Josina und der duke von Nevondale - Barbara Cartland - E-Book

Josina und der duke von Nevondale E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Lady Margaret, die Tochter des vierten Herzogs von Nevondale hatte die für sie arrangierte vorteilhafte Heirat mit dem Prinzen Friedrich von Luzenhoff, abgelehnt da sie sich in den Glücksspieler Captain D'Arcy Marsh verliebt hatte und war mit ihm davongelaufen. Die beiden hatten eine Tochter Josina und durchlebten gute und schlechte Zeiten aber waren glücklich, da sie sich sehr liebten. D'Arcy fiel in einem Duell und Lady Margaret starb nach schwerer Krankheit. Vor ihrem Tod nimmt sie Josina das Versprechen ab, sofort nach England aufzubrechen und zu dem neuen Herzog von Nevondale zu reisen, so dass das neue Oberhaupt der Familie sich um das sehr schöne und junge Mädchen kümmert. Der Herzog ist ein Lebemann und sehr guter Reiter, sehr begehrt bei der Damenwelt. Als Josina am Schloss ankommt, hat der Herzog einige Gäste um sich, einschließlich der Comtesse. Als deren Mann dem Herzog mit einem Duell droht, rettet Josina ihn aus dieser misslichen Lage. Der Herzog fühlt sich nun verpflichtet, Josina zu heiraten, aber sie will auf die Liebe ihres Lebens warten und läuft weg, um auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Wird Josina dem tückischen Sir Eustace entgehen können? Wird Josina die Liebe wie die ihrer Eltern finden? Und wird der Herzog von Nevondale Teil ihres Lebens werden?

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Anmerkung der Autorin

Die Gemeindekirche St. George’s am Londoner Hanover Square wurde 1716 auf einem Stück Land erbaut, das der dort ansässige General William Stuart zur Verfügung stellte.

Der Architekt, John James, konzipierte sie als einen Bau von erhabener Schlichtheit im gleichen klassizistischen Stil, in dem schon Sir Christopher Wren zahlreiche öffentliche Gebäude und Kirchen Londons erbaut hatte.

St. George’s war eine von fünfzig Kirchen, die das Parlament in der Regierungszeit der Königin Anne geplant hatte, nachdem viele Londoner Kirchen dem großen Feuer von 1666 zum Opfer gefallen waren.

Da St. George’s über keinen eigenen Friedhof verfügte, benutzte die Gemeinde - solange der Platz reichte - den weiter westlich zwischen der Mount Street und der South Street gelegenen.

Daran angrenzend ließ Sir Richard Grosvenor im Jahre 1730 die Grosvenor-Kapelle erbauen.

Heute ist sie im Londoner Stadtteil Mayfair eine der schönsten Baudenkmäler des 18. Jahrhunderts.

Als schlichter Ziegelsteinbau mit einem Turm im Kolonialstil errichtet, hat sie in zahllosen amerikanischen Städten und Dörfern Nachahmung gefunden.

In ihren geheimnisvoll abgeschotteten Gewölben ruhen unter anderem Lady Stuart Wellesley Montagne, der Reformator John Wilkes sowie der Earl und die Countess of Mornington, die Eltern des Duke of Wellington.

1 ~ 1879

„Mama ... Mama!”

Josina eilte aufgeregt zum Bett ihrer Mutter und beugte sich über sie.

„Hier bin ich, Mama!” rief sie. „Was ist denn passiert? Was ist los?”

Lady Margaret Marsh blickte apathisch zu ihrer Tochter auf.

„D... da bist du ja, Liebling.” Sie lächelte matt.

Josina setzte sich zu ihr auf die Bettkante und rief erschrocken aus: „Aber ... du bist ja krank, Mama! Warum hast du mich denn nicht früher rufen lassen?”

„Ich ... ich habe mich so nach dir gesehnt... Liebling”, flüsterte Lady Margaret, ohne auf Josinas Frage einzugehen. „Aber nun, da du da bist, ist... alles andere unwichtig.”

Josina musterte ihre Mutter besorgt.

Bereits nach dem Tode ihres Mannes hatte Lady Margaret stark abgenommen und eine bleiche Gesichtsfarbe bekommen. Aber nun wirkte sie noch unglaublich viel dünner und zerbrechlicher, als Josina sie in Erinnerung hatte.

Ihre Mutter hatte die Augen erschöpft wieder geschlossen und machte nicht den Eindruck, als wollte sie weitersprechen. Deshalb erhob sich Josina behutsam, nahm ihren Hut ab, wozu sie sich bisher noch nicht die Zeit genommen hatte, und legte ihn auf einen Stuhl.

Sie trug ein schlichtes Kleid, das in der Florentiner Klosterschule, an der sie zwei Jahre verbracht hatte, fast eine Uniform gewesen war.

Vor wenigen Stunden erst hatte die Mutter Oberin sie zu sich gerufen und ihr mit ruhiger Stimme eröffnet: „Ich habe einen Brief von deiner Mutter bekommen, Josina. Sie möchte, dass du sofort zu ihr nach Hause kommst.”

„Sofort?” hatte Josina überrascht und ein wenig beunruhigt wiederholt. „Was ist denn passiert?”

„Das weiß ich auch nicht”, hatte die Mutter Oberin erwidert, „aber ich habe schon mit Schwester Benedikte verabredet, dass sie dich auf der Reise begleitet. Ihr beide könnt in einer Stunde aufbrechen.” Mehr hatte sie offensichtlich nicht sagen wollen.

So blieb Josina nichts anderes übrig, als in aller Eile ihre Sachen zu packen und sich allein den Kopf darüber zu zerbrechen, was der Grund zu dieser überstürzten Abreise sein könnte. Während der ganzen Reise - von Florenz zur kleinen Stadt Pavia, wo ihre Mutter lebte, - hatte diese Frage sie gequält.

Am Ende des Schuljahres würde sie das Kloster ohnehin verlassen. Aber es war überraschend und irgendwie beunruhigend, dass ihre Mutter sie drei Wochen vor dem festgesetzten Termin zurückkehren ließ.

Zu Hause angekommen, hatte sie von dem italienischen Dienstmädchen endlich erfahren, dass Lady Margaret krank sei und im Bett liege.

Und als sie schließlich das Schlafzimmer betreten hatte, sah Josina mit eigenen Augen, dass ihre Mutter nicht nur krank, sondern sogar schwerkrank war.

Durch das offene Fenster wehte ein kühles Lüftchen, blähte die Vorhänge und spielte mit den Rüschen des Bettbezugs. Und Josina war, als griffe ihr eine kalte Hand ans Herz. Hilflose Verzweiflung lähmte sie.

Doch sie war verständig genug, um zu wissen, dass sie ihre Angst nicht zeigen durfte und ruhig und gefasst auf das warten musste, was ihre Mutter ihr zu sagen hatte.

Doch als Josina die Hand ihrer Mutter berührte, die auf dem Laken lag, war sie zutiefst erschrocken, wie kalt sie sich anfühlte. Von Angst überwältigt, sagte sie noch einmal: „Hier bin ich, Mama, liebe.”

Lady Margaret schlug matt die Augen wieder auf und flüsterte mühsam: „Dort... auf dem Tisch ... stehen Tropfen, die mir der Arzt hiergelassen hat. Tropfe mir ... drei ... auf die Zunge.”

Josina tat wortlos, was ihre Mutter verlangte. Sie nahm die düster wirkende kleine schwarze Flasche und träufelte ihrer Mutter mit der Pipette sorgfältig die Tropfen in den Mund.

Lady Margaret atmete tief ein und blieb fast eine Minute lang reglos und mit geschlossenen Augen liegen. Erst dann schlug sie die Lider erneut auf und sagte mit etwas festerer Stimme: „Jetzt... fühle ich mich ... besser .... Hör mir gut zu, mein Liebling!”

„Ich höre ja, Mama”, beeilte sich Josina zu versichern. „Aber warum hast du mich nicht früher gerufen? Ich wäre doch sofort gekommen!”

„Das ... weiß ... ich”, erwiderte Lady Margaret matt, „aber ... ich wollte, dass du ... deine Ausbildung ... abschließt. Aber ... jetzt ... ist keine ... Zeit mehr.”

„Keine Zeit?” wiederholte Josina tonlos.

Lady Margarets Brust hob und senkte sich noch einmal beschwerlich, ehe sie fortfuhr: „Ich werde sterben!... Meine kleine Tochter, meine Liebste! ... Und kein Arzt der Welt... kann etwas ... dagegen tun. Deshalb ... müssen wir jetzt... sehr vernünftig über ... deine Zukunft... nachdenken.”

Josina stieß einen leisen, aber durchdringenden Schrei aus - wie ein verängstigtes Kind. Sie beugte sich überwältigt von Schmerz über ihre Mutter und küsste ihr die Wange.

„Ich hab’ dich aber doch so lieb, Mama ... ich brauche dich doch so sehr!” rief sie aufschluchzend. „Wie kannst du mich nur verlassen? Ohne dich kann ich nicht leben!”

„Genau das ... macht mir ... Sorge”, entgegnete Lady Margaret schwach, „aber du weißt, ... mein Liebling, dass ich bald ... bei Papa sein werde, und das ... ist ... schon lange ... mein größter Wunsch.”

Josina biss sich krampfhaft auf die Lippen, um nicht zu sagen, was ihr auf der Zunge lag. Sie hatte kein Recht, egoistisch zu sein.

Seitdem ihr Vater bei jenem dummen, unnötigen Duell ums Leben gekommen war, wusste sie, wie sehr ihre Mutter ihn zum Leben brauchte. Lady Margaret war niemals von kräftiger Natur gewesen, und seitdem sie Witwe geworden war und allein leben musste, war es beängstigend mitanzusehen gewesen, wie sie mit jedem Tag sichtlich weniger wurde.

Trotzdem hatte sie Josina schon bald nach der Beerdigung ihres Mannes mit beruhigenden Worten zur Schule zurückgeschickt.

Josina war plötzlich mit einem Schlage klar, dass sie im Grunde ihrer Seele schon geahnt hatte, wie es um ihre Mutter stand, als sie die Aufforderung zur Heimfahrt erhielt.

Sie führte die Hand ihrer Mutter wortlos an die Lippen und küsste sie innig.

„Nun ... hör ... gut zu”, sagte Lady Margaret und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen, „was ich ... geplant habe, ... und du musst... mir versprechen, dass ... du alles ... genau so ... tun wirst, wie ich ... es dir sage.”

„Natürlich werde ich das, Mama”, beschwichtigte Josina. Krampfhaft versuchte sie, ihre Gefühle für sich zu behalten, um ihre Mutter nicht unnötig aufzuregen. Doch dann brach es mit versagender Stimme aus ihr hervor: „Aber was ... soll ich denn nur ... ohne dich machen?”

„Ich ... ich habe ... lange darüber nachgedacht”, begann Lady Margaret, „was ... du ... nach meinem ... Tod ... tun könntest, Liebes, und ... ich weiß jetzt... die Antwort ... ganz genau.... Du musst... zurück in mein Elternhaus. ... Ich habe ... dem jetzigen ... Herzog von Nevondale einen... Brief geschrieben... und ihn gebeten, sich ... um dich zu ... kümmern.”

Josina sah ihre Mutter mit großen, erstaunten Augen an.

„Den Herzog?” fragte sie entgeistert. „Aber, Mama, er wird sich weigern! Niemand aus deiner Familie hat je wieder mit dir gesprochen oder dir geschrieben, seitdem du mit Papa ... davongelaufen bist.”

„Das ... weiß ich, Liebes”, hauchte Lady Margaret. „Aber weißt du, als mein Vater ... starb, hatte er keinen ... Erben, da meine beiden Brüder ja ... im Krieg ... gefallen sind. Der einzige Verwandte, der... den Titel... geerbt haben kann, ist ein sehr ... entfernter Vetter, den ich ... nie persönlich kennengelernt habe.”

„Warum ... sollte er sich dann um mich kümmern?” Josina verstand immer noch nicht.

„Weil er, ... mein Liebes, ... das Oberhaupt der Familie ist”, erwiderte ihre Mutter stockend, aber bestimmt, „und als Familienoberhaupt... trägt er die ...Verantwortung für ...jeden einzelnen der Nevondales, ... egal, wo er sich ... befindet oder ... um wen es sich handelt.”

„Aber ... Mama ...”, begann Josina erneut.

Doch Lady Margaret machte matt eine abwehrende Handbewegung und unterbrach sie: „Lass ... mich ... ausreden.”

Josina presste die Hand ihrer Mutter, die sie noch immer fest in der ihren hielt, an ihre Wange und sagte gehorsam: „Ja, Mama, ich höre.”

„Sobald ich ... tot bin”, fuhr Lady Margaret mühsam fort, „musst du ... du ... nach England fahren.”

Wieder atmete sie mühsam, bevor sie weitersprach: „Du kannst dir ... keinen Reisebegleiter leisten, aber ... ich habe so viel... zur Seite gelegt, dass es für eine... Fahrkarte erster ... Klasse reichen ... müsste.”

Josina öffnete den Mund, um gegen diese ganz unnötige Extravaganz zu protestieren, aber Lady Margaret fuhr schon fort: „Ich kann den ... Gedanken, ... dich allein reisen zu lassen, kaum ertragen, ... also musst du, mein ... Liebes, genau ... tun, was ich dir ... sage: ... Du musst meinen ... Ehering ... tragen.”

Josina sah ihre Mutter bestürzt an, aber Lady Margaret sprach konzentriert weiter: „Du wirst als ... Mrs. Marsh reisen, und ... du wirst mein schwarzes Kleid und ... meinen Witwenhut anziehen, den ich ... bei Vaters Beerdigung ... getragen habe.”

Es entstand eine Pause, während Lady Margaret ihre Kräfte sammelte, und Josina flüsterte bedrückt: „Ich glaube, ich verstehe dich nun, Mama. Du meinst, es sei nicht richtig, wenn ich als junges Mädchen allein reise.”

„Es wäre ... ganz und gar nicht richtig”, bekräftigte Lady Margaret, „fremde Männer ... könnten deine Lage ... ausnutzen. ... Aber ich glaube, wenn du ... als Witwe reist, wird man dich ... in Ruhe lassen. Und es wäre auch ... besser, ... mein Liebstes, wenn du ... dein hübsches junges Gesicht... mit dem Schleier... bedecken würdest.”

Sie schloss die Augen, denn das Reden hatte sie sehr angestrengt. Josina ließ erst einige Minuten verstreichen, bevor sie bestätigte: „Ich werde alles tun, Mama, genau so, wie du es möchtest. Ich verstehe dich jetzt.”

„Das Geld ... findest du ... in ... meinem Portemonnaie”, fügte Lady Margaret matt hinzu, „und du wirst sehr ... sorgfältig damit ... umgehen müssen, weil... es alles ... ist, ... was wir haben.”

Josina sah ihre Mutter besorgt an und wiederholte entgeistert: „Alles, Mama?”

„Ja, alles”, bekräftigte Lady Margaret. „Ich ... musste ... den Arzt bezahlen, ... und ich ... habe ihm auch ... das Geld für meine ... Beerdigung gegeben.... Vielleicht bekommst du ... noch etwas Geld ... für die Möbel... und... was sonst noch ... da ist. ... Aber ... vor allem ... ist es wichtig, ... dass du ... gleich nach meinem ... Tod abreist.”

Sie sammelte noch einmal all ihre Kräfte und flehte Josina inständig an: „Versprich mir, ... versprich mir, ... bei allem, was dir ... heilig ist, dass ... du ... zum Herzog ... gehen wirst!”

„Das werde ich! Wenn ... es dein Wunsch ist”, versprach Josina. „Aber was mache ich, Mama, wenn dir deine Familie noch immer nicht verziehen hat und er mich wieder wegschickt?”

„Das ... wird er nicht!”, erwiderte Lady Margaret überzeugt. „Es wäre gegen ... die Familienehre, ... dich ... in der Gosse ... umkommen zu lassen, ... und vielleicht... hat mir ja ... einer von ihnen ... doch vergeben ... nach all den ... Jahren ...”

Josina hielt das für sehr unwahrscheinlich, sagte aber nichts.

Sie kannte die Geschichte nur zu gut:

Ihre Mutter, die Tochter des vierten Herzogs von Nevondale, hatte die für sie arrangierte vorteilhafte Heirat mit dem Prinzen Friedrich von Luzenhoff, dem Souverän über ein kleines Fürstentum an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich, abgelehnt.

Diese Verbindung war sogar bei Königin Viktoria auf so großes Wohlwollen gestoßen, dass sie zur Verlobung des Paares ein Bankett veranstaltete, bei dem das Paar reich beschenkt wurde. Dies war nicht zuletzt auch geschehen, um die Verdienste des Herzogs, Lady Margarets Vater, zu würdigen, der nicht nur bei Hofe eine bedeutende Persönlichkeit war. Auch in der Welt des Sports, wo seine Pferde viele der klassischen Rennen gewonnen hatten, war er wohlbekannt.

Lady Margaret, damals erst achtzehn Jahre alt, war allerdings vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Ihr Vater hatte ihr nur mitgeteilt, dass für sie eine Heirat mit einem Kronprinzen arrangiert worden sei und sie später einmal die Herrin von Luzenhoff sein werde. Lady Margaret hatte sich zunächst, wie damals üblich, in ihr Schicksal gefügt.

Captain D’Arcy Marsh, ihren späteren Mann, lernte sie erst danach kennen, bei einer Gesellschaft, die vom Herzog und der Herzogin von Devonshire gegeben wurde und zu der sie und ihr Verlobter als Ehrengäste geladen waren. Zum Diner waren ungefähr dreißig Gäste erschienen, und zum anschließenden Tanz hatten sich noch einige Freunde eingefunden. Aus dem schön gelegenen Ballsaal hatte man einen herrlichen Blick auf den parkartigen Garten, der sich vom Picadilly bis zum Berkeley Square erstreckte.

Als Josinas Mutter mit einem ihrer Tänzer, einem älteren Staatsbeamten, aus dem Ballsaal heraustrat, ließ sie ihre goldene Handtasche fallen. Erschrocken stieß sie einen leisen Schrei aus. Doch bevor sich noch ihr Tänzer hatte bücken können, hob bereits ein junger Mann, der in der Nähe stand, die Tasche auf. Er überreichte sie ihr galant, und Lady Margaret war so fasziniert von seiner Ausstrahlung, dass sie nur ein verschüchtertes „Danke” herausbringen konnte.

„Es war mir eine Ehre”, erwiderte der junge Mann galant und fügte, während das Orchester im Ballsaal hinter ihnen einen verträumten Walzer anstimmte, schnell hinzu: „aber ich wäre glücklich, wenn Sie mir für meine kleine Aufmerksamkeit den nächsten Tanz gewähren würden.”

Lady Margaret blickte unsicher zu ihrem Tänzer.

„Der Tanz mit Ihnen war mir ein Vergnügen, meine Liebe”, sagte dieser jedoch verständnisvoll, „aber damit habe ich für heute Abend erst einmal genug. Gehen Sie nur und vergnügen Sie sich, solange Sie können!”

Lady Margaret lächelte ihn dankbar an und wandte sich dann dem jungen Mann zu, der ungeduldig neben ihr gestanden hatte und sie dann strahlend wieder hinauf in den Ballsaal führte.

Während er mit ihr im Dreivierteltakt über das Parkett schwebte, gestand er ihr: „Ich habe schon länger verzweifelt nach einer Gelegenheit gesucht, mit Ihnen bekannt zu werden. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihrer kleinen Handtasche bin!”

Lady Margaret lachte ungläubig.

„Das ist mein voller Ernst!” beteuerte der Tänzer entrüstet. „Ich bin von Ihrer Schönheit fasziniert und kann gar nicht glauben, dass Sie ein Mensch aus Fleisch und Blut sind, den ich hier in meinen Armen halte!”

Lady Margaret war bei diesen Worten die Röte ins Gesicht gestiegen. Und der Klang seiner Stimme jagte ihr einen Schauer durch den Körper.

Dies war etwas, was sie nie zuvor empfunden hatte, - schon gar nicht in Gegenwart des Prinzen, vor dem sie sich, wie sie sich nur insgeheim eingestanden hatte, sogar etwas fürchtete. Er hatte etwas sehr Gespreiztes, Steifes, und man konnte sich, wie sie fand, nur schwer mit ihm unterhalten.

Seit ihrer Verlobung hatte sie sich beunruhigt gefragt, wie sie einen Mann heiraten konnte, der ihr so unnahbar vorkam, als befände er sich auf der Spitze eines Berges.

Er hatte das, was ihr Kindermädchen kalte Augen genannt hatte, und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass sie sich in seiner Gegenwart nie wohlfühlen würde.

All diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während sie sich mit ihrem Tänzer durch den Saal drehte. Dieser hörte dabei nicht auf, ihr weiter Komplimente ins Ohr zu flüstern, die ihr Herz schneller schlagen ließen.

Sie bewegten sich in solcher Harmonie, dass es ihr schien, als wären sie nicht zwei Personen, sondern eine Einheit.

Noch bevor der Tanz zu Ende war, führte der junge Mann sie hinaus in den Garten, wo die Wege mit bunten Lichtern gesäumt und die Bäume mit chinesischen Lampions geschmückt waren. Er ging jedoch mit ihr mitten über den Rasen hinunter in den unbeleuchteten Teil des Gartens, wo nur noch der Schimmer der Sterne durch die Zweige drang. Es dauerte einige Zeit, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten, doch schließlich konnte sie ganz deutlich seine Augen ausmachen, die eindringlich auf sie hinunterblickten.

„Sie werden es nicht glauben”, gestand er ihr mit tiefer Stimme, „aber ich habe mich heute Abend auf den ersten Blick in Sie verliebt.”

„Aber ... das ... kann doch nicht sein!” wehrte Lady Margaret verlegen ab.

„Ich kann Ihnen ja doch nichts vormachen. Sie würden es mir anmerken!” erwiderte er unbeirrt und fügte hinzu: „Mein ganzes Leben lang habe ich Sie gesucht, und nun, da ich Sie gefunden habe, lasse ich Sie nicht mehr weg!”

„Aber ... Sie ... verstehen ... nicht”, flüsterte Lady Margaret entsetzt. „Ich bin bereits dem Prinzen von Luzenhoff versprochen.”

„Und wenn Sie Apollo oder Zeus höchstpersönlich versprochen wären”, entgegnete er unbeeindruckt, „würde ich Sie trotzdem lieben! Auch wenn ich kein Prinz bin und keinerlei gesellschaftliche Bedeutung habe und nur DArcy Marsh heiße!”

Er zögerte einen Augenblick, bevor er fortfuhr: „Was immer Sie auch sagen mögen, Sie sind für mich geschaffen! Und nun, da wir uns endlich gefunden haben, müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit wir auch zusammenbleiben können.”

Wie hypnotisiert von seinen Worten und nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, war es Lady Margaret unmöglich, ihre Ohren vor seinen Worten zu verschließen, geschweige denn, sich von ihm loszureißen.

So standen sie, wie es ihr schien, eine halbe Ewigkeit im Schatten der Bäume, bis er schließlich tat, was dann unausweichlich war: Er küsste sie! Und sie wehrte sich nicht, sondern hielt ihre Lippen erwartungsvoll den seinen entgegen.

Als sie so in seinen Armen lag, wurde ihr plötzlich bewusst, dass es dies war, was sie sich schon immer erträumt, was sie schon immer gewollt hatte. Und sie hatte auch gewusst, dass es eines Tages passieren würde.

Es war Liebe! Die Liebe, von der man ihr gesagt hatte, dass sie in einer Ehe nicht wichtig sei.

„Ich liebe dich, und du liebst mich, ob du es nun wahrhaben willst oder nicht!” stellte D’Arcy Marsh schließlich triumphierend fest.

Als sie in den Ballsaal zurückkehrten, hatte sie niemand vermisst.

Auf dem Rückweg nach Nevon House in der Londoner Park Lane schließlich drehte sich immer noch alles in Lady Margarets Kopf und ihr Herz raste. Die ganze Welt schien ihr aus den Angeln gehoben.

Bereits am nächsten Morgen traf sie D’Arcy in Rotten Row wieder, wo beide morgens ausritten. Und schon am Nachmittag desselben Tages, während ihr Vater einen auswärtigen Termin wahrnahm, erschien er bei ihr zu Besuch.

Sie erwartete ihn in dem kleinen gemütlichen Wohnzimmer, das der Herzog immer benutzte, wenn sie allein waren.

D’Arcy blieb einen Augenblick lang stehen und betrachtete sie schweigend, wie um sicher zu sein, dass sie auch diesmal wieder einen so unwiderstehlichen Reiz auf ihn ausübte. Dann schloss er sie endlich überschwänglich in die Arme.

Zunächst wollte sie noch protestieren, dass sich dies nicht schicke, aber dann war es zu spät: Als er ihren Widerstand in Küssen erstickt hatte - in heftigen, leidenschaftlichen und besitzergreifenden Küssen -, wusste sie, dass es auf dieser Welt nichts Wichtigeres mehr gab als ihn.

Vierzehn Tage gingen auf diese Weise dahin. Dann machte ihr D’Arcy den Vorschlag, mit ihm zu fliehen.

Doch sie hielt es für richtiger, ihrem Vater mitzuteilen, dass sie nicht gewillt war, den Prinzen zu heiraten.

Sie hatte jedoch immer schon eine gewisse Furcht vor dem autoritären, beherrschenden Wesen ihres Vaters empfunden. Und nach dem Tode ihrer Mutter hatte sich dieser Zug noch verstärkt. So betrat sie sein Arbeitszimmer mit bebendem Herzen. Er saß am Schreibtisch und schrieb. Nur kurz aufblickend, sagte er abweisend: „Ich bin beschäftigt, Margaret!”

„Ich ... ich möchte ... aber mit dir sprechen, Papa”, stammelte Lady Margaret.

„Ich muss unbedingt noch diese Liste fertigstellen, damit wir die Gäste zu deiner Hochzeit einladen können”, wehrte er gereizt ab. „So viele Verwandte werden darauf bestehen, eingeladen zu werden, dass kaum Platz genug für Freunde sein wird!”

„Aber darum geht es ja. Ich... ich möchte dir sagen,... Papa, dass ich ... den Prinzen ... nicht heiraten möchte.”

Einen Augenblick lang sah es so aus, als drängen ihre Worte gar nicht bis zu seinem Gehirn durch. Dann brummte er ungehalten: „Was hast du gesagt? Ich hab’ wohl nicht richtig gehört! Den Prinzen nicht heiraten? Natürlich wirst du den Prinzen heiraten!”

„Aber ich ... ich liebe ihn ... nicht, Papa!”

Der Herzog, der langsam merkte, dass die Angelegenheit doch nicht beiläufig zu erledigen war, legte seine Feder nieder.

„Liebe? Was hat das denn mit der Heirat zu tun? Er ist ein Prinz. Sein Fürstentum ist zwar nicht das größte, aber das Schloss bietet doch einige Bequemlichkeiten. Und du wirst mit den gekrönten Häuptern Europas verkehren! Was kannst du mehr verlangen?”

„Ich möchte ... Liebe, Papa.”

„Liebe! Liebe!” schrie der Herzog aufgebracht. „Ist das alles, woran Frauen denken können? Die Liebe kommt schon noch nach der Heirat, ... sollte sie jedenfalls.”

„Aber ... Papa! ... Ich möchte nicht... verheiratet werden!”

Der Herzog sah sie an, als sähe er seine Tochter zum ersten Mal.

„Sicher könntest du einen besseren Mann als Friedrich finden,” gab er nach einer kurzen Pause etwas beherrschter zu, „aber das wäre nicht leicht. Und Ihre Majestät ist so von dieser Liaison entzückt! Ja, entzückt! Und außerdem habe ich jetzt keine Zeit mehr für diesen Unsinn! Geh und sprich mit deiner Großmutter, wenn dich die Sache beunruhigt, aber belästige nicht mich damit!”

Er nahm seine Feder wieder zur Hand, und Lady Margaret verließ das Zimmer in dem vernichtenden Bewusstsein, dass es zwecklos war, an sein Verständnis zu appellieren.

Als sie D’Arcy von dem Gespräch berichtete, lachte dieser nur und sagte verächtlich: „Natürlich bringt dein Vater kein Verständnis für deine Gefühle auf! Du machst eine hervorragende Partie mit dem Prinzen, und alle deine Verwandten werden ihren Teil davon abbekommen.”

Er lachte erneut laut auf und fuhr dann fort: „Aber warte nur.... Schon bald werden sie sich darüber beklagen, dass sie dir als Prinzessin bei jedem Dinner den Vortritt lassen und vor dir knicksen müssen! Oder ist es das, was du möchtest?”

„Du weißt genau, dass ich das nicht möchte!” erwiderte Lady Margaret aus tiefster Überzeugung.

„Dann musst du tapfer sein, Liebste! Denn wenn du hierbleibst, werden sie dich zum Altar schleifen, und wenn du erst einmal den Ring am Finger trägst, gibt es kein Entrinnen mehr. Ist dir das klar?”