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Juan Haro

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Beschreibung

Ein packendes Familiendrama mit Thriller Elementen. Die Geschichte spielt in einem großen Holzhaus, das von zwei Brüdern, Walter und Peter, und ihren Ehefrauen bewohnt wird. Das harmonische Leben der Familie gerät aus dem Gleichgewicht, als die attraktive und geheimnisvolle Josi als Haushaltshilfe eingestellt wird. Was als einfache Unterstützung im Haushalt beginnt, entwickelt sich zu einer tiefen Verstrickung aus Leidenschaft, Geheimnissen und gefährlichen Gefühlen. Besonders Peter fühlt sich zu Josi hingezogen, obwohl er verheiratet ist. Die emotionale Anziehung zwischen den beiden wächst stetig und droht, die familiäre Harmonie zu zerstören. Während sich die Spannungen zuspitzen, bleibt unklar, ob ihre verbotene Beziehung unentdeckt bleibt oder ob sie fatale Konsequenzen nach sich zieht. Ein Roman über Liebe, Versuchung und die zerstörerische Kraft der Eifersucht – mit einem Ende, das niemand erwartet.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Josi und der Feigling

 

 

 

Ein herzlicher Dank geht an meine Leser, die mich von Anfang an mit ihrer Kritik und Treue unterstützen.

In meinen Romanen habe ich die Namen von Personen aus meinem engeren Umfeld verwendet, die mir von Anfang an den Mut gaben, sie zu veröffentlichen, und meine Geschichten begleiteten.

 

* * *

Impressum

Verantwortlich für den Inhalt dieses E-Books:Juan Haro

Burggasse 1

68469 WeinheimE-Mail: [email protected]

Coverfoto: Selbst erstellt unter Verwendung lizenzfreier Bilder aus frei zugänglichen Online-Quellen 

© 06/2025 – Juan Haro - Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors in irgendeiner Form reproduziert, gespeichert oder weitergegeben werden, es sei denn, dies geschieht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Zitatrechts.

 

 

Prolog

 

Welche Frau hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, eine Putzkraft zu engagieren, die ihr im Haushalt unter die Arme greift? Die Aufgaben im Haushalt häufen sich, während die Zeit dafür immer knapper wird. Die Zeit für Hobbys und andere persönliche Aktivitäten ist begrenzt – viele würden diesen Dingen gerne intensiver und öfter nachgehen. Der Wunsch nach einer Haushaltshilfe wächst – insbesondere bei Frauen, die noch keine haben, aber gerne eine hätten. Frauen, die bereits eine Haushaltshilfe haben, möchten auf diese Unterstützung nicht mehr verzichten. Denn sie schenkt wertvolle Zeit – Zeit, für die jede berufstätige Frau dankbar ist. Wer einmal die Vorteile einer Haushaltshilfe kennengelernt hat, lernt diese Unterstützung schnell zu schätzen.

Vereinfacht und zusammenfassend lässt sich sagen: Eine Putzkraft ist äußerst wertvoll und entlastend in vielerlei Hinsicht – sie reduziert Stress, steigert das Wohlbefinden und fördert sogar einen erholsamen Schlaf. Doch vor allem sorgt sie für eines: mehr Zeit – eines der kostbarsten Elemente in unserer heutigen Gesellschaft.

 

 

 

 

 

 

Ein wunderschönes, großes Holzhaus besaßen sie, das aus drei Wohnungen bestand: Erdgeschoss, Obergeschoss und eine kleine Dachwohnung. Die drei Etagen waren durch ein gemeinsames Treppenhaus miteinander verbunden, jedoch ohne Wohnungstüren, was das Haus wie eine große Wohngemeinschaft wirken ließ. Die Dachwohnung, in der Matthias wohnte, war das einzige abgeschlossene Apartment und stand bereits seit Jahren leer. Gelegentlich wurde sie von seinen Schwägerinnen geputzt. Sowohl das Erdgeschoss als auch das Obergeschoss bestanden jeweils aus privaten Schlafzimmern und eigenen Badezimmern. Lediglich das Wohnzimmer und die Küche wurden gemeinsam genutzt, was das Leben im Haus zu einem dialogreichen und abenteuerlichen Familienprojekt machte. Der Aufbau des Hauses war interessant und vermittelte den Eindruck eines Ortes voller Geschichte und Charakter. Die fehlenden Wohnungstüren zwischen den Etagen deuteten darauf hin, dass das Haus ursprünglich für eine große Familie konzipiert war, die es als eine Einheit bewohnte. Im Laufe der Jahre hatte sich die Familie verkleinert, sodass nur noch Walter und Peter mit ihren Ehefrauen, Christiane und Nadja, das Haus bewohnten.

Die Arbeit in einem solchen Haus wurde oft unterschätzt, doch letzten Endes blieb sie meistens an Walters und Peters Frauen hängen. Bald sollte sich jedoch etwas ändern: Sie hängten einen Plan aus, der zeitnah in die Realität umgesetzt werden sollte. Der Plan beinhaltete im Grunde genommen lediglich eine Putzfrau, doch hinter dieser scheinbar einfachen Idee verbarg sich ein Schicksal, das alle Beteiligten überraschen würde. Die Putzfrau sollte nicht nur ihre herkömmlichen Aufgaben erfüllen, sondern auch eine Schlüsselrolle in dieser Familie einnehmen.

»Hat er etwas gesagt?«, fragte Peter, obwohl er die Antwort kannte, dennoch nie die Hoffnung verlor. »Was denkst du denn? Leider nein und null Reaktion, wie immer.«

Er hatte sich geschworen, ihn nie aufzugeben. Sein großer Bruder, der immer für alle da gewesen war, vegetierte nun vor sich hin und würde für seine Brüder für immer unsterblich bleiben, egal ob er es schaffte oder nicht. Drei Brüder, deren Bindung außergewöhnlich stark war. Ihre Geschichte beweist, dass das Schicksal existiert, obgleich wir Menschen das Wort Schicksal definiert haben oder nicht, das Schicksal ist immer präsent.

»Peter lass dir mal was gesagt sein, wenn das so weitergeht, und nicht die kleinste Veränderung zu erkennen ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, ob das alles noch Sinn hat. Wir sollten nochmal mit dem Arzt darüber reden«, erklärte Walter wie ausgelaugt und vorsichtig.

»Das hast du jetzt nicht gesagt, nein hast du nicht, ich habe das nicht gehört.« Peter hatte ihn klar und deutlich verstanden, er hätte weiß Gott was gegeben, um seinen Bruder Walter zum Schweigen zu bringen.

Peter verdrängte jeglichen Gedanken, ihren großen Bruder Matthias jemals aufgeben zu müssen, geschweige denn, zu wollen.

»Wir müssen die Maschine abschalten lassen, ob es dir passt oder nicht, vertraue mir Peter. Frag den Arzt, überzeug dich selbst und überdenke deine Meinung, ich flehe dich an, überdenke sie.«

Ihre Eltern verstarben noch bevor sie ihre eigenen Familien gründeten. Peters und Walters Bruder Matthias wohnte im Dachgeschoss des Elternhauses, als die Eltern noch lebten, bis er verunglückte. Vater Herbert und Mutter Rosalinda verstarben Jahre später und durchlebten mit ihrem ältesten Sohn Matthias eine schwierige Zeit. Die beiden schworen sich, ihren Sohn niemals zu Grabe zu tragen. Gott erhörte ihren Wunsch und ließ ihn in Erfüllung gehen.

Sie lebten in einem Holzhaus am Rande des Waldes und hielten einige Tiere, jedoch keine Nutztiere. Sie pflegten und liebten ihre Tiere, als gehörten sie zur Familie. Matthias liebte seine Tiere abgöttisch, er sagte immer, sie seien auch seine Familie. Walter und Peter hatten eine wunderschöne Kindheit zusammen mit ihrem Bruder Matthias, der für sie der Held war, der Retter in der Not, wenn sie was angestellt hatten und er zur Hilfe eilen musste, um etwas zu vertuschen oder zu verheimlichen.

»Vater hätte auf gar keinen Fall zugelassen, dass wir ihn da vor sich hinvegetieren lassen.«

»Walter, ich habe dir nein gesagt, wäre Mutter noch am Leben, würde sie alles tun, um dich und auch Vater vom Gegenteil zu überzeugen.«

»Ja, aber …«

Peter unterbrach ihn zornig, als wäre er besessen.

»Sie hätte gekämpft wie eine Löwin!«

Walter resignierte. Er hatte keine Lust, sich auf eine Diskussion einzulassen und senkte seinen Blick zu Boden. Er ging zurück ins Haus und murmelte vor sich hin: »Das bringt doch sowieso alles nichts.«

In Walters Wohnung saßen die Ehefrauen und tranken entspannt Kaffee.

»Diskutieren sie wieder?«

»Ich glaube ja, Walter hat ihm abgewunken und kommt scheinbar jetzt rein.«

»Christiane!«, rief er, noch ehe er in der Wohnung stand. »Kochst du heute, oder gehen wir essen?«

»Ich sitze hier mit Nadja und haben uns überlegt, eventuell alle zusammen essen zu gehen.«

Walters Ehefrau Christiane war eine angenehme und nette Frau, sie hätte keiner Fliege was zu Leiden getan. Nadja hingegen wusste, wie man ungezügelt durchs Leben ging und nahm selten ein Blatt vor den Mund.

»Oh hallo Nadja habe dich eben gar nicht gesehen.«

»Kein Ding Walter, ich sitze hier mit deiner Frau und wir wundern uns wieder mal, was da draußen bei euch los ist.«

»Ja, ich weiß, immer das Gleiche mit Peter, du weißt, wie dein Ehemann ist. Man kann kein Wort über, du weißt schon …«

»Walter Liebster, du bist dir dessen bewusst, wie empfindlich Peter ist, was dieses Thema anbetrifft«, bemerkte Christiane und schaute ihn liebevoll an. Nadja sagte: »Ich geh hoch und warte auf Peter, ich gebe euch gleich Bescheid, wann wir startklar sind.«

»Alles klar.«

Christiane kümmerte sich gerne um die Tiere. Sie fütterte sie noch, bevor sie das Haus verließ. Man konnte diesen Familien eines besonders hoch anrechnen – ihren unerschütterlichen Zusammenhalt, der sich in gegenseitiger Unterstützung und tiefem Respekt füreinander zeigte.

Alles war im grünen Bereich, trotz der familiären Umstände mit ihrem schwer gezeichneten großen Bruder, der an Schläuchen hing und sein Leben davon abhing. Gemeinsame Unternehmungen mit idyllischen Treffen sowie viele schöne, aber auch weniger schöne Diskussionen, geprägt von Verständnis und Einigung, zeichneten beide Paare aus. In Kurzform könnte man sagen: ein vorbildlicher und großartiger Familienzusammenhalt, zumindest bis Josi in ihr Leben trat.

Während sie aßen und sich angeregt unterhielten, wurde deutlich, dass Christiane etwas zur Sprache bringen wollte, dass ihr schon länger auf der Seele brannte. Sie grinste unentwegt und blickte des Öfteren zu Nadja rüber. Zuvorkommend, wie sie war, ließ sie zunächst die anderen erzählen, bevor sie sich später in das Gespräch einbrachte.

»Hey Peter, unser Gespräch vorhin war wieder mal, wie so oft für die Katz, aber vielleicht kannst du mich ein wenig verstehen, ich meine, unser armer Bruder nimmt praktisch leider nicht mehr am Leben teil, kannst du mich wenigstens ein wenig verstehen.«

Peter war außergewöhnlich sensibel und fühlte sich schnell verletzt, wenn es um seinen Bruder Matthias ging.

»Das mag sein, aber vielleicht wacht er noch auf, was dann?«, Nadja schlichtete, weil sie befürchtete, dass ihr Mann Peter vor Kummer sein Essen am Tisch nicht mehr genießen würde und das Gespräch, wie so oft, eskalieren könnte und so sagte sie: »Lasst bitte das Thema ruhen, hier auf einen Nenner zu kommen, ist äußerst unwahrscheinlich, ich bitte euch.«

Eine kurze Gesprächspause veranlasste Christiane dazu, das loszuwerden, was ihr schon länger im Kopf herumging.

»Jetzt, wo das geklärt ist, möchte ich ein ganz anderes Thema ansprechen, das mich länger beschäftigt.«

»Putzfrau?«, brachte sich Nadja kurz ein. Ihre Ehemänner schwiegen und schauten sich gegenseitig skeptisch an.

»Ja genau, Thema Putzfrau.« und schon klinkte sich Walter ein: »Wie was, Putzfrau?«

Beide Frauen blickten sich an, lachten und waren sich einig, eine Putzfrau zu engagieren, die ihnen ein wenig unter die Arme greifen sollte, um sie zu entlasten. Da sie beide voll berufstätig waren, hatten sie ohnehin schon genug mit der restlichen Hausarbeit zu tun. Ihren Männern beizubringen, dass das Thema Putzfrau bereits entschieden war, war keine große Sache, schlicht eine Entscheidung, die sie akzeptieren mussten.

»Nun lieber Walter, Christiane und ich sind zu der Erkenntnis gekommen, dass eine Putzfrau uns im Haushalt helfen könnte, gerade was das Putzen anbetrifft oder andere Tätigkeiten, so zwei Stunden täglich an Werktagen würde durchaus reichen.« Peter hielt sich zurück und wartete ab, was Walter dazu meinte.

»Was soll ich denn sagen? Es scheint, als wäre hier alles bereits entschieden worden«, teilte er frustriert mit und verzog dabei seinen Mundwinkel. Peter sagte anschließend: »Wenn ihr meint, ich denke, etwas Entlastung tut immer gut, vor allem, wenn man sich das leisten kann, und weiß Gott, wir können es uns leisten.«

»Unsere Finanzen sind zum Glück nicht das Problem, ich bin nur überrascht, das ist alles«, erzählte Walter leicht angekratzt, jedoch unbeschwert, so als hätte er das in kürzester Zeit hingenommen.

Als sie das Restaurant verließen und schließlich zuhause ankamen, setzten sich Christiane und Nadja an den Schreibtisch. Ohne zu zögern, formulierten sie eine Stellenanzeige auf der Suche nach einer Putzfrau, die nicht nur das Haus für ein gutes Gehalt putzt, sondern auch mit Freude andere Aufgaben übernehmen möchte. Christiane und Nadja waren außer sich vor Freude, endlich diesen Schritt gewagt zu haben, und waren sich sicher, dass sie schon bald mehr Zeit für ihren gemeinsamen Sport haben würden. Das Wochenende huschte schnell vorbei und der Alltag war wieder voll im Gange.

Am Dienstagabend war es so weit, das Inserat fruchtete, sodass sie etliche Anrufe entgegennahmen. Alle waren zuhause und entspannten. Für die Telefonate war Nadja zuständig, sie war aufgeschlossen und hemmungslos. Nach mehrmaligen Anrufen erklang endlich eine für Christiane und Nadja überzeugende und außergewöhnliche weibliche Stimme.

»Hallo, hier spricht Josi.« Nadja stellte das Telefon auf Lautsprecher.

»Du bist die sechste, die anruft, und ehrlich gesagt, erhoffen wir uns eine Frau einzustellen, die gerne auch andere Aufgaben übernehmen möchte außer Putzen.«

»Oh ja, liebend gerne, ich tue alles.« Nadja und Christiane grinsten und erzählten weiter: »Wir dachten auch an Kochen, außerdem würden wir auch mehr als zwei Stunden bezahlen, vielleicht insgesamt drei oder vier.«

»Ja, super, ich bin sehr erfreut, auch etwas mehr Geld verdienen zu können«, klang Josi begeistert.

»Würden sie denn heute vorbeikommen wollen, um uns gleich kennenzulernen?«

»Ja, sehr gerne.«

»Hier die Adresse, und ab neunzehn Uhr passt.«

»Freu mich!«

»Bis dann.« Sie legten auf.

Josis Stimme klang so weiblich, dass man meinen könnte, sie sei erst sechzehn, jedoch war sie eine erwachsene Frau, die mit beiden Füßen im Leben stand und einiges durchgemacht hatte.

»Hoppla, das ging ja schnell«, gab Walter von sich. »Aber echt, wow, heute veröffentlicht und gleich das Treffen«, bestätigte Peter, dem die Idee mit der Haushaltshilfe gefiel. Schließlich hoffte er, dass seine Frau dadurch fröhlicher durchs Leben gehen würde – zumindest wäre sie entlastet und hätte mehr Freizeit.

»Wann kommt sie denn?«, erkundigte sich Walter.

»Du hast mal wieder nicht zugehört«, sagte seine Ehefrau Christiane belustigt. Nadja erklärte kurz: »Sie kommt ab neunzehn Uhr und bringt alles mit, was wir uns vorgestellt hatten.«

»Ach ja?«, bezweifelte Walter.

»Ja sicher, sie bringt Motivation, Flexibilität und Begeisterung mit, reicht das etwa nicht?« erklärte sie selbstbewusst und schmunzelnd.

»Ich freue mich aufs Kennenlernen, bin gespannt, wie sie aussieht, wie sie denkt und so vieles mehr«, bemerkte Christiane und schaute zu ihrem Schwager Peter rüber.

»Peter, du sagst nichts, ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte Walter besorgt und berührte ihn mit der Faust leicht am Arm.

»Bei mir? Mit mir ist alles in Ordnung, ich war nur in Gedanken, was soll ich denn sagen, ich bin logischerweise auch gespannt, was für ein Mensch sie ist.«

»Also ich bin zuversichtlich, dass diese Josi die richtige für unseren Haushalt ist«, teilte Christiane freudig mit.

»Was ist mit den anderen, die auch angerufen haben?«

»Nun, ich sag mal, sie waren nicht allzu begeistert darüber, auch andere Arbeiten im Haus verrichten zu müssen«, erzählte Nadja und ließ die anderen daraus schließen, dass sie ebenso der Meinung war, Josi sei wahrscheinlich die richtige Wahl.

»Lassen wir uns überraschen, vielleicht schreckt sie zurück, wenn sie das große Haus sieht«, sagte Peter, um zu verdeutlichen, dass auch eine optimistische Einstellung ihre Kehrseite haben kann.

 

Als die Zeit verstrich, klingelte es an der Tür. Christiane reagierte unverzüglich, um die Tür zu öffnen, sie saßen alle in ihrer Erdgeschosswohnung.

»Guten Abend Josi«, begrüßte Christiane verblüfft darüber, wie wunderschön und perfekt diese junge Frau aussah.

»Hallo Nadja.«

»Oh, nein, ich bin Christiane, du hast vorhin mit Nadja telefoniert, meine Schwägerin.«

»Ach so, entschuldige«, gab Josi blitzschnell zurück.

»Nichts passiert, ich hätte mich vielleicht erst mal vorstellen sollen.«

»Darf ich reinkommen?«

»Oh Josi, jetzt muss ich mich entschuldigen, Ich habe eben vor lauter Reden nicht daran gedacht, dich hereinzubitten.«

Beide lachten und höflich sagte sie: »Bitte, komm doch rein.«

Christiane war irritiert. Ihre Gedanken kreisten etwas hektisch, sie hatte eine derart perfekte Schönheit nicht erwartet. Sie schaute ihr nach, um sie genauer ins Visier zu nehmen und stellte fest, dass Josi gewöhnliche, jedoch figurbetonte Klamotten trug, eine enge Jeans und ein enganliegender Wollpulli. Ihre langen, schwarzen, glatten Haare machten sie noch attraktiver als sie es ohnehin schon war. Christiane stellte sich die Frage, ob diese gutaussehende junge Frau die Richtige für diesen Job sei. »Geradeaus ins Wohnzimmer, meine Familie wartet schon.«

»Danke!«

»Ha…Hallo«, stotterte kurz Peter, der zweimal hinschaute, um zu registrieren, was er da sah.

»Hallo!«, grüßte Josi zurückhaltend.

»Hi, Josi«, grüßte Nadja und sah ihr tief in die Augen. Walter war inzwischen kurz auf die Toilette gegangen und würde bald zurückkommen. Sie stellten sich der Reihe nach vor und Nadja übernahm das Gespräch.

»Na dann, liebe Josi – was denkst du, weshalb du hier bist?«

»Nun, ich denke, sie suchen eine Putzfrau.«

»Ja, das tun wir, aber lassen wir das Sie weg, wir duzen uns alle. Wir suchen wie bereits besprochen eine Putzfrau, die auch bereit ist, andere Arbeiten zu verrichten.«

»Ja, das sagten sie, oh sorry, ja, das sagtest du am Telefon, also das ist für mich …«

»Hallo Josi!«, erklang aus der Ecke, als Walter das Wohnzimmer betrat und erst Mal schluckte, als er sie kurz anblickte.

»Hallo!«, grüßte Josi mit schüchterner Stimme zurück.

»Schön dich kennenzulernen, Josi«, sagte er freundlich mit ähnlichen Gedanken wie die anderen. Perplex schaute Walter sie hin und wieder an und dachte, wieso eine so wunderschöne Frau einen Job zum Putzen suchte.

»Folgendes liebe Josi, wir hatten daran gedacht, eine Haushaltshilfe einzustellen, die nicht nur putzt, sondern flexibel ist, um eventuell zu kochen, Tiere zu füttern und vielleicht auch andere Dinge, die sich im Laufe der Zeit ergeben könnten, da wir die meiste Zeit außer Haus sind«, erklärte Nadja, mit einem leichten skeptischen Blick. Sie dachte, Josi sei möglicherweise besser als Model aufgehoben, statt als Putzfrau zu arbeiten. Peter begaffte Josi regelrecht von oben bis unten, man hätte ihm einen Keks in den Mund stecken können, und er hätte es nicht einmal bemerkt. Seine Gedanken schwebten tief in eine erotisierende Vorstellung, die zum Glück niemand erahnen konnte.

»Ich verstehe, ich bin vor nichts abgeneigt – wie ich schon sagte, bin ich bereit alles zu tun und freue mich mehr Geld verdienen zu können, und kann ihnen an dieser Stelle nur versprechen, dass ich sie nicht enttäuschen werde, falls sie sich für mich entscheiden.«

»Wir duzen uns!«, warf Peter schmunzelnd ein und dachte, was für eine erotische und wunderschöne Frau vor seinen Augen stand.

»Ach ja, sorry!«

Christiane, die noch nichts groß gesagt hatte, mischte sich ein und offenbarte: »Liebe Josi, eigentlich ist die Entscheidung insofern gefallen, dass wir wahrscheinlich dich einstellen werden, weil offen gestanden du die Einzige bist, die am flexibelsten wirkt, zumindest so wie du das andeutest.«

»Ja, auf jeden Fall bin ich äußerst flexibel, das kann ich euch versichern.«

»Wir haben noch ein bisschen Kuchen da, möchtest du ein Stück mit uns essen?«, erklang Peters Stimme in einer hyperfreundlichen Tonlage, als wäre er ausgewechselt worden.

»Ähm…« Sie wurde von Nadja gleich unterbrochen.

»Ja genau, hätte es beinahe vergessen, und Kaffee ist auch schon fertig.«

»Ähm ja, also Kaffee gerne, aber Kuchen nicht, vielen Dank, ich vermeide jeglichen Zucker und achte auf meine Linie.«

Christiane war darüber nicht verwundert, sie dachte ohnehin, dass solch eine Figur nur mit Disziplin bewahrt werden kann. Christiane zeigte Josi die Küche und schenkte ihr Kaffee ohne Milch und ohne Zucker ein.

»Vielen Dank, Christiane.«

»Gerne.«

Als sie alle im Wohnzimmer am Tisch saßen, fragte Nadja sie ein wenig aus, denn auch sie war verwundert, wie solch eine Schönheit eine Putzstelle suchte.

»Josi, kann ich dich ein paar persönliche Dinge fragen?«

»Ja klar, nur zu, ich freue mich für euch arbeiten zu dürfen«, erwiderte sie entspannt und kämmte sich mit den Fingern durchs Haar.

»Was hast du denn vorher gearbeitet?«

»Oh, ich hoffe das wirft kein schlechtes Bild auf mich, ich habe noch nie für jemanden gearbeitet, ich lebte zehn Jahren mit einem Mann zusammen in einer Vorstadt Wohnung, bei dem ich finanziell ausgesorgt war, so war ich ab meinem zwanzigsten Lebensjahr Hausfrau«, erzählte sie geniert, weil sie keinen Beruf gelernt hatte.

»Ich verstehe, wir wollen dir nicht zu nahetreten«, sagte Nadja.

»Ist schon in Ordnung.« Josi senkte den Kopf und überlegte kurz. Sie wirkte traurig und abwesend zugleich.

»Also hier bei uns, bist du jedenfalls gut aufgehoben, falls du die Stelle immer noch haben willst«, schmeichelte Christiane.

Josi war kurz, wie weggetreten, worauf Peter sich kurz einbrachte: »Ist alles in Ordnung, Josi?«

Sie zuckte leicht und erwiderte: »Oh, entschuldigt mich, ich war mit meinen Gedanken kurz wo anders.«

Walter der eine ausgeprägte Neugierde besaß, und wie seine Schwägerin Nadja, selten ein Blatt vor dem Munde nahm, wollte gerne wissen, was Josi in dem Augenblick durch den Kopf gegangen war, und fragte sie direkt: »Ach, abwesend, darf man erfahren, was du gedacht hast?« Um seine Neugierde zu kaschieren, fügte er hinzu: »Hat das, was mit der Stelle hier zu tun?«

»Zum Glück bist du nicht neugierig«, mischte sich Nadja ein.

»Nein, nein, alles gut, ich habe kurz an meine Mutter gedacht, Gott habe sie selig.« Ihre Stimme klang traurig, und in ihrem Gesicht lag eine unübersehbare Traurigkeit.

 

»Ist in Ordnung, Josi. Du musst nicht weiter erzählen. Ich habe vorhin gesagt, dass wir dich gerne einstellen würden, wenn du die Stelle noch haben möchtest.«

»Oh ja, ich nehme die Stelle sehr gerne an und freue mich.«

»Wenn es dir recht ist, kannst du gleich morgen anfangen«, schlug Nadja vor.

»Ja klar.«

Peter arbeitete zuhause, er war Schriftsteller und schrieb gerne Dramen oder Liebesromane. Wenn er tippte, war er ganz in seinem Element – versank in seinen Geschichten und Dialogen, durchlebte sie in Gedanken als wäre er in einer anderen Welt. Nadja erklärte Josi, was zu tun ist, ohne dabei einen Putzplan zu erstellen.

»Na super, dann machen wir das folgendermaßen – du kommst gegen acht, passt dir acht Uhr?«

»Ja, super Uhrzeit.«

»Wenn du kommst, ist keiner mehr da, nur Peter, er kann dir die Wohnungen, ihre Zimmer und das Grundstück zeigen, und denke daran, wenn wir feststellen, dass es zeitlich für dich zu knapp wird, können wir problemlos die Stunden aufstocken, gerne auch einfach ein Gehalt vereinbaren, was das ganze etwas unkomplizierter macht. Was meinst du?«

»Das hört sich großartig an, ich freue mich auf meinen ersten Arbeitstag«, gab Josi mit einem zufriedenen Lächeln zurück.

»Sehr schön, dann wäre ja alles geklärt, oder hat noch jemand was auf dem Herzen?«, beendete Nadja die Unterhaltung.

»Ja, nur eines, bitte beide Klingeln betätigen, damit ich es nicht überhöre, ich bin wahrscheinlich oben in meinem Zimmer, wenn du kommst«, erklärte Peter.

»Geht klar!«

Als Josi auf das Fahrrad stieg und sich von der Familie Amdampfe verabschiedete, rief sie fröhlich: »Bis morgen und danke!« Nadja stand draußen vor der Tür und winkte ihr zurück.

Zusammen am Wohnzimmertisch schwiegen sie ein paar Sekunden, und plötzlich fing Walter an zu reden: »Leute, ich wollte vorhin nichts sagen, aber habt ihr nicht gedacht, sie hätte an der falschen Tür geklingelt. Ich denke, sie hätte besser an die Tür einer Model–Agentur angeklopft, meint ihr nicht auch?«

»Mag sein, aber sie scheint zu wissen, was sie will«, plapperte Peter dahin.

»Ja klar«, warf Nadja schnell ein.

»Ehrlich gesagt, hatte ich am Anfang, als sie vor der Tür stand, meine Zweifel, aber wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen«, offenbarte Christiane ihren ersten Eindruck.

»Ja, genau, sie freut sich, und alles andere ist erst mal Thema der Zeit«, zwirbelte Peter klug noch einen rein.

»Bruderherz, jetzt hast du aber einen rein gebolzt, sauber!«

Sie lachten und vertieften das Thema Josi nicht weiter. Nadja und Peter gingen in ihre Wohnung nach oben und schauten noch ein wenig Fernsehen.

Am nächsten Morgen, nachdem alle das Haus verlassen hatten, stand Peter vor der Kaffeemaschine und wartete bis zur letzten Minute, bis der Kaffee durchgelaufen war, um sich eine große, schöne Tasse einzuschenken. Er fühlte sich entspannt, jedoch etwas müde, und hatte für einen kurzen Augenblick nicht mehr an Josi gedacht, die kurz davor war, mit dem Fahrrad in die Hofeinfahrt einzubiegen. Plötzlich klingelte es und Peter schrak auf und dachte: »Ach du liebe Zeit, Josi! Verdammt – die hab ich vergessen, Mist.« Er eilte zur Tür und öffnete sie im Pyjama. Zerstreut und ungekämmt stand Peter nun vor ihr.

»Guten Morgen Peter, hier bin ich.«

»Ja, sorry, ich war noch in der Küche und hab mir einen Kaffee eingeschenkt, magst du auch einen.«

»Ja, gerne, wenn du mich reinlässt.«

»Ja klar, sorry, komm rein.«

Er schenkte ihr Kaffee ein und vergaß zunächst mal, dass er eigentlich eine Hausführung mit ihr durchführen sollte.

»Danke für den Kaffee!«

»Gerne!« Peter sah sie an und dachte nur: »Boah, was für eine Frau.«

»Wo fangen wir an?« wollte sie gleich wissen.

»Sicher, also, ja«, klang er verunsichert.

»Nadja sagte, du würdest mich durch das Haus führen.«

»Oh ja, klar, hm, ja, also am besten fangen wir mit dem Dachgeschoss an, folge mir.«

Er führte sie durch alle Etagen und präsentierte ihr die Wohnungen.

»Es ist alles noch original«, sagte Peter, während er auf die breite Holztreppe deutete, deren Stufen ebenfalls unter ihrem Gewicht protestierend knarrten. »Manchmal, wenn alles still ist, hört es sich an, als würde das Haus atmen«, grinste er.

»Echt jetzt?« fragte sie und beugte sich mit dem Kopf vor, um besser hören zu können, ohne zu bemerken, dass seine Augen unwillkürlich den geschwungenen Linien ihrer markanten Figur folgten, als ob sie ihn kurzzeitig gefangen hielten.

»Ja Josi, ein altes Holzhaus, das sozusagen lebt.«

Das Gespräch über die Geschichte des Hauses nahm einen lebhaften Verlauf.

Als sie die Wohnungsführung beendeten, gingen sie aus dem Haus und schlenderten langsam über das Grundstück. Die alten Balken des Hauses und der Scheune erzählten von längst vergangenen Zeiten, von Generationen, die hier gelebt und gearbeitet hatten.

Hinter einem knorrigen Apfelbaum, der eine Art Autorität ausstrahlte, tauchten die ersten Tiere auf. Drei Ziegen, neugierig und frech, folgten ihnen eine Zeit lang. Die Ziegen trugen jeweils Glöckchen um den Hals, die sanft bimmelten, wenn sie sich bewegten.

Nicht weit davon scharrte eine Gruppe freilaufender Hühner eifrig im Boden, auf der Suche nach den letzten verbliebenen Insekten oder Samen. Während des Rundgangs kamen zwei Tiere, sanft wirkende Hunde, die mit wedelnden Schwänzen auf sie zuliefen. Ihre dichten, wetterfesten Pelze deuteten darauf hin, dass sie die Nächte draußen gut überstanden.

»Lass das, Malia!«

»Ach wie süß, lass sie doch«, sagte sie, während sie die Hündin am Kopf streichelte und fragte: »Wie heißt der andere Hund? Der rührt sich nicht, der scheint ein ganz Lieber zu sein.«

»Der heißt Chico, ist ein besonders lieber und ruhiger Hund. Bist du auch noch Tierlieb, Josi?«

»Ja klar, ich liebe Hunde, sie sind so inoffensiv, so lieb und treu, ich kann nicht anders als Hunde zu lieben.«

Für einen Moment schwieg er, sein Blick leicht verträumt und voller Zuneigung. Es schien, als hätte er im Augenblick vergessen, wo ihm der Kopf stand. Seine Gedanken spielten ihm einen Streich, den er kaum bändigen konnte: »Oh Mann, was für eine wunderschöne, kluge, erotische und dazu auch noch tierliebe Frau. Der Wahnsinn. Was würde ich dafür geben …« Doch noch bevor er den Gedanken zu Ende denken konnte, riss er sich zusammen und schob die aufkeimenden Fantasien beiseite, indem er Nadja in seinem Kopf Raum ließ.

»Peter, ist was, du scheinst abwesend zu sein.«

»Verzeihung, ich war wieder mal in Gedanken.«

»Nicht schlimm.«

Peter zügelte seine Gedanken und schwenkte auf das eigentliche Thema, weshalb er sie herumführte, und alles erklärte.

»In der Putzkammer, die ich dir vorhin gezeigt habe, ist alles drin, was du brauchst.«

»Verstanden, danke!«

Peter ließ Josi unten stehen und eilte die Treppe hinauf, als würde er vor ihr fliehen, oder vor seinen eigenen Gedanken. Im Laufen rief er: »Falls du etwas brauchst, sag mir einfach Bescheid!«

Josi verrichtete die Arbeit anstandslos und als sie das Haus verlassen wollte, rief sie laut: »Peter!«

»Ja!«

»Ich verabschiede mich, bin fertig, wir sehen uns morgen.«

Peter trampelte die Treppe runter und fragte: »War alles in Ordnung, oder haben wir noch irgendwas zu bereden?« fragte er etwas skeptisch darüber, dass sie sich bei ihm nicht einmal gemeldet hatte.

»Nein, alles in bester Ordnung.«

»Verstehe, hast du seitdem du hier bist außer dem Kaffee was getrunken?«

»Nein, ich war so entspannt und von deiner angenehmen Hausführung eingenommen, dass ich ganz vergessen habe, Wasser zu trinken«, erklärte sie entgegenkommend und freundlich.

Peters Gesicht errötete leicht und lächelte verlegen, indem er den Gedanken nicht loswerden konnte, sich mehr mit ihr vorzustellen als erlaubt war.

»Äh, ja, a…also.«

Sie bemerkte seine Verlegenheit, er setzte noch mal an, und sagte: »A…also du kannst dir in der Küche immer was zu trinken holen, da brauchst du nicht zu fragen.«

»Lieb von dir, vielen Dank, das nächste Mal weiß ich Bescheid, na dann bis morgen.«

»Ja, bis morgen, Josi.«

Als sie aus der Ausfahrt um die Ecke bog, schloss er die Haustür hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und murmelte leise vor sich hin: »Meine Güte, was ist denn mit mir los? Ich kann mich kaum beherrschen, wenn diese Frau in meiner Nähe ist, geschweige denn, wenn sie Nettigkeiten von sich gibt.«

Wie gewöhnlich nach einem langen Arbeitstag setzten sich die Mitglieder der Familie Amdampfe zusammen, um über ihren Tagesablauf und vieles mehr zu sprechen, unter anderem auch über das Thema Josi.

»Erzähl mal Schatz, wie hat sich die Putzfrau angestellt?«, schnitt Peters Ehefrau das Thema Josi an.

»Da bin ich gespannt«, ergänzte Walter, während Christiane sich geduldig aus dem Gespräch heraushielt.

»Ehrlich gesagt gibt es nicht viel zu erzählen, außer dass sie hier blendend zurechtgekommen ist.«

»Morgen habe ich mir freigenommen, um Josi etwas flexibler in die Hausarbeit einzubinden, das heißt auch Küchengeräte und Tiere Fütterung«, erzählte Nadja.

»Ja, das ist keine schlechte Idee, so können wir sie im Haushalt am flexibelsten einsetzen«, meinte Christiane und war darüber erfreut, dass Josi den ersten Tag gut gemeistert hatte. Josi wurde am darauffolgenden Tag von Nadja ausführlich eingearbeitet. Sie einigten sich auf ein großzügiges Gehalt, mit dem Josi äußerst zufrieden war. Die Familienmitglieder verdienten genug Geld, sodass Josis Gehalt für die Familienkasse keine Belastung darstellte.

Die Leistung und Motivation, die Josi zeigte, waren bemerkenswert. Innerhalb weniger Monate wurde sie schier zu einem Familienmitglied, indem sie sich für die Amdampfers unverzichtbar machte. Die Beziehung zwischen ihnen entwickelte sich so positiv, dass ihr Gehalt bereits nach vier Monaten erhöht wurde. Dies war das Ergebnis einer neuen Vereinbarung, die vorsah, dass sie samstags mittags für alle im Haushalt kochte und kleine Einkäufe erledigte.

Außerdem wuchs das Vertrauen zwischen Josi und Peter enorm, schließlich liefen sie sich täglich mehrmals über den Weg.

Im Grunde genommen war das Glück in der Familie vollkommen. Entlastete und zufriedene Ehefrauen, die ihrem gemeinsamen Hobby nachgehen konnten, rundeten das Ganze ab.

»Hi Peter, na, wie sieht's heute aus? Hast du irgendeinen besonderen Wunsch?«, grüßte Josi, noch bevor sie die Tür hereinkam.

»Du könntest mir den Rücken massieren«, flachste Peter.

»Lieber Peter, du weißt, dass das nicht in meinen Arbeitsbereich fällt.«

»Aber ich bin dein Chef«, gab er überheblich zurück und lächelte.

»Dann lass uns die Massage mit deiner Familie neu vereinbaren«, sagte sie belustigt und schaute ihm scharf in die Augen.

»Schachmatt, ich gebe auf«, schmollte er gestellt.

»Na siehst du, so schnell gewinnt man das Spiel«, lachte sie vergnügt und legte die Hand auf seine Schulter.

»Mensch Josi, du machst mich fertig!«, murmelte er leise vor sich hin. Sie grinste und fragte neckend: »Hast du Kaffee gemacht, süßer?«

»Ja, sicher doch, du scharfe Granate.«

Das innige Vertrauen, das beide nicht ohne Grund aufgebaut hatten, verband sie tief und wuchs stetig. Außerdem ließ sie dieses Gefühl immer selbstsicherer und wohler auftreten. Sie kannte ihre Grenzen, jedoch machte es einen großen Unterschied, ob sie mit Peter allein war oder mit der gesamten Familie am Tisch saß. Beide fühlten sich zueinander hingezogen und empfanden eine gewisse Seelenverwandtschaft, die ihr Schamgefühl verblassen ließ.

»Peter, mein Schnuckelchen, ich muss mal so langsam mit den Vorbereitungen anfangen, morgen gibt es Hähnchen mit Spätzlen, und dann muss ich die Wohnung deines Bruders saugen. So langsam sollte ich damit anfangen.«

»Schade, hätte dich jetzt gerne… » Sie unterbrach ihn umgehend, indem sie laut sagte: »Peter, lass das! Ich habe keine Zeit für sowas, außerdem, um Gottes Willen, willst du alles kaputt machen?«

»Hast ja Recht, Josi Puppe, ich weiß oft nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Entschuldige!«

»Schon gut, was denkst du, was wohl passieren würde, wenn du nicht verheiratet wärst. Mein Gott, ich habe auch Gefühle.« Noch bevor er was sagen konnte, ergänzte sie: »Ich gehe schnell den Einkauf machen und dann mache ich die Wohnung im Erdgeschoss sauber, bis später.«

»Ja, bis später Püppchen.«

Sie grinste, schaute ihn für eine Sekunde scharf in die Augen und verschwand mit dem Fahrrad.

Peter, der vor Josis Zeit seinen Job unbeschwert von zu Hause aus erledigte, geriet in eine emotionale Ebene, die ihm seine Gelassenheit raubte. Er wusste, dass er selbst dafür verantwortlich war, ließ sich jedoch ungewollt von seinen unterbewussten Fantasien leiten. Gelegentlich gelang es ihm, sich zu beherrschen und mit vernünftigen Gedanken durch das Haus zu gehen, während Josi anwesend war. Doch immer wieder hatte er Rückfälle, die ihn beinahe dazu brachten, einen Fehler zu begehen, indem er sie verzweifelt an sich gezogen hätte. Er malte sich aus, was passieren würde, wenn er sie einfach packen und küssen würde – ohne Vorwarnung, ohne Worte.

Bevor er Josi begegnet war, schien seine Welt in perfekter Ordnung. Sein Leben verlief ruhig, ohne große Höhen oder Tiefen, und er fühlte sich frei und unabhängig in seinen Entscheidungen. Doch seitdem sie in sein Leben getreten war, hatte sich alles verändert. Es gab Momente der Angst, in denen er sich wünschte, sie niemals getroffen zu haben. Er begehrte sie nicht nur, weil sie umwerfend war, sondern weil allein ihre bloße Nähe ihn lebendig fühlen ließ. Er war von ihrem Wesen geradezu fasziniert, doch diese Faszination war es, die ihn in einem inneren Konflikt gefangen hielt. Er fühlte sich, als seien seine Hände gebunden, als könnte er nicht mehr frei handeln oder denken, ohne dass ihr Einfluss seine Gedanken durchdrang.

Anfangs schien er mit diesem neuen Gefühl umgehen zu können, und er versuchte, es zu ignorieren oder sich einzureden, dass alles normal sei und im Griff hätte. Doch je mehr Zeit verging, desto stärker wurde dieses innere Chaos. Seine Gefühle wurden immer komplexer, ein verwirrender Mix aus Sehnsucht, Unsicherheit und einem Hauch von Schmerz. Er begann darunter zu leiden, nicht weil sie etwas falsch gemacht hatte, sondern weil er mit sich selbst und seinen Emotionen nicht mehr klarkam. Sie war wie ein Sturm, der alles durcheinander brachte, was er vorher für geordnet und sicher gehalten hatte. Er hätte ihre Situation zu seinem Vorteil ausnutzen können, wenn er es darauf angelegt hätte. Doch das war nicht nötig, denn Josi ließ ihn immer wieder spüren, wie besonders er für sie war, mit Worten, Gesten und einem Blick, dass er etwas Einzigartiges in ihrem Leben darstellte und dessen Intensität sich mit der Zeit mehr und mehr verstärkte.

Als Josi den kleinen Einkauf erledigt hatte und die Tür hereinkam, war der Kaffee fertig gebrüht. Peter drückte ihr die Kaffeetasse in die Hand, schenkte ihr ein und sagte ironisch: »Meine Güte, du warst ja ewig einkaufen! War da so viel los?«

»Peter Schnuckelchen, ein Kaffee und dann muss ich weitermachen.«

»Nein, oder?«

»Wenn ich beizeiten fertig bin, können wir uns gerne zusammensetzen, in Ordnung?«

»Ist gut!«, fasste sich Peter kurz und leicht mürrisch.

Während Josi die Wohnung von Walter und Christiane im Erdgeschoss staubsaugte, klingelte Peters Handy, als er auf dem Display Nadja las.

»Hallo Nadja, was gibts?«

»Hi Schatz, wieso so knapp, hast du keine lieben Worte mehr für mich?«

»Entschuldige Schatz, ich war gerade in meinem Roman vertieft«, log er, dass sich die Balken bogen.

»Kein Ding. Ich will dich gar nicht lange stören, wollte mich nur vergewissern, dass Josi den Einkauf für morgen Mittag gemacht hat, falls nicht, würde ich die Sachen heute nach Feierabend besorgen.«

»Warte mal kurz, ich frag mal kurz, habe sie nämlich nicht reinkommen hören«, log er schamlos weiter und vertuschte die Wahrheit perfekt. Er lief auf Josi zu, zeigte ihr schweigend das Handydisplay, wo sie entnehmen konnte, dass seine Ehefrau am Telefon war, und signalisierte ihr mit dem Zeigefinger vor dem Mund, sie solle erst mal schweigen. Dann fragte er, während er sie kopfnickend anschaute.

»Josi, hast du eigentlich den Einkauf erledigt?«

Sie erkannte mit Leichtigkeit die Situation, nickte zurück und erwiderte gelassen: »Ja hab ich, die Hähnchen sind im Kühlschrank.«

Kaum ausgesprochen, lief Peter hurtig die Treppen hoch, während er sich von Nadja kurz gebunden verabschiedete. Josi verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf und überlegte, in welches Chaos sie sich langsam, aber sicher hineinmanövrierte.

Peter, der das Ganze spielerisch betrachtete, wiegte sich mit seinen Lügen und seinem schauspielerischen Talent in Sicherheit. Dadurch fiel es ihm kaum schwer, diesen geheimen Abschnitt seines Lebens im Gleichgewicht zu halten. Sein Gemütszustand befand sich auf einer Ebene, von der er nicht mehr herunterkommen wollte. Dieses Gefühl im Bauch und das allgemeine Behagen ließen ihn innerlich aufblühen, allerdings begleitet von der Befürchtung, all das verlieren zu können.

Nachdem Josi die Wohnung auf Vordermann gebracht hatte, klopfte sie leicht an Peters Zimmertür und öffnete sie langsam. Als sie bemerkte, dass er eingeschlafen war, ging sie zu seinem Sessel vor dem Schreibtisch, beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn ganz leicht auf die Lippen. Er bemerkte nichts, außer einem leichten Zucken, das für sie kaum erkennbar war.

Sie verspürte eine verzauberte Gleichgültigkeit, über die sie selbst verwundert war, und beschloss, ihn noch einmal etwas fester auf den Mund zu küssen. Sie ahnte in diesem Moment nicht, was sie dadurch hätte entfachen können. Als ihre Lippen zum zweiten Mal seine berührten, geschah das Unerwartete, etwas, das eigentlich zu erwarten gewesen wäre, hätte man sich nicht so stark von Gefühlen leiten lassen, wie Josi das im Unterbewusstsein tat. Für sie fühlte sich das an, als wäre sie von einem Gefühl gegen ihre Vernunft gesteuert worden. Noch hatte sie ihre Lippen nicht von seinen gelöst, als er plötzlich die Augen öffnete und ihren Kopf mit seinen Händen zart festhielt.

Das Risiko, das sie einging, indem sie riskierte, dass er aufwachen und sie bemerken könnte, war so groß, dass sie es selbst nicht begreifen konnte, weshalb sie ihn zum zweiten Mal küsste. Sie schrak auf und trennte ihre Lippen umgehend von seinen. Während sie vor Scham davonlief, rief sie laut: »Entschuldige, oh, bitte entschuldige!«

Keine drei Sekunden vergingen, nachdem er begriffen hatte, was gerade geschehen war, und lief ihr hinterher die Treppe hinunter.

Josi saß am Wohnzimmertisch und genierte sich, am liebsten wäre sie vor Scham im Boden versunken.

»Josi, geht es dir gut?«

»Entschuldige, ich… «

Peter unterbrach sie energisch und forderte: »Hör auf dich zu entschuldigen.«

»Doch Peter, das hätte ich nicht tun dürfen, entschuldige!«

»Lass das, es gibt nichts zu verzeihen. Hast du eine Ahnung, wie oft ich mich bei dir entschuldigen müsste, wenn ich an all die vergangenen Annäherungsversuche dir gegenüber denke?«

»Trotzdem Peter, du hast mich nie berührt und nie hast du das gewagt, und was mach ich? Peter, du bist verheiratet. Nadja hat das nicht verdient, ihr seid alle so gut zu mir, und…«

Er fiel ihr ins Wort, weil er das nicht mehr hören wollte. Vielleicht war die Zeit gekommen, ihr zu offenbaren, wie verzweifelt er sie begehrte. Dennoch schien es ihm nicht der richtige Moment zu sein, da ihre Schuldgefühle noch zu präsent waren.

»Josi, lass das. Das Letzte, was du jetzt brauchst, sind Schuldgefühle, für die du absolut nicht allein verantwortlich bist. Wenn überhaupt, dann wir beide. Und seien wir ehrlich zueinander, wenn jemand Schuld hat, dann wohl größtenteils ich.«

»Ach Peter, jegliche Schuldzuweisung bringt sowieso nichts, selbst wenn du dir alles aufbürdest, würde es mir sicher nicht besser gehen, verstehst du das?«

»Ja Josi, ich verstehe völlig, und übrigens, dein zweiter Kuss war zu kurz.« Er lächelte und schaute sie wie ein frisch verliebter Junggeselle an, dann schenkte er sich Kaffee ein und sagte: »Nicht mehr lange und die ersten trudeln ein.«

»Was für ein Kuss?«, scherzte Josi belustigt und schaute ihn wieder mit scharfem Blick an, als wäre nichts geschehen.

»Eben, das frage ich mich auch – was für ein Kuss?« Sie lachten.

Auf einmal klingelte es an der Tür, und beide nahmen ihre Positionen umgehend ein. Peter eilte in sein Zimmer die Treppe hoch, schaltete den Computer ein, und Josi lief in die Küche und stellte ihre Tasse in die Spülmaschine.

»Hallo!«, rief Christiane ins Haus rein, als sie die Tür hinter sich schloss.

»Hi, Christiane.«

»Josi!«, grüßte sie verwundert zurück. »Du bist noch da, schön. Magst du noch einen Kaffee mit mir trinken und ein bisschen plaudern?«

»Oh nein, vielen Dank, ich war schon auf dem Sprung«, erwiderte sie auffällig nervös.

»Alles in Ordnung?«

»Ja, ich bin nur in Eile, das ist alles«, kratzte sie die Kurve, verließ das Haus und schaute zurück auf Peters Zimmer Fenster.

»Peter!«, rief Christiane im Flur hoch. Peter kroch langsam aus seinem Zimmer Richtung Flur und tat so, als wäre er überrascht.

»Christiane, bist du das?«

»Ja, komm runter, wir trinken Kaffee zusammen!«

Als Peter schleppend die Treppe runter ging, verstellte er sich, indem er sagte: »Hallo Christiane, ach Gott, ist die Zeit schnell rum gegangen, bist du gerade eben die Tür rein? Und wo ist Josi, ist sie schon weg?«

»Peter, du scheinst aber ganz schön neben der Spur zu sein, bist wohl kaum aus deinem Zimmer gekommen.«

»Doch, habe Kaffee getrunken und so einige Sachen gemacht.«

»Josi ist gerade gegangen, scheint heute wohl länger gearbeitet zu haben«, versuchte sie Smalltalk zu halten, während sie an ihrem Kaffee schlürfte.

»Ja, möglich, das Einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass sie heute etwas später kam, aber, wann das war, weiß ich nicht. Ich hatte nicht auf die Uhr geschaut.«

»Aha, nicht so wichtig, Hauptsache sie war da.«

Christiane erzählte noch ein Weilchen, während beide ihren Kaffee zu Ende tanken. Seine Gedanken drehten sich unaufhörlich um das letzte Gespräch mit Josi. Ihre Worte kamen immer wieder in seinem Kopf hoch, und die Schuldgefühle nagten an ihm. Christianes Stimme war nur ein Hintergrundrauschen, ein beruhigender Klang, der ihn für einen Moment aus seinen Grübeleien hätte reißen können, wenn er überhaupt zugehört hätte.

»Hör mal Christiane, sei mir nicht böse, ich muss noch was zu Ende ausarbeiten, ich gehe hoch, wir sehen uns später beim Abendessen.«

»Geht klar, bis dann.«

Josi, die bereits zu Hause angekommen war und sich gerade in der Badewanne entspannte, war plötzlich überrascht, als das Handy klingelte. Mit Anstrengung und gestrecktem Arm über die Badewanne gebeugt, erreichte sie ihr Handy und nahm, ohne auf das Display zu schauen, ab.

»Hier Josi.«

»Hier dein Verehrer.«

»Peter!«, schrak sie kurz auf.

»Ja, der bin ich.«

»Sag mal, woher hast du meine Nummer?«

»Soll das ein Witz sein, na woher wohl, jeder bei uns zu Hause hat deine Nummer, du bist unsere Haushaltshilfe, schon vergessen?« Er lachte dabei und schwieg für einen kurzen Moment.

»Ist was passiert, wieso rufst du an?«

»Eigentlich wollte ich nur deine Stimme hören, sonst nichts«, erzählte er entspannt mit leiser, trauriger Stimme.

»Lieber Peter, wir sehen uns doch morgen wieder und morgen koche ich doch für euch, wie immer.«

»Ja schon, aber morgen sind wir nicht mehr allein, wir müssen uns wieder so benehmen, als wären wir Fremde.«

»Denk immer daran, Peter, wir sind von montags bis freitags praktisch immer füreinander da, lass uns nichts kaputt machen. Ich freue mich schon auf Montag und Dienstag und Mittwoch und so weiter, unsere netten und tiefgründigen Gespräche beim Kaffee«, überzeugte sie ihn am Telefon, so dass es ihm gleich besser ging.

Samstags mittags entwickelte sich bei den Amdampfers ein festes Ritual: Josi kam vorbei und kochte für die Familie. Es war keine gewöhnliche Pflicht für sie, sondern eine Art Tradition, die sie fast schon wie ein Mitglied der Familie erscheinen ließ. Josis Gerichte waren beliebt, und jeder wusste, dass der Samstag ohne Josi und ihre Kochkunst nur halb so schön wäre.

Wenn das Essen servierfertig war, wurde sie meist zu Tisch gebeten. Anfangs hatte sie zögerlich zugesagt, unsicher, ob sie sich nicht aufdrängte. Doch mit der Zeit fühlte es sich immer natürlicher an, als würde sie dazugehören.

Am Tisch herrschte oft eine warme, familiäre Atmosphäre. Die Amdampfers redeten lebhaft durcheinander, lachten und lobten Josis Kochkünste. Sie selbst blieb dabei meist zurückhaltend, lauschte mehr, als dass sie sprach. Dennoch spürte sie diese unaufdringliche Zuneigung, die ihr ein seltsames Gefühl von Geborgenheit gab.

Samstage bei den Amdampfers waren für sie nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch ein kleiner, kostbarer Anker im Alltag, eine Art Ersatzfamilie, die sie in dieser Weise nie empfunden hatte. Die Situation mit Peter belastete sie gelegentlich. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu den unausgesprochenen Konflikten und der unterschwelligen Spannung zurück. Das taube Gefühl der Angst begleitete sie ständig. Angst, dass all das, was sie bei den Amdampfers genießen durfte, eines Tages einfach zerbrechen könnte.

Die Familie hatte ihr in den letzten Monaten so viel Wärme und Vertrauen entgegengebracht, dass ihre Beziehung zu ihnen intensiver und tiefgründiger wurde. Sie spürte, dass sie nicht mehr nur die Haushaltshilfe war, die samstags kochte, sondern dass sie einen festen Platz in ihrem Leben eingenommen hatte.

Doch genau dieses Vertrauen ließ ihre Sorge wachsen. Was, wenn die Wahrheit über Peter ans Licht käme? Was, wenn diese Harmonie und Nähe durch solch einen Vertrauensbruch zu Ende gingen, indem sie alles verlieren würde?

Samstagmorgen bei dem Amdampfers: Kaffee, Gassi Runde mit Malia und Chico, ihren liebevollen Hunden und nochmal Kaffee.

Dank Josi hatten alle ein Stück mehr Freiheit in ihrem Alltag. Besonders die Ehefrauen genossen es, am Wochenende ihren Morgensport nachzugehen, ohne ständig im Hinterkopf die To–Do–Liste des Haushalts mit sich herumtragen zu müssen. Josis Engagement in der Küche und im Haushalt schuf Raum für Aktivitäten, die sonst oft zu kurz kamen.

Es war, als hätte sie der Familie ein kleines Stück Glück geschenkt. Auch Momente, in denen sie sich um sich selbst kümmern konnten, ohne das Gefühl zu haben, etwas anderes zu vernachlässigen.

Es würde nicht mehr lange dauern, bis Josi mit dem Fahrrad um die Ecke bog und in die Hofeinfahrt rollte.

»Die Woche war für mich das Grauen, ich bin so froh, dass wir Wochenende haben, einfach abschalten im Kopf«, beschwerte sich Walter, aus heiterem Himmel, ohne jeglichen thematischen Zusammenhang.

»Tja, so ist das, wenn man zu viel verdient, wenn man zu viel Verantwortung hat, wenn man nie genug bekommen kann«, warf seine Frau Christiane spitz ein. Ihre Stimme hatte diesen schneidenden Unterton, der unmissverständlich klarmachte, dass sich hinter den Worten mehr verbarg als bloße Feststellung. Ihr Blick blieb fest auf ihm, abwartend, ob er darauf reagieren würde oder es einfach wie gewohnt ignorierte.

»Blablabla…«, gab er genervt zurück.

»Matthias hätte dir die Leviten gelesen, er hätte dir von vornherein beigebracht wie man mit Bescheidenheit und Gier umzugehen hat«, brachte Christiane energisch ein, und ohne ihren Blickwinkel zu ändern war sie bereit für den Diskussionskampf, der gleich zu erwarten war.

»Lass meinen Bruder da raus!« ordnete er scharf an mit einer vor Zorn vibrierenden Stimme und einem durchdringenden Blick, sodass jeder Fremde in dem Augenblick mit Handgreiflichkeiten gerechnet hätte.

Sie blieb standhaft und war sich vollkommen bewusst, dass keiner von beiden bereit war, einen Schritt zurückzutreten. Eine völlig unbegründete Eskalation, die für die Katz war. Da Nadja das Streitgespräch von der Küche aus mitgehört hatte und nicht länger schweigen konnte, mischte sie sich energiegeladen ein. Sie trat mit festen Schritten auf die beiden zu und stellte sich zwischen sie, um die Situation zu beruhigen. Mit ruhiger Stimme versuchte sie, die angespannte Stimmung zu entschärfen, sie sagte zunächst: »Sagt mal, geht’s noch? Wie lange wollt ihr euch da noch reinsteigern? Braucht ihr das jetzt beide? Muss das sein? An so einem schönen Wochenende und Samstag. Und eins sage ich euch gleich: Matthias würde sich kein Stück über diese lächerliche Diskussion freuen, das wollte ich nur mal gesagt haben!«

Nadjas Einsatz schien Wirkung zu zeigen, und so gelang es ihr, erfolgreich zu schlichten. Christiane und Walter warfen sich einen Blick zu und erkannten, dass jede weitere Sekunde ihrer Diskussion völlig sinnlos gewesen wäre. Also schwiegen sie beide, bis der Zorn allmählich von selbst auskühlte.

Peter, der draußen die frische Morgenluft genoss und mit den Hunden beschäftigt war, konnte es kaum erwarten, Josis Schönheit wieder zu bewundern. Doch er wusste, dass es bei dem Familientreffen zum Mittagessen am Samstag keine Gelegenheit für Neckereien geben würde. Außerdem war ihm klar, dass er sich vollkommen zurückhalten musste, damit niemand am Tisch etwas von ihrer geheimen Beziehung erfuhr oder irgendeinen Verdacht schöpfte. Ein Gedanke, der ihn gleichermaßen reizte und quälte. Ein kurzer Einblick in Peters Gedankenkarussell hätte jedoch jedem im Familienclan die Haube vom Kopf gehoben.

»Ist Peter noch draußen?«, erkundigte sich Nadja, ans Fenster ging und sah, wie Peter sich mit Josi unterhielt.

»Ich denke schon«, erwiderte Walter, dem sein Zorn inzwischen verflogen war.

Josi hielt sich am Lenker ihres Fahrrads fest und schien konzentriert zu sein, indem sie Peter zuhörte.

»Josi, endlich bist du da.«

»Peter jetzt übertreib nicht, wir müssen höllisch aufpassen, ich bin verängstigt, ich befürchte, dass du ein Fehler begehen könntest«, sprach sie mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit und leiser Leidenschaft, als wollte sie sicherstellen, dass ihre Worte tief in sein Bewusstsein sanken.

»Mach dir keine Gedanken, liebe Josi, ich kann mich beherrschen, vertraue mir, außerdem will ich Nadja nicht verletzen.«

»Das klingt vernünftig, freut mich«, antwortete sie mit einem leichten Lächeln, das mehr Gelassenheit ausstrahlen sollte, als sie tatsächlich empfand. Dann blickte sie sich rasch um, als wolle sie sicherstellen, dass sie wirklich unbeobachtet waren. »Und jetzt lass uns lieber reingehen, ehe jemand auf die Idee kommt, Verdacht über irgendetwas zu schöpfen«, fügte sie mit gesenkter Stimme hinzu, während sie ihre Augen Richtung Haus richtete und Nadja am Fenster erkannte und umgehend ihr zuwinkte. Nadja winkte zurück. Um auf keinen Fall Verdacht zu erregen, wandte sich Josi kurz noch mal Peter zu.

»Deine Frau am Fenster.«

»Habe sie gesehen«, sagte er in einem Ton, der deutlich zeigte, dass ihm das Gespräch wichtiger war, als dass seine Frau am Fenster stand und sie beobachtete.

Ihre Augen fixierten ihn, fordernd und ein wenig ungeduldig, während sie sagte: »Lass uns auf der Stelle reingehen, du gehst kurz zu den Tieren und ich gehe vor dir rein, verstanden?«

»Jawohl, Chefköchin!«

Josi stellte das Fahrrad vorsichtig gegen die Wand und fuhr sich mit der Hand durch das vom Fahrtwind zerzauste Haar. Mit schnellen Schritten ging sie Richtung Haustür, als diese plötzlich wie von selbst aufschwang. Nadja stand in der Tür, ein breites Lächeln auf den Lippen. »Da bist du ja endlich!« rief sie erfreut und trat einen Schritt beiseite, um sie hereinzulassen. Josi konnte die Wärme spüren, die aus dem Inneren des Hauses ihr entgegenkam, und lächelte zurück, während sie eintrat und selbstsicher gestellt sagte: »Dein Mann kommt gleich, er wollte nur schnell zu den Tieren.«

»Ach ja, ok.«

»Hallo Leute«, grüßte Josi in die Runde und fragte: »Habt ihr Hunger?«

»Ja!« antworteten alle zugleich und schielten erwartungsvoll Richtung Küche. Josi musste schmunzeln, sie hatte am Donnerstag bereits angekündigt, es stehe Hähnchen mit Spätzlen auf den Plan.

»Na dann, liebe Leute, ich mach mich mal an die Arbeit, seid ihr einverstanden?«

»Ja!«, erklangen ihre Stimmen nochmal einheitlich und mit unüberhörbarer Vorfreude.

Kaum machte sie den Kühlschrank auf, um mit den Vorbereitungen zu beginnen, ging die Haustür noch mal auf und Peter betrat das Haus.

Gegenüber der Küche befand sich ein großes Wohnzimmer, das so genannte Gemeinschaft–Esszimmer für alle Amdampfers.

»Ich geh mal kurz zu Josi in die Küche«, erwähnte Peter leise in die Runde, mit einem ernsten Tonfall, den er meistens benutzte, um seine Gefühle zu kaschieren. »Mach das«, murmelte Walter vor sich hin, der die Tageszeitung aufklappte und desinteressiert die Finanzberichte überflog.

»Josi!« Sie schrak auf, drehte sich verwirrt um, hielt vor Schreck die Hand vor die Brust, schaute ihm scharf in die Augen und erwiderte knapp: »Ja!«

»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Wollte dir nur mitteilen, dass ich die Tiere gefüttert habe, das brauchst du nachher nicht mehr machen. Sobald der Tisch gedeckt ist, setzt du dich wie immer bitte zu uns«, erklärte er etwas lauter, damit die anderen es mithören konnten. Von der Küche aus konnte man ins Gemeinschaft–Esszimmer schauen, allerdings nicht aus einem bestimmten toten Winkel in der rechten Ecke der Küche. Peter ging genau dorthin, wo er unbeobachtet war, und schickte Josi mit einem Lächeln und einer Handbewegung vor den Mund einen Kuss zu. Dabei schmunzelte er, drehte sich um und verließ die Küche auffällig, währenddessen Josi nervös seine Reaktion zufolge erwiderte: »Ja, geht klar, und danke!«

 

Sie verstand seine lustige, kindische Art und liebte sie. Doch seine Risikofreudigkeit blieb ihr ein Rätsel. Während sie ihn von der Küche aus beobachtete, dachte sie: »Der verdammt gutaussehende Kerl hat vielleicht Nerven, unglaublich! Aber was, wenn er irgendwann einen Fehler macht? Was, wenn er die Beherrschung verliert?«

Von Unsicherheit und Fragen geplagt, setzte sie ihre Kochkünste mit so viel Liebe ein, dass sie sich die strahlenden Gesichter der Amdampfers am Tisch lebhaft vorstellen konnte.

Es dauerte nicht lange, und Josi war mit dem Essen so weit vorangekommen, dass der köstliche Duft von gebratenem Hähnchen und frischen Gewürzen sich bereits im ganzen Haus ausbreitet hatte. Zufrieden mit ihrem Fortschritt, wischte sie sich die Hände an einem Küchentuch ab und trat mit einem Lächeln ins Esszimmer. »Das Essen ist gleich fertig«, verkündete sie freudig, während sie die Blicke der Familie auf sich zog – ungeduldige Blicke in Richtung Küche.

»Josi, du bist ein Schatz«, sagte Nadja und lächelte herzlich, während Christiane nickend hinzufügte: »Es ist wirklich unglaublich, wie viel Liebe und Mühe du in diese Samstage steckst.« Auch Walter war nicht minder dankbar und lobte ihre Kochkünste begeistert. Peter lächelte nur, während seine Augen wie magisch von ihrer Schönheit angezogen wurden. Es war, als würde er sie allein durch seinen Blick näher zu sich holen, gefangen von ihrer Ausstrahlung und den Details, die ihn jedes Mal aufs Neue faszinierten. Josi fühlte sich geehrt und glücklich, diese Tradition fortzuführen zu dürfen. Für sie war es eine Freude, den Samstag für die Familie besonders zu machen, und in den strahlenden Gesichtern der Amdampfers spürte sie, wie sehr ihre Zeit und Hingabe geschätzt wurden. Gerade diese Anerkennung machte ihr am meisten Angst. Denn die Gefühle, die sie für Peter hatte und die er offenbar auch für sie empfand, könnten all das zerstören, was sie bei der Familie gefunden hatte. Die Harmonie, die Wärme und das Gefühl, endlich irgendwo dazuzugehören, schienen plötzlich auf einem zerbrechlichen Fundament zu stehen, das bei der kleinsten Erschütterung in sich zusammenfallen könnte.

Endlich war es soweit, Josi schlug Alarm und rief fröhlich in die Runde: »Suche einen Freiwilligen, der oder die mir beim Servieren hilft.« Peter sprang auf, und eilte motiviert Richtung Küche, und sagte: »Hier ist ein Freiwilliger, was soll ich tun?«

»Am besten kümmerst du dich um die Hähnchen im Backofen. Um die Beilagen kümmere ich mich.«

»Jawohl, Chefköchin«, warf er mit einem amüsierten Lächeln ein und drehte sich Richtung Herd. Der Tisch war bereits liebevoll gedeckt, der Wein floss in die Gläser, und die Stimmung war heiter und voller freudiger Erwartung.

»Guten Appetit«, eröffnete die Köchin das Essen und gab damit das Signal, dass es losgehen konnte.

Jeder Bissen schien die gute Laune noch zu heben, und die Atmosphäre war geprägt von herzlichem Lachen und zufriedenen Gesprächen.

»Himmlisch, eigentlich bin ich satt, aber ich kann einfach nicht aufhören«, warf Walter in die Runde und kaute genüsslich weiter. »Josi, du bist ein Ass«, ergänzte Christiane mit einem warmen Lächeln, während sie den Salat betrachtete, der mit Liebe und Sorgfalt zubereitet war. Als auch Nadja ein lobendes Wort für sie fand, spürte Josi plötzlich, wie Peters Fingerspitzen der rechten Hand sanft ihren Oberschenkel berührten, um sie kurz streichelten. Er saß links neben ihr, und durch die Tischdecke war es unmöglich, seine Geste zu bemerken. Doch die Berührung war für Josi so unerwartet, dass sie reflexartig beinahe aufsprang und dabei ihr Knie schmerzhaft an der Tischkante stieß.

»Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte Nadja besorgt und blickte erschrocken zu Josi, die abrupt zurückgezuckt war und sich sichtlich bemühte, ihre Fassung zu bewahren.

»Nein, nein, alles gut. Entschuldigt, ich habe manchmal nervenbedingte Zuckungen«, erklärte Josi hastig, während sie sich bemühte, ihre Verlegenheit zu überspielen.

»Nervenbedingte Zuckungen? Was soll das denn sein?«, fragte Walter verwundert, der so etwas bislang noch nie gehört hatte. Peter grinste und schaute gelegentlich Nadja an, um sicherzugehen, dass niemand etwas aufgefallen war.

»Eigentlich weiß ich das selbst nicht so genau, ist nicht wichtig, das passiert so gut wie nie.«

»Danke für das großartige Essen«, sagte Peter mit einem breiten Lächeln, das für alle am Tisch nur als höfliche Geste erschien, doch in Josis Augen eine Provokation war. Er hielt seinen Blick fest auf sie gerichtet, die Augen funkelten vor belustigter Genugtuung. Innerlich tobte sie, spürte, wie ihr Puls schneller wurde, doch ihr Gesicht blieb wie aus Stein gemeißelt. Stattdessen erwiderte sie mit einem ebenso höflichen Lächeln: »Gern geschehen. Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat.«

Doch während sie sprach, hallten in ihrem Kopf ganz andere Worte wider: »Das wirst du noch bereuen, du leichtsinniger Idiot.«

Da Josi kein Risiko mehr eingehen wollte, weil sie Peter nicht mehr ganz über den Weg traute, beschloss sie, ohne großes Drumherum den Tisch abzuräumen, um das Haus zeitnah zu verlassen.

»Josi, hab vielen Dank für das köstliche Essen!«, bedankte sich Nadja nochmal und fragte freundlich: »Darf ich dir helfen?«

»Gerne!«, erwiderte sie und warf daraufhin ihren Ehemann Peter einen giftigen Blick zu. Peter hob kurz den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment schien die Welt um sie herum stillzustehen. Sein Gesichtsausdruck starr, doch das leichte Zucken in seinem Mundwinkel verriet ihn. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. In seinem Kopf drehten tiefe Gedanken ihre Runden, ohne einen Ausgang zu finden. »Hoffentlich verzeiht sie mir ohne ein Nachspiel.«

Als Josi das Haus verließ und der Samstag allmählich seinem Ende entgegenging, hatten die Amdampfers ihren Waldspaziergang mit den Hunden bereits hinter sich. Für Peter wirkte das Haus, ohne sie plötzlich trist, dem Kribbeln, das ihre Anwesenheit stets auslöste, konnte er sich nicht entziehen, selbst wenn er es versuchte.

Alle hatten sich bereits zur Ruhe begeben, auch Nadja und Peter lagen still nebeneinander im Bett. »Sag mal, Peter, ist bei dir alles in Ordnung?«, fragte sie, ohne Hintergedanken, doch mit einem leisen Verdacht, dass er seit Josis Abschied ungewöhnlich niedergeschlagen wirkte. Er wusste genau, warum er sich so fühlte. Ein ganzer Sonntag lag vor ihm, ohne den Anblick der Schönheit, die ihm täglich ein Lächeln schenkte und auf die er sich stets freute, bevor der Montag ihn mit neuem Elan begrüßte.

»Wie meinst du das?«, fragte er mit gespielter Verwunderung, während er sich absichtlich dumm stellte und darauf hoffte, die Situation als belanglos erscheinen zu lassen.

»Du wirkst in letzter Zeit so abwesend. Gibt es etwas, das du mir sagen möchtest?«

»Nein, nichts dergleichen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich mit meinem Roman nicht weiterkomme. Ich habe eine Schreibblockade«, log er, ohne zu zögern, eine Notlüge, die sich wie ein Reflex anfühlte, als hätte er aus schierer Notwehr gesprochen, ohne wirklich darüber nachzudenken.

»Mach dir keinen Kopf Liebster, das wird wieder«, versuchte sie ihn aufzumuntern und verharmloste seine erlogene Schreibblockade, er hatte seit Monaten keinen Fortschritt mehr in seinem Roman erlangt. Seine Gedanken kreisten ständig um Josi, mehr als um alles andere, und genau das hielt ihn davon ab, überhaupt weiterzuschreiben.

 

Sonntagmorgen, der wohl schönste Tag der Woche, wenn man einmal vom zauberhaften Samstag mit Josi absah. Die Amdampfers saßen in einem kleinen Café am Marktplatz, eingehüllt in den Duft frisch gebrühten Kaffees und das leise Murmeln anderer Gäste. Sie ließen sich vom Feinsten bedienen, genossen ein Frühstück, das ebenso reichhaltig wie liebevoll angerichtet war, und privilegiert, sich unbegrenzt Kaffee nachschenken zu lassen. Die Stimmung war heiter und entspannt, als hätte die Zeit für einen Moment ihnen einen großen Platz eingeräumt. Es war ein Morgen, der alle Hektik der Woche wegzauberte. Eine Gedankenpause, in der selbst die Erinnerungen sich sanft anfühlten. Man griff nach ihnen, je nach Lust und Laune, ließ sie aufleben, um sie dann ebenso leicht wieder gehen zu lassen. Es war ein Moment des puren Seins, ohne Eile und voller Gelassenheit. Doch für Peter ein verlorener Tag – taube Gefühle, die erst am Montag wieder zum Leben erwachen würden.

»Boa, schmeckt der Kaffee himmlisch!«, gab Walter mit geschlossenen Augen am Frühstückstisch wieder und legte symbolisch die Hand auf Christianes Hand, für einen kurzen Moment, um ihr das Gefühl der Idylle und Wohlbefinden zu verdeutlichen. Christiane blickte ihn an, zog vor Zufriedenheit tief Luft, während Nadja seinen Gatten Peter akribisch beobachtete, und sagte: »Ist das nicht ein herrlicher Sonntagmorgen.«

»Aber ganz sicher, meine Liebe«, bestätigte er beiläufig.

Nadja wollte sich ihm zuwenden. Sie spürte instinktiv, dass seine Schreibblockade nicht der einzige Grund für seine Zurückgezogenheit und die leise erkennbare Traurigkeit war. Doch bevor sie etwas sagte, bemerkte Walter ebenfalls, dass sein Bruder Peter sich seit geraumer Zeit verändert hatte. Er war introvertierter geworden als zuvor. Das war für die Familie nicht verwunderlich, denn seit Matthias im Krankenhaus lag, hatte sich Peters Wesen deutlich verändert. Jedoch umso mehr, seit Josi in seine Gedankenwelt eingedrungen war.

»Bruderherz, was ist mit dir?«

»Nichts – alles in Ordnung!«

»Du wirkst ein wenig abwesend«, insistierte Walter mit grimmigem Blick. Peter schmunzelte. Walter hob die Augenbrauen und warf Nadja einen vielsagenden Blick zu. Er wartete darauf, dass Nadja sich dazu äußern würde. Sie erwiderte seinen Blick und sagte: »Walter, ich habe wirklich keine Ahnung, was mit ihm los ist«, sagte sie sofort, ohne seine Schreibblockade zu erwähnen, an deren Bedeutung sie inzwischen ohnehin zu zweifeln begann.