Joseph und Asenath - Benjamin - E-Book

Joseph und Asenath E-Book

Benjamin

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Beschreibung

In diesem vierten Band der Geschichten aus dem Altertum ist Joseph der Gottessohn, der elfte Sohn von Jakob und Rahel, die Hauptperson. Diese Geschichten beschreiben das Leben des grossen Jakob (Israel) und seiner Familie. Wie üblich in Benjamins Büchern, ist aber noch weit mehr darüber zu erfahren. Man lernt Asenath, die herrliche Frau des Joseph kennen und erfährt viel über die Umstände, warum alles so passierte, wie es eben geschehen ist. Der Autor beschreibt auf verständliche Art die Aufgabe von Benjamin, dem dreizehnten Kind von Jakob. Aus dieser biblischen Geschichte ist ein spannender Roman geworden und der Leser lernt wohl vieles, das er nicht gewusst hat. Wichtig ist dem Autor immer, dass der Leser Freude empfindet!

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Seitenzahl: 385

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INHALT

Prolog

Die Begegnung am Brunnen

Jakobs Söhne und die Tochter

Das Blutbad zu Sichem

Jakobs Heimkehr nach Bethel

Benjamin

Juda und Thamar

Im Lande On

Joseph und Benjamin

Asenath’s Jugendjahre

Josephs Beseitigung

Joseph in der Versuchung

Josephs erneute Erhöhung

Joseph trifft auf Asenath

Asenath’s grosses Leiden, ihre Reue

Der Gott Josephs schickt Sankt Michael

Die Verlobung und die Hochzeit

Die Hungersnot und die Not im Hause Jakobs

Die zweite Reise der Brüder nach Ägypten

Jakob übersiedelt nach Ägyptenland

Asenath begegnet Jakob

Asenath in Gefahr

Epilog

Glossar

Bilderliste

Bildtafel 1, Ortsplan des Geschehens

Bildtafel 2, Jakob am Brunnen

Bildtafel 3, Der Jakobskampf

Bildtafel 4, Joseph wird von Potiphars Weib bedrängt

Bildtafel 5, Joseph deutet im Gefängnis Träume

Bildtafel 6, Joseph deutet des Pharaos Träume

Bildtafel 7, Joseph gibt sich seinen Brüdern zu erkennen

Bildtafel 8, Joseph empfängt den Vater und die Brüder

Bildtafel 9, Joseph stellt dem Pharao seine Familie vor

Bildtafel 1

Schauplatz des Geschehens in dieser Erzählung! Hier lebten Joseph und Asenath.

Joseph und Asenath

PROLOG

Die Geschichte, die ich nun erzählen will, ist daher vielleicht etwas eigenartig, weil sie von mir zusammengesetzt worden ist, eben weil ihr das Wesentliche fehlte und man daher den eigentlichen Sinn gar nicht erkennen konnte. Ja, sie ist wohl den meisten schon bekannt aus der Bibel und so wird dieser oder jener sagen: Ja, was will er denn, so kann ich es ja in der Bibel lesen! Aber leider wird diese Geschichte auch von den meisten verkannt oder nicht richtig verstanden, was nicht heissen will, dass ich darauf beharre, dass nur meine Version die richtige ist! Einen grossen Teil der Joseph Geschichte hat aber wohl die Theologie des Mittelalters einfach aus der Bibel entfernt und in die Apokryphen verlegt, und genau von diesem Ort habe ich sie wieder hergeholt und in meine Geschichte eingeflochten. Der gesamte Bibeltext und der Text aus den Apokryphen sind in meinem nun folgenden Text wieder vereint und enthalten, denn ich habe versucht, das Ganze wieder in eine einzige Geschichte zu verflechten. Dies habe ich deshalb gemacht, weil mich das Wesen der schönen Asenath so fasziniert hatte, die so rein und unbefleckt aus ihrem priesterlichen Haus daherkommt. Natürlich habe ich meine wohl starke Fantasie dazu getan – und das ist gewohnheitsgemäss nicht wenig. So kennt man heute leider von der schönen Asenath nur grad ihren Namen und sonst nicht viel. Vielleicht weiss man noch, dass sie Joseph zwei Knaben geboren hat, Manasse und Ephraim, aber dann wird die Erinnerung beim Leser wohl aufhören, Bilder zu senden, dann wird wohl Schluss sein. Aber eine andere Figur, der wir in diesem Buch, in dieser Geschichte begegnen werden, liegt mir halt auch noch sehr am Herzen, die mir persönlich immer sehr wichtig war, weil ich sie jahrzehntelang nicht richtig einordnen konnte, nämlich Josephs Bruder Benjamin, der ja auch von Jakobs grosser Geliebten, der Rahel, stammte. Er war also Josephs echter Bruder. Er gehörte nicht zu den Halbbrüdern, wie die anderen ihm waren. Ihm kommt nämlich eine gesonderte Rolle zu, die wohl niemand kennen wird! Ich habe sie aber in den Apokryphen gefunden, nach meinem Dafürhalten ergänzt und diese will ich gerne aufrollen vor des Lesers Auge, dass sie besehen, – und allenfalls studiert werden könnte! Benjamin wurde von diversen Autoren in den Schmutz gezogen und in den Abgrund gezerrt und wohl gar dem Teufel zugeordnet, was überhaupt nicht stimmt, sondern grundfalsch ist! Denn Beweise für ihre abstruse Theorie haben sie nicht geliefert! Meine Ansicht aber, die will ich mit folgender Geschichte nun beweisen.

Genau auf diese Weise eben, wenn Theologenhände einfach Texte ausschneiden und verschieben, die sie womöglich gar nicht richtig verstanden haben, passiert es, dass wichtige Figuren einfach in der Bibel stehen bleiben und niemand mehr weiss, warum überhaupt! So erging es Benjamin, Josephs echtem Bruder. Die Herkunft all der Brüder und ihre Rollen, die sie spielen, sind so interessant, wenn man sich nur die Mühe nimmt und ihre Abstammung mit berücksichtigt, denn es handelt sich da ja wie um drei Ebenen, welche die zwölf Söhne zu einem Ganzen hergegeben haben. So sind eben die Söhne in sechs, vier und zwei eingeteilt. Das gibt doch als unterste Ebene, ganz klar, die vier einfachen Mägde-Söhne, die eben die unterste, oder dritte Ebene bilden. Dann gibt es die sechs normalen Bauernsöhne, die Erdenmenschen, als zweite Ebene und dann eben, zwei Söhne des Geistes als oberste, erste Ebene! Aber, aufgepasst! Ein wirklicher Sohn des Geistes, das ist nur grad Joseph, denn er ist ja der langersehnte Gottessohn! Und Benjamin? Ich will es genau erzählen und nicht vorgreifen! Und, was gerne vergessen wird, eine Tochter, um die heftig gestritten wird. Wenn man nun Dina, die Tochter Jakobs dazuzählen will, so hatte Jakob dreizehn Kinder gehabt! Die Dreizehn ist aber die Karte des Todes im berühmten Tarotspiel! So also lasst uns sehen, wem nach dem Leben getrachtet wird, wem die dreizehnte Karte zukommt! Sicher keinem der Lea-Söhne, schon gar nicht einem der Mägde-Söhne, wenn einem, dann muss es einer der Geistes-Söhne sein!

Auch will ich mir gerne überlegen, wer Rahel die Herrliche in Wirklichkeit war, und was es vermutlich mit ihr auf sich hatte. Ich will zu klären versuchen, warum sie Jakob nur so kurze Zeit gegeben war, und was es auf sich hat, wenn ein Sonnengeweihter, wie Jakob einer war, einen Fluch ausspricht! Warum Jakob so lange Zeit für sie dienen musste und warum sie an der Geburt von Benjamin verstarb. So will ich Josephs grosse Taten genau aufzeigen und will klären, wer er in Wirklichkeit war. Aber auch Benjamins Taten und seine Wichtigkeit will ich in dieser Geschichte hervorholen und erzählen, wie ich es vorhin versprochen habe, die allzeit immer unbemerkt geblieben ist! Darum will ich sie genau verfolgen und alles in ein Ganzes, in eine fliessende und zusammenhängende grosse Geschichte einmünden lassen. Ich muss zugeben, ich freue mich jetzt schon in all dies hineinknien zu dürfen und nun endlich loszulegen, genau zu erzählen, wie ich ja auch in meinen drei vorangehenden Bänden aus dem Altertum aus Herzenslust erzählen durfte.

Man möge sich also mit diesem Büchlein in der Hand bequem hinlegen um Geschichten aus längst vergessenen Jahren im Altertum zu hören, denn es macht mir Freude, wenn ich Freude bereiten darf!

*

Benjamin

DIE BEGEGNUNG AM BRUNNEN

So münde ich dort in die Geschichte ein, wo Jakob durchs Land gereist ist, um zu seinem Onkel Laban zu gelangen, draussen am Ziehbrunnen aber zuerst auf die schöne Rahel traf:

Ein Glaube hält uns fest umschlungen,

Der endet auch auf Erden nie,

begeistert nennen Dichterzungen

ihn Religion der Fantasie.

Wie einst der Patriarch am Bronnen

Zum ersten Male Rahel fand,

als mit den schwarzen Augensonnen

die schöne Jungfrau vor ihm stand.

Ludwig August, Ritter von Frankl-Hochwart

Bildtafel 2

Kupferstich von Luca Giordano (ca. 1750) – Jakob und Rahel am Brunnen

Isa’ak, der beinahe geopferte Sohn des mächtigen Abraham°, wurde eines Tages von Rebekka, seiner treusorgenden Frau, in seinem Raum aufgesucht, wo er alt und blind geworden, seinen hohen Gedanken nachhing und daselbst, von ihnen weit getragen, sich wohl da und dort und wieder an anderem Ort befand. Rebekka war zu ihm gekommen, um ihn zuerst aus seiner Gedankenreise zurückzuholen, dass sie zu ihm sage, wie dass ihr Wille sei für die Zukunft ihres, ach so geliebten Sohnes Jakob; und schüttete ihm dort, an seinem Ort, ihr Herz gründlich aus. Denn in ihrem Leib sind ja die so unterschiedlichen Zwillinge geboren, der erste ein echter Erdenmensch, der zweite ein Geistmensch, so wie es der Weise Melchisedek° einst an Abraham prophezeit hatte, dass das Tierhafte vom Geistmenschen abgetrennt würde°. Nun fürchtete die gute Rebekka aber um das Leben ihres Sohnes Jakob, weil er sich für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht und den Segen des Vaters erkauft hatte. Sie hat sich also schuldig gemacht durch ihre Mithilfe, die sie ihm geleistet hatte, so glaubte sie. Also würde sie auch mitschuldig, wenn Esau sich an Jakob rächen würde. So sprach Rebekka dem alten Isa’ak zu, dass er Jakob zu sich kommen liesse und ihm seinen väterlichen Willen, oder besser, ihren mütterlichen Willen wissen lasse. Als darauf, auf seinen Ruf, Jakob gehorsam in die Räume seines Vaters getreten war, sprach er zu ihm: «Siehe mein Sohn, ich spreche nun zu dir, wie schon viele unserer Vorväter zu ihren Söhnen gesprochen haben. Ziehe du also dahin und suche dir ein Weib, das dir gefällt und an dem du deine Freude haben kannst. Sie soll aber treu und arbeitsam sein und sie soll sich mit Freuden unter deinem Willen einordnen. Nimm dir aber ja kein Weib von den Töchtern Kanaans, denn der Fluch des grossen Noach liegt nach wie vor noch auf der Erde in diesem Land1. Darum gehe hin und mache dich auf ins Land der Syrer, nach Mesopotamien, und suche dort das Haus Bethuels auf, das Haus des Vaters deiner Mutter und nimm dir doch ein Weib von den Töchtern des Bruders deiner Mutter, von Labans Töchtern!

Er wird sicher eine schöne Tochter haben, die dir wohlgefällt und also dein Auge erfreut. Der allmächtige Gott unserer Väter Adam, Noach und Abraham segne dich auf deinem Wege, er mache dich fruchtbar und mehre dich, dass du zu einem grossen Volke werdest. Er schenke dir den Segen Abrahams, mitsamt deinem Geschlechte, dass dir das Land, indem du in der Fremde weilst, fruchtbar werde und dir Segen bringe, dir und all den Deinen.»

So entliess der alte Isa’ak seinen Sohn Jakob mit segnender Hand und er sprach noch zu ihm: «Mache dich nun auf und ziehe ins Land Mesopotamien zu deinem Onkel Laban, dem Sohn des Syrers Bethuel, und siehe dir seine Töchter an, so er welche hat.»

Dieser Segen des Sonnenkanals, der von Abraham ausgegangen war, wird Jakob also nun begleiten, sozusagen in seinem Gepäck, denn der Segen eines Sonnengeweihten wirkt durch alles! Jakob, der treue Enkel des grossen Abraham, machte sich einige Tage nach dem Gespräch auf und zog aus Beerseba, aus dem Haus seines Vaters aus. So gelangte er schnell auf den Weg nach Haran, der ihn dem Geburtshaus seiner Mutter zuführte. Auf diesem Weg nun kam er gegen Abend zu einer Stätte, von der man sich sagte, dass sie gar heilig wäre. Es war da aber nichts Besonderes, das man sich ansehen, das man hätte anbeten können, sondern es war einfach ein verlassenes Bethaus da, das frühere Menschen hier einmal gebaut haben mögen und das nun seinem gänzlichen Zerfall entgegensah. Sonst aber sah man nicht viel, etwas, das einem ins Auge gesprungen wäre, denn es war einfach eine grüne, sehr schöne Gegend mit hohen Bäumen bestanden und durch dichtes Buschwerk unterbrochen. Da es schon ziemlich spät am Abend war, entschied sich Jakob, hier seine Nacht zuzubringen, denn wo wäre man sicherer als auf einer heiligen Stätte? Also richtete er ein Nachtlager für sich her, wo es ihm gerade gefiel, und am Ende gefiel es ihm im Bethaus am besten. Jakob nahm einen Stein von den Mauern des verlassenen Bethauses und legte ihn zu Häupten auf sein bereitetes Lager. Er benutzte ihn, um sein Haupt darauf zu legen und so die Nacht zuzubringen. Nachdem er seine Tiere versorgt hatte, legte sich Jakob schliesslich auf sein bereitetes Lager und schon bald fielen ihm die Augen zu und er versank in einen tiefen Schlaf. Da kam aber ein Engel Gottes vom Himmel heruntergestiegen und öffnete ihm ein drittes Auge, mit dem er andere Dinge sehen konnte, als er sie mit seinen irdischen Augen gewohnt war zu sehen. Er konnte nun daselbst nämlich eine lange Leiter sehen, die vom Himmel her herabgelassen schien und jetzt fest auf der Erde stand, geradewegs da, wo er schlief! Auf dieser Leiter aber, da gingen viele Engel Gottes auf und nieder in wohl vielfältiger Mission und jeder hatte bestimmt eine eigene. Verwundert sah Jakob dem nächtlichen Treiben eine Weile zu, da gewahrte er auf einmal, dass der Herr selbst vor ihm an seinem Lager stand. Rasch sprang er auf seine Füsse, liess sich aber gerade wieder auf seine Knie fallen und senkte ehrerbietig sein Haupt. Da sprach der Herr zu ihm: «Ich bin der Herr, der Gott deiner Väter Adam, Noach, Abraham und Isa’ak. Dieses Land, auf dem du ruhst, will ich dir und deinen Nachkommen geben, so wie ich schon das ganze Land Kanaan deinem Vorvater Abraham gegeben habe. Denn deine Nachkommen sollen so zahlreich werden wie der Staub der Erde. Gegen Abend hin und gegen Morgen, gegen Mitternacht und gegen Mittag sollst du dich ausbreiten. Ich will dich segnen und deinen Namen verbreiten auf Erden und ihn berühmt machen, dass er endlich zum Segenswort wird. Segnen will ich, die dich segnen, aber verfluchen, die dir fluchen. Mit deinem Namen werden sich Segen wünschen alle Geschlechter der Erde. Denn siehe, ich werde mit dir sein alle Tage. Ich will dich behüten allenthalben, wo du gehst und immer hinziehst. Immer werde ich dich wieder in dieses Heilige Land zurückbringen. Niemals werde ich dich verlassen, bis ich getan, was ich dir verheissen habe.»

Diese Aussage des Gottes muss man sich merken können, denn man wird immer wieder daran erinnert werden! Als aber Jakob wieder aus seinem hohen Traum erwachte, oder besser aus seinem Gesicht, war es Morgen geworden und er sah dieses liebliche Land erwachen. Die Morgennebel hoben sich und liessen bereits die ersten Strahlen der Sonne auf dieses gesegnete Land fallen. Alles war grün und die Erde fruchtbar, viele Vögel sangen schon in den hohen Zweigen und manches Wild sprang über die Weiten dieses grünen Landes. In den Steinen des Bethauses wohnten Eidechsen, auch Ameisenvölker wohnten hier in ihrem aufgehäuften Staate und vieles Kleingetier mehr. Wilde Bienen flogen schon erwachende Blumen an. Alles summte und jubilierte dem Herrn! Da erhob sich Jakob von seinem Lager und kniete auf den Stein, den er vom alten Bethaus genommen hatte, und sprach für sich: Wahrhaftig, der Herr ist in diese Stätte gekommen und ich wusste es nicht! Und die Ehrfurcht stieg in ihm auf und er rief für sich selbst: «Wahrlich, hier ist nichts anderes als das Haus Gottes! Aber hier ist gar die Pforte des Himmels!» So betete er weiter den ganzen Tag immer wieder und am anderen Morgen in der Frühe nahm er den Stein, den er als Stütze seines Hauptes gebraucht hatte, richtete ihn als Malstein auf und goss vom feinen Öl auf seine Spitze. Von nun an aber nannte er jene Stätte Bethel, das heisst Haus Gottes. Denn wohl wusste er, dass diese Stätte früher Lus (1 s. Gl.) genannt wurde. Und er sprach aber bei sich: Wenn der Gott meines Vaters mich wirklich auf all meinen Wegen begleitet und mir hilft, dass ich immer Brot zu essen habe und Kleider, um mich zu kleiden und ich wohlbehalten wieder in mein Vaterhaus einziehen darf, so soll dieser Herr mein Gott sein alle Tage meines Lebens, für immer und ewiglich. Dieser Malstein aber, den ich hier aufgerichtet habe, soll der Eckstein eines Gotteshauses werden, wenn Er mich hierher zurückführen wird. Von allem aber, von dem Er mir geben wird, will ich ihm den Zehnten dafür entrichten.

Nun weiss man, dass dieser frühere Name «Lus» eben Licht bedeutet. An dieser Stätte ist Jakob also der Herr erschienen! Das Licht stieg vom Himmel zu ihm in die Finsternis und hat Jakob lustriert, also kultisch gereinigt, erleuchtet! So liess Jakob immer wieder sein aufmerksames Auge über dieses Land streifen und er dachte bei sich selber: Wer bekommt schon von seinem Gott ein so schönes und grosses Land geschenkt? Muss denn der Beschenkte nicht ein Liebling Gottes sein? Was kann mir Höheres passieren, als gar der Liebling Gottes zu sein? Ich werde mein Leben lang aufpassen müssen, dass ich mich als würdig erweise! Keine Sünde darf je auf meine Lippen kommen, geschweige denn an meine Hände!

Danach dachte Jakob daran, dass er weiterzöge und er holte seine zwei Tiere herbei. Er drehte sich aber noch einmal um, besah sich den merkwürdigen Ort noch einmal genau, den aufgerichteten Malstein und alles, was er nun verliess. Dann erhob er zum Ende noch einmal seinen Blick und sah zum Himmel hinauf, dorthin, wo er nun das Tor zum Himmel wusste. Danach aber zog er hinweg und nahm nur die Erinnerung mit sich, die er sich vorsorglich fest eingeprägt hatte, wandte sich gegen Osten hin und wanderte also viele Tage dem entfernten Ostland entgegen. Als er endlich dieses Ostland, sein Ziel in Mesopotamien, erreicht hatte, sah er zuerst auf einem grossen, üppig grünsaftigen Weideland einen mächtigen, steinernen Brunnen. Um diesen Brunnen herum lagerten die Schafherden, denn aus ihm pflegte man wohl die Schafe zu tränken! Das sah man den Geräten an, die lose um den Brunnen herum standen, denn sie lagen bereit, um sie jederzeit zu benutzen. Über dem Brunnenschacht war eine schwere Steinplatte aufgelegt, die das kostbare Wasser zu schützen hatte. Wenn dann die Herden versammelt waren, so entfernte der Hirte den schweren Stein und schöpfte Wasser für sie. Darauf war der Schacht wieder sorgsam zu verschliessen, dass nicht zu nächtlicher Stunde jemand in den Brunnenschacht träte, oder eines der Tiere darin zu Tode käme, auch natürlich, dass nichts hinein käme, das nicht hinein gehört. Wie Jakob lange dagestanden hatte und sich alles besehen und sich seine Gedanken darüber gemacht hatte, da sah er, wie von weit her zwei grosse Schafherden mit ihren Hirten daherkamen. So erwartete er sie geduldig in der Hoffnung auf ein kurzes Gespräch. Und wie sie endlich beim Brunnen angekommen waren, da trat Jakob zu den Hirten hin, die mit ihren Schafherden nun zugegen waren und sprach zu ihnen: «Brüder, wo seid ihr her?» Sie antworteten ihm: «Wir sind von Haran.» Da sprach er weiter zu ihnen: «Kennt ihr vielleicht Laban, den Sohn Bethuels?» «Ja, wir kennen ihn», sprachen sie. Und er fragte weiter: «Steht es denn gut mit ihm?» Da antworteten sie: «Es geht ihm gut, er ist wohlauf, doch siehe, da kommt gerade seine Tochter Rahel daher mit ihrer Schafherde.» Sie zeigten in die Richtung, wo man eine dritte Herde langsam daherkommen sah. Da antwortete Jakob wieder: «Es ist ja noch gar nicht spät am Tag und noch nicht Zeit, das Vieh einzutreiben. Tränkt doch eure Schafe und lasst sie dann wieder weiden.» Sie antworteten ihm: «Das können wir nicht tun, denn zuerst müssen alle Herden hier sein, dann wälzt man den Stein vom Brunnen und wir tränken alle gemeinsam unsere Schafe. Der Brunnen hat genug Wasser, das ist kein Problem, wenn auch viele Schafe getränkt werden müssen, das Wasser läuft sofort nach.»

Während er noch mit ihnen redete, war indessen Rahel mit den Schafen ihres Vaters herangekommen, denn es war ihre Aufgabe, sie zu hüten. Rahel war also eine Hirtin (2. s. Gl.). Wie aber Jakob Rahel mit ihren Schafen herankommen sah, hob er selbst den Stein vom Brunnen und tränkte seines Oheims Schafe. Als er aber dabei Rahel betrachtete, war er erstaunt über ihre grosse Schönheit, über ihren klaren Blick, und er begann gar zu weinen und küsste sie, denn sie begeisterte sofort seine Seele. Dazu erklärte er ihr, er sei ihrer Tante Rebekkas Sohn, Jakob. Wie sie dies aber hörte, lief sie hin und brachte die Kunde vor ihren Vater Laban hin. Als nun aber Laban vernahm, dass der Sohn seiner Schwester Rebekka gekommen sei, ging er ihm eilig entgegen, gab ihm den Bruderkuss, umarmte ihn herzlich und führte ihn schliesslich in sein Haus ein. Dort setzten sie sich hin und Jakob erzählte seinem Onkel seine ganze Geschichte, so ausführlich wie möglich. Er berichtete über das Ergehen in seinem Vaterhaus und wie alles gekommen sei, dass er jetzt vor ihm sässe. Da sprach Laban zu ihm: «Ich sehe, dass du von meinem Fleische bist, und darum freue ich mich, dich nun hier zu haben.» Und so blieb Jakob erst einmal einen ganzen Monat im Hause Labans. Jakob aber, er fasste mit an auf dem Gehöft seines Oheims und übernahm diese und jene Arbeiten, die ihm als wichtig erschienen. Laban hatte aber ein sehr gutes Auge, denn er sah sehr schnell, dass alles gedieh, was Jakob in seine Hände nahm. Er war auch immer zuerst und an vorderster Front, wenn es ums Zupacken ging, wobei seine eigenen Söhne meist daneben standen und erst einmal zuwarteten, ob es überhaupt nötig sei, dass sie sich bückten. Es blieb ihm auch nicht verborgen, dass er Änderungen vornahm, die dazu führten, dass sich der ganze Ertrag seines Gehöftes enorm vermehrte. So spürte er bald, dass er etwas unternehmen müsste, um den jungen Mann irgendwie an sich zu binden, vor allem aber, einfach mal hier zu behalten. So liess er ihn also vor sein Angesicht treten und sprach eindringlich zu ihm: «Siehe, du bist doch mein Verwandter und bist mir in so kurzer Zeit sehr lieb geworden. Du sollst deshalb nicht ohne Lohn für mich arbeiten, denn das wäre nicht recht! Sage mir also an, was soll ich dir geben, was soll dein Lohn sein für deine Arbeit? Ich will dir wohl geben, was du verlangst, denn jeder der arbeitet, soll doch seinen Lohn haben, das ist so und wird auch so bleiben! Wenn Rebekka, meine Schwester hören muss, ihr Sohn habe für nichts beim Bruder gearbeitet, so würfe das ein schlechtes Bild auf mich, denn ich gebe doch gerne, was einer verdient!»

Nun war es aber so, dass Laban nicht nur die eine Tochter hatte, sondern deren zwei. Die ältere Tochter hiess Lea und die jüngere war eben die schöne Hirtin Rahel, deren Aufgabe es war, die ansehnlichen Schafherden des Gehöftes zu hüten, sie war aber für alle Tiere die Hirtin. Lea, die ältere Schwester hatte matte, ausdruckslose Augen, Rahel dagegen war ausserordentlich schön von Gestalt und ihre Augen waren wach und stark! Ja, sie war überaus schöngesichtig! Jakob hatte Rahel sofort liebgewonnen und wusste jetzt schon insgeheim, dass er dieses Gehöft nicht mehr verlassen könne, es sei denn, er würde Rahel an der Hand mitführen. Jakob wusste wohl, was der Onkel wollte, und so sprach er denn zu seinem Oheim: «Siehe, ich will dir sieben Jahre um Rahel, deine jüngere Tochter dienen. Dies soll mein Lohn sein, denn ich kann nicht in mein Vaterhaus zurückkehren ohne sie!» Jakob sagte also genau das, was Laban eigentlich wollte und im Sinn hatte, denn er sah ja wohl, dass Jakob ein Segen war für seine Belange! Er hatte schnell gespürt, dass auf Jakob ein starker Segen liegen musste. Er hatte aber auch die Blicke gesehen, die Jakob auf Rahel warf, sooft er nur konnte! Auch bemerkte er, dass Jakob immer dort zu finden war, wo sich gerade Rahel aufhielt. Als er sich das alles gemerkt hatte, begann er Jakob genau zu beobachten. An diesem Punkt aber, da schaltete sich auch der Teufel mit ein! So sprach also Laban zu ihm: «Ja, es ist besser, wenn ich sie dir gebe als einem fremden Manne. Bleibe du also hier bei mir, es soll dein Schaden nicht sein! Du kannst hier wie in deinem Elternhaus wohnen und mitbestimmen, was und wie alles gemacht werden soll. Ja, du sollst wie einer meiner Söhne sein und teilhaben an allem.»

So diente Jakob also seinem Oheim Laban um Rahel, seiner Geliebten willen. Die Jahre kamen ihm vor, wie sie nur grad Tage wären. Alles sonst war ihm nicht so wichtig, denn wichtig war ihm einzig, dass er Rahel alle Tage zu sehen vermochte. Es war dies die echte Liebe, so wie sie sein sollte. Er musste es nicht besitzen, er musste das Schöne nur betrachten können und wissen, dass es da war. Jakob diente also zuerst sieben Jahre; denn er musste nicht gleich sofort besitzen! Es reichte ihm, ihre Stimme zu vernehmen, und er sog ihren Duft ein, wenn sie vorüberging. Ja, er erkannte sie am Rauschen ihres Kleides, er brauchte sich nicht einmal umzudrehen! Denn er liebte sie einfach, ohne ihr Mann zu sein! Es war ihm wohl, wenn man am Ende eines arbeitsreichen Tages noch beisammensass, und sie sich innerhalb der Runde befand. Wenn dann endlich einmal das Licht fehlte, so liebte er einfach nur noch ihre anmutigen Umrisse, die er in der Dunkelheit doch noch zu erkennen vermochte oder allenfalls im Feuerschein. Wie bereits erklärt, die Jahre des Dienens waren für Jakob nicht ein Warten auf den Lohn, sondern es war für ihn eine Zeit des Freuens, bis er erhalte, um was er so lange dient. Nach dieser siebenjährigen Zeit, die ihm aber gar nicht so lange erschienen war, trat Jakob vor Laban hin und sprach zu ihm: «Meine Zeit ist nun um. Gib mir mein Weib, meinen Lohn, dass ich mich zu ihr lege, denn ich habe meinen Teil unserer Abmachung treu gegeben und du hast angenommen, was ich dir gab.» Da erhob sich der Onkel Laban von seinem Sitze – und es lud Laban die Menschen von Haran ein und gab ihnen ein schönes Hochzeitsfest. Es wurde nun fröhlich gefeiert bis spät in die Nacht hinein und Jakob konnte sich den ganzen Tag fast nicht sattsehen an der Schönheit Rahels! Denn sie hatte ihr Hirtinnen-Kleid abgelegt und die Mägde hatten ihr ein Hochzeitskleid geschneidert. Sie sah herrlich aus darin! Auch Lea war hübsch gemacht worden und ihre matten Augen fielen gar nicht mehr so auf, aber man sah sie weniger als Rahel, weil sie dauernd im Haus beschäftigt war und Mägde zu führen hatte. Oder dann war es einfach, weil Jakob nur Augen für Rahel hatte und die Schwester gar nicht bemerkte. Jakob sah nur noch Rahel und nichts sonst um sich herum. Er sah nicht, wie sich die Menschen geschmückt hatten für diesen Tag. Er sah nur Rahel an, er berührte sie nicht einmal. Die Berührungen wollte er auf die Nacht verlegen, denn erst dann wollte er sie auch berühren. Wenn er nun daran dachte, so stiegen ihm Tränen in die Augen auf, dies aber vor lauter Vorfreude! So rauschte also das Hochzeitsfest den ganzen Tag lang. Es wurde viel gelacht und die Frauen führten Tänze auf, wenn die Musikanten aufspielten, und die Männer gaben sich Wettkämpfen hin von aller Art.

Als es dann endlich einmal Nacht geworden war und alle Festbesucher ihrem eigenen Haus zugestrebt und endlich gegangen waren, führte Laban die Braut in den Hochzeitsraum, wo alles schon ganz schön bereitet war, um das Liebespaar zu empfangen. Alle hatten sich den schönbereiteten Raum noch ansehen dürfen, der mit Blumen und schönen Stoffen geschmückt war. Die Braut legte sich also dort aufs Lager und harrte der Dinge, die nun kommen sollten. Alles war auf das Geheiss des Onkels Laban hin sorglich vorbereitet worden. Er war es, der alles angeordnet hatte. Vor den Fenstern waren schwere Holzläden und alle Ritzen waren verstopft worden, sodass kein neugieriges Auge sich in die Stube zu verirren vermochte. Laban zog die Türe bedächtig hinter sich zu und steckte den Schlüssel in seine Tasche. Nun wurde der Bräutigam mit lautem Lärmen geholt und alle begleiteten ihn zur Hochzeitsstube. Dort zog Laban mit breitem Grinsen den Schlüssel wieder hervor und gab seinem Schwiegersohn die Stube frei. Er drückte ihm den Schlüssel in die Hand und dieser ging vorsichtig hinein und schloss von innen gleich wieder zu! Was in dieser Nacht in der Stube passiert und geschehen war, kann ich auch nicht erzählen, denn alle Ritzen waren ja verstopft! In der Stube blieb alles dunkel. Endlich wurde auch in Labans grossem Haus die letzte Kerze ausgelöscht und es herrschte die Dunkelheit auf dem Gehöft!

*

Jedoch in der Morgenfrühe, als Jakob den ersten Sonnenstrahl ins Hochzeitsgemach einströmen liess, indem er einen der Holzladen öffnete und aufstiess, bemerkte er mit grossem Schrecken und aufkommender Trauer, dass man ihm nicht Rahel, die Echte, aufs Brautlager gelegt hatte, sondern ihre ältere Schwester Lea, die mit den matten Augen! Da verlor er fast seine Fassung, ja er erschrak sehr! Natürlich bemerkte dies auch Lea, denn Jakob konnte das nicht vollständig verbergen, und sie kam sich als mitschuldige Betrügerin vor. Sie weinte bittere Tränen, obwohl sie doch eine schöne Nacht miterlebt hatte und nun eine Frau geworden war. Aber die Enttäuschung machte dies alles zunichte, denn sie sass halbnackt auf dem Lager und wischte ständig ihre verweinten, matten Augen ab.

Da eilte Jakob sofort ins Herrenhaus und trat vor Laban hin und sprach zu ihm: «Siehe, wir hatten einen Vertrag! Ich habe ihn von meiner Seite her getreulich eingehalten und dir sieben Jahre gedient um Rahel willen! Du aber hast mich schmählich betrogen, denn du hast mir Lea aufs Brautlager gelegt und ich bin auch in der völligen Dunkelheit zu ihr eingegangen! Vor Gott dem Herrn ist nun alles besiegelt, vor ihm ist sie meine Frau, das ist alles klar und muss nicht besprochen werden, denn es könnte ja sein, dass sie von mir empfangen hat! Was hast du mir da angetan? Warum betrügst du mich, der ich dir doch treu gedient habe?»

Laban aber liess sich nicht aus der Ruhe bringen, denn er legte gemächlich seine Arbeit weg, die er gerade in den Händen hatte, und setzte sich zurecht, sah Jakob an und sprach dann: «Siehe, es ist in dieser Gegend nicht Sitte, dass man zuerst die jüngere Tochter verheiratet und aus dem Hause weggibt. Was soll denn da die Ältere denken, sie sei nichts wert? Es ist überhaupt nichts Böses geschehen! Ich will dich gar nicht betrügen, in gar keiner Weise! Beende doch mit Lea diese Festwoche feierlich, wie du sie begonnen hast, so will ich dir, um den weiteren Dienst, wie den, den du mir schon geleistet hast, auch die andere Tochter geben. Diene mir also weitere sieben Jahre und so sollst du haben, was du verlangst.»

Jakob tat darauf, wie Laban es vorgeschlagen hatte. Er beendete die Festwoche und daraufhin gab ihm Laban auch die begehrte Rahel zum Weibe. Dazu gab Laban seiner Tochter Rahel auch die Magd Bilha dazu, Lea aber bekam seine Magd Silpa. Da wohnte Jakob auch der jüngeren Tochter Rahel bei, aber Rahel hatte er lieber als Lea! Doch für Rahel musste er Laban noch einmal sieben Jahre dienen. Doch das machte ihm nichts aus, denn er hatte jetzt ja, was er wollte!

Jakob war also nur vom Geistigen, vom Schönen angezogen, das gewöhnlich Weltliche aber, das schob er eher beiseite, oder besser gesagt, er wendete ihm nicht sein interessiertes Gesicht zu, denn es war dies für ihn ein weltlich benötigtes Ding. Jakob hatte eben schon das Schöne gesehen und so passiert es, dass man sich dem weniger Schönen nicht mehr mit dem gleichen Interesse zuwendet, wenn man doch weiss, wo das Schöne sich befindet!

Lea war also sicher keine hässliche Frau! Sie war vielleicht eine wohlgeformte, praktische Frau in bestem Alter, doch aus ihren Augen sprühte eben nicht der Geist, wie bei ihrer Schwester. Ihre Sorge galt nicht der Wahrheit des Himmels, sondern den Notwendigkeiten der Erde, wie sie die Welt eben fordert. Ihr Auge suchte das Haus nach Arbeiten ab, sie wendete sich dem Kochen und dem Waschen, einfach dem Haushalten in all seiner Vielfältigkeit zu. Dies sind natürlich sehr praktische und durchaus wertvolle Dinge! Rahel jedoch, sie war ganz anders begabt, denn sie hatte ja einst Geistmenschen zu gebären, einen Gottessohn gar, wie es vor langer Zeit Melchisedek prophezeit hatte. Sie war ja die Hirtin, war also dem Himmel zugewendet und verbunden. Ihre Blicke waren es gewohnt, zum Himmel aufzusehen! Lea verfügte wohl über ein breites Becken und sie würde sicher ohne grosse Schreie ihre Kinder gebären. Rahel war viel zarter geformt! In Leas Name waren keine Geheimnisse verborgen, nichts Göttliches! In Rahels Name aber schon. In ihrem Namen prangte in der Mitte das göttliche He – genauso wie es einst Sarah verliehen wurde und Ra ist ja schliesslich der altägyptische Sonnengott – und die Endsilbe El bezeichnet die semitische, höchste Gottheit. Rahel ist also ein vollkommen göttlicher Name ohne jedwede fremden Zusätze. Was also könnte den grossen Sonnengeweihten, den Jakob auch anderes interessieren? Sein Interesse ging nur noch auf der geistigen Linie, denn das Tierische war doch schon im Mutterleib der Rebekka von ihm getrennt und abgesondert worden. Das will gar nicht heissen, dass er nichts Weltliches mehr getan hätte! Im Gegenteil, er sorgte mit glücklicher Hand für Labans Gut! Hat nicht Rebekka die Worte verlauten lassen: «Zwei Kinder stossen sich in meinem Leib!» Und als sie ihren Herrn und Gott befragte, sprach Er zu ihr: «Zwei Völker sind in deinem Leib und daraus werden zwei Stämme werden und sich aus deinem Schosse scheiden. Ein Stamm wird dem anderen überlegen sein und der ältere wird dem jüngeren dienen.» Das heisst nichts anderes, als dass die zwei Stämme, erstens Tiermenschen und zweitens Geistmenschen sind, denn Geist ist dem rohen, tierischen Volk immer überlegen und wird es immer sein! Darum also musste Jakob dem Esau das Erstgeburtsrecht mit einem Linsengericht abkaufen, weil er doch den Segen des alten, blinden Isa’ak unbedingt benötigte, sonst wäre der geistige Kanal, von dem schon der weise Melchisedek gesprochen hatte, direkt in die Tiermenschlichkeit eingemündet! Das musste Rebekka, vermutlich ohne ihr eigenes Wissen, unbedingt verhindern. So bewahrheiteten sich also des grossen Melchisedek‘s Worte, die er seinem langerwarteten Freund und Schüler anvertraut hatte: «Das Tierische wird vom Geistigen getrennt werden!» Wir sehen nun also: Rebekka und Laban waren Geschwister, und so hat Laban die geistige Frau für den geistigen Sohn seiner Schwester gezeugt! Rebekka hat aber auch einen Erdenmann gezeugt, wie Laban eben auch eine Erdenfrau! Der Geist selbst aber, der ist vom alten Geweihten Isa’ak gekommen, der ihn in eigener Person von seinem Vater Abraham verliehen bekam. Und Abraham war vom höchsten Priester des El Eljon dafür vorbereitet worden, dass die Geschichte so käme, wie sie eben gekommen ist!

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1siehe mein Buch: Melchisedek König von Salem

JAKOBS SÖHNE UND DIE TOCHTER

Nun wollen wir aber wieder zurückkehren zu Rahel und Lea. Als der Herr nun sah, dass Lea in den Augen von Jakob vollkommen zurückgesetzt war, ohne jegliche Eigenschuld, denn Lea war absolut eine fleissige Frau, so liess Er es zu, dass ihr Schoss fruchtbar wurde, während Rahel noch unfruchtbar bleiben musste. So könnte sich Lea dem Aufziehen des Kindes widmen und wäre abgelenkt vom Leid der Einsamkeit, die ja Trübsal ins Haus einbringt. Also gebar ihm Lea einen Sohn, den sie Ruben (3. s. Gl.) nannte, denn sie sprach bei sich selbst: «Nun hat der Herr mein Elend gesehen und nun wird mich Jakob doch ein bisschen liebhaben, denn ich habe ihm doch einen Sohn geboren.» Und so ward sie nach kurzer Zeit abermals schwanger in ihrem Glück – und gebar ihm noch einen Sohn und sie sprach: «Der Herr hat auch gehört, dass ich zurückgesetzt bin, und darum hat er mir auch diesen gegeben.» Da nannte sie ihn Simeon. Leas Leben ging weiter unter Hoffen und Warten, denn wohl bemerkte sie, dass ihr Mann Jakob ein hoher Geist war, dem sie komplett unterworfen ward durch seine grosse Überlegenheit. Aber immer weiter musste sie auch sehen, dass sein Auge mit höchstem Wohlgefallen auf Rahel ruhte, wo sie sich auch immer befinden mochte. Lea hatte keine Ahnung von diesen geistigen Dingen, denn für sie war eine Frau dazu da, einen Haufen Kinder zu gebären! Da wurde sie abermals schwanger und sie gebar ihm einen dritten Sohn. Da sprach sie wiederum bei sich selbst: «Nun endlich wird mein Mann sich umdrehen und mir anhangen, denn ich habe ihm drei Söhne geboren, die doch der Stolz eines jeden Mannes sind!» Diesen dritten Sohn nannte sie Levi und sie ward noch einmal schwanger, gebar ihm einen vierten Sohn, und diesen nannte sie Juda. Nun sprach sie: «Nunmehr will ich den Herrn preisen!» Von da an gebar sie für eine Weile nicht mehr. Rahel aber, sie empfing nicht und wurde ein wenig eifersüchtig auf ihre Schwester, die ihrem Mann nun schon vier Söhne geboren hatte. Denn in der Stube ihrer Schwester Lea war immer ein emsiges Treiben und Wuseln, denn die vier Knaben hielten ihre Mutter wohl auf Trab! Auch Laban und seine Frau Aima besuchten meist ihre Enkel und traten in die Stube Lea’s ein und nicht in jene, wo Rahel alleine sass, wenn sie sich nicht gerade auf den Weiden bewegte! Rahel wusste natürlich nicht, ja konnte nicht wissen, was der Höchste mit ihr vorhatte, wie Seine Pläne seien, sonst hätte sie sich ihre Eifersucht ja wirklich sparen können. Sie wusste nicht, dass der Herr den Kindersegen ihrer Schwester einfach nur zuliess, dass das Ganze aber zum Plan eines ganz anderen gehörte!

Wer weiss schon, warum der Herr den einen Schoss öffnet, den anderen aber noch verschlossen hält? Aber das zeigt deutlich, dass auch die hohen Geister nicht mit den Plänen des Höchsten vertraut waren und sind. Ja, Rahel machte Jakob gar Vorwürfe, er solle ihr doch Kinder verschaffen, dass sie, wie andere Weiber auch, sich mit deren Aufzucht beschäftigen könne, denn wenn nicht, so werde sie sterben! Jakob wurde über diese Worte von ihr wohl etwas ungehalten, denn er entgegnete ihr: «Bin ich etwa an Gottesstatt, der dir die Leibesfrucht versagt?» Darauf aber sprach sie: «Da hast du meine Magd Bilha. Wohne ihr bei, damit sie für mich auf meinem Schoss einen Sohn gebäre und ich durch sie auch zu meinen Kindern komme!»

Also gab sie ihm Bilha und Jakob wohnte ihr bei, so wie es Rahel gewünscht hatte. Wenn aber der hohe Geist Jakob gewusst hätte, was er da tat, hätte er sicher darauf verzichtet. Aber mit damaligem Recht war das wohl zu vereinen, denn Bilha wurde dadurch von der gewöhnlichen Magd zum Kebsweib des Jakob. Und Bilha wurde sofort schwanger und gebar dem Jakob einen Sohn. Da sprach Rahel bei sich die Worte des Unverstandes: «Gott hat mir Recht verschafft, denn Er hat mich auch erhört und mir einen Sohn gegeben.» Darum nannte sie ihn Dan. Und Rahels Magd Bilha ward abermals schwanger und gebar Jakob einen weiteren Sohn. Da sprach Rahel: «Wahrlich, einen Gotteskampf habe ich mit meiner Schwester geführt und ich habe obsiegt! Darum nannte sie ihn Naphthali. (4. s. Gl.) Wie aber hat sich die hohe, schöngeistige Rahel getäuscht! Nicht Gott hat ihr Söhne gegeben, sondern sie selbst hatte ihren Willen durchgesetzt, doch der war falsch, denn es war ein weltlicher Wille und kam von der entgegengesetzten Seite! Es war reines Teufelswerk! Wir werden später sehen, was das für Auswirkungen haben wird! Statt ihr hohes, geistiges Vermögen in den Himmel zu richten, richtete sie es auf Irdisches, was Konsequenzen haben kann, ja, Konsequenzen haben muss und auch hatte! Es können dies die Anfänge langwieriger Leidenswege sein!

Als nun aber Lea bemerkt hatte, dass Bilha aufgehört hatte zu gebären, nahm sie ihre Magd Silpa und stellte sie vor Jakob hin und sprach: «Gehe zu ihr ein, dass sie an meiner statt Söhne gebäre. So sie dir welche gebiert, so will ich sie dir aufziehen.» Jakob tat, wie ihm Lea gesagt hatte und wohnte auch Silpa bei und siehe, sie brachte sofort einen Sohn zur Welt und Lea legte ihn vor Jakob hin. Sie sprach darauf: «Glück auf!» Und sie bestimmte, dass er Gad (5. s. Gl.) heissen solle. Aber gleich darauf gebar Silpa Jakob einen zweiten Sohn und Lea sprach: «Ich Glückliche! Die Töchter unseres Volkes werden mich sicher glücklich preisen!» Und sie nannte ihn Asser. Also tat auch die häusliche Lea nichts anderes als ihre Schwester und machte wie sie, prompt den gleichen Fehler! Das heisst, ihr stumpfer, weltlicher Sinn kopierte den Fehler ihrer Schwester und verschlimmerte damit das weltliche Wollen um die Hälfte. Aber sie hatte ja schon matte Augen, und sie konnte nicht mehr viel tiefer fallen!

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Da begab es sich einst, dass Ruben, der älteste Sohn Leas, zurzeit, als die Weizenernte eingeholt wurde, auf dem Felde Liebesäpfel (6. s. Gl.) fand. Er sammelte alle ein, liess keinen zurück und trug sie stolz nach Hause, um sie Lea, seiner Mutter, als sein Geschenk in den Schoss zu legen. Dies sah Rahel und bat deshalb ihre Schwester: «Bitte, gib mir von den Liebesäpfeln deines Sohnes.» Sie aber entgegnete ihr forsch: «Ist es denn nicht genug, dass du mir meinen Mann weggenommen hast? Nun willst du auch noch die Liebesäpfel meines Sohnes haben?» Da sprach Rahel zu ihr: «Nun gut, so mag er heute Nacht bei dir schlafen für die Liebesäpfel deines Sohnes, also gib mir welche ab.»

Als an demselben Abend Jakob vom Felde heimkam, trat ihm Lea entgegen und sprach: «Zu mir musst du heute kommen, denn ich habe dich um die Liebesäpfel meines Sohnes Ruben erkauft.» Also schlief er jene Nacht bei ihr. Und Gott erhörte Leas dringendes Gebet, das sie zum Himmel stiess und sie wurde schwanger und gebar Jakob einen fünften Sohn! Da aber sprach sie: «Gott hat mir’s also gelohnt, dass ich meinem Mann meine Magd gegeben habe.» Was für ein furchtbarer Irrtum! Und sie nahm ihren Sohn in die Arme und nannte ihn Issachar. Darauf wurde Lea gleich abermals schwanger und sie gebar dem Jakob einen sechsten Sohn und sie sprach darauf: «Gott hat mir eine reiche Gabe gegeben. Nun endlich wird mein Mann bei mir Wohnung nehmen, denn ich habe ihm sechs Söhne geboren!» Und sie nannte ihren Sohn Sebulon.

Nach Sebulon aber, da ward sie zum siebenten Mal schwanger, aber sie gebar dem Jakob eine erste und auch einzige Tochter und nannte sie Dina. Nun aber, nach diesem Überfluss, gedachte Gott wieder Rahel, der Schönen, denn Er erhörte ihre flehenden Gebete. Er wusste wohl, dass die schöne Rahel nicht wissen konnte, wofür sie aufgehoben wurde. Daraufhin öffnete Er erstmals ihren Schoss, sodass sie fruchtbar und deshalb doch noch schwanger wurde. Diesen, ihren eigenen Sohn aber nannte sie Joseph, und vor lauter Glück wurde sie nun noch schöner. Als sie ihn in ihren Armen hielt, sprach sie: «Der Herr möge mir jetzt doch noch einen Sohn dazugeben. Wenn Er es doch einmal gestattete, so könnte es doch auch ein zweites Mal sein!»

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Gottes Pläne und Taten sind uns meist unergründlich und dünken uns deshalb sehr seltsam. Doch was vermögen wir denn zu wissen? Alles, was wir davon wirklich wissen, ist: Es ist auf jeden Fall richtig! Wie hat Er Jakobs Grosseltern, den grossen Abraham und Sarah, sein Weib, warten lassen und mit neunzig Jahren erst Sarahs Schoss geöffnet! Manchmal muss halt vielleicht eine bestimmte Seele zu einer bestimmten Gebärerin kommen, oder zu einem auserwählten Erzeuger, weil es der Sohn eines ganz bestimmten Mannes sein soll, so wie es eben Gottes Wille ist. Und vielleicht ist diese Seele nicht grad verfügbar, wer mag das also alles wissen? Oder es müssen zwei bestimmte Seelen zusammenkommen, und auch das kann halt dauern, so wie Jakob und Esau, und es gab und gibt noch viele solcher Beispiele. Jakobs Familie wird aber erst mit der letzten Geburt komplett sein. Erst dann kann die Geschichte losgehen, denn es müssen alle wichtigen Akteure vorhanden sein, sonst ist auch die Geschichte nicht komplett, und unvollständige Geschichten sind somit unerzählbar. Nun aber ist die erste grosse Hauptfigur geboren – und es wird jetzt ganz auf meine Erzählkunst ankommen, ob ich alles so zu schildern vermag, wie es eben wirklich war! Die erste Hauptfigur ist da, es fehlen uns aber noch die zweite und auch noch die dritte!

Von Josephs Geburt vermag ich nicht viel zu erzählen und doch gibt es einiges, das sehr wichtig ist und unbedingt erwähnt werden sollte.

Als Joseph hier auf Erden angekommen war, waren sich alle Betrachter des Kindes einig, ein schöneres Kind hat man noch niemals gesehen! Alle Beteiligten auf Labans Gehöften waren ruhiger geworden, ja sie gingen leiser dahin, riefen einander nicht mehr so laut zu! Sogar die Knechte vermieden es, in der Nähe des Kindes zu hämmern. Und die Mägde schauten, dass kein Geschirr klapperte, wenn das Kind gestillt wurde. Eigenartigerweise schienen auch die Tiere weniger Lärm zu machen. Alles schien ruhiger geworden zu sein, behäbiger und lieblicher! Wenn das Kind in der Nähe war, so flüsterten die Menschen, aber niemand wusste eigentlich warum, es war einfach so. Sogar Lea flüsterte und ihr zwiesliges Plappermaul war sehr ruhig geworden, obwohl doch bis hierhin zwischen ihr und ihrer Schwester Rahel wie eine Art Gebärkampf stattgefunden hatte, weil um die Gunst Jakobs gerungen und gefeilscht werden musste. Nun aber, seit Josephs Geburt, waren jegliche solcher Halbfeindseligkeiten eingeschlafen und nicht mehr aktiv. Auch Leas matte Augen ruhten staunend auf dem schönen Kind und zögerlich erhob sich ihre raue Bäuerinnen-Hand und ihre Fingerspitzen berührten gleitend die seidene Haut des Knaben. Alle wussten instinktiv, dass da etwas geschehen sei, aber niemand konnte erklären, was es denn war! Alle waren einfach überzeugt, etwas Heiliges war geschehen und eingetreten! Auch Rahel selbst konnte nichts erklären. Aber sie genoss die Betrachtungen der anderen Menschen und ihre Aussagen, die ja ihrem Kinde galten, und sie liess es gerne geschehen, wenn man es berühren wollte.

So legte sich auch jetzt ihre Hand langsam auf Leas zaghaft fühlende Hand an dem Kind. Niemand verstand, was das alles denn war und was es werden sollte, weshalb man dem Kind gegenüber gar eine Art Heiligkeit empfand, eine Ehrfurcht sogar. Aber seit Joseph da war, war eine eigenartige Ruhe über die beiden Schwestern-Mütter gekommen, jeglicher Zwist war fort und vergessen, war einfach eingeschlafen und die Liebe, die vor der Heirat einmal dagewesen war, sie war plötzlich wieder in die Stuben der beiden Frauen zurückgekehrt! Es herrschte wieder die Einigkeit schwesterlicher Freundschaft.

Nur Jakob selbst, er schien etwas davon zu wissen, denn hin und wieder sah man ihn mit gefalteten Händen an der Wiege stehen. Er schien zu beten. Aber was er genau tat, weiss man bis heute nicht. Joseph war ja nun wohl das Kind, das Jakob insgeheim erwartet hatte, denn er wusste von seinem Vater Isa’ak, dass einer seiner Söhne einen