Johnny Sinclair - Dicke Luft in der Gruft - Sabine Städing - E-Book
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Johnny Sinclair - Dicke Luft in der Gruft E-Book

Sabine Städing

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Beschreibung

Liebe Geister, nehmt euch in Acht - Geisterjäger Johnny Sinclair ist zurück! Kaum sind die Visitenkarten für Johnnys Geisterjägeragentur gedruckt, flattert auch schon der erste Auftrag herein: Mitschülerin Millie hat sich ein rätselhaftes Spukfieber eingefangen! Ob die geheimnisvollen Schatten etwas damit zu tun haben, die neulich hinter ihr her waren? Gemeinsam mit seinem besten Freund Russell, dem vorwitzigen Schädel Erasmus von Rothenburg und einer Extraportion Anti-Spuk-Salz im Gepäck macht sich Johnny an die Lösung des Falls. Die Spur führt die Freunde ausgerechnet auf den Friedhof von Blacktooth ...

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Seitenzahl: 227

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

1. Kapitel Morgenstund und nichts läuft rund

2. Kapitel Böse Erinnerungen

3. Kapitel Ein seltsamer Wunsch

4. Kapitel Abserviert

5. Kapitel Frohe Nachrichten

6. Kapitel Eine nächtliche Radtour

7. Kapitel Spinnen und Häupter

8. Kapitel Schlimme Geschichten

9. Kapitel Haggis, Neeps und Tatties

10. Kapitel Eine ungemütliche Wohngemeinschaft

11. Kapitel Kurz und klein

12. Kapitel Ischtah!

13. Kapitel Das Buch der Schatten

14. Kapitel Nase zu und durch

15. Kapitel Hühnergötter

16. Kapitel Hinter der Mauer

17. Kapitel Das magische Fenster

18. Kapitel Geisterlicht

19. Kapitel Der fremde Mann

20. Kapitel Zwergenlöcher

21. Kapitel Dicke Luft in der Gruft

22. Kapitel Sternenschneuzer

23. Kapitel Pferdeküsse und andere gute Ideen

24. Kapitel Mister Tod

25. Kapitel Das Ende vom Anfang

Ein paar Erklärungen und Zusatzinfos

Über dieses Buch

Liebe Geister, nehmt euch in Acht – Geisterjäger Johnny Sinclair ist zurück! Kaum sind die Visitenkarten für Johnnys Geisterjägeragentur gedruckt, flattert auch schon der erste Auftrag herein: Mitschülerin Millie hat sich ein rätselhaftes Spukfieber eingefangen! Ob die geheimnisvollen Schatten etwas damit zu tun haben, die neulich hinter ihr her waren? Gemeinsam mit seinem besten Freund Russell, dem vorwitzigen Schädel Erasmus von Rothenburg und einer Extraportion Anti-Spuk-Salz im Gepäck macht sich Johnny an die Lösung des Falls. Die Spur führt die Freunde ausgerechnet auf den Friedhof von Blacktooth …

Über die Autorin

Sabine Städing wurde 1965 in Hamburg geboren und hat sich schon als Kind gerne Geschichten ausgedacht. Nach ihren drei Büchern rund um das Mädchen Magnolia Steel, das herausfindet, dass sie eine Hexe ist, schreibt sie inzwischen Bücher für jüngere Kinder. Auch in ihrer aktuellen Buchreihe steht mit Petronella Apfelmus wieder eine Hexe im Mittelpunkt.

SABINE STÄDING

Johnny SinclairGeisterjäger

Mit Illustrationen von Mareikje Vogler

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

»Johnny Sinclair« und das dazugehörige Logo sind eine Schöpfung der Bastei Lübbe AG und geschützt. »Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

Copyright © 2018 by Baumhaus in der Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Mareikje Vogler/Götz Rohloff

Umschlagmotiv: Mareikje Vogler, Hamburg

eBook-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-7325-5744-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für Tjark, der Greyman Castle

den Namen gegeben hat

1. Kapitel

Morgenstund und nichts läuft rund

Johnny streckte sich genüsslich. Die Sonne war längst über Greyman Castle aufgegangen und linste freundlich zu ihm ins Zimmer. Heute war ein guter Tag. Die beiden ersten Unterrichtsstunden fielen aus, und er konnte sich mit dem Aufstehen Zeit lassen.

Sofort wanderten seine Gedanken zu jenem denkwürdigen Moment, an dem Millie Edwards ihn als Geisterjäger beauftragt hatte. Es war sein erster Auftrag. Johnny lächelte zufrieden. Genau genommen war es nicht weiter verwunderlich, dass Millie all ihre Hoffnung auf ihn setzte. Schließlich hatte er mit den Geistern von Greyman Castle kurzen Prozess gemacht. Das Echo in den Medien war gigantisch gewesen und hatte letztlich dazu geführt, dass Millie Edwards sich noch am selben Abend auf ihr Rad geschwungen hatte, um ihn bei einem kniffligen Geisterproblem um Hilfe zu bitten. Worum es dabei genau ging, wollte sie ihm heute Morgen in der Schule erzählen.

Und genau deshalb schlug Johnny jetzt auch die Bettdecke zurück und stand auf. Beim Anziehen warf er einen Blick aus dem Fenster. Auf den Zinnen der Wehrgänge putzten sich die Tauben, und unten im Hof parkte bereits Mrs Adams’ Fahrrad. Was bedeutete, dass das Frühstück jeden Moment fertig sein musste.

Gut gelaunt warf sich Johnny ein Handtuch über die Schulter und machte sich auf den Weg ins Bad. Aus reiner Gewohnheit öffnete er seine Zimmertür ganz leise und spähte vorsichtig hinaus auf den langen Flur. Bis vor Kurzem war hier noch der schwertschwingende Highlander herumgerannt, aber seit seiner Vertreibung herrschte Ruhe auf den Fluren von Greyman Castle.

Johnny putzte sich die Zähne und spritzte sich gerade so viel Wasser ins Gesicht, dass jeder sehen konnte, dass er sich gewaschen hatte. Dann war er bereit für den Tag.

Während er die Treppe hinunterlief, flogen seine Gedanken noch einmal zurück zu den unglaublichen Ereignissen der letzten Tage. Wenn man es genau nahm, hatte alles mit dem alten sprechenden Schädel angefangen, den er im Moor gefunden hatte. Erasmus von Rothenburg war nach eigenen Angaben ein begnadeter Magier und Alchemist, der zu Lebzeiten an nichts Geringerem als an einer Formel für das ewige Leben geforscht hatte. Und irgendwie hatte es ja auch geklappt mit dem ewigen Leben, denn selbst als Schädel war Erasmus noch sehr lebendig und ein Quell an Wissen und Weisheit.

Johnny rümpfte die Nase. Manchmal ging ihm Erasmus mit seiner ständigen Besserwisserei ziemlich auf die Nerven. Doch damit musste er wohl leben. Immerhin war es auch ihm zu verdanken, dass es Johnny und Russell gelungen war, die Geister von der Burg zu vertreiben. Ansonsten war der Schädel glücklicherweise recht pflegeleicht. Am liebsten saß er in der Bibliothek und las in all den verstaubten Wälzern, die sich über die Jahrhunderte dort angesammelt hatten.

Mit Schwung stürmte Johnny in die Küche. Hier war es warm und roch herrlich nach Rührei und gebratenem Speck.

»Guten Morgen, Mrs Adams! Oh, hallo, Cécile!«, begrüßte er die beiden Frauen, die zusammen am Küchentisch saßen. Als er hereinkam, schob Mrs Adams ihren Stuhl zurück und stand umständlich auf.

»Guten Morgen, junger Lord. Möchtest du heute Porridge oder Rührei auf Toast?«

»Rührei auf Toast, bitte«, antwortete Johnny und setzte sich zu Cécile an den Tisch. Cécile war sein Kindermädchen. Und obwohl Johnny längst der Meinung war, kein Kindermädchen mehr zu brauchen, blieb sie bei ihm auf der Burg, solange seine Eltern auf Reisen waren. Sie arbeiteten als Ethnologen und waren ständig unterwegs.

Johnny mochte sein haitianisches Kindermädchen sehr. Denn Cécile war nicht nur seine Vertraute, sondern auch eine echte Mambo, eine Voodoo-Priesterin. Zumindest behauptete sie das von sich.

»Na, wie fühlt man sich so als Langschläfer?«, fragte sie jetzt mit einem Augenzwinkern. »Ich wünschte, bei mir würden auch mal ein paar Stunden ausfallen.« Sie lachte ein dunkles, rollendes Lachen.

Johnny grinste und zuckte mit den Schultern. Das mit den ausgefallenen Stunden hatte natürlich seine Vorteile. Doch gerade heute brannte er darauf, Russell, seinem besten Freund und Assistenten, von ihrem ersten offiziellen Auftrag als Geisterjäger zu erzählen.

»Wenn du mit dem Frühstück fertig bist, komm runter in den Hof«, sagte Cécile und stand auf. »Ich muss noch zur Post und kann dich vor der Schule absetzen.«

»Mach ich«, nuschelte Johnny und schob sich die letzte Gabel Rührei in den Mund. Dann flitzte er rauf in sein Zimmer und schnappte sich seinen Rucksack. Kurz dachte er daran, bei Erasmus in der Bibliothek vorbeizuschauen, dann entschied er sich dagegen. Der Schädel würde ihn bloß mit endlosen Monologen aufhalten. Also lief er runter in den Hof und stieg in den alten Bentley, der an der Toreinfahrt auf ihn wartete.

Cécile gab Gas, und sie sausten los Richtung Blacktooth, der Stadt, in der Johnny zur Schule ging. Die hügelige Landschaft flog nur so an ihnen vorbei, und bereits fünfzehn Minuten später hatten sie ihr Ziel erreicht. Cécile hielt an der Bushaltestelle vor der Schule und ließ Johnny aussteigen.

»Bis heute Nachmittag!«, rief sie und winkte ihm durch das geöffnete Fenster zu. »Und tu nichts, was ich nicht auch tun würde!« Dann gab sie wieder Gas und brauste mit quietschenden Reifen davon.

»Alles klar, komm gut nach Hause!«, rief Johnny ihr schlapp hinterher und reihte sich in die Schar der Schüler ein, die fröhlich schwatzend durch das Tor der alten Schule drängten.

Für die dritte Stunde war er früh dran. Also postierte er sich neben dem Eingangsportal und hielt nach Russell Ausschau. Er brauchte nicht lange auf seinen Freund zu warten. Wie immer hatte er etwas zu essen in der Hand. Russell behauptete, sein Blutzuckerspiegel würde abstürzen, wenn er nicht regelmäßig etwas Süßes zu sich nahm. Und er wollte unter keinen Umständen vor der ganzen Klasse ohnmächtig werden.

»Guten Morgen, Alter!«, nuschelte er mit einem Schokocroissant zwischen den Zähnen, als er Johnny entdeckte.

»Es gibt gigantische Neuigkeiten!« Johnny zog Russell aufgeregt zur Seite.

»Das kannst du laut sagen«, schmatzte sein Freund. »Meine Eltern haben mir nämlich den Kontakt mit dir verboten. Ich konnte meine Mutter gerade noch davon abhalten, zum Rektor zu gehen, um mich in eine andere Klasse versetzen zu lassen.«

»Das ist nicht dein Ernst!?« Johnny starrte seinen Freund fassungslos an. Wenn das, was Russell gerade gesagt hatte, stimmte, wäre es eine Katastrophe. Nicht nur, dass ihre Freundschaft auf dem Spiel stand. Wo, bitte schön, sollte er einen neuen Assistenten auftreiben, wenn Russell ihn nicht mehr unterstützen durfte?

»Doch, ist es. Ich schwöre!« Russell hielt feierlich zwei Finger hoch. Dann grinste er. »Aber wir müssen uns ja nicht daran halten. Wir könnten uns zum Beispiel, ganz konspirativ, nur noch nachts an geheimen Orten treffen.« Seine Augen leuchteten. »Natürlich dürften wir in der Öffentlichkeit nicht mehr miteinander reden. Aber wir könnten verschlüsselte Botschaften austauschen, die wir gleich nach dem Lesen wieder vernichten«, überlegte Russell munter weiter.

Johnny hörte nur mit halbem Ohr zu. Seine Gedanken kreisten wie wild um den Verlust seines Assistenten. Da hatte man gerade seinen ersten Auftrag in der Tasche und stand auf einen Schlag ohne Assistenten da! Missmutig sah er seinen Freund an. Doch der kramte gerade auf der Suche nach einem Feuchttuch in seinem Rucksack, um seine Schokofinger daran abzuwischen.

»Und was gibt es bei dir Neues?«, fragte er, während er das Tuch ordentlich in den Papierkorb warf.

»Was?« Johnny sah ihn verwirrt an.

»Du hast eben gesagt, es gäbe gigantische Neuigkeiten.«

»Stimmt, aber die dürften dich jetzt ja kaum noch interessieren.«

»Warum nicht? Was sind das für Neuigkeiten?« Gespannt sah Russell Johnny an.

Der blickte finster drein. Auch wenn es ungerecht war, er machte Russell dafür verantwortlich, dass seine Eltern ihm den Umgang mit ihm verboten hatten. Es wäre seine Pflicht gewesen, dafür zu kämpfen, dass sie weiter Freunde bleiben konnten. Doch so wie es aussah, hatte Russell sich bereits damit abgefunden. Und was noch viel schlimmer war, es schien ihm absolut nichts auszumachen, wenn sie sich ab jetzt nur noch an geheimen Orten im Dunkeln treffen konnten. Dass man im Geheimen aber keine Geisterjäger-Agentur betreiben konnte, war ihm völlig egal. Oder er hatte es einfach noch nicht begriffen.

»Also was ist?«, drängte Russell.

Johnny holte tief Luft. »Nichts Besonderes. Wir haben bloß unseren ersten Auftrag bekommen.«

Russell sah ihn mit großen Augen an. »Du machst Witze!«

»Kein Witz«, antwortete Johnny. »Aber das kann dir ja jetzt egal sein. Ich muss mich dann wohl nach einem neuen Partner umsehen.«

Er sagte mit Absicht »Partner«, weil er genau wusste, dass Russell es hasste, nur sein Assistent zu sein.

»Aber wozu … du brauchst doch keinen neuen Partner …«, stotterte Russell.

»Ach nee? Und wie stellst du dir unsere Zusammenarbeit vor? Ich als Geisterjäger und du als schwarzes Phantom daneben?«, rief Johnny. Er war wütend auf Russell. Es war erbärmlich, sich den Umgang verbieten zu lassen und noch nicht einmal etwas dabei zu finden!

»So kannst du das nicht sehen«, hielt Russell dagegen.

»Wie denn sonst?«, fragte Johnny wütend und stampfte Richtung Eingang.

»He, warte!« Russell lief ihm nach und packte ihn an der Schulter. »Ich … ich habe nicht gedacht, dass wir so schnell einen Auftrag bekommen. Ich wette, meine Mum hat die Sache mit dem Kontaktverbot bestimmt bald wieder vergessen.«

»Aber wir haben nun mal einen Auftrag. Oder besser, ich habe ihn!«, knurrte Johnny. »Denn du bist ja nicht mehr dabei.«

»Natürlich bin ich noch dabei!«, rief Russell aufgebracht. »Mir wird schon etwas einfallen.«

Misstrauisch sah Johnny ihn an.

»Echt! Versprochen! Großes Indianerehrenwort!« Russell spuckte in die Hand und hielt sie Johnny hin.

»Das musst du erst beweisen«, brummte Johnny und war froh, dass er nicht einschlagen musste.

»He, kein Grund, gleich zu schmollen«, sagte Russell und wischte sich die Hand an der Hose ab. »Ich hatte doch keine Ahnung, dass meine Eltern so allergisch auf Geister reagieren würden. Aber ich kriege das schon hin.«

Johnny war zwar immer noch skeptisch, aber was sollte er machen? Er hatte keine Ahnung, wo er so schnell einen neuen Assistenten auftreiben sollte.

»Jetzt erzähl schon. Wie bist du an den Auftrag gekommen?«, fragte Russell gespannt.

»Gestern Abend kam Millie Edwards angeradelt …«

»Millie Edwards war bei dir auf der Burg?«

»Yep!«

»Und?« Russell wackelte auffällig mit den Augenbrauen.

»Es war rein geschäftlich«, sagte Johnny.

»Geschäftlich? Sag bloß, Millie hat ein Geisterproblem!«, staunte Russell.

»Hat sie.«

»Das erklärt natürlich einiges.« Russell erinnerte sich noch gut daran, dass Millie immer wieder im Unterricht eingeschlafen war. »Und weiter?«

»Die Stunde fängt an!«, erinnerte sie Mrs Underwood, die an ihnen vorbei ins Schulgebäude ging.

»Sie wird von irgendetwas verfolgt«, flüsterte Johnny, während sie hinter ihrer Lehrerin durch den Flur zu ihrem Klassenzimmer gingen. »Es scheint vom Friedhof zu kommen und verfolgt sie bis nach Hause.«

»Vom Friedhof?« Russell schüttelte sich. »Hat sie gesehen, was es ist?«

»Keine Ahnung, aber das wird sie uns spätestens in der nächsten Pause erzählen.«

»Alter, ist das spannend«, schnaufte Russell.

Sie bogen mit Schwung ins Klassenzimmer und blieben wie angewurzelt stehen: Millies Platz war leer.

2. Kapitel

Böse Erinnerungen

»Schöner Reinfall«, murrte Russell zum mittlerweile fünften Mal, als sie nebeneinander zum Bus trabten.

Auch Johnny war enttäuscht. »Vielleicht hat sie mal wieder verschlafen«, überlegte er.

»Oder sie schwänzt. Schließlich mussten wir erst zur Dritten«, meinte Russell.

Johnny zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Morgen wissen wir mehr.«

»Morgen?« Russell riss empört die Augen auf. »Wollen wir nicht bei ihr vorbeigehen und fragen, was los ist?«

»Damit sie Ärger bekommt, falls sie geschwänzt hat?« Johnny schüttelte den Kopf. »Außerdem habe ich heute noch genug andere Dinge zu tun. Ich muss eine neue Visitenkarte für die Agentur entwerfen. Das einzige fertige Modell habe ich Millie in die Hand gedrückt.«

»Du hast die Visitenkarte einfach ohne mich entworfen?«, fragte Russell beleidigt.

»He, ich kann nichts dafür, dass deine Mutter dir verbietet, mich zu sehen.«

»Aber das konntest du doch überhaupt nicht wissen, als du angefangen hast, sie zu entwerfen!«, regte sich Russell auf.

Johnny sah ihn von oben herab an. »Mein Bus kommt!«, sagte er knapp und stieg ein. In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Wenn du willst, kannst du nachher noch kurz vorbeikommen. Vorausgesetzt, du schaffst es, dich auf geheimen Wegen zur Burg zu schleichen.«

Zu Hause angekommen, ging Johnny nach oben in die Bibliothek, um nach Erasmus zu sehen. Er fand den Schädel auf einem Lesepult am Fenster. Dabei war er sicher, ihn am Abend zuvor ins untere Regal gestellt zu haben.

»Ah, der junge Lord«, begrüßte der Schädel ihn, ohne von seinem Buch aufzublicken. »Was gibt es Neues?«

»Hallo«, sagte Johnny. »Wie bist du denn vom Regal auf das Pult gekommen?«

»Na, wie schon?«

»Bist du … gerollt?«, fragte Johnny.

»Sehe ich aus, als würde ich rollen?«

»Na ja, gelaufen bist du jedenfalls nicht«, erwiderte Johnny.

»Oho, ein scharfer Verstand in einem jungen Körper …« Der Schädel las aufmerksam weiter.

Johnny seufzte und ließ sich in den großen Ohrensessel fallen. »Also, wie hast du es gemacht?«

»Cécile war so freundlich …«

»Ach so«, sagte Johnny enttäuscht. »Und ich dachte schon, du hättest irgendwelche Superkräfte.«

»Warum so schlecht gelaunt?«, fragte Erasmus. »Ist dir etwa ein Läuschen über die Leber getrampelt?«

»Hör auf, so witzig zu sein. Mir ist nicht nach Lachen zumute. Es geht einfach alles schief«, beklagte sich Johnny.

»So?«

»Ich weiß nicht, ob du es hier oben mitbekommen hast, aber Millie Edwards war gestern bei mir und hat mich gefragt, ob ich nicht auch bei ihr zu Hause einen Geist vertreiben könnte. Das wäre dann unser erster Auftrag als Geisterjäger.«

Erasmus von Rothenburg pfiff durch die Zähne. »Das Mädchen hat also einen Geist zu Hause? Wusste ich’s doch! Wie sieht er denn aus?«

Johnny zuckte mit den Schultern. »Sie wollte mir eigentlich heute in der Schule davon erzählen. Aber dann hat sie doch lieber geschwänzt. Millie Edwards schwänzt dauernd.«

»Sie scheint nicht besonders zuverlässig zu sein, diese Millie Edwards. Hoffentlich ist ihre Zahlungsmoral eine andere. Du wirst ihr den Auftrag doch sicher in Rechnung stellen, oder?«

Johnny grinste. »Natürlich. Aber sie bekommt einen Rabatt, schließlich ist sie meine erste Kundin, und wir gehen in dieselbe Klasse.«

»So ist es recht«, lobte der Schädel und blätterte mithilfe seines magischen Auges die Seite um.

Johnny zögerte.

»Sonst noch was?«

»Wie kommst du darauf, dass sonst noch etwas sein könnte?«, fragte Johnny, dem Erasmus’ Scharfsinn geradezu unheimlich war.

»Du machst ein Gesicht, als ob dir ein Pups quer säße.«

»Mir sitzt gar nichts quer«, grummelte Johnny. »Es ist nur gerade alles extrem blöd. Ich hatte mich so auf den ersten Auftrag gefreut, und dann ist Millie nicht da, und Russell erklärt mir, dass seine Eltern ihm verboten hätten, sich jemals wieder mit mir zu treffen. Seine Mutter wollte ihn sogar aus der Klasse nehmen, damit er vor mir sicher ist.«

»Ach wirklich?«

Johnny nickte.

»Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als dich nach neuem Personal umzusehen«, sagte der Schädel.

»Du bist gut. Wo soll denn das neue Personal herkommen? Wir sind schließlich nicht in London, sondern mitten in den schottischen Highlands.«

»Du könntest eine Anzeige aufgeben. Junge, unerschrockene Männer, meinetwegen auch Frauen, für Geisterjagd gesucht. Bezahlung: außergewöhnlich großzügig.«

»Wenn du die Bezahlung übernimmst, gerne.« Johnny stand auf und schlurfte zur Tür. »Außerdem wäre es Russell gegenüber nicht fair.«

»Ach was. Wer hat denn hier wen im Stich gelassen?«, polterte Erasmus. »Aber von dem Milchbart habe ich nichts anderes erwartet.«

»Ich überleg es mir noch mal«, erwiderte Johnny und schlüpfte hinaus.

Eine Etage tiefer traf er auf Cécile, die ein großes Paket in ihr Zimmer schleppte. »Halt mal bitte die Tür auf«, bat sie ihn.

Johnny tat ihr den Gefallen. »Was ist denn da drin?«, fragte er und folgte Cécile in ihr Wohnzimmer.

»Das Paket ist von meinem Bruder«, erklärte sie und stellte den Karton mit Schwung auf den Tisch. »Es sind ein paar Sachen darin, die ich für meine Sitzungen brauche. Räuchermischungen, Schwarzwachs und anderer Kram, aber damit kannst du nichts anfangen.«

Die Menschen kamen bis aus Inverness, um sich bei Cécile Rat zu holen. Denn sie konnte nicht nur in die Zukunft blicken, sondern war auch ein Medium, das mit Verstorbenen in Kontakt treten konnte.

»Brauchst du das Wachs, um daraus Voodoo-Puppen zu machen?«, fragte Johnny weiter.

»Vielleicht«, sagte Cécile geheimnisvoll. »Und nun lass mich allein, damit ich in Ruhe auspacken kann.«

Bevor Johnny in sein Zimmer ging, schaute er noch kurz in der Küche vorbei. Mrs Adams wollte zwar gerade Feierabend machen, aber als Johnny sich an den Küchentisch setzte, bot sie ihm ein paar Ingwerkekse an und setzte sich mit einer Tasse Tee dazu. Johnny unterhielt sich gern mit Mrs Adams. Sämtliche Klatschzeitungen konnten einpacken, wenn Mrs Adams loslegte. Es gab niemanden in Blacktooth, über den sie nicht irgendeine lustige oder geheimnisvolle Geschichte erzählen konnte.

Nach dem Tee ging Johnny hinauf in sein Zimmer. Die Stifte und der Karton, aus dem er seine erste und einzige Visitenkarte gebastelt hatte, lagen noch immer auf dem Schreibtisch. Er ließ sich auf seinen Drehstuhl fallen und wollte gerade an einem neuen Entwurf tüfteln, als er plötzlich das Gefühl hatte, nicht allein zu sein. Hinter seinem Rücken knarrten die Scharniere der großen Truhe, die neben seinem Bett stand.

Johnny fühlte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Blitzschnell wirbelte er herum und sah gerade noch, wie der Truhendeckel wieder zufiel.

Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er aufstand und den Gargoyle 5000 aus dem Kleiderschrank holte.

Geister hassten Salz in jeglicher Form, und die Wasserpistole hatte ihm – mit Salzwasser gefüllt – bei seiner letzten Geisterjagd sehr gute Dienste geleistet.

Leise, den Gargoyle im Anschlag, schlich Johnny zur Truhe.

Er brauchte nicht lange zu warten. Der Truhendeckel öffnete sich ein zweites Mal, und ein unmenschliches Stöhnen erfüllte den Raum. Johnny zögerte keine Sekunde. Er schob den Lauf seines Gargoyles 5000 zwischen Deckel und Truhe und drückte ab. Einmal, zweimal …

»Ääääääh!« Der Deckel flog auf, und Russell stand da wie Kai aus der Kiste. Angeekelt sah er an sich herab. »Spinnst du?!«, schimpfte er. »Voll ins Gesicht, und meine Hose sieht aus, als hätte ich mich angepinkelt!«

»Uff!« Johnny ließ den Gargoyle sinken. »Was machst du denn in meiner Truhe?«

»Überraschung!«, antwortete Russell grimmig. »Ich wollte dir beweisen, dass ich kein Weichei bin. Du solltest wissen, dass mir unsere Freundschaft etwas bedeutet. Zumindest theoretisch. Nach dieser Attacke werde ich mir die Sache aber noch mal überlegen.«

Obwohl er einen Riesenschreck bekommen hatte, musste Johnny grinsen. »Hättest du vorher angerufen, wäre das nicht passiert«, meinte er trocken.

»Gut möglich. Leider kontrolliert meine Mutter auch mein Handy. Wenn sie rauskriegen würde, dass ich mit dir telefoniere … na, dann gute Nacht.«

»Und was hast du ihr erzählt, wo du jetzt bist?«

»Bei der Chorprobe.«

Johnny sah ihn skeptisch an. »Und das hat sie dir geglaubt?«

»Sicher. Sonst wäre ich wohl nicht hier. Wo sind die Stifte und die Schere? Ich werde die beste Visitenkarte entwerfen, die die Welt je gesehen hat.«

Grinsend schob Johnny ihm sämtliche Utensilien rüber. Er wusste, dass Russell super zeichnen konnte. Außerdem machte es zu zweit wesentlich mehr Spaß, als allein vor sich hin zu basteln.

3. Kapitel

Ein seltsamer Wunsch

Die Zeit verging wie im Flug. Es war inzwischen fast dunkel, und Russell musste dringend nach Hause. Eine Chorprobe dauerte selten länger als zwei Stunden.

Mit dem neuen Entwurf der Visitenkarte waren beide sehr zufrieden. Im Großen und Ganzen hatten sie sich an Johnnys Vorlage orientiert. Russell hatte lediglich, aber mit viel Hingabe ein paar Vampirfledermäuse dazugemalt. Die Kürbisse und Hexenhütchen konnte ihm Johnny glücklicherweise ausreden.

Jetzt blickten beide stolz auf das Ergebnis ihrer Arbeit.

»Cool, oder?«, fragte Johnny und betrachtete zufrieden die gelben Buchstaben, von denen das Blut tropfte. Geisterjäger Johnny Sinclair, stand da in fetten Lettern. Agentur für paranormale Phänomene und Geistervertreibungen aller Art.

»Gib her, ich muss los«, sagte Russell ungeduldig und versuchte, Johnny den Entwurf wegzuschnappen. »Das Ganze muss noch digitalisiert werden.«

Johnny zögerte. Er hatte wenig Lust, seine einzige Visitenkarte schon wieder aus den Händen zu geben. Obwohl klar war, dass Russell sie mitnehmen musste. Schließlich wollte er sie in der Druckerei seiner Eltern drucken lassen. Also machte Johnny schnell ein Foto mit dem Handy und gab den Entwurf dann seufzend an Russell weiter.

»Und du glaubst wirklich, dass es mit dem heimlichen Drucken klappt?«

»Klar!« Russell nickte. »Mein Vater macht morgen den ganzen Tag Kundenbesuche. Und Bronzo schuldet mir noch einen Gefallen.«

»Hoffentlich erinnert er sich daran«, sagte Johnny und stand auf, um Russell nach unten zu bringen.

Bronzo war so ziemlich der übellaunigste Mensch, den Blacktooth zu bieten hatte. Johnny war es ein Rätsel, wie man es länger als eine Minute in seiner Nähe aushalten, geschweige denn mit ihm arbeiten konnte.

Im Hof sah er Russell dabei zu, wie er sein gewaltiges Fahrradschloss aufschloss und die Kette umständlich aus den Speichen zog. Das war in doppelter Hinsicht bemerkenswert, denn erstens hatte Johnny Russell noch nie Rad fahren sehen, und zweitens schloss niemand auf Greyman Castle sein Rad ab.

»Zum Glück geht’s bergab«, grinste Russell, und die Totenköpfe auf seiner Zahnspange blitzten. »Ich melde mich heute Abend. Wenn ich schnell bin, erwische ich Bronzo noch, bevor er Feierabend macht.«

Mit einem Klick schloss er den Gurt seines Fahrradhelms, stieg auf und fuhr ein bisschen wackelig durch das Burgtor davon.

Während Johnny mit Cécile beim Abendessen saß, hatte er sein Handy neben sich auf den Tisch gelegt. Man konnte hinter den dicken Burgmauern zwar nie wissen, ob man Empfang hatte, aber Johnny wollte Russells Anruf auf keinen Fall verpassen.

»Kannst du nicht mal beim Essen auf dein Handy verzichten?«, fragte Cécile.

»Russell wollte sich noch kurz melden«, antwortete Johnny und checkte das Display.

Cécile lächelte. »Ich freue mich, dass ihr euch so gut versteht. Ihr seid ein gutes Team, was?«

Johnny verzog das Gesicht. »Russell ist zwar manchmal ein echtes Baby, aber im Großen und Ganzen ist er in Ordnung.«

»Nicht nur im Großen und Ganzen. Ihr habt beide bei der letzten Geisterjagd ziemlich Eindruck gemacht. Ich wurde heute auf der Post zwei Mal darauf angesprochen.«

»Echt?«, grinste Johnny. »Cool!«

Cécile zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Klar! Ihr wart schließlich in allen Zeitungen.«

»Dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt …«

»Der richtige Zeitpunkt … wofür?«

»Der richtige Zeitpunkt, um eine Geisterjägeragentur zu eröffnen.«

»Ihr wollt was???« Cécile fielen fast die Augen aus dem Kopf.

»Du hast richtig gehört. Russell und ich haben eine Geisterjägeragentur gegründet«, erklärte Johnny. »Er druckt gerade unsere Visitenkarten.«

Cécile runzelte unwillig die Stirn. »Untersteh dich!«, drohte sie. »Für so einen Unfug seid ihr beide viel zu jung. Du kennst doch das alte Sprichwort: ›Wer die Geister ruft, wird sie nicht wieder los.‹«

Johnny schüttelte den Kopf. »Nee, kenn ich nicht.«

Cécile griff nach seiner Hand und sah ihm ernst in die Augen. »Ich möchte nicht, dass ihr euch unnötig in Gefahr bringt. Ist das klar?«, warnte sie ihn.

Johnny zwang sich zu einem Lächeln und stand auf. »Tun wir nicht«, versprach er. »Und wer weiß, vielleicht kriegen wir ja überhaupt keinen Auftrag.«

Beim letzten Satz kreuzte er schnell die Finger hinter dem Rücken und verließ dann eilig die Küche.

Er ging hinaus in den Hof. Vielleicht hatte er Glück, und der Handyempfang war hier besser. Er hielt das Gerät hoch über seinen Kopf, und tatsächlich zeigte das Display zwei verpasste Anrufe und eine Nachricht von Russell.

Bronzo ist sturer, als ich dachte. Er macht es nicht umsonst. Ruf mich kurz an, wenn du irgendwann Empfang hast.

Sofort drückte Johnny Russells Nummer. »Hallo, ich bin’s«, sagte er, gleich nachdem Russell sich gemeldet hatte. »Was meinst du damit, Bronzo ist sturer, als du dachtest?«

»Aaah, hallo, Fred! Freut mich, von dir zu hören!« Russells Stimme überschlug sich fast.

»Nicht Fred, ich bin’s, Johnny!«

»Schön, schön, wie läuft’s denn so bei dir?«

»Spinnst du?« Johnny starrte empört auf sein Handy.

»Nee, ich sitze gerade beim Abendessen!«

»Sitzen deine Eltern daneben?«

»Na klar, Fred! Was? Wir haben nächste Woche fünf Chorproben?! Da bin ich ja nur noch unterwegs …«

Johnny musste grinsen. »Ruf mich an, wenn du ungestört sprechen kannst … äh … Ken. Ich bin noch eine Weile im Hof.«

Nachdem er aufgelegt hatte, setzte sich Johnny auf einen der steinernen Greife, die das Eingangstor von Greyman Castle bewachten, und blickte über das Land seiner Väter. So nannte Cécile es immer, wenn sie in dieser ganz besonderen melancholischen Stimmung war, und dann sprach sie auch gleich von Traditionen und starken Wurzeln.

Johnny seufzte. Er hatte wirklich Glück, ausgerechnet hier geboren zu sein. Weniger wegen der starken Wurzeln als vielmehr wegen der hohen Geisterdichte. Auf der ganzen weiten Welt gab es nämlich keine Gegend, in der mehr Geister ihr Unwesen trieben als auf den Britischen Inseln.