dachtest, du könntest uns so einfach entwischen, hä?«

Das war die Stimme von Claude gewesen, den alle nur den Franzosen nannten. Andy wusste es, noch ehe er in die pockennarbige Visage des Mannes geblickt hatte.

Claude hielt ihn am Kragen fest und stieß ihn so kräftig gegen die Mauer, dass vor Andys Augen grelle Lichter aufflammten.

Der Kerl neben Claude hieß Thommy und stand dem Franzosen in nichts nach, was grundlose Gewalt und Brutalität anging. Der breitschultrige, untersetzte Typ mit dem kahlrasierten Schädel holte aus und traf Andy direkt in den Magen.

Der junge Mann ging in die Knie, beugte sich vornüber und übergab sich auf das Kopfsteinpflaster.

Irgendwo begann ein Hund zu bellen.

Am Ende der Gasse tauchten zwei weitere Gestalten auf. Sie näherten sich mit gemächlichen Schritten. Die Männer hatten Zeit. Sie wussten, dass ihnen ihr Opfer nicht mehr entrinnen konnte.

Andy starrte mit aufgerissenen Augen auf den Boden und die Schuhspitzen von Claude und Thommy.

Im nächsten Moment wurde er an den Haaren wieder in die Höhe gerissen. Abwehrend hob er seine Arme in die Höhe, die befürchteten Schläge blieben allerdings aus. Seine Verfolger begnügten sich für den Augenblick damit, ihn festzuhalten und dafür zu sorgen, dass er nicht erneut abhauen konnte.

Etwas sagte Andy, dass es dafür ohnehin zu spät war. Ein für alle Mal.

Die beiden Schatten waren heran, kamen hinter dem Cadillac hervor und traten an die Seite der Schläger, die ihnen in diesem Moment Platz machten. Don Carrington und sein Handlanger Lennox.

Carrington war wie immer teuer, aber leger gekleidet. Man sah ihm nicht an, dass er in der Londoner Unterwelt ein Mann von gewissem Einfluss war. Daneben Lennox, der blasse Jüngling, von dem man hinter vorgehaltener Hand munkelte, er sei Carringtons Lustknabe. Lennox grinste Andy über den Rand seiner verspiegelten Brille hinweg direkt ins Gesicht. »Ausgespielt, Andy Skinner.«

Don Carrington machte ein unwirsches Gesicht und brachte seinen Handlanger mit einem einzigen Blick zum Schweigen.

»Ich habe erfahren, was du getan hast«, sagte Carrington leise. Er musste nicht laut sprechen, denn er war so nahe wie möglich an das abtrünnige Bandenmitglied herangetreten. »Ich weiß, dass du ein ziemlich kluges Köpfchen bist, Andy. Daher nehme ich doch an, du weißt, welche Strafe in unserer Organisation auf Verrat steht?«

Andy hob den Kopf. Der Hund bellte noch immer irgendwo am Eingang der Gasse. Vielleicht hatte er mitbekommen, was hier passierte und witterte Gefahr.

Andy nickte, um Carringtons Frage zu beantworten.

Der Boss nickte ebenfalls. »Dann wirst du wohl wissen, was dich jetzt erwartet. Hast du noch irgendwas zu sagen?«

Andy sah Don Carrington in die Augen, dann spie er ihm aus nächster Nähe ins Gesicht.

Carrington schrie vor Wut auf und trat zwei Schritte zurück. Sofort waren Claude und Thommy zur Stelle, die auf ihr Opfer einschlugen.

Andy ging unter ihren Hieben zu Boden. Er wusste, dass es vorbei war. Aber diese letzte Aktion war ihm eine Genugtuung gewesen, die ihm niemand mehr nehmen konnte.

Jetzt würde ihn sein Schicksal ereilen. Er hörte bereits das Schnappen der beiden Springmesser, mit denen Claude und Thommy ihre blutige Arbeit erledigen würden.

Andy war bereit.

Plötzlich nahm er eine Veränderung wahr. Der Hund hatte aufgehört, zu bellen. Allerdings passierte das ziemlich abrupt und durch ein heftiges Jaulen und Winseln. So als hätte ihm jemand oder etwas eine Heidenangst eingejagt. Und noch etwas passierte. Andy erkannte, wie eine seltsame Nebelwolke über das nass glänzende Pflaster waberte.

Nebel war keine Seltenheit in London, aber er trat zumeist in anderer Form auf, niemals jedoch als einzelne Ansammlung, die aussah, als wäre sie ferngelenkt.

Keiner der anderen schien dieses Phänomen bemerkt zu haben. Andy riss plötzlich die Augen auf, als er registrierte, dass der Nebel direkt auf ihn zu schwebte. Als er den Mund öffnete, um zu schreien, drang die Erscheinung in seinen Rachen ein und erfüllte schon im nächsten Augenblick sein gesamtes Denken.

Es war, als wäre Andy mit voller Wucht gegen die Wand gelaufen. Sein Bewusstsein wurde abgeschaltet. Er war noch in der Lage zu denken, allerdings waren es nicht mehr seine Gedanken. Jetzt war er es, der ferngesteuert wurde. Der Drang, sich zu wehren, erlosch genauso schnell wieder, wie er gekommen war.

Andy Skinner hörte auf, zu existieren. Als er die Augen wieder öffnete, war er zu einem anderen geworden.

Er war Shador!

»Gebt dem Scheißkerl den Rest und dann lasst uns von hier verschwinden«, wies Don Carrington seine Gang an und wandte sich in Richtung des Wagens.

Skinner wurde abermals gepackt und in die Höhe gerissen. Nur, dass er dieses Mal keine Schmerzen verspürte, sondern im Gegenteil eine Art Genugtuung, die zur Vorfreude wurde, als er in die entsetzten Gesichter von Claude und Thommy blickte.

»Scheiße, Mann, was ist das? Was ist mit dem Typen los?«

Claude ließ erschrocken von ihrem vermeintlich leichten Opfer ab und sprang einen Schritt zurück. »Seine Augen. Seht euch seine Augen an.«

Auch der bullige Thommy starrte dem jungen Mann ins Gesicht. Er wollte etwas sagen, kam allerdings nicht mehr dazu.

Skinner hatte die beiden Männer blitzschnell gepackt und schlug ihre Schädel wie zwei Kokosnüsse zusammen.

Carringtons Schläger waren auf der Stelle tot.

Dies war der Moment, in dem der Boss selbst in seiner Bewegung innehielt und sich langsam umdrehte.

»Verflucht, Don, sieh dir die Sauerei an!«, schrie Lennox, als er erkannte, was passiert war.

Dem jungen Mann war die verspiegelte Brille bis auf die Nasenspitze gerutscht. Darüber wurden seine weit aufgerissenen Augen sichtbar.

Skinner kam näher. Zielstrebig und mit energischen Schritten.

»Der … der will dir ans Leder, Boss«, keifte Lennox. Der Schmächtige beging den Fehler seines Lebens, indem er sich dem Angreifer entgegenstellte.

Skinner versteifte die Finger seiner rechten Hand und rannte direkt in Lennox hinein.

Der Milchhäutige stieß einen überraschten, schmerzerfüllten Schrei aus und starrte auf seine linke Brustseite hinunter, in die sich Skinners Finger gebohrt hatten.

Lennox sah seinen Widersacher ungläubig und mit einem seltsam fragenden Ausdruck an.

Skinner nickte knapp und ballte dann seine Hand im Brustkasten des anderen zur Faust. In der nächsten Sekunde hatte er dem Mann das Herz herausgerissen.

Die leblose Hülle, der Rest, der von Lennox noch übrig war, kippte zur Seite weg und landete mit einem platschenden Geräusch auf dem Kopfsteinpflaster.

Don Carrington, der die grauenvolle Szene beobachtet hatte, prallte entsetzt zurück und stieß mit dem Oberschenkel gegen den Kühler seines dunklen Cadillacs.

In der nächsten Sekunde war Skinner bei ihm, das noch immer schlagende Herz seines Opfers in der rechten Hand.

»Das passiert mit jenen, die versuchen, mich zu vernichten«, sagte Skinner, der nun von dem Dämon Shador beseelt war.

Das blutige Herz fiel mit einem nassen Geräusch zu Boden und landete zwischen Carringtons Füßen, der in diesem Augenblick vor Panik und Ekel aufschrie.

»Es ist in Ordnung«, presste der Boss der Gang hervor, »wir sollten noch mal über die Sache reden, findest du nicht? Nur wir zwei, meine ich. Nicht hier, nicht in dieser Gasse, sondern …«

Wo Carrington beabsichtigt hatte, mit seinem ehemaligen Gangmitglied zu sprechen, sollte niemand mehr erfahren, denn Skinner packte den Kopf des Mannes und drehte ihn mit einem kurzen Ruck herum.

Carrington sackte an seinem Wagen herunter und blieb regungslos im Blut seines Handlangers liegen.

Skinner schlug in einer beiläufigen Bewegung die Beifahrertür des Wagens zu und umrundete den Kühlergrill. Auf halber Strecke blieb er kurz stehen und bückte sich nach der verspiegelten Brille, die wie durch ein Wunder intakt geblieben war. Skinner setzte sie auf, strich sich das schwarze Haar zurück und stieg in den Cadillac, der kurz darauf die Gasse herunterrollte.

Dies war Shadors Mission, und sie hatte gerade erst begonnen.

***

Die Kathedrale lag im Schatten.

Wenn es je einen düsteren, unheimlichen Hort gegeben hatte, einen Ort, an dem sich das Böse konzentriert hatte, dann war es dieses Gebäude. Ein Gotteshaus, in dem Gott niemals wirklich existiert hatte, denn es war der Schwarze Dom.

In einem breiten Gang, unterhalb eines düsteren Platzes, der wie ein Thron aussah, stand ein Mann. Vor nicht allzu langer Zeit, es war gerade einmal einen Wimpernschlag her, wurde der Dunkelhaarige in der Welt der Menschen Andy Skinner genannt. Noch immer war es seine menschliche Hülle, die das Auge des Betrachters wahrnahm. Doch in seinem Körper und in seinem Geist hatte sich ein anderer manifestiert: Shador!

Der Dämon hatte lange unterhalb seines Throns gestanden, der einer von sieben war und der als Portal diente. Nervosität kannte Shador nicht, dennoch veranlasste ihn etwas, in dem langen, düsteren Gang auf und ab zu gehen. Vielleicht ein letzter Rest Menschlichkeit, der in seiner Hülle steckte? Shador dachte ernsthaft für einen Moment über diese Theorie nach. Es wurde Zeit, dass es aufhörte. Von Luzifer persönlich war er vor langer Zeit dazu verdammt worden, als gestaltloses Wesen umherzuwandern. Shador sehnte sich nach seiner ursprünglichen Form zurück. Vor allem auch nach der Stärke und Macht, die damit verbunden waren.

Deswegen war er hier. Und Shador wartete. Wartete auf die Ankunft des Wesens, das sie alle inzwischen unter dem Namen Der Täufer kannten. Shador stieß ärgerlich die Luft aus seinen Lungen. Er schlug mehrfach die Spitze des Stocks auf den kalten Boden. Der Stockdegen war ein Relikt, das er aus einer anderen Existenz herüber gerettet hatte. Aus einer kurzen Zeitspanne, in der er sich Doktor Leonard genannt hatte.

In der Gestalt des Schauspielers und mit Hilfe seines Todes-Theaters war er kurz davor gewesen, dem Sinclair-Team eine Niederlage beizubringen. Am Ende war es jedoch so gewesen, dass er selbst nur knapp mit heiler Haut davongekommen war.1)

Ja, er musste sich eingestehen, dass er den verdammten Geisterjäger und sein Kreuz unterschätzt hatte. Da durfte ihm nicht noch einmal passieren.

Er, Shador, hatte selbst einem Wesen wie dem Eisernen Engel erhebliche Schwierigkeiten gebracht. Er hatte ihm …

»Du hast mich gerufen?«

Shador zuckte unter dem Klang der eisigen Stimme zusammen. Als er sich umdrehte, stand im Mittelgang, kurz vor dem großen steinernen Altar eine Gestalt. Ein Mönch, umwabert von einem leicht bläulichen Schein.

Shador packte seinen Stock fester und ging ein paar Schritte auf die Erscheinung zu. In einem Abstand von etwa drei Metern blieb er stehen.

»Ja. Ich bin erfreut, dass diese Art der Kommunikation funktioniert.«

Der Mönch stand bewegungslos da. Die spitze Kapuze ragte tief in sein Gesicht, sodass nur ein blasses, weißes Schimmern darunter hervordrang, die Ahnung eines Gesichts.

»Was willst du von mir?«

Shador richtete seinen festen, durchdringenden Blick auf den Täufer. »Ich fordere das ein, was auch andere aus unserem Bündnis bereits von dir erhalten haben.«

»Du forderst?«

»Ja.«

»Du befindest dich nicht in der Position, Forderungen zu stellen, Shador!«

Der Angesprochene lächelte, doch es kam nur eine verzerrte Grimasse dabei heraus. »Lass es mich anders formulieren: Ich will, dass du mich immun gegen das Kreuz des Geisterjägers machst. Und im Gegenzug erkläre ich dir meinen Plan.«

»Du willst die Immunisierung«, drang es unter der Kapuze hervor. Die Stimme des Täufers hatte einen neugierigen Klang angenommen. »Du wirst mir deinen Plan darlegen. Danach werde ich entscheiden, ob er es wert ist, dass dir diese Behandlung zuteilwird.«

Shador deutete eine leichte Verbeugung an. Dabei verzogen sich seine Lippen zu einem spöttischen Grinsen. Als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesichtsausdruck wieder ernst.

»Wie du meinst. Du bist derjenige, der die Regeln macht.«

Jetzt geriet Bewegung in den Täufer. Er kam näher. Unmittelbar vor Shador blieb er stehen. »Du sagst es«, flüsterte er in einem Ton, der jedem Menschen einen Schauer über den Rücken gejagt hätte.

Die Mönchsgestalt hob beide Hände in die Höhe und breitete seine Arme auseinander. In dem Raum dazwischen erschien ein Bild, zunächst noch verschwommen und unklar in seinen Konturen.

»Gib die Gedanken deines Plans frei«, verlangte der Täufer.

Shador gehorchte.

Aus dem Bild kristallisierten sich nun Formen und Farben heraus, wobei ein sattes Grün eindeutig dominierte. Der Dschungel. Aus dem dichten Blattwerk ragte etwas heraus: zwei gelbliche Augen und etwas, das wie scharfe Klauen aussah.

»Er ist wieder aufgetaucht«, sagte Shador als Ergänzung. »Und sofort hat er Begehrlichkeiten geweckt. Ich muss mich beeilen, bevor seiner Hülle Schaden zugefügt wird.«

»Und warum die Immunisierung?«, hakte der Täufer nach.

»Sinclair wird einer der Ersten sein, die mit meiner neuen Macht Bekanntschaft schließen.«

Der Täufer nahm die Hände herunter, und die dämonische Projektion erlosch. »Deine neue Macht?«

Shador verbeugte sich erneut. »Eine Macht, die ich gänzlich in unseren Bund und in unsere Mission einfließen lassen werde. Eine Macht, die dir von Nutzen sein kann.«

Es dauerte einen Moment, ehe der Täufer antwortete. Er schien zu überlegen, schien alle bestehenden Möglichkeiten zu kalkulieren und gegeneinander abzuwägen. Dann neigte sich die Kapuze um einen Deut. Der Täufer hatte genickt.

Shador lächelte. Dieses Mal wirkte es befreit, fast schon erleichtert. »Es gibt da nur noch eine Sache. Ich erbitte Unterstützung.«

»Zu welchem Zweck?«

»Wenn mein Plan gelingt, und er wird gelingen, werde ich für eine kurze Zeitspanne … verwundbar sein. Reduziert auf meine menschliche Hülle.«

»Ich verstehe. Du erbittest Schutz. Aber nicht von mir.«

»Einer der Dunklen Eminenzen.«

»Wer?«

Shador räusperte sich. »Ich wage es nicht, Forderungen zu stellen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Rabisana diesen Part erfüllen kann.«

»Es wird sich einrichten lassen. Gibt es sonst noch etwas, von dem ich wissen müsste?« Ein lauernder Unterton hatte sich in die Stimme des Täufers geschlichen.

»Nein. Der Durchführung meines Plans sollte damit nichts mehr im Wege stehen. Und zur Belohnung bringe ich dir den Kopf des Geisterjägers.«

Der Täufer lachte hart auf. »Das haben schon viele vor dir erfolglos versucht. Du scheinst dir deiner Sache ziemlich sicher zu sein, Shador.«

»Das bin ich.«

Der Täufer hob die rechte Hand. Ein weißer Finger deutete auf den Dämon in der menschlichen Hülle. »Dann lass uns nicht mehr länger warten.«

Shador klemmte sich den Stockdegen unter den Gürtel und richtete sich zu voller Größe auf, in Erwartung dessen, was nun kommen würde.

Der Täufer beugte sich über ihn. Die Immunisierung gegen die mächtigste Waffe des Lichts nahm ihren Lauf.

***

Irgendwo im Dschungel Venezuelas lag die von Nonnen betriebene Mission im Schatten von Palmen und am Rande eines Flusses, der gemächlich murmelnd in einen See mündete.

Auf der Lichtung stand eine langgezogene Holzhütte, die den drei Nonnen als Behausung und Krankenstation für Eiheimische diente. Selten kam es vor, dass sich jemand in diese Gegend verirrte.

Vor drei Tagen allerdings war es passiert. Zwei Jeeps kamen über den Waldweg gerumpelt und machten vor der Mission Halt.