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Sascha lebt ziellos, von spontanen Einfällen und Zufällen getrieben. Eines Tages betritt er die chaotische Wohnung seines Kumpels Wenne, als ihm eine kleine Schachtel in die Hände fällt. Wenne wollte sie entsorgen, doch etwas an ihr weckt Saschas Neugier. Trotz Wennes abwertender Haltung gegenüber dem Fund kann Sascha nicht anders, als sich vorzustellen, dass in dieser unscheinbaren Box mehr steckt als es scheint. Vielleicht ein Relikt oder ein Zeichen des Schicksals, das Saschas Leben auf den Kopf stellt und alles verändern könnte. Ein Strudel aus Liebe, Sehnsucht und unerwarteten Wendungen zieht Sascha in seinen Bann. Als er seine Selenverwandte kennenlernt, verändert sich sein Leben grundlegend. Ihre Worte berühren ihn tief, und die Vorstellung, sie eines Tages zu treffen, wird zu seiner größten Hoffnung. Doch das Schicksal hat andere Pläne. Sandra ist eine der faszinierendsten Figuren in Saschas Leben. Sie ist spontan, direkt und für jeden Spaß zu haben. Ein Wirbelwind aus Lebensfreude und schlagfertigen Kommentaren. Mit ihrem unverwechselbaren Stil hebt sie sich von den anderen Frauen in der Clique ab. Sie legt keinen großen Wert auf Äußerlichkeiten, doch genau das macht sie so authentisch und liebenswert. Neben der intensiven Verbindung zu seiner Seelenverwandten dreht sich Saschas Leben um seine Freunde und ihren Stammtisch im kleinen Bistro "Freiheit". Dort treffen sich enge Vertraute wie Mike, Sandra, Wenne, Linda, Marion, Nico, Ralf und Nicole. Allesamt Charaktere mit ihren eigenen Geschichten und Gefühlen. Eines Tages erhält er von Wenne eine kleine Schachtel mit alten Briefen, die eigentlich im Müll landen sollte. Als er sie trotzdem öffnet, stößt er auf Worte, die sein Innerstes aufwühlen. Der Name "Sue" taucht auf, und mit jeder gelesenen Zeile scheint sich eine tiefere Verbindung zwischen ihm und einer längst vergangenen Geschichte zu offenbaren. War es Zufall oder Bestimmung? Parallel entfalten sich Romanzen und Freundschaften im Kreis der Clique. Zwei Freunde finden unerwartet zueinander, während Sascha weiter mit seinen Gefühlen kämpft. „Mirror Souls" ist eine Geschichte über Liebe, Schicksal und die Frage, ob uns manche Begegnungen wirklich zufällig widerfahren oder ob sie uns dazu bestimmt sind, unseren Weg neu zu überdenken.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Mirror Souls
Du bist der Spiegel meiner Seele
Impressum
Verantwortlich für den Inhalt dieses E-Books:
Juan Haro
Burggasse 1
69469 Weinheim
E-Mail: [email protected]
© 2025 - Juan Haro
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Prolog
So gern hätte ich eine Antwort auf meine Fragen gehabt. Ich hatte mich verloren. Gewiss war ich einige Male im Leben verzweifelt gewesen, aber an jenem Tag fühlte ich mich so mies, dass sich mein Lebenssinn in der Tiefe vergrub. Wofür hätte es sich zu leben gelohnt, wenn ich sie weder sehen noch berühren konnte?
Alles, aber auch alles wurde in meinem Leben zweitrangig, als ich ihre Augen und Lippen zum ersten Mal sah. Ihre Briefe hauten mich um. Ich wusste, dieser Frau würde ich irgendwann gegenüberstehen, egal, wie sie aussah, ganz gleich, wie alt oder jung sie war.
Ihre Gestalt mit diesen wunderschönen engelsblonden Haaren veranlasste mich bei jeder Gelegenheit zu träumen. Kein Mann auf dieser Welt hätte seine Augen von ihr abwenden können. Sie war für mich nicht nur einzigartig und das Schönste auf diesem Planeten, sondern auch das Wundervollste, was mir jemals im Leben widerfahren ist. Ihre innere Schönheit glänzte aus ihr heraus, ohne ein Wort in den Mund nehmen zu müssen. Ihre Ausstrahlung war beeindruckend, und ihre Umrisse waren perfekt. Wenn sie den Mund bewegte, weil sie aufatmete und ihre Lippen sich dabei leicht verformten, kribbelte es in mir so sehr, dass ich verstummte und ein starkes Verlangen verspürte, sie permanent ansehen zu wollen.
Sue lautet ihr wundervoller Vorname, den ich bis ans Lebensende bei mir tragen werde. Was hätte ich gegeben und entbehrt, um mehr über ihr Leben zu erfahren, sie mein Leben lang berühren zu dürfen und sie glücklich an meiner Seite zu sehen.
Die Fähigkeit, mir und all ihren nahestehenden Menschen mit einem Blick sagen zu können, dass sie glücklich und erfüllt sei, verstand ich als eine Tugend, die nur wenige Menschen besaßen. Wenn ich doch nur mehr Zeit gehabt hätte, um ihr beweisen zu können, wie zutiefst ich sie liebte und worauf ich alles verzichtet hätte, um mein Leben in ihre Hand legen zu dürfen. Hätte ich doch nur mehr Zeit gehabt!
Als Sue in mein Leben trat, änderte sich alles, meistens stand ich neben mir und fühlte mich ohnmächtig. Ein unbeschreibliches Gefühl mit einer sagenhaften Energie, die mein Leben um dreihundertsechzig Grad drehte.Meine Freunde missverstanden meine verantwortungslosen und unbesonnenen Handlungen. Auf sie wirkte mein Benehmen immer fremder. Ich war wie betäubt, so als wäre ich auf eine andere Ebene geschleudert worden, die ich nie mehr verlassen wollte.Ich trug Sue lange bei mir, ohne jemandem von ihr zu erzählen. Irgendwie hatte ich befürchtet, sie dadurch zu verlieren, was selbstverständlich völliger Quatsch war, schließlich waren es nur Briefe einer unbekannten Frau, aus deren Inhalt meine Intuition so an Stärke gewann, dass sie mich irgendwann überwältigte.
Wir trafen uns zum Stammtisch oft in einem netten Bistro, das winzig klein war, und alles andere darstellte als das, was der Name deutete. Das Bistro "Freiheit", von Freiheit war dort auf den ersten Blick nichts zu empfinden. Man hätte ja beinahe Platzangst bekommen. Allerdings war es gemütlich und familiär eingerichtet. Bruno, der Besitzer, hatte Geschmack.
»Was darf ich euch bringen, meine Lieben?” fragte der Wirt, Bruno, ein durchaus korrekter Mensch, der immer zu sagen pflegte, dass der Kunde zwar König sei, aber nicht der Chef des Bistros. SeineZurückhaltung war beeindruckend, kein Wunder, die Jahre hatten ihm genug Erfahrung beschert.»Heute eine heiße Schokolade bitte«, bestellte Mike.»Und du, Sascha, was hättest du denn gerne?«
Ich überlegte und brauchte immer ein bisschen mehr Zeit, um mich zu entscheiden, aber das war bei mir nicht ungewöhnlich.»Also, hm, ja, ich trinke heute einen Kaffee oder nein, warte, lieber auch eine heiße Schokolade.«»Alles klar, kommt heute niemand mehr?« fragte Bruno neugierig.»Ich denke schon, Wenne und Ralf kommen bestimmt noch, ob die Mädels kommen, weiß ich nicht. Marion und Sandra kommen sicher nicht, sie wollten einkaufen gehen.Du weißt ja, wenn Frauen shoppen, ist alles außen herum vergessen«, erzählte ich amüsiert und fügte enthusiastisch hinzu.»Aber Linda und Nicole kommen bestimmt.«Nicole, schloss sich unserem Freundeskreis später an. Sie war eine herrliche Frau, eine Frau meines Kalibers, allerdings kannten wir sie nicht lange genug.Wir saßen wie gewöhnlich fröhlich am Tisch, als Wenne die Tür hereinstürmte, der Mann, dem ich eigentlich nichts zu verdanken hatte, jedoch unwissend etwas besaß, was mein Leben unvorhersehbar und völlig unerwartet veränderte.
»Servus Leute, entschuldigt meine Verspätung, ich hatte noch was zu richten.« »Ist schon in Ordnung, Wenne?«, gab Mike zurück. Mike war ein richtig cooler Mensch, er hatte die Ruhe gepachtet. Ihn aus der Ruhe zu bringen, war nahezu unmöglich. Allerdings hatte ich bei ihm das Gefühl, er sei ein kleines bisschen schadenfroh, jedoch im geistigen und passiven Sinne, er sah eher zu, wenn jemand Salz in die Wunde streute. »Zum Glück habe ich euch noch erwischt, ich habe nämlich ein kleines Problem am PC und wollte dich fragen, ob du später Zeit für mich hättest?« fragte Wenne mich erleichtert, indem er mit der Hand auf mich deutete. »Ja, denke schon.«»Du bist ein Schatz, Sascha, wenn ich dich nicht hätte ...«
Und schon unterbrach ihn Mike, indem er den Satz fortsetzte: »... Dann hättest du Pech gehabt.«»Ja Mike, sehr lustig.«
Wenne war die Art von Mensch, der jeden offen ansprach, wenn seine Neugierde ihn überrumpelte. Er hatte keinerlei Komplexe, jedoch war er etwas schamhaft gegenüber Frauen. Mike lachte und wandte sich Wenne zu.»Ist ja gut Wenne, heute etwa schlecht drauf, oder was?«»Nein, bin nur etwas kribbelig, weil ich meine E-Mails nicht abrufen kann.«Die Bistrotür ging auf, als Linda in voller Pracht hereinspazierte.»Hi Freunde, alles fit im Schritt?« grüßte sie, während sie Platz nahm.Alle grüßten nett zurück, besonders Wenne, er grinste über beide Ohren. Linda war eine mit Lebensfreude gefüllte Frau. Sie hatte ein paar Pfunde zu viel, aber das juckte sie nicht, dennoch sah sie anziehend sexy aus. Sie zog sich überaus weiblich an und hatte wahrscheinlich kein einziges Kleidungsstück im Schrank, das ohne Blumen gemustert war. Sie war die Weiblichkeit in Person. Sie war zwar nicht mein Typ, aber eine aufsehenerregende reizende Frau. Wenne schaute sie oftmals auffällig an, unregelmäßig erstarrte sein Blick in ihre Richtung.Ich glaube, er war in sie verknallt, aber das hätte er nie zugeben wollen.»Ja, alles fit, Wenne hat dich schon vermisst«,ergriff Mike das Wort und schmunzelte frech.»Oh, tatsächlich? Das freut mich.«
Wenne sah sie an und gab ihr mit Mühe grinsend zu verstehen, er freue sich über ihre Anwesenheit, indem er angespannt sagte:»Klar freue ich mich, unsere hübsche Linda ist wieder da.«»Oh, danke schön.«
Sie wechselte das Thema, indem sie verwundert fragte:
»Ist Nicole noch nicht da? Eigentlich sollte sie schon hier sein. Sie sagte am Telefon, sie ginge schon mal vor.«»Sie wird sicher bald herein trudeln, wenn sie gesagt hat, sie kommt, dann ist sie bestimmt schon in der Nähe«, fügte ich fröhlich hinzu.Erneut entwich die warme Luft aus dem Bistro, die sich mit kalter Winterluft vermischte, als Nicole und Ralf das Lokal betraten.»Hallo ihr beiden, willkommen im ”Club, der einsamen Herzen” «, riss Wenne einer seiner Sprüche, woraufhin sich alle das Lachen nicht verbeißen konnten, selbst Ralf nicht, der selten lachte und ein ernster Typ war. So krümmte er sich vor Lachen.»Hi Leute, sorry Linda, ich habe Ralf an der Tankstelle getroffen. Er war so freundlich und hat den Ölstand meiner Schrottkiste geprüft.«»Und?« hakte ich nach, »braucht der ein Ölwechsel?«»Ja, das Öl ist ziemlich dunkel, denke schon, dass ein Ölwechsel fällig wäre.«
»Na dann.«»Wir können ja nachher zusammen fahren, wenn du Lust hast?« fragte Ralf sporadisch und schaute Nicole mit einem vielversprechenden Blick an.»Wieso eigentlich nicht, wenn du nichts Besseres zu tun hast, gerne«, gab sie zurück. Irgendwie störte mich das ein bisschen, dieses zuvorkommende Auftreten war für Ralf typisch. Hätte ich nur flotter reagiert, dennoch hatte ich Wennes Anliegen im Hinterkopf, er brauchte mich. Wenne hatte keine Ahnung von Computer und wusste sich nicht zu helfen.»Tja, so fängt das meistens an«, mischte sich Mike grinsend und stichelnd ein, woraufhin alle ihre Blicke auf ihn richteten, dann erklärte er: »Zuerst Ölwechsel, der frische Wind draußen, die Einladung zum Kaffee, und dann das große Dankeschön mit einem süßen zarten Kuss auf die Wange.«
Ich schaute Mike an, der nicht bemerkte, wie mich das traf, aber ich ließ mir nichts anmerken, denn ich versuchte, mit allen Mitteln gegen mein Gefühl zu steuern. Ich lächelte unbekümmert, sodass niemandem meine Eifersucht auffiel.Jedoch stellte ich mir kurz vor, wie sich beide im Bett umwälzen. Gelegentlich lief mir ein Film durch den Kopf, der mich ablenkte.»Hey Sascha, bist du wieder weggetreten?« rief Linda mit lauter Stimme.»Oh, ich war eben kurz in Gedanken, entschuldige. Habe ich was verpasst?«Sie lachten über mich, und mir kam das Träumen länger vor als es tatsächlich war. Mit einem naiven Gesichtsausdruck und gestellter Empörung fügte ich hinzu.»Na wartet, ihr lacht mich also aus«, woraufhin Nicole sich einbrachte, um mich zu besänftigen und meine Aufmerksamkeit zu gewinnen.»Nein, wie kommst du denn darauf, wir lachen dich nur an.« Wow, hatte diese schlanke, gutaussehende und kokett gekleidete Frau eine erotische Stimme. Ich hätte sie am liebsten auf der Stelle vernascht, indem ich über sie hergefallen wäre.
„Alle Wünsche würde ich dieser Frau erfüllen”, schwirrte mir der Gedanke.
»Richtig, wir lachen dich an«, schloss sich Mike an.»Sascha, alles klar bei dir?« fragte Wenne.»Klar, wieso?«»Du bist und klingst abwesend.«
»Echt?« Er hatte nicht ganz Unrecht.»Wenne bleib cool, mit Sascha ist alles klar, das sieht man doch an seiner Ausstrahlung«, mischte sich Ralf ein, der meine Gefühle zu Nicole zu ahnen schien. Am liebsten hätte ihn gefragt, ob er oft so einen Blödsinn schwafelte. Natürlich bändigte ich meine Gefühle, indem meine Vernunft mich zum Schweigen brachte.»Es ist alles in Ordnung, war nur in Gedanken, bin wohl etwas müde.«»Aber nicht, dass du schlapp machst, ich brauch dich heute noch, sonst bin ich am PC aufgeschmissen.«»Was genau läuft nicht?« interessierte sich Linda.»Keine Ahnung, ich weiß nur, dass der Kasten wieder spinnt.«»Kein Problem, das kriegen wir hin, mach dir mal keine Sorgen, ok?« versicherte ich kopfnickend mit überheblichem Gesichtsausdruck, indem ich mit der Hand abwinkte.»Sascha bekommt das sicher hin, er hat den Rechner von Marion auf Vordermann gebracht, und das war ganz sicher keine Kleinigkeit«, erklärte Linda.»Mein Rechner müsste auch mal durchgecheckt werden«, fügte Nicole hinzu, woraufhin sich mein Herztakt leicht beschleunigte. Die Vorstellung, ihre Wohnung zu betreten, obwohl es nur für diese Dienstleistung gewesen wäre, ließ Aufregung in mir aufkommen. In ihrem Reich zu schnuppern, um erspähen zu können, wie sie lebt, war ein reizender Gedanke. Kaum hatte ich mir das Schönste ausgemalt, mischte sich Ralf erneut ein.»Könnte dein PC nach dem Ölwechsel checken, wenn du das möchtest. Meine Computerkenntnisse sollten eigentlich reichen, hoffe ich zumindest.«»Das wäre großartig, schön, dann hätte ich gleich zwei Probleme aus der Welt geschafft. Mein PC ist etwas zu langsam geworden, sonst läuft er. Man könnte meinen, die Festplatte springt aus dem Rechner.«Gelächter brach aus. Meine Gedanken waren blockiert, als hielte Ralf alle Trümpfe in der Hand, die er nach Belieben ausspielen könnte. Ich musste mich wohl damit abfinden, außerdem war er ein attraktiver Mann, groß, schlank und spontan. Er kleidete sich modisch und verstand seinen Charme im richtigen Moment einzusetzen.
Ralf hatte eine optimistische Eigenart, die offen gestandenbeneidenswert war, und wusste in jedem Falle eine Antwort auf eine beliebige Frage. Er fand für irgendwelche Probleme stets eine Lösung, und wenn er selbst nicht wirklich, was zur Lösung beisteuern konnte, gab er immer einen guten Rat, der meistens hilfreich war.Ich erhoffte mir, er würde Nicole absagen, aus welchem Grund auch immer, sodass ich ihr meine Hilfestellung angeboten hätte, und sei es nur, um ihr ein Stück näher zu kommen.
Bruno bewirtete uns wunderbar, ohne einen Wunsch offenzulassen. Er war aufmerksam und mischte sich in unseren Gesprächen nur ein, wenn er gefragt wurde. Diskretion und Disziplin zeichneten ihn ebenso aus, wie seine markanten Gesichtszüge, die auf den ersten Blick unübersehbar waren.
Wir verbrachten einen gemütlichen Tag und tauschten einige amüsante Geschichten aus.Irgendwann, Stunden später, löste sich unser Stammtisch auf.Nicole und Ralf machten sich schneller als erwartet aus dem Staub, noch bevor ich vom Stuhl aufgestanden war.»Wir sehen uns morgen«, verabschiedete ich mich.»Wie immer«, so Mike.
»Bin gespannt, was Marion und Sandra Schönes eingekauft haben«, sagte Linda.
»Was wohl, Klamotten natürlich«, gab Wenne amüsiert zurück.
»Also Leute, wünsche noch einen schönen Abend!« verabschiedete sich Linda, während sie Wenne einen kurzen, tiefsinnigen Blick zuwarf.»Bis morgen, und noch viel Erfolg mit deinem PC, Wenne!« gab Mike von sich, während er die Bistrotür aufhielt, um Linda und Wenne den Vortritt zu gewähren.Wenne sputete sich, um an mir dran zu bleiben, als seien wir beste Freunde. Typisch, wenn er etwas brauchte, war er besonders aufmerksam.Auf dem Heimweg erzählte er ununterbrochen von seinem PC-Problem, klick hier, klick da und Fehlermeldungen. Wie konnte er bloß annehmen, dass ich zuhörte. Während ich mir das Grinsen unterdrückte, unterbrach ich ihn schließlich.»Hör mal Wenne, spare dir das nervige Gelaber, ich kann dir erst sagen, was mit deinem Rechner los ist, wenn ich die Fehlermeldung und Problematik vor Ort lese. Dringt das irgendwie in deine hohle Birne ein?«»Jo Meister«, gab er ironisch zurück.»Und was ist, wenn du das Problem nicht auf die Schnelle hinbekommst?«»Jetzt hör aber auf, du Nervensäge!«
»Jo Meister.«
Wiederholte er belustigt und grinsend, während er seine Hände zusammenlegte und sich verbeugte.
»Das werden wir schon irgendwie hinbiegen.«
So langsam wurde ich wütend und blickte ihn schräg von der Seite an.
»Ist ja gut, entschuldige Meister, ich lass mich überraschen.«
»Und lass das mit dem Meister, klar?«
»Geht klar Meister.«
Umgehend beugte er sich vor mir, blickte zu mir hoch und entschuldigte sich.
»Oh sorry, ist mir ausgerutscht, kommt nicht wieder vor.«
Ich ignorierte seine Haltung, indem ich weiterging und wechselte das Thema.
»Erzähle mir lieber was über Linda und dir.«
»Was! Wie meinst du das?« fragte er verunsichert, runzelte die Stirn und versuchte dabei, überrascht zu wirken.»Ach komm Wenne, denkst du, ich bin blöd?«
»Nein! Ich weiß nicht was du meinst.«
»Mir kannst du nichts vormachen, ich sehe, wie deine Augen immer größer werden, wenn sie nur spricht«, sagte ich so selbstverständlich, und legte die Hand auf seine Schulter.»Rede kein Quatsch Sascha, das bildest du dir nur ein, vielleicht bist du selbst in sie verliebt.«
Ich lachte, er widersetzte sich weiterhin und tat so, als sei er genervt, indem er mir weiterhin was vorspielte.
»Sascha, sei so gut und gehe mir nicht auf den Geist.«Wenne wäre jedes Mittel recht gewesen, Hauptsache, es würde ihm gelingen, mich vom Thema abzubringen. Ich war mir zwar nicht sicher, obwohl ich das Gefühl nicht loswurde, er wollte mehr von Linda als nur eine nette Unterhaltung. Also insistierte ich und blieb standhaft.»Pass mal auf Wenne, spare dir das Geschwätz, wir kennen uns lange genug. Mir ist es persönlich egal, ob du auf sie stehst oder nicht, nur eines möchte ich dir freundschaftlich mitteilen.«
Ich holte tief Luft, blieb stehen und schaute ihn mit halb offenen Augen nachdenklich an.»Was ist denn?« fragte er hastig mit leicht gerötetem Gesicht.»Also, mein lieber Wenne, es steht außer Frage, ob mir diese Frau gefällt oder nicht. Ich weiß nur eines, ich stehe ganz sicher nicht auf Linda. Wenn es eine Frau gibt, die ein wenig Interesse an mir weckt, dann ist das nicht Linda, sondern Nicole«, erklärte ich offenherzig. Ihm schien die Luft wie weggeblieben und starrte mich mit seinen kleinen dunklen blauen Augen an. Ich setzte den Gang fort, er blieb jedoch stehen und rührte sich nicht von der Stelle. »Nein, das ist nicht wahr, du willst mich verarschen.«
»Ja, sicher, wenn mich jemand antörnt, dann Nicole, aber in sie verliebt bin ich nicht. Verstanden?«
So zog ich langsam die Handbremse, während ich den Kopf nach unten neigte. Ich ließ mir auf keinen Fall anmerken, dass ich für Nicole mehr empfand als ich zugab.»Jetzt verstehe ich deine Abwesenheit im Bistro vorhin, als Ralf so hilfsbereit und zugleich charmant zu ihr war.«»Du verstehst gar nichts, ganz sicher nicht, erzähle mir lieber, was du für Linda empfindest.«»Wenn du mir erzählst, wie viel dir Nicole bedeutet, dann erzähle ich dir vielleicht, was ich für Linda empfinde«, schlug er gerissen vor.»Mensch Wenne, du bist ein Schlitzohr, entweder du erzählst mir, was du für sie empfindest, oder siehst selbst, wie du deinen Rechner wieder zum Laufen bringst«, versuchte ich, ihn zu erpressen. Mein freches Grinsen im Gesicht konnte ich nicht verbergen, und wir wussten beide, wie unfair das war, dennoch amüsierte ich mich genüsslich.»Was soll Sascha, das ist Erpressung. Willst du mich abwimmeln? Zeigst du jetzt deinen wahren Charakter, oder ärgerst du mich nur?« stellte er mit erhobener Stimme fest und verbohrte sich mit Fragen in Unsicherheit.»Beruhige dich, erzähl mir, was du willst, oder warte, weißt du was?«
»Was?«
»Lassen wir einfach das Thema. Ich erzähle dir nichts und du mir eben auch nichts, einverstanden?« gab ich, auf gespielte Art, verärgert und schmollend zurück. Wir schwiegen einen Augenblick, dann schaute er mich mit einem starren Blick an. Eigentlich wollte er darüber reden, aber er wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass er sich öffnen würde.»Ich will kein Geheimnis daraus machen, du hast ja recht. Ich stehe total auf diese herrliche Frau. Sie ist so weiblich und wundervoll, dass ich mich gerade so beherrschen kann. Am liebsten würde ich sie küssen und ihr gestehen, dass ich sie liebe, verdammt, wenn ich doch nicht so feige wäre.«
»Sonst bist du immer so direkt und ungeniert.«
»Ja, ich weiß, aber bei ihr...«»Also doch, du bist verliebt!«»Vielleicht ja…«
Er legte die Hände um seinen Nacken, wandte den Blick von mir ab, stampfte mit dem Fuß auf und gestand ein.
»Doch, ich bin verliebt!«
Er setzte ein mitleiderregendes Gesicht auf, als hätte er all seine Kraft aufgebraucht, um mir das zu beichten. Ich blieb fair, also offenbarte ich ihm kurz meine Gefühle für Nicole. Wir waren inzwischen in seiner Wohnung eingetroffen, als ich vor Schreck stehen blieb und mit der Hand vor dem Mund große Augen machte. Staunend wechselte ich so unauffällig wie möglich die Haltung und tat so, als sei ich nicht über das Chaos überrascht. Offensichtlich hatte er die Umzugskartons noch nicht ausgepackt.Mein erster Gedanke war: „Wie kann ein Mensch in so einem Chaos leben?” Jedenfalls war das für mich unbedeutend, schließlich musste er selbst damit zurechtkommen.Wir schlugen uns durch das Chaos in Richtung PC und behoben das kleine Problem im Nu. Letztendlich stellte sich heraus, dass eine Software die Verbindung zu seinem Router blockierte.»Sascha, du bist ein Schatz«, schmeichelte er mir.»Gerne, ich muss jetzt aber weg«, verabschiedete ich mich flüchtig.»Sascha warte, ich habe hier noch eine kleine Schachtel mit Papierfetzen, die wahrscheinlich der Vormieterin gehörte und hier liegen gelassen …«
Hastig, weil ich in Eile war, unterbrach ich ihn mit genervtem Unterton.
»Hab keine Zeit mehr, was ist damit?«
»Nimm sie bitte mit und entsorge sie, die steht hier schon länger herum, und immer wenn ich die Wohnung verlasse, vergesse ich sie mitzunehmen.« »Kein Problem, ab in die Tonne«, antwortete ich forsch und desinteressiert ohne irgendeine Vorstellung davon, wo sich die Mülltonnen befanden.»Geht klar, die Tonnen finde ich schon.«
»Die Mülltonnen stehen direkt neben dem Haupteingang, sind nicht zu verfehlen.«
Der Augenblick war gekommen, an dem Wenne ahnungslos nicht mehr das besaß, was mein Leben vollständig und zeitnah verändern würde.
Ich steckte die kleine Schachtel, die nicht größer als eine Zigarettenschachtel war, in meiner Jackentasche und eilte die Treppen hinunter.
Meine Gedanken schwankten zwischen Nicole und Ralf, denn ich wurde das Gefühl nicht los, dass die beiden bald zusammenkommen würden. Dementsprechend beschäftigte mich das, überraschenderweise, mehr als erwartet, schließlich hatte ich oft genug die Chance gehabt, Nicole zum Abendessen einzuladen. Die Situation war für mich nicht einfach; immer, wenn sie mir gegenüberstand, war ich wie gefesselt, verkrampft und brachte kein Wort heraus, weil ich mir währenddessen vorstellte, wie sie mich zurückweisen würde.Als ich an den Mülltonnen vorbei hetzte, die ich offen gestanden, überhaupt nicht bemerkte, weil ich tief in einem Gedanken Sumpf umherirrte, geriet die kleine Schachtel in Vergessenheit, so als hätte man sie mir aus dem Sinn ausradiert.
Ich begab mich auf dem schnellsten Weg nach Hause. Als ich meine Haustür aufschloss und sah wie ordentlich und aufgeräumt alles war, fiel mir plötzlich ein, dass ich die kleine Schachtel in meiner Jackentasche vergessen hatte, die ich eigentlich entsorgen sollte. Ein kurzer Gedanke, der mich nicht wirklich kümmerte.Kaum hatte ich den Fernseher eingeschaltet, klingelte es an der Tür, „Was, wer?” dachte ich. „Wer will denn jetzt um diese Uhrzeit noch was von mir?” Schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es gar nicht so spät war, wie ich angenommen hatte. Ich beschloss, auf der Couch mit ausgestreckten Beinen liegen zu bleiben, verringerte die Lautstärke des Fernsehers und lauschte von der Couch aus, als mein Handy klingelte.»Ja bitte, Sascha hier, wer stört?« sagte ich leise mit rauer Stimme und versuchte, einen müden Eindruck zu machen.»Hey Sascha, was ist los? Wir stehen vor deiner Haustür, wo bist du?«
Marion redete so laut, dass ich das Handy vom Ohr weghielt.
»Seid ihr vom Einkaufen hier zufälligerweise vorbeigekommen?«»Ist er da?« hörte ich leise aus dem Hintergrund, „das ist bestimmt Sandra”, dachte ich.
»Ja, haben aber nichts gefunden, was treibst du?«»Ich bin auf der Couch eingeschlafen«, log ich.»Oh, wir wollten nicht stören, du bist heute wohl außer Gefecht?«»Frage ihn, ob er heute Abend Lust hat mitzugehen«, sprach Sandra aus dem Hintergrund, wahrscheinlich nahm sie an, ich würde sie nicht verstehen. Ich schwieg und wartete ab, was Marion mir zu sagen hatte.»Sascha machst du auf, oder bleibst du liegen?«»Du kannst auflegen, ich bin schon auf den Beinen«, antwortete ich, während mein Wesen sich langsam Richtung Haustür bewegte.»Hallo die Damen, was für eine nette Überraschung, was kann ich denn für euch tun?« fragte ich höflich mit wissbegierigem Gesichtsausdruck, und am Türrahmen mit der Schulter lässig angelehnt, während ich meine Arme herunterhängen ließ.»Wir wollen jetzt sofort einen Dreier mit dir«, antwortete Sandra umgehend. Sie kringelten sich vor Lachen, was unserer Stimmung einen positiven Schub gab. Sandra war für jeden Spaß zu haben, und großzügig war sie auch, aber das hatte sicher andere Gründe.„Oh, klar bin ich für einen Dreier zu haben”, schoss mir durch den Kopf, als Marion den Spaßanlauf abzuwürgen versuchte.»Nein Sascha, das war ein Scherz.«
»Oh wie schade.«
»Das hättest du wohl gern«, kommentierte Marion trocken.
»Ja klar!«
Plötzlich sagte Sandra mit ernster Mimik und stierem Blick.
»Nein Marion, das war kein Scherz, wollen wir?«
»Ja, am besten sofort«, antwortete ich gierig.
Für einen kurzen Augenblick blieb Marion wie erstarrt. Sandra schaute sie an und presste ihre Lippen zusammen, woraufhin ein großes Gelächter ausbrach.
Dann wollte ich zu guter Letzt in Erfahrung bringen, was die beiden vorhatten, indem ich grinsend fragte: »Und nun, was gibt's?«
»Wir wollten fragen, ob du Lust hast, heute Abend ...«Sandra unterbrach sie, das ausführliche und höfliche Gebabbel dauerte ihr offenbar zu lange.»Wir wollen essen gehen, komm doch mit.«»Wir drei, oder kommen die anderen auch?«»Nicole kommt auch.«
»Oh, ok.«
»Habe vorhin mit ihr telefoniert.«Mein Herz beschleunigte den Takt. Ich beherrschte mich entspannt, ohne im Geringsten die Gesichtsmuskulatur zu bewegen. Um mir nichts anmerken zu lassen, gab ich selbstsicher zurück.»Warum eigentlich nicht?«Sandra verbiss sich selten eine Bemerkung und ließ ihre Freude zum Vorschein kommen, indem sie witzelte.»Klasse Sascha, ich freue mich, wir treffen uns um halb acht im Kegelclub. Das mit dem Dreier holen wir nach.«
Wir lachten, woraufhin Marion etwas einfiel.»Sandra!«
»Was?«
»Nicole sagte, dass sie etwas später käme, ist mir gerade eingefallen.«»Das ist doch egal, wir können uns trotzdem vorher treffen, oder nicht?«
»Von mir aus«, war Marion einverstanden.
»Was meinst du?« wandte sich Sandra mir zu.»Eigentlich wollten wir uns erst morgen treffen, aber von mir aus, ich bin dabei, soll ich Wenne Bescheid geben?«»Sicher doch.«»Klar!« rief Marion rein.»Ruft ihr noch Linda an? Vielleicht hat sie auch Lust«, schlug ich mit dem Hintergedanken vor, Wenne und Linda zusammenzubringen. Selbstverständlich ließ ich mir nichts anmerken und verkniff mir das Grinsen.
»Ok machen wir.«»Na dann, bis nachher.« »Also dann, bis dahin«, schloss ich die Konversation ab, während sich meine Gedanken Richtung Bad wandten.
Als Marion und Sandra meine Wohnung verließen, kehrte für einen kurzen Augenblick die Vorstellung zurück, mit zwei Frauen einen Dreier zu erleben. Vielleicht im Bad. Oh, war mir auf einmal warm geworden. Blitzschnell verdrängte ich diesen Gedanken aus meiner Fantasie, während ich beinahe selbst darüber gelacht hätte.Ich genoss das Bad und stellte mir vor, Nicole würde mit mir baden und sich hier wohlfühlen. In dieser gigantischen Badewanne, die für eine Person eigentlich viel zu groß war. „Man hätte besser verstellbare Badewannen erfunden, bei denen man nach Bedarf die Größe einstellen kann”, ging mir durch den Kopf. Entspannt döste ich so schön vor mich hin und die Zeit verflog. Inzwischen hatte ich Wenne angerufen, um ihn über das Treffen zu informieren.Der Uhrzeiger raste, so kam es mir zumindest vor, als ich erschrocken registrierte, dass es spät geworden war, und dachte: „Oh nein, schon Viertel nach sieben, nichts wie raus aus dem Bad.”Ich sprang aus der Badewanne, zog mich an und eilte Richtung Kegelclub. Natürlich verspätete ich mich ein bisschen, aber das war für mich halb so schlimm, denn ich wusste, Nicole würde später eintreffen.Kaum hatte sich die Eingangstür des Kegelclubs hinter mir geschlossen, sah ich wenige Tische weiter, dass Sandra mir auffallend zuwinkte. Am Tisch schauten sie mich überrascht an.
»Sorry!«
»Seit wann bist du unpünktlich?« stupste mich Wenne an.»Ich war in der Badewanne so schön entspannt, dass die Zeit an mir vorbei gesaust ist, entschuldigt.«»Wie oft willst du dich entschuldigen?« plauderte Wenne, dem es null die Bohne interessierte, ob ich mich entschuldigte oder nicht.
»Ist nicht weiter schlimm, du bist ja da«, entgegnete Sandra mit Verständnis freundlich.
Marion hatte Rotwein bestellt, Sandra genoss einen Cocktail und Wenne trank Hefeweizen. Ich bestellte eine heiße Schokolade und hoffte, Linda träfe bald ein.Wir plauderten nicht lange, als Linda an unserem Tisch Platz nahm, während sie Wenne akribisch musterte. Ihm fiel natürlich nichts auf, aber ich ahnte, dass sie Gefühle für ihn hatte. Ich war der Meinung, die beiden würden exzellent zusammenpassen, und hatte meine Überredungskünste eingesetzt, um ihn aus seiner Wohnung zu locken, weil ich annahm, dass Linda zusagen würde.Inzwischen verspäteten sich Nicole und Ralf länger als erwartet. Ich wollte mir nicht ausmalen, was die beiden wohl gerade taten. „Hoffentlich kommen die beiden bald durch die Eingangstür herein”, kaum hatte ich diesen Wunschgedanken, sah ich Nicole in ihrem roten Kleid den Mantel ablegen. Ich konnte deutlich beobachten, wie diverse Männer die Augen auf sie richteten. Sie zu übersehen war schwierig, sie sah fantastisch aus. Zu meiner Überraschung war Ralf nicht in Sicht. Ich nahm an, er käme gleich hinterher, dennoch kam sie alleine. „Zum Glück”, dachte ich erleichtert.»Hallo Nicole, schön, dass du da bist«, grüßte ich nett, fixierte meinen Blick auf sie, so als würde ich mit den Augen flirten wollen.»Hi Leute, war das heute ein Tag, ein Stress ohne Ende«, grüßte sie zurück.»Wo hast du denn Ralf gelassen?« fragte Marion auffallend neugierig.
»Der hatte keine Lust, er war bei mir, als du angerufen hast«, antwortete sie und hakte skeptisch nach.
»Wieso fragst du?«
»Nur so.«
»Du scheinst dich sehr zu interessieren wo er bleibt.«»Nein, ich habe mich nur gewundert, dass er nicht mit dir unterwegs ist.«
Das wunderte mich, vielleicht hatte er keinen Erfolg mit Nicoles PC. Möglicherweise war zwischen ihnen etwas Unangenehmes vorgefallen.
Gedanken schossen mir durch den Kopf, die sich kaum verdrängen ließen. Die Vorstellung, sie in Unterwäsche vor dem offenen Kamin liegen zu sehen, sie zu berühren und voll und ganz auszukosten, drehte mir den Hahn der Vernunft so weit zu, dass ich ihr am liebsten dieses Verlangen gestanden hätte. Ohne sie aussprechen zu lassen, meine Arme um ihren zarten Rücken zu umschlingen, um ihre herrlichen Lippen zu küssen.»Sascha träumt wieder«, sagte Wenne, während ich weiterhin in Gedanken schwamm.»Sascha!« rief Nicole.
»Jo!« schrak ich auf.
»Alles ok?«»Oh entschuldigt, ich war eben in Gedanken«, rechtfertigte ich mich geschwind. Plötzlich erinnerte ich mich an Mike. Ihm hatte ich schon viel über meine Gefühle zu Nicole erzählt. Er hätte wahrscheinlich geahnt, wo meine Gedanken herumirrten. Leider hatte er die Gewohnheit, uns nur im Bistro "Freiheit" Gesellschaft zu leisten, aber das war in Ordnung für mich.
»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?« fragte Nicole.
»Ach, alles gut, völlig unwichtig.«Sandra unterhielt sich ununterbrochen mit Linda, sie flüsterten beinahe. Dann packte es mich und befriedigte endlich meine Neugierde und fragte: »Hat mit dem PC alles geklappt?«»Naja, er wollte nur die Festplatte defragmentieren, aber das hatte ich schon getan, also ließen wir die Finger weg.«»Ach so, verstehe.«Wenne musste natürlich seinen Senf dazugeben und schmunzelte dabei.»Sascha hat's voll drauf, der kann dir ganz sicher helfen.«
»Ist das wahr?«
Staunte sie grinsend und schaute mich mit ihren strahlenden blauen Augen an, die in mich wie ein Lichtblitz eindrangen. Ich lächelte ihr aufgeregt zu und schwieg bescheiden. Wenne übernahm das Gespräch.»Ja, er hat es wirklich voll drauf, heute Nachmittag hat er mein PC wieder zum Laufen gebracht.«»Toll!«
»Und im Nu, sag ich dir.«
»Stimmt das?« wollte sie sich vergewissern und schaute mich dabei mit großen Augen an.
»Na ja, schon ein bisschen.«
»Würdest du dir mein PC anschauen?«
»Klar!« antwortete ich erfreut und lässig, und versuchte zugleich, meinen Enthusiasmus im Rahmen zu halten.
»Super, mein PC wird immer langsamer, das nervt ungemein.«
»Das bekommen wir hin.«
»Würdest du, ja?« fragte sie mich erneut höflich mit einem lieben Ausdruck im Gesicht, der mich zufrieden stellte und mit Glück füllte. Das hätte ich keinesfalls abgelehnt, jedoch trifft es eher den Punkt, wenn ich mir eingestehe, dass ich ganz klar alles für sie getan hätte. Mit Mühe gelang es mir, nach außen hin entspannt zu antworten, jedoch war ich innerlich vor Aufregung nicht imstande, den Blickkontakt mit ihr zu halten.»Klar, ich denke eventuell an eine Formatierung der Festplatte und Neuinstallation des Betriebssystems. Allerdings solltest du vorher alles sichern, was dir lieb ist, entweder auf einen Speicherstick, eine externe Festplatte oder einen CD-Rohling, das wäre der erste Schritt«, erklärte ich souverän.»Ich kann mir einen Speicherstick anschaffen, das ist kein Problem.«Und schon mischte Wenne wieder mit.»Das brauchst du mit Sicherheit nicht, Sascha hat alle nötigen Werkzeuge zu Hause, vom Stick bis zur externen Festplatte, das ist sicher kein Problem, oder Sascha?«
»Ja Wenne, weißt du, ich kann selbst reden.«
Ich schaute ihn scharf an und schmollte leicht.
»Ich wollte nur höflich … ach, vergiss es.«
Leicht eingeschnappt und kopfschüttelnd, wandte er seinen Blick ab.
»Diese Jungs wieder«, äußerte sich Marion lächelnd.
woraufhin Sandra sich wissbegierig einmischte.
»Was ist los?«
»Nichts«, sprach Wenne knapp.
Sandra wandte sich Linda wieder zu, während ich Wenne einen kurzen giftigen Blick zuwarf, womit ich ihm zu verstehen gab, dass er sich nicht einmischen solle.
Ich widmete Nicole meine volle Aufmerksamkeit, indem ich ihr ein Angebot unterbreitete.
»Ich kann meinen Stick mitnehmen und vorübergehend deine wichtigsten Daten speichern, bis das System wieder drauf ist. Da bräuchtest du kein Geld auszugeben.«Sie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie leicht skeptisch.
»Wenn es keine Umstände macht, hm, gerne.«Freude füllte mich. Vielleicht würden mir ihre Bilder eine Geschichte erzählen, wenn ich mir diese auf meinem Rechner in Ruhe ansehen würde. Jedenfalls wäre es perfekt, wenn sie zuließe, dass ich meinen USB-Stick für die Datensicherung verwende.»So liebe Leute seid ihr so weit?« unterbrach Sandra und ließ ihren Blick hin und her schweifen.»Wieso, was ist?« wollte Wenne beschwingt umgehend erfahren.»Ich habe ein Tisch im ”Frieden” reserviert, schon vergessen?«»Ach ja, klar.«
»Warst eben abgelenkt, was?« bemerkte Linda. Ich hätte wetten können, dass er mit seinen Gedanken bei ihr war.Wenne zahlte meine heiße Schokolade und bedankte sich nochmal für meine Hilfestellung am Nachmittag. Wobei ich, unwissend und ahnungslos, eigentlich ihm zu danken gehabt hätte, denn er gab mir das wertvollste und wichtigste, was mir jemals zwischen den Fingern gekommen war. Diese unberechenbare kleine Schachtel, von der ich keineswegs angenommen hätte, dass sie irgendetwas birgt, geschweige denn, dass sie irgendeine Bedeutung gehabt hätte.
Das Restaurant ”Frieden” war in der Nähe, gerade mal um die Ecke.Wir liefen um den Block, während die Frauen hinterherhinkten, denn sie blieben an jedem Schaufenster stehen.»Sandra hast du reserviert?« fragte Marion.»Ja, habe ich, Freitagabends ist immer viel los.«»Auf kommt, wir warten vor der Eingangstür!« rief Wenne mit erhobener Stimme, verdrehte seine Augen und ließ den Kopf in den Nacken fallen.»Bringst du Linda später nach Hause?« fragte ich Wenne diskret und flüsternd.»Weiß ich noch nicht. Wieso hast du am Telefon nicht gleich gesagt, dass du mich verkuppeln willst?«
Er schaute etwas nervös zurück, obwohl wir locker dreißig Meter Vorsprung hatten.Ich konnte nahezu seine Aufregung spüren, und nur wenn er den Namen Linda hörte, schlug sein Herz schneller.»Nein Wenne, das siehst du falsch, verkuppeln ist keine gute Idee, ich bin nur neugierig, das ist alles«, erklärte ich belustigt, als wir vor dem Eingang stehen blieben.»Sie kommen schon«, flüsterte er hektisch zurück.Unsere Freundinnen Marion, Sandra, Linda und Nicole waren alle elegant gekleidet. Eigentlich sollte ich erwähnen, dass Sandra sich gerne lässig und unbedacht kleidete. Ihre Oberteile bestanden hauptsächlich aus Kapuzenshirts. Sie war nicht die Sorte Frau, die gleich ins Auge fiel. Wahrscheinlich lag das tatsächlich daran, dass sie keinen großen Wert auf ihr Äußeres legte, außerdem trug sie das Haar stets zusammengebunden. Nicole dagegen war auffallend modebewusst, jedes kleinste Detail stimmte an ihr, einfach alles.War ich verliebt, oder war ich das nicht; das hatte ich mich oft gefragt, und offen gestanden hatte ich meine Zweifel. Wäre sie vielleicht die Frau meines Lebens gewesen, oder war sie nur das schöne Weib meiner Fantasie, die mich wahrscheinlich nie wirklich glücklich gemacht hätte, oder die ich irgendwann enttäuscht hätte. Sie sah zwar umwerfend aus, dennoch war Sandras Lebenseinstellung und ihre Art und Weise eigentlich mehr meine Welt.
»Sascha, da fällt mir gerade ein, hast du die kleine Schachtel in die Tonne geschmissen?« fragte Wenne, ohne sich wirklich dafür zu interessieren, vermutlich nur um das Thema zu wechseln, weil die Frauen inzwischen bei uns standen.»Was für eine Schachtel?« wollte Linda prompt wissen.»Ach, keine Ahnung, so eine kleine Schachtel, die in meiner Wohnung herum lag«, antwortete er wie ausgewechselt mit strahlenden Augen.»Auf, lasst uns reingehen«, befahl Nicole.»Jo, auf in den ”Frieden” Leute«, brachte ich heraus und zog die kalte Luft tief ein, so als wäre ich erleichtert, obwohl ich kein Gefühl der Erleichterung verspürte. Das lag wohl daran, dass mich Nicole versehentlich streifte und ich nervös wurde.Ich gab Wenne keine Antwort, obwohl mir auf der Zunge lag, ihm zu sagen, dass ich vergessen hatte, die kleine Schachtel zu entsorgen. Aber was spielte das für eine Rolle, schließlich war es bedeutungslos, wann ich diese entsorgt hätte. Man hätte sie auch als Dekoration benutzen können, das hätte sicher ebenso niemanden interessiert, immerhin war sie eine auffallende, kleine bunte Schachtel, die in jede Vitrine dekorativ gepasst hätte.Wenn mir zu diesem Zeitpunkt jemand gesagt hätte, dass der Inhalt dieser Schachtel mein Leben beeinflussen würde, hätte ich demjenigen weder Aufmerksamkeit noch Glauben geschenkt. Im gegebenen Moment hätte ich mich umgehend von der Schachtel und samt Inhalt getrennt, indem ich sie entsorgt hätte, ohne dass mir ein einziger Gedanke aufgekommen wäre, sie könne irgendwas beinhalten, was für mich von Bedeutung sei.
Als wir die Bestellung aufgaben, kehrte tatsächlich das Thema mit der kleinen Schachtel zurück. Ich weiß noch heute genau, was ich dachte. „Nein, oder? Die kleine Schachtel, das ist doch kein Zufall. Man könnte meinen, in der Schachtel läge ein Schatz in Miniatur, der vielleicht sogar für mich bestimmt ist”, ein belangloser Gedankengang aus meiner Fantasie, der aus einem zufälligen Wunsch meines Gemütszustandes entsprang.»Ich will nicht neugierig sein, aber irgendwie würde ich gerne wissen, von welcher Schachtel ihr sprecht«, leitete Nicole das Thema ein, indem sie den Blick hin und her schwankte. »Nun, eine alte kleine Schachtel, die Sascha für mich entsorgt hat. Nur Abfall!« antwortete Wenne indolent, woraufhin er mit beiden Händen abwinkte, so als wäre die Schachtel völlig bedeutungslos, was es für ihn definitiv war.»Und was war in der Schachtel, doch nicht etwa ein Stapel Geldscheine?« witzelte Marion und kicherte auffällig.»Quatsch, nur ein paar Papierfetzen. Vielleicht sind das, alte Notizzettel, vielleicht auch Briefe, keine Ahnung. Die Schachtel lag in einer tiefen Ecke der Abstellkammer. Hatte sie letzte Woche auf dem Schlüsselkasten gelegt und vergessen, sie mitzunehmen«, detaillierte Wenne, und winkte erneut ab, dennoch war die unbegründete weibliche Neugierde nicht ganz gestillt, als Sandra ihre Gedanken mitteilte: »Zu gerne wüsste ich, was da drinsteht.«
»Das glaube ich dir, du bist ja überhaupt nicht Naseweis«, richtete sich Nicole mit leichtem Unterton an sie.
»Du etwa nicht?« mischte Linda mit.
»Ja, schon.«
»Na also.«
»Ist ja gut.«
»Aber es stimmt, ich bin Naseweis«, gab Sandra zu.»Wartet mal, ich habe die kleine Schachtel dabei.«
»Wo?« fragte Wenne blitzartig.
»In meiner Jackentasche.«
»Wieso hast du sie nicht weggeschmissen, sammelst du etwa Abfall?«
»Rede kein Unsinn.«
Nicole schaute mich mit großen Augen an und sagte:
»Du Schlawiner, sag’s doch gleich«, sagte Nicole.
»Aber echt«, stimmte Linda ihr zu und Sandra schmunzelte. »Wie, was, hast du die Schachtel behalten? Ich dachte, es sei ein Witz«, war Wenne verwundert, während er stirnrunzelnd den Kopf leicht zurückzog.»Jo, habe sie in meiner Jackentasche vergessen.«
»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«
Wenne warf grinsend Nicole einen kurzen Blick zu, woraufhin Sandra mich mit einem lieben Gesichtsausdruck ansah, und mich stützte, indem sie sagte: »In einer Jackentasche ist so eine Minischachtel schnell aus dem Sinn.«
»Wie recht du hast.«
»… aus dem Sinn«, äffte Nicole sie leise nach, keiner außer mir konnte das hören, denn ich saß direkt neben ihr.
Wenne schweifte kontinuierlich und auffällig seinen Blick zwischen Nicole und mir, als er ironisch wiederholte.
»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«
Ich warf Wenne einen scharfen Blick zu, er begriff, weshalb ich das tat. Umgehend wandte er den Blick ab, indem er an die Decke schaute.
Ich beschloss, dergeballten Neugierde am Tisch ein Ende zu bereiten. Kurz und bündig sagte ich.
»Komme gleich, ich hol die Schachtel.«
Meine Jacke hing an der Garderobe des Restaurant Flurs. Noch bevor ich an der Garderobe stand, fiel mir ein, dass ich meine Jacke nicht dabeihatte.»Zeig her!« forderte Nicole wissbegierig mit unterschwelligem Ton, und warf Sandra einen kurzen Blick zu.»Leute, ich muss euch leider enttäuschen, bin nämlich mit dem Mantel aus dem Haus.«
»Wie meinst du das?« versuchte Marion zu verstehen.
»Nun, ich habe die Schachtel nicht dabei.«
»Ach ne, Mensch, ich bin total neugierig«, offenbarte Nicole und klopfte mir mit geschlossener Faust leicht auf die Schulter.
»Oh wie schade«, meinte Linda.
»Scheiß drauf!« Wenne natürlich war es egal.»Schade, ich bin jetzt auch neugierig geworden«, mischte Marion mit.»Ach was, wollt ihr etwa fremde Briefe lesen?« fragte Wenne, lachte, und schaute mit halb geschlossenen Augen genervt in die Runde.
»Briefe?« hakte Linda ein.
»Vielleicht Liebesbriefe«, teilte Sandra laut und erhob die Neugierde der Runde rasant.
»Oha!«, ertönte es aus Marion.»Davon weiß ich nichts«, sagte ich, woraufhin Wenne dem ganzen versuchte, einen Endschnitt zu verpassen, indem er dem Gespräch einen lächerlichen Hauch beimischte.
»Sagt mal, geht's noch? Ihr macht ja aus Mist einen Kranz.«
»Wir lassen nur unsere Fantasie spielen«, teilte Sandra beschwingt mit.
»Deine Fantasie vielleicht«, feixte Nicole, ohne ihr in die Augen zu sehen.
»Ja, meine Fantasie, und?«
Nicole fügte nichts mehr hinzu und richtete ihre Augen auf mich.
»Ist jetzt egal, vielleicht bekomme ich auch irgendwann einen Liebesbrief«, äußerte Linda lächelnd, während sie Wenne einen auffälligen Blick zuwarf. Mensch, war der Kerl neben der Spur, ihm fiel diese Anspielung überhaupt nicht auf. Scheinbar fiel das niemandem außer mir auf, so beschloss ich umgehend ihn darauf aufmerksam zu machen, indem ich ihm einen leichten Tritt unter dem Tisch verpasste, jedoch deutete er den Tritt wahrscheinlich als ein Versehen, denn seine Reaktion war gleich Null.
Als der Abend zu Ende ging, sprang Wenne über seinen Schatten und fragte letztendlich Linda, ob er sie nach Hause bringen dürfe.
Ich hatte das Vergnügen, Nicole bis zur Haustür zu begleiten. Wir redeten nicht viel, aber als wir vor ihrer Haustür standen, hatte ich das Gefühl, eine unsichere Aufregung würde uns binden. Selbst wenn das mit uns nie geklappt hätte, war es ein schönes Gefühl, sie zu begehren und ihre Schönheit genüsslich zu betrachten.»Es ist schon spät geworden«, sagte Nicole mit angewinkelten Knien, es war kalt, aber zum Glück windstill.»Finde ich auch.«
»Doch, ich habe mich amüsiert, unterhaltsam, zu schade, dass Ralf nicht dabei war.«
Für einen Augenblick fragte ich mich, wieso ihr Ralf durch den Kopf ging und ihn gerade an dem Abend erwähnte, ob sie mich vielleicht damit eifersüchtig machen wollte. Ich ließ mir meine Skepsis nicht anmerken, indem ich meine Schultern hob.
»Er wird seine Gründe gehabt haben.«Trotzdem bildete sich ein Knoten in mir, als ich den Namen aus ihrem Munde hörte. Natürlich blieb ich gelassen und versuchte, sie so lange wie möglich hinzuhalten. Ich konnte mich an diesem Abend nicht satt genug an ihr sehen. Außerdem hatte ich das Gefühl, als wollte sie mich auf ein Glas Wein hereinbitten. Ich bewahrte jedenfalls die Haltung und schaute ihr tief in die Augen. Am liebsten hätte ich gefragt, ob sie mit mir einen Abend darauf ausgehen wolle, aber meine Unsicherheit siegte. Also wartete ich ab, ob ihrerseits noch was käme. Sie machte zwar keinen müden Eindruck, allerdings hatte ich im Hinterkopf die Befürchtung, Ralf würde ihr mehr bedeuten als ich hoffte. Den ersten Schritt zu wagen, war mir zu riskant. Hätte sie mir nur ein kleines Zeichen an dem Abend gegeben, so wie Linda es mit Wenne tat. Ich war fest davon überzeugt, nur ein erkennbares Zeichen von ihr, und ich hätte sie gefragt, ob sie am kommenden Samstagabend meine Kochkünste kosten wolle. Plötzlich sagte sie: »Weißt du, eigentlich könntest du kurz mit hochkommen und die Unterlagen mitnehmen.«Einen Moment blieb ich wie erstarrt, doch schnell kam mir der auflösende Gedanke, dass wir Tage zuvor von einer Immobilie gesprochen hatten, die mich interessierte. Natürlich war das nicht wichtig für mich.»Ach so, klar!«»Bin zwar müde, aber die Zeit dir das mitzugeben, nehme ich mir noch, das ist kein Problem.«»Hm ...« Wahrscheinlich zögerte ich zu lange, als sie weitersprach: »Ich kann dir die Unterlagen auch morgen bei Bruno vorbeibringen, das ist kein Thema, ihr seid doch morgen dort, oder?« schlug sie vor, während sie in die Handtasche griff, um nach dem Haustürschlüssel zu suchen.Da erkannte ich, wie sinnlos es war, mir Hoffnung darüber zu machen, auf ein Glas Wein hereingebeten zu werden. Sie tat es nur aus Höflichkeit. Ich stimmte ihren Vorschlag zu. So war ich mir immerhin sicher, ein Tag darauf, sie wieder im Bistro zu begegnen.»Ok, das ist auch in Ordnung, bring mir einfach die Unterlagen mit.«»Also dann, bis morgen und danke, dass du mich heimgebracht hast, das war außerordentlich nett von dir.«
Sie verzog kein bisschen die Mimik, woraus ich schließen konnte, dass sie mit dem Tag abgeschlossen hatte. Der einzige Gemütszustand, den ich bei ihr durchschaute, war ihr Schlafbedürfnis.»Gerne, ist doch selbstverständlich, bis morgen.«Als ich ein paar Schritte entfernt war, winkte sie mit ihrer zarten Hand und rot lackierten Fingernägel, die mir Stunden zuvor bereits aufgefallen waren.Ich winkte zurück und begab mich auf schnellstem Weg zu meiner Wohnung.
Auf dem Sofa fielen mir irgendwann die Augenlider zu.„Ein schöner Tag heute, los geht's zum Frühstücken”, war mein erster Gedanke, als ich aus dem Fenster schaute und feststellte, dass die Sonne herrlich schien.„Das wird heute bestimmt ein schöner Samstag, bin gespannt, ob Nicole an mich gedacht hat und die Unterlagen ins Bistro mitbringt”, ging mir durch den Kopf.DasAußenthermometer an der Fensterbank zeigte sieben Grad, dennoch schien die Novembersonne, als hätten wir ein herrliches Frühlingswetter. Schön trocken und Windstille war geboten, genau das Richtige für einen Spaziergang in der Innenstadt. Also beschloss ich, vor dem Frühstück bei Bruno durch die Stadt zu schlendern. Ich hatte locker noch dreißig Minuten Zeit, ehe jemand im Bistro erschien. Da nutzte ich die Gelegenheit, mir eine Zigarette anzustecken.Ich rauchte gelegentlich eine, allerdings nur, wenn ich alleine war. Ein kleines Geheimnis, das ich bis heute an niemanden verloren habe.In der Innenstadt waren wenige Menschen unterwegs, das machte mein Spaziergang besonnen und angenehm. Entspannt genoss ich die Morgenluft und befand mich inzwischen in der Nähe des Bistros "Freiheit". Während des Spaziergangs berührte etwas mein Unterbewusstsein, das mir erst einfiel, als ich nach der Zigarettenschachtel griff. Ich holte Wennes bunte Schachtel aus der Jackentasche heraus.
„Donnerwetter, die kleine bunte Schachtel. Das ist doch nicht wahr”, schoss mir durch den Kopf, woraufhin ich nach einem nahegelegenen Mülleimer der Innenstadt Ausschau hielt. An einem öffentlichen Mülleimer angekommen, überrollte mich eine immense tiefe Neugierde mit einem Gedanken, der mich selbst überraschte.
„Mensch, ich werde nie erfahren, was da drinsteht, aber eigentlich geht mich das überhaupt nichts an. Ich schmeiße sie jetzt weg, am besten, ohne darüber nachzudenken.”Ich weiß bis heute nicht, was mich davon abgehalten hatte. Ich widersetzte mich der Absicht sie wegzuschmeißen, obwohl ich Sekunden zuvor mir sicher war und die Entscheidung getroffen hatte. Dennoch öffnete ich die kleine Schachtel, als lenkte jemand mit einer Fernsteuerung gegen meinen Willen. Vielleicht überwältigte mich nur die Wissbegierde, die meine Absicht ausweichen ließ. Außerdem fühlte ich mich unbeobachtet, das erleichterte mir den Entschluss, die kleine Schachtel zu öffnen. Heute denke ich, dass es keine Neugierde war, aber das werde ich gewiss nicht erzählen. Jedoch möchte ich erklären; wenn aus einer Intuition ein Gefühl entspringt, das gedeiht, und zu guter Letzt auswächst, dann verwandelt sich dieses Gefühl in einer Fantasie, die von den meisten Menschen nicht mehr als realistisch und glaubwürdig empfunden wird.Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt ich die Zettel und zusammen gefaltete Briefe, die meinen Wissensdrang verstärkten. Im Grunde genommen war mir bewusst, dass der Inhalt dieser Schachtel eines fremden Menschen, dem ich nie gegenübergestanden war, völlig bedeutungslos ist. Wären es die Briefe von Nicole gewesen, hätte ich gewusst, weswegen ich diese, ohne zu zögern, gelesen hätte.Nun, ich blätterte die Zettel schnell durch. Es waren drei Briefe, die nicht komplett lesbar waren, weil die Schrift verschwommen und teils verblasst war. Entschieden faltete ich eines der Briefe vorsichtig auseinander, ich dachte: „Meine Güte, der Brief muss eine halbe Ewigkeit in der Schachtel gewesen sein.”Behutsamen Umgang mit den Briefen war unvermeidlich, denn das zusammengefaltete Papier klebte einander, sodass jede minimale Grobheit die Briefe ruiniert hätte.So begann ich endlich die ersten Zeilen darin zu lesen.
„Ich bin Sue und bitte hiermit die Welt, die Menschheit, aufzustehen!Bitte steht jetzt auf, liebt einander…”Im ersten Moment umhüllte mich Skepsis, vielleicht ein Hilferuf der Verzweiflung oder Ähnliches, aber in Wirklichkeit war es bedeutend mehr, als ich mir jemals erhofft hätte. Es war um das vielfache intensiver, ausdrucksvoller, bewundernswerter und herzzerreißender, als alles, was ich jemals in meinem ganzen Leben gelesen hatte.Aber all das, stellte ich erst später fest. Der Zeitpunkt war noch nicht gekommen, an dem sich mein Leben ändern sollte, ja eine völlig andere Richtung einschlug.Plötzlich läuteten die Kirchenglocken ohrenbetäubend laut, sodass mir die große Kirchenuhr ins Auge sprang und feststellte, wie spät es geworden war. Also faltete ich den Brief vorsichtig zusammen und begab mich auf den Weg zum Bistro "Freiheit". Ich las zu dem Zeitpunkt nur die ersten Zeilen des Briefes.Die kleine bunte Schachtel steckte ich wieder in meine innere Jackentasche. Ich verspürte nur, sie schützen zu müssen. Aus welchen Gedanken mir dieses Gefühl aufkam, war mir unbewusst, jedoch war es einfach da. Ich hatte nur einen Bruchteil gelesen, um mir irgendein Urteil bilden zu können, geschweige denn etwas zu empfinden. Später jedoch verband sich meine Sehnsucht nach etwas Unbekanntem mit einer Intuition, aus der ein Gefühl keimte, das meine Fantasie aufblühen ließ.Pünktlichkeit war eines meiner guten Eigenschaften.Nico, von dem ich noch nichts erzählt habe, war auch da. Er ist einer der klügsten Menschen, die mir jemals begegnet sind. Seine Bescheidenheit war wahrhaftig zu beneiden, seine Lebenseinstellung geradezu faszinierend. Entweder war ihm alles egal, oder er war einfach das, was ich denke; ein überaus intelligenter Mensch, der das Leben mit Zufriedenheit, gesundem Menschenverstand und bewusster Toleranz zu meistern wusste. Sein Geschick in heiklen Situationen, bei denen er klar kam, jedoch nahezu jeder Mensch die Beherrschung verloren hätte, gab mir offen gestanden, umfangreich zu denken.Eines möchte ich über ihn erzählen; eines seiner Schicksalsschläge, bei dem er beachtenswertes Verständnis aufbrachte, selbstsicher und beherrscht handelte. Eine Reaktion, die niemand in unserem Bekanntenkreis verstand, und sogar Zweifel darüber entstehen ließen, ob er wohl seine Frau wirklich liebte oder jemals geliebt hatte.Er brachte es fertig, Verständnis darüber aufzubringen, seine damalige Ehefrau mit seinem Arbeitskollegen im eigenen Ehebett zu ertappen. Dafür gibt es kein Verständnis, bin ich der Meinung. Seine Reaktion war dennoch atemberaubend. Er verhielt sich außerordentlich fair und sagte nur, er wolle ihnen einen Moment Zeit geben. Er lief ins Wohnzimmer und wartete, um anschließend die unangenehme Situation zu klären. Ich glaube, eine solcheSituation zu meistern, braucht mehr als Vernunft und Besonnenheit. Ungeachtet dessen, bin mir relativ sicher, dass von hundert Ehemänner, es vielleicht nur einen gelänge, die Fassung zu bewahren. Ich denke nicht, dass es viele Männer gibt, die im Anschluss einer derartigen Szene fähig wären, darüber zu reden. Da gehört mehr als Selbstbeherrschung dazu. Kein Wunder, dass man daraus hätte schließen können, dass er seine Frau nicht wirklich liebte, aber das war nicht so. Nach der Trennung interessierte er sich etwa fünf Jahre lang für keine andere Frau, das klingt unrealistisch, aber so war es tatsächlich. Er war unfähig, einer fremden Frau in die Augen zu sehen, denn er liebte seine Frau so abgöttisch, dass er nicht nur darunter litt, sondern anfangs sogar bereit war, sie mit ihrem Geliebten zu teilen. Er hatte panische Angst davor, sie nie wieder zu sehen und letzten Endes für immer zu verlieren. Unzählige Male heulte er sich bei mir aus, und immer wieder sprach er aus, er hätte sein Leben verloren. Seine Ehefrau verließ ihn trotzdem, obwohl er ihr verziehen hatte.
Seine Intelligenz verschaffte ihm die Fähigkeit, aus diesem tiefen Abgrund heraus zu klettern, jedoch weiß ich bis heute nicht, ob er ohne unsere Unterstützung womöglich eine Dummheit begangen hätte. Seine Gefühle spielten ihm boshafte Streiche, sodass der Sinn des Lebens nicht mehr existierte. Die Dummheit, sich töricht das Leben zu nehmen, hätte mich bis ans Lebensende verfolgt. Ich passte jeden Tag auf ihn auf und gab ihm die nötige Liebe und Aufmerksamkeit, die ein wahrer Freund nur geben kann. Ich hatte eine stolze Zeit auf einiges verzichtet und widmete meine Freizeit ausschließlich ihm. Zum Glück fasste Nico relativ schnell Fuß, denn Monate später war er wieder fähig zu arbeiten. Er hätte um eine Haaresbreite seinen Arbeitsplatz verloren, obwohl er einer der besten Maschinenbau Ingenieure war, den seine Firma eingestellt hatte. Er erhielt sogar Abwerbungsangebote von anderen Unternehmen, jedoch lehnte er Angebote von anderen Firmen aus Loyalität und Bescheidenheit grundsätzlich ab. Er war wohlhabend und das zu Recht. Ich nehme an, dass seine Ehe folge dessen, diesen Ausgang nahm, denn er war oft im Außendienst gewesen, beinahe wie ein Manager, der meistens nur das Wochenende zu Hause verbrachte. Seine Frau bot ihm oft an, gemeinsam in den Urlaub zu fahren, dennoch lehnte er aus beruflichen Gründen oftmals ab. Er verstand, weshalb sie diesen Weg einschlug, schließlich lebten sie sich nicht nur auseinander, sondern gingen das Risiko ein, die Gleichgültigkeit im Vordergrund zu stellen, was sich ihrerseits bestätigte. Ihr war einige Zeit vor der Trennung die Beziehung völlig gleichgültig gewesen. Nico begriff die Situation und gestand sich seine Fehler ein. Eine Trennung nach dreizehn Jahren Ehe war nicht mehr aufzuhalten.Er glaubte, sich sicher zu sein, seine Frau würde niemals einen solchen Schritt wagen. Das gab ihm fortlaufend die Sicherheit, beruhigt so weiter zu leben, während sein Erfolgspfad immer steiler wurde.Wir waren seitdem enger befreundet als je zuvor. Irgendwann, lange nach der Trennung, war ich besonders stolz auf ihn, denn er hatte in seinem Herzen die Schönheit dieser Welt wieder im Visier.Im Bistro "Freiheit" eingetroffen, hoffte ich, Nicowiederzusehen, denn Freizeit gehörte für ihn immer noch nicht zur Tagesordnung.
»Hallo Sascha, schön dich wieder zu sehen!« begrüßte mich Nico als Erster am Tisch. In seinen Augen las ich, dass er den Freudentränen nahe war.»Hallo Nico! Hast den Weg zu uns wiedergefunden?«
»Habe dich ganz schön vermisst mein Lieber.« »Lass dich ansehen, du siehst gut aus.«
»Danke, du auch.«
Erfüllt mit Freude, umarmten wir uns. Als wir voneinander losließen, schaute er mich mit glücklichem Ausdruck an.
»Habe endlich meinen Urlaub in Anspruch genommen, drei Wochen, einfach herrlich. Ich freue mich auch, hier bei euch zu sein«, offenbarte uns Nico heiter und ausgeglichen.Alle, außer Nicole, Marion und Ralf, saßen am großen runden Stammtisch und schlürften Kaffee. Frühstück mit allem Drum und Dran; gekochte Eier, frische Brötchen, Wurst, Butter, Marmelade und Orangensaft. Am Tisch fehlte nur meine Flamme, Nicole, die hübscheste Frau unserer Gruppe.»Hey Wenne, alles im Lot, seid ihr gestern noch lange unterwegs gewesen?« fragte Sandra neugierig.Linda schaute Wenne verdächtig lächelnd an, wobei Wenne das wieder Mal nicht aufzufallen schien. Manchmal hatte ich das dumpfe Gefühl, er sei etwas leichtgläubig, oder er ignoriere sie aus Schamgefühlen, weil er sich doof stellte. Doch kurz darauf lächelte er zurück. „Na endlich, dieser dumme Kerl”, dachte ich gelöst.»Ja, also, frag doch Linda«, antwortete Wenne mit drolliger Stimme. Da hätte ich schwören können, dass die beiden eine lange Nacht hinter sich gebracht hatten. Vielleicht eine wilde romantische Nacht. Gleich würden wir erfahren, was sich hinter diesempermanenten Schmunzeln verbarg. Ein paar meiner Gedankenflüge galten Nicole undhoffte, sie würde endlich eintrudeln. „Hoffentlich kommt sie bald die Tür rein”, dachte ich.»Ihr macht es ganz schön spannend, was nun, wart ihr noch in der Disco, oder habt ihr was anderes unternommen?« versuchte Mike, die Spannung zu lösen.»Ja, wisst ihr Leute, Wenne und ich, na ja, wir ...« sprach Linda aus, und ohne den Satz zu beenden, gab sie Wenne einen dicken Kuss auf die Wange, woraufhin er sein Gesicht leicht beschämt an ihren Hals schmiegte, den Kopf erhob und sie demonstrativ auf die Lippen küsste.»Oh, ihr zwei, ihr seid zusammen!« plauderte Sandra verwundert in die Runde und grinste dabei über beide Ohren.»Das nenne ich mal eine tolle Neuigkeit, schön, ich freue mich für euch«, sagte Nico, schloss die Augen, derweil die Vergangenheit vermutlich für ein Weilchen an seiner Seele nagte. Das war an seinem Gesichtsausdruck, dass ich zu genüge kannte, auf Anhieb zu erkennen.
»Ja, irgendwie hat es uns gestern Abend erwischt«, fügte Wenne hinzu und schaute dabei Linda tief in die Augen, sodass ihr Gesicht leicht errötete.»Ja, es überkam uns, wir konnten uns nicht mehr halten«, setzte Linda etwas nervös fort und strahlte unübersehbar, wie eine bis über beide Ohren verliebte Frau, die wahrhaftiges Glück versprühte.»Ist ja geil, ich kann euch nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue. Ich hatte mir ohnehin gewünscht, dass ihr zusammenkommt«, wollte ich unbedingt loswerden, und hoffte weiterhin, Nicole träfe bald ein.»Ja, Schön«, gab Wenne schmunzelnd und geniert von sich, ohne den Blick von Linda abzuwenden.Im gleichen Moment kamen Ralf und Marion die Tür rein, grüßten und bestellten das große Frühstück.»Hallo Nico, lange nichts mehr von dir gehört, wie geht es dir?« fragte Ralf und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.»Mir geht es gut, ich habe, wie ihr wisst, die letzten vier Wochen auswärts gearbeitet, das ließ sich leider wieder mal nicht vermeiden.«
»Das bist du ja gewöhnt«, mischte ich mich mit ironischem Grinsen ein.
»Gibt es etwas Neues, außer, dass wir das glückliche Paar am Tisch feiern dürfen?« fragte Nico, beschwingtmit strahlendem Gesicht. Wahrscheinlich hatte er bereits seine Gedanken an die Vergangenheit abgelegt.»Wie, ein glückliches Paar, wer?« fragte Marion mit funkelnden Augen, während Ralf nachdenklich mich beobachtete.»Wenne und Linda sind zusammen, ist das nicht eine tolle Neuigkeit«, gab Sandra geschwind von sich, als Nicole das Bistro betrat und das flüchtig mithörte.»Ist das wahr?« vergewisserte sich Nicole. Marion warf Ralf verlegene Blicke zu.
»Hallo Freunde, herrlichen Glückwunsch!« grüßte Nicole, die ebenfalls überrascht war, allerdings hatte ich das Gefühl, dass ihre Freude sich in Grenzen hielt, aber das interessierte mich nicht wirklich.
In dem Augenblick hätte ich mir gewünscht, Nicole und ich seien die Glücklichen, aber das wäre egoistisch von mir gewesen. Der Moment, mich zu verlieben, wäre irgendwann sicher auch gekommen. „Nur wann?” fragte ich mich.
Ich hätte die Neuigkeit der kleinen Schachtel einbringen können, um daraus zu lesen. Das wäre vermutlich auch spannend genug gewesen, aber irgendwas weckte meine Neugierde intuitiv und ließ ein Gefühl in mir aufleben, das mir diktierte, ich müsse es erst allein zu Ende lesen. Es sei vielleicht eine Botschaft, die an mich gerichtet war. Das war ein Gefühl, das meine Fantasie hin und her schwanken ließ. Wahrscheinlich hätten mich meine Freunde schief angeschaut und schräg empfunden, wenn ich ihnen meine Gedanken offenbart hätte. Wer glaubte schon an solche Botschaften? Ich versuchte, mich abzulenken, um meine Gedanken loszulassen.»Nicole, hast du an mich gedacht?« fragte ich vorsichtig, woraufhin Ralf einen neugierigen Blick auf mich richtete.
»Natürlich habe ich an dich gedacht, hier hast du die Unterlagen«, antwortete sie feinfühlig und schaute mich mit einer Prise Zufriedenheit an. Ich grinste und blickte ihr in die Augen, in der Hoffnung, sie würde sich weiter dazu äußern.»Was für Unterlagen?«, wollte Nico wissen.»Das sind Pläne verschiedener Immobilien, die ich mir anschauen möchte, weil ich eventuell eine moderne Wohnung in Betracht ziehe«, erklärte ich.»Was gefällt dir nicht an deiner Wohnung?« fragte Mike skeptisch und stirnrunzelnd.»Nun ja, ich würde gerne eine größere Wohnung außerhalb der Innenstadt beziehen, mich aus dem Verkehrslärm entziehen«, versuchte ich, mich rauszureden, denn dieser Entschluss war mir eigentlich nicht wichtig genug. Es war vielmehr eine belanglose Idee, die aus einem netten Gespräch mit Nicole entstanden war, und mich veranlasste, über einen Umzug nachzudenken. Nicole gefiel meine Idee, und das beeinflusste meine Entscheidung gewaltig.»Ist bestimmt angenehm, außerhalb der Innenstadt zu wohnen«, äußerte sich Nicole befürwortend, woraufhin Ralf ergänzte.»Ja, ich kenne das, ich wohne außerhalb der Stadt, und eines weiß ich sicherlich zu schätzen, und das ist, die himmlische Ruhe morgens.«»Ja, das mag sein, aber bedenke, dass du jeden Tag auf das Auto oder öffentliche Verkehrsmittel angewiesen bist. Das ist meiner Meinung nach ein großer Nachteil, den ich auf jeden Fall überdenken würde«, hakte Linda ein.»Ich habe noch keine Entscheidung getroffen, ich habe Zeit. Womöglich ziehe ich gar nicht um, aber ich werde es mir gründlich überlegen«, ließ ich das Thema leicht abklingen.Die meisten rieten mir davon ab, also beschloss ich, dem Thema keine Bedeutung mehr beizusteuern, indem ich versuchte, es abrupt zu beenden.»Themawechsel, wahrscheinlich war das nur so eine Wunschidee von mir, bei der ich mir über die Nachteile nicht bewusst war.«