Julia Ärzte zum Verlieben Band 17 - Marion Lennox - E-Book
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Julia Ärzte zum Verlieben Band 17 E-Book

MARION LENNOX

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Beschreibung

WARUM HAST DU GESCHWIEGEN, GINA? von LENNOX, MARION
Glücklich fällt die Herzspezialistin Gina Lopez Dr. Cal Jamieson in die Arme. In einer dramatischen Operation haben sie einem Baby das Leben gerettet. Wie gern würde sie mit ihm einen Neubeginn wagen, aber sie hat sein Vertrauen verspielt, als sie ihm etwas Wichtiges verschwieg …

NUR MIT DIR AN MEINER SEITE von TAYLOR, JENNIFER
Obwohl Olivia ihren Mann, den engagierten Arzt Sebastian Bridges, noch liebt, will sie die Scheidung, denn nie hat er Zeit für sie. Aber wie so oft verhindert ein Notfall ihre Aussprache. Erst ihr gemeinsamer Kampf um die Verletzten zeigt Olivia, wie es wirklich um ihr Herz steht ...

UND PLÖTZLICH IST DIE LIEBE DA von ANDERSON, CAROLINE
Als Ruth in ihren Heimatort zurückkehrt, erlebt sie eine Überraschung: Andrew McWilliam ist der neue Tierarzt! Früher waren sie beste Freunde, heute jedoch weckt Andrew ganz andere Gefühle in ihr. Aber nach einer Enttäuschung scheint er nicht mehr an die Liebe zu glauben …

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Seitenzahl: 535

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Jennifer Taylor, Caroline Anderson, Marion Lennox

Ärzte zum Verlieben, Band 17

IMPRESSUM

JULIA ARZTROMAN erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2006 by Jennifer Taylor Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Ralf Kläsener

© 2000 by Caroline Anderson Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Nikolaus Palézieux

© 2006 by Marion Lennox Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Ralf Kläsener

Fotos: RJB Photo Library

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA ARZTROMANBand 17 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 05/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-609-8

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

JENNIFER TAYLOR

Nur mit dir an meiner Seite

Als Olivia ihren Besuch ankündigt, ahnt Sebastian Bridges, sie möchte die Scheidung. Doch der engagierte Arzt will seine Ehe nicht kampflos aufgeben – er muss Olivia unbedingt klarmachen, wie sehr er sie liebt. Aber kaum ist sie eingetroffen, verhindert eine Schiffskatastrophe ihre Aussprache. Wieder scheint Sebastians Beruf zwischen ihnen zu stehen ...

CAROLINE ANDERSON

Und plötzlich ist die Liebe da

Andrew McWilliam ist in seinen Heimatort zurückgekehrt, um dort als Tierarzt zu arbeiten und seine letzte große Enttäuschung zu vergessen. In Ruth, seiner Kameradin aus Kindertagen, findet er eine einfühlsame Zuhörerin, aber irgendetwas ist ganz anders als früher. Wenn er sie in seine Arme nimmt, rast sein Puls. Hat er sich etwa in seine beste Freundin verliebt?

MARION LENNOX

Warum hast du geschwiegen, Gina?

Seit Jahren hat sich Dr. Cal Jamieson in seine Arbeit vergraben. Trotzdem konnte er seine große Liebe, die Herzspezialistin Gina Lopez, nie vergessen. Und dann steht sie plötzlich vor ihm – an der Hand seinen Sohn. Wie konnte sie ihm das nur verschweigen? Zwischen Wut, Enttäuschung und Leidenschaft weiß Cal nicht, wie er reagieren soll ...

Jennifer Taylor

Nur mit dir an meiner Seite

1. KAPITEL

Freitag, 15.00 Uhr

Der Himmel war bleigrau. Ein Sturm kündigte sich an. Dr. Olivia Bridges lenkte ihren Wagen in eine Haltebucht und griff nach der Straßenkarte. Wenn tatsächlich ein Sturm aufkommen würde, musste sie versuchen, so schnell wie möglich an ihr Ziel zu gelangen.

Sie fuhr mit dem Finger die Route entlang und seufzte. Es waren bestimmt noch fünfzig Meilen bis zu dem Krankenhaus. Vielleicht sollte sie Sebastian anrufen und ihm sagen, dass sie auf dem Weg zu ihm war. Dann würde er sie dort erwarten. Er hatte ihr zwar vor Monaten geschrieben, dass er umgezogen war, aber sie war noch nie dort gewesen und fürchtete, sie würde seine neue Adresse nicht finden.

Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, die neben ihr auf dem Beifahrersitz lag, aber als sie gerade die Kurzwahltaste mit seiner Rufnummer drücken wollte, änderte sie ihre Meinung. Wenn sie ihm sagte, sie sei auf dem Weg zu ihm, würde er wissen wollen, warum. Und sie konnte ihm wohl schlecht am Telefon sagen, dass sie ihn bitten wollte, in die Scheidung einzuwilligen. Das erschien ihr allzu brutal. Ihre Ehe war vielleicht nicht besonders glücklich gewesen, aber Olivia wollte sie wenigstens mit Anstand und Würde beenden.

Sie steckte das Handy wieder in die Tasche und fuhr los. Das Gespräch mit Sebastian würde alles andere als angenehm sein, aber sie musste es hinter sich bringen.

Olivia hatte sehr häufig über alles nachgedacht, aber es gab wohl keine Chance, dass Sebastian und sie wieder zueinanderfanden. Sie kannten sich seit ihrer Schulzeit, hatten gemeinsam Medizin studiert und einen Tag nach dem Examen geheiratet. Aber sie waren nicht mehr die unkomplizierten, bis über beide Ohren verliebten jungen Leute von damals …

Die Erinnerung an die gemeinsamen Träume, an die Zukunftspläne, die sie voller Begeisterung geschmiedet hatten, war schmerzlich. Sie waren sich so sicher gewesen, dass ihre Liebe allen Belastungen standhalten würde, aber dann hatten die beruflichen Anforderungen, die endlosen Arbeitsstunden ihren Tribut gefordert.

Es gab Wochen, in denen sie sich kaum gesehen hatten, wenn sie und Sebastian zu unterschiedlichen Zeiten Nacht- oder Wochenenddienst hatten machen müssen. Sie hatten schließlich beide ihren Job in dem Krankenhaus aufgegeben und eine Tätigkeit in einer Praxis für Allgemeinmedizin angenommen.

Zuerst schien das auch besser zu funktionieren und ihrer Ehe gut zu bekommen – aber dann war Sebastian ein Traumjob im Nordosten des Landes angeboten worden, weit weg von ihrem bisherigen Wohnort im Süden Englands.

Olivia verzog bitter den Mund, als sie daran dachte, dass sie ihren ersten großen, handfesten Krach bekommen hatten, als er ihr davon erzählte. Gerade hatte sie begonnen, sich in der Praxis in Sussex wohlzufühlen. Sie hatte Sebastian vorgeworfen, er sei egoistisch, weil er erwartete, sie würde ihren Job aufgeben und mit ihm kommen. Er hatte sie daraufhin beschuldigt, engstirnig und bockig zu sein. Der Streit war eskaliert, keiner von beiden hatte nachgeben wollen. Schließlich war Sebastian wütend in das kleine Gästezimmer gezogen und hatte Olivia im Schlafzimmer allein gelassen.

Sie seufzte. Zum ersten Mal seit ihrer Heirat hatten sie getrennt geschlafen. Das war wahrscheinlich ihr größter Fehler gewesen. Denn von da an hatte sich immer einer von ihnen in das Gästezimmer zurückgezogen, wenn sie sich stritten. Und das kam damals ziemlich häufig vor. Heute wusste sie, dass es besser gewesen wäre, sie hätten sich den Problemen gestellt und sie ausdiskutiert.

Nachdem Sebastian dann eine Stelle als Oberarzt auf der Notfallstation des neuen Krankenhauses an der Nordostküste antrat, nahmen sie an den Wochenenden abwechselnd die lange Autofahrt auf sich, um zusammen sein zu können. Aber schon bald wurde ihnen klar, dass diese ständige Fahrerei keine Dauerlösung sein konnte. Immer häufiger fanden beide Gründe, auf die Wochenendfahrt zu verzichten. So war ihre Ehe schließlich auf der Strecke geblieben. Und jetzt ging es nur noch darum, auch offiziell einen Schlussstrich zu ziehen. Dann blieben ihnen wenigstens ein paar schöne Erinnerungen an die gemeinsame Zeit.

„Fertig!“

Dr. Sebastian Bridges presste die Elektroden auf die Brust des Jungen und schickte einen neuen Stromstoß durch den Körper des Neunjährigen. Liam Baxter war auf dem Weg von der Schule nach Hause von einem Bus angefahren und schwer verletzt worden.

„Nun komm schon“, murmelte Sebastian beschwörend. Er hoffte, das Herz des Jungen würde wieder zu schlagen anfangen.

„Sinusrhythmus ist da!“, rief eine der Schwestern.

Alle atmeten erleichtert auf.

Sebastian nickte anerkennend in die Runde. „Gut gemacht, Leute. Wir haben es wieder einmal geschafft. Wenn wir so weitermachen, werden wir noch einen Preis gewinnen.“

Alle lachten. Im staatlichen Gesundheitssystem gab es keine Preise zu gewinnen, obwohl die Erwartungen immer höher geschraubt wurden.

„Im Süden hattet ihr wohl ein angenehmeres Leben“, meinte Cathy, die Oberschwester. „Das scheinst du zu vermissen, Sebastian.“

„Hältst du mich etwa für einen Träumer, Cathy?“, fragte er zurück, wobei er den nordenglischen Dialekt der Schwester perfekt imitierte.

„Wenn du dir den Hut aufsetzen willst …“

Er lachte. Was ihm an seinem Job hier ausnehmend gut gefiel, waren die Stimmung in seinem Team und die Loyalität und Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter. Jeder gab stets sein Bestes. Ja, der Wechsel hierher in den Norden hatte sich für ihn beruflich als Glücksfall erwiesen.

Ein plötzlicher Schmerz ließ ihn zusammenzucken. Schnell drehte er sich weg, damit seine Mitarbeiter nicht mitbekamen, wie sich seine Miene verdüsterte. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Mehrere Patienten warteten auf ihn. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu grübeln, wodurch seine Ehe mit Olivia scheitern musste. Und außerdem war es jetzt längst zu spät, daran noch etwas ändern zu wollen.

Er ging aus dem Behandlungszimmer und sah auf den Bettenplan der Station. Jedes Zimmer war belegt. Selbst für seine Abteilung, in der es immer hektisch zuging, war das ein außergewöhnlich turbulenter Tag gewesen. Dafür hatten mehrere Verkehrsunfälle gesorgt. Die Notfallstation des Grace-Darling-Krankenhauses hatte einen ausgezeichneten Ruf und wurde deshalb von verschiedenen Rettungsdiensten bevorzugt angefahren. Es war längst zum Versorgungszentrum für eine Region mit mehreren Hunderttausend Einwohnern geworden.

Er blickte auf, als sein Assistenzarzt Gary Parr aufgeregt auf ihn zukam. „Das war mal wieder ein Tag wie im Irrenhaus“, sagte er zu dem jungen Mann.

„Und er ist noch nicht zu Ende“, stieß Gary hervor. „Es kommt vielleicht noch viel schlimmer. Wir hatten gerade die Küstenwache am Telefon. Offenbar treibt ein Tanker steuerlos in der schweren See und ist dabei, mit einer Bohrplattform zusammenzustoßen.“

„Verdammt! Was hat der Tanker geladen?“

„Irgendwelche Chemikalien. Genaues weiß man noch nicht. Die Küstenwache versucht, über die russische Reederei mehr zu erfahren, aber die geben sich sehr wortkarg.“

„Kann man den Tanker nicht wegschleppen?“, wollte Sebastian wissen. Wenn der Tanker mit der Bohrplattform zusammenstieß, leckschlug und die Chemikalien ausliefen, würden nicht nur die Tankerbesatzung und die Arbeiter auf der Plattform in Gefahr geraten, dann drohte eine Verseuchung vieler Kilometer Küste und die Vergiftung Tausender Menschen.

„Mehrere Hochseeschlepper sind auf dem Weg zu dem Tanker, aber es sieht wohl nicht gut aus.“ Gary zog eine Grimasse. „Die Küstenwache sagt, es käme ein Sturm auf. Dann können die Schlepper nicht eingesetzt werden. Und eine Kollision mit der Plattform wäre sehr wahrscheinlich.“

„Dann müssen wir vom schlimmsten Fall ausgehen und uns entsprechend vorbereiten.“ Sebastian drehte sich um und ging eilig zu seinem Büro.

Gary folgte ihm. „Heißt das, wir müssen die höchste Alarmstufe ausrufen?“ Der junge Mann war sehr blass geworden.

„Ja, wir sollten alle Mitarbeiter alarmieren, auch die, die eigentlich dienstfrei haben. Wir dürfen nicht riskieren, dass wir kalt erwischt werden.“

Sebastian rief in der Unfallzentrale der Polizei an und verlangte den Offizier vom Dienst zu sprechen. Er wurde sofort durchgestellt.

Man stellte ihm keine Fragen über den Grund seines Anrufes, denn die Küstenwache hatte bereits Alarm gegeben.

Sebastian nickte zustimmend, als man ihm erklärte, es würde gerade eine Rundfunknachricht zur Warnung der Bevölkerung vorbereitet und in der nächsten halben Stunde ausgestrahlt.

Er hängte auf, nahm die Personalliste für Notfälle aus seinem Schreibtisch und reichte sie Gary. „Finde heraus, wer schon hier ist, und versuch, die anderen zu erreichen. Ich werde mit denen sprechen, die hier sind. Wir müssen die Patienten, die schon hier sind, so schnell wie möglich verarzten. Sonst gibt es nachher das große Chaos.“

„Was ist mit dem Luftrettungsdienst? Soll ich die Hubschrauberstaffel informieren?“

„Ruf dort zur Sicherheit an, aber die wissen wahrscheinlich schon Bescheid.“

Sebastian blickte aus dem Fenster auf den bedrohlich schwarzen Himmel. „Es sieht so aus, als ob das eine lange, harte Nacht werden könnte.“
Freitag, 16.00 Uhr

Der Sturm brach mit aller Macht los, als Olivia auf den Parkplatz des Grace-Darling-Krankenhauses fuhr. Schwere Regentropfen klatschten auf die Windschutzscheibe und zwangen sie, ganz vorsichtig und langsam zu fahren. Die Scheibenwischer, selbst auf schnelle Gangart geschaltet, wurden mit den Wassermassen nicht fertig.

Die Frontscheibe war von innen beschlagen. Olivia versuchte, die Scheibe mit der Hand wenigstens so weit freizuwischen, dass sie die Hinweisschilder erkennen konnte. Bei dem prasselnden Regen schien der Parkplatz riesengroß. Sebastian hatte ihr vor Monaten mal gesagt, dass ein neuer Anbau kurz vor der Fertigstellung stand, aber sie hatte nicht geahnt, wie gewaltig der ganze Gebäudekomplex wirkte.

Irgendwie passte das zu ihm. Er liebte es, mitten im dicksten Getümmel zu stecken. Sie selbst bevorzugte mehr einen überschaubaren Rahmen und die Arbeit in einem kleinen Team. Verwundert stellte sie fest, dass ihr bisher nicht bewusst gewesen war, wie sehr sich ihre und Sebastians berufliche Vorstellungen unterschieden.

Sie fuhr in eine Parklücke und schaltete den Motor ab, griff nach ihrem Regenschirm und stieg aus. Sofort riss ihr der heftige Wind den Schirm aus der Hand und wirbelte ihn über den Parkplatz. Sie konnte noch sehen, wie er zerfetzt und weit weggetrieben wurde. Es hatte keinen Sinn, hinter dem Schirm herzulaufen.

Seufzend schloss sie die Wagentür. Die Vorstellung, Sebastian völlig durchnässt gegenüberzustehen, war zwar nicht berauschend, aber unter den gegebenen Umständen nicht zu vermeiden. Olivia hoffte nur, nicht von den Sturmböen zu Boden geschleudert zu werden. Es hätte ihr gerade noch gefehlt, schlammbedeckt bei Sebastian aufzutauchen.

Sie ging zum Eingang. Es war erst vier Uhr nachmittags, aber es wurde schon dunkel. Der Sturm wurde immer stärker. Olivia atmete erleichtert auf, als sie endlich in der trockenen Eingangshalle stand. Der Empfang war direkt vor ihr. Daneben gab es eine offene Wartehalle mit mehreren Reihen bequemer Sessel und einem Getränkeautomaten. Das alles sah genauso aus, wie Olivia es sich von einem modernen Krankenhaus vorgestellt hatte. Nur eines war ungewöhnlich – kein Mensch war zu sehen.

Eigentlich hätten um diese Zeit am Freitagnachmittag Dutzende von Patienten warten müssen. Verblüfft sah Olivia sich um. Sebastian hatte ihr doch immer erzählt, wie beschäftigt er war und dass er es kaum schaffte, mit dem Ansturm von Patienten fertig zu werden. Es gab nur eine Erklärung – etwas Ungewöhnliches musste geschehen sein …

„Tut mir leid, aber die Notfallstation ist zurzeit geschlossen.“

Olivia drehte sich um, als sie die Stimme hinter sich hörte. „Ich bin keine Patientin“, sagte sie zu der Schwester, die urplötzlich aufgetaucht war. „Ich suche Dr. Bridges.“

„Dr. Bridges hat heute leider keine Zeit“, sagte die Schwester. „Ich muss Sie bitten, morgen wiederzukommen.“

„Olivia!“

Die beiden Frauen drehten sich um, als sie Sebastians Stimme vernahmen.

Olivia versuchte zu lächeln, was ihr jedoch nicht besonders gut gelang. Sebastian schien ziemlich fassungslos über ihr unangemeldetes Erscheinen zu sein. „Hallo, Sebastian. Offenbar habe ich keinen guten Zeitpunkt für meinen Besuch gewählt.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Schließlich konntest du nicht wissen, dass wir gerade Katastrophenalarm haben.“

Er lächelte abwesend, und Olivia konnte erkennen, dass er unter enormer Anspannung stand. Fragte er sich wohl, warum sie plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war? Es lag mehr als drei Monate zurück, seit Sebastian nach Sussex gekommen war und sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Aber das Wochenende war alles andere als angenehm verlaufen. Sie hatten kaum miteinander geredet. Offensichtlich hatten sie sich schon weiter voneinander entfernt, als sie wahrhaben wollten.

Olivia hatte erleichtert aufgeatmet, als er dann früher als geplant wieder zurückgefahren war. Aber an diesem Wochenende war ihr klar geworden, dass es so nicht weitergehen konnte. Ihre Ehe war nicht mehr zu retten.

Jetzt war sie hier, um einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Aber das konnte sie schlecht auf dem Krankenhausflur ansprechen. Da sie eine ganze Reihe von Fragen mit Sebastian zu klären hatte, musste sie sich in Ruhe mit ihm zusammensetzen. Aber das passte jetzt offenbar gar nicht.

„Entschuldige meine Unhöflichkeit. Darf ich euch miteinander bekannt machen? Cathy, das ist meine Frau Olivia, ebenfalls Ärztin.“

Olivia musste lächeln, doch als Sebastian sich ihr wieder zuwandte, bemerkte sie die Wachsamkeit in seinen Augen. Er schien zu ahnen, warum sie so überraschend gekommen war. Sie fragte sich, ob er erleichtert oder enttäuscht von ihrem Entschluss sein würde.

„Olivia … und das ist Cathy Watts, unsere Oberschwester. Ohne sie ginge hier alles drunter und drüber.“

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, sagte Olivia und reichte Cathy die Hand.

„Ganz meinerseits, Dr. Bridges.“

Die Schwester schüttelte ihr die Hand, aber Olivia blieb Cathys kühle Zurückhaltung nicht verborgen. Sie war offensichtlich nicht begeistert über den Besuch.

Olivia ahnte warum. Vielleicht hatte die Schwester mehr als nur ein berufliches Interesse an Sebastian … Sie hatte sich einige Male gefragt, ob Sebastian sich in den letzten Monaten mit anderen Frauen getröstet haben könnte. Er selbst hatte nicht die geringste Andeutung gemacht. Aber Olivia war nicht so naiv, davon auszugehen, dass ein so gut aussehender Mann lange allein bleiben würde.

Unauffällig musterte sie ihn. Sein schlanker, hochgewachsener und durchtrainierter Körper hatte immer eine erregende Wirkung auf sie ausgeübt. Und zwar vom ersten Tag an. Für sie war Sebastian der erste und einzige Mann gewesen.

Konnte sie erwarten, dass ein so vitaler und attraktiver Mann wie ein Mönch lebte? Obwohl es sie eigentlich nichts mehr anging, hätte sie liebend gern gewusst, ob er mit Cathy oder einer anderen Frau eine Affäre hatte.

Sebastian war verwirrt und beunruhigt. Dass Olivia plötzlich vor ihm stand, hatte ihn stärker berührt, als er vermutet hätte. In einem ersten Reflex hatte er sie in die Arme nehmen und ihr einen Kuss geben wollen. Nur die Vermutung, warum sie sich auf den Weg zu ihm gemacht hatte, hielt ihn zurück. Wollte sie die Scheidung von ihm verlangen? Er konnte es nicht glauben, er wollte es nicht glauben – aber er wusste, dass sein Verdacht begründet war.

Er fühlte einen Schmerz, der immer schlimmer wurde. Aber bevor er etwas sagen konnte, wurde die Eingangstür aufgestoßen, und ein Mann stürmte herein.

„Mein Frau … sie ist draußen im Wagen … bitte, helfen Sie uns.“

„Ich bin sofort da“, versicherte ihm Sebastian. „Such Marilyn und sag ihr, ich brauche sie im Behandlungsraum“, sagte er zu Cathy. „Jayne soll alles vorbereiten. Ich bringe die Patientin sofort dorthin.“

Er eilte nach draußen. Direkt vor dem Eingang parkte ein Wagen mit geöffneten Türen. Auf der Rückbank lag eine junge Frau. „Was ist mit ihr passiert?“, fragte er den Ehemann.

„Keine Ahnung.“ Der junge Mann versuchte hektisch, seine Frau aus dem Wagen herauszuziehen.

Sie schrie vor Schmerz auf.

Sebastian fasste nach dem Arm des Mannes und zog ihn zurück. „Lassen Sie mich zuerst nach ihr sehen“, sagte er. Er beugte sich zu der Frau. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, und sie hielt die Arme über dem Bauch verkrampft. „Ich heiße Sebastian Bridges und bin der Oberarzt. Seit wann haben Sie diese Schmerzen?“

„Ich weiß nicht … seit ungefähr einer Stunde … vielleicht etwas länger.“ Sie stöhnte auf. „Oh, es tut so weh!“

Sebastian blickte sich um und wollte ihrem Mann sagen, er solle hineingehen und einen Rollstuhl anfordern.

Olivia stand hinter ihm. „Brauchst du eine fahrbare Liege?“

Er nickte. „Ja. Und ein Pfleger soll mitkommen. Ich brauche jemanden, der mir hilft, die Frau auf die Trage zu legen.“

Olivia eilte in die Empfangshalle zurück.

Sebastian hockte sich neben die Patientin und versuchte ganz sanft, ihre Hände von ihrem Bauch zu lösen. Er hielt sofort inne, denn sie schrie wieder vor Schmerz auf. „Ich weiß, es tut weh, aber ich muss Sie untersuchen, um festzustellen, was Ihnen fehlt. Schreien Sie, wenn es Ihnen hilft, Sie brauchen auf mich keine Rücksicht zu nehmen.“

Sein Tonfall schien sie zu beruhigen. Sie ließ ihn weitermachen und stöhnte nur leise vor sich hin. Der Bauch war unten auf der rechten Seite bretthart, die Muskeln zuckten spastisch. Wenn er auf eine bestimmte Stelle drückte, schrie die Patientin auf.

Er drehte sich um, als Olivia mit einem Krankenpfleger zurückkam, der eine fahrbare Liege vor sich her schob.

„Wir müssen Ihre Frau leider auf die Liege heben, auch wenn sie starke Schmerzen hat“, sagte er zu dem jungen Ehemann, der kreidebleich danebenstand.

Der Mann wurde noch bleicher. „So habe ich Alison noch nie schreien hören. Sie ist immer so tapfer und klagt nie.“

„Das beweist nur, dass es ihr jetzt wirklich sehr schlecht geht.“ Olivia legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.

Es gab Sebastian einen Stich, als er sah, dass sie den jungen Mann anlächelte. Wann hatte sie ihn das letzte Mal so angelächelt?

„Zeigen Sie ihr, dass Sie ihr helfen wollen“, fuhr Olivia fort. „Halten Sie ihre Hand, und reden Sie mit ihr, während wir sie hochheben. Sie hat schlimme Schmerzen, und sie braucht jemanden, der ihr Kraft gibt.“

„Ich … ich versuche es.“

Der junge Mann hockte sich neben sie und sprach leise auf sie ein.

Sie schien sich wirklich zu beruhigen.

Sebastian bat den Krankenpfleger, auf die andere Seite zu gehen, sodass sie die Patientin anheben konnten. Bewundernd dachte er, wie schnell Olivia das junge Paar beruhigt hatte.

Das war schon immer eine ihrer Stärken gewesen. Er selbst neigte zur Ungeduld und wollte in kürzester Zeit zum Ziel kommen. Häufig hatte er gedacht, dass sie sich in idealer Weise ergänzten. Und dann war es ihm wieder so vorgekommen, als ob sie so gegensätzliche Charaktere waren, dass sie die Dinge nur von zwei ganz unterschiedlichen Standpunkten sehen konnten.

Er seufzte innerlich. Die zweite Erklärung war wohl wahrscheinlicher. Sie ergänzten sich nicht, sie waren wie Feuer und Wasser. Deshalb war ihre Ehe auch gescheitert.

2. KAPITEL

Freitag, 17.00 Uhr

„Danke, Dr. Bridges. Ich übernehme die Patientin jetzt.“

Olivia trat zur Seite, als Cathy Watts herbeieilte. Die Oberschwester erwartete offensichtlich, dass Olivia die Station wieder verlassen würde. Aber aus einem unerfindlichen Grund hatte sie das keineswegs vor. Fragend sah sie zu Sebastian, der neben dem Bett stand, in das die Patientin gelegt werden sollte. Sie empfand keine Eifersucht, dass die Schwester ihm von jetzt an assistierte.

„Auf mein Kommando …“, sagte Sebastian. „Eins … zwei … drei!“

Ohne Schwierigkeiten schafften sie es, die junge Frau auf das Bett zu heben. Dann wurde das Team aktiv. Während Sebastian noch einmal vorsichtig den Unterbauch abtastete, schloss Cathy die Patientin an die notwendigen Überwachungsgeräte an. Eine zweite Schwester – ihr Name war Marilyn Maddox, nach dem Namensschild an ihrem Kittel – begann, die Patientin auszuziehen. Und eine Assistenzärztin nahm Blutproben für die Laboruntersuchungen.

Olivia war beeindruckt, wie professionell und effizient das gesamte Team arbeitete. Dennoch überraschte es sie nicht, denn Sebastian hatte an seine Mitarbeitern immer die höchsten Anforderungen gestellt, weil er auch von sich selbst Höchstleistungen verlangte.

„Haben Sie nur Schmerzen im Bauch, Alison, oder auch noch woanders?“

Der Klang von Sebastians tiefer, sonorer Stimme ließ Olivia leicht erschauern. Sie hatte seine Stimme immer geliebt. Es war auch diese unverwechselbare Stimme gewesen, die sie bei ihrem ersten Zusammentreffen am meisten fasziniert hatte.

Auf einem Studentenfest an der Universität waren sie sich zum ersten Mal begegnet. Olivia hatte vergeblich versucht, ein Glas Wein am Tresen zu bestellen, aber mit ihrer Stimme drang sie nicht gegen den hohen Lärmpegel des überfüllten Saales durch. Dann tauchte Sebastian auf, zwinkerte ihr zu und fragte, was sie trinken wolle. Wie durch ein Wunder hielt er Sekunden später ein Glas in der Hand.

Er zog sie ein Stück weiter zu einem Tisch. Typisch, dass er bei dem allgemeinen Gedränge sofort einen freien Tisch fand. Dann unterhielten sie sich lange und angeregt. Noch vor Mitternacht war ihr klar, dass sie sich gerade verliebt hatte. Und am Ende des Monats war sie zu ihm in seine kleine Wohnung gezogen. Sie hatten die ganze Studienzeit zusammengelebt, und obwohl sie das Medizinstudium manchmal sehr hart fand, war Sebastian, dem das Studium leichtfiel, immer da gewesen, um ihr zu helfen und sie zu ermutigen.

Sie seufzte. Damals hatte sie geglaubt, so würde es immer zwischen ihnen sein. Aber es war anders gekommen. Jetzt hatte sie innerlich akzeptiert, dass die Scheidung unausweichlich war. Sie wusste, dass auch nach der Scheidung die Erinnerung an Sebastian schmerzlich sein würde. Ihre Beziehung war einfach etwas ganz Besonderes gewesen. Aber sie konnte auch nicht so weiterleben wie seit einem Jahr. Nein, lieber jetzt ein Ende machen, auch wenn es wehtat.

Sebastian runzelte die Stirn und sah die Patientin fragend an. „Wo, sagten Sie, spüren Sie noch Schmerzen?“

„In der Schulter … genau hier.“ Alison zeigte mit der Hand auf die Stelle.

„Aha“, sagte er wie beiläufig, aber er warf einen Blick auf Olivia und fragte sich, ob sie zu derselben Schlussfolgerung wie er gekommen war.

Er war betroffen, weil sie so traurig aussah. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und getröstet.

„Hatten Sie schon einmal Probleme mit den Monatsblutungen?“

„Nein … ich habe jetzt gerade meine Periode“, murmelte sie, offensichtlich erstaunt wegen der intimen Frage des Arztes.

„Also halten Sie es nicht für möglich, dass Sie schwanger sind? Ist Ihre Periode kürzlich mal ausgeblieben?“

„Ja, im letzten Monat. Das war, als ich die Pille abgesetzt habe. Mein Gynäkologe hat mir gesagt, dass es danach zuerst zu Unregelmäßigkeiten kommen kann“, antwortete Alison und wurde knallrot.

„Haben Sie selbst schon mal einen Schwangerschaftstest gemacht?“ Sebastian warf einen prüfenden Blick auf die Monitore. Alisons Puls, ihr Blutdruck und ihr Herzschlag lagen im normalen Bereich. Trotzdem entschloss er sich, kein Risiko einzugehen.

„Sagt Ben, ich möchte eine Ultraschalluntersuchung der Vagina durchführen“, sagte er zu Cathy. Dann wandte er sich wieder der Patientin zu.

„Nein, ich habe keinen Test gemacht“, erklärte Alison. „Ich hielt das nach der Bemerkung meines Gynäkologen nicht für notwendig.“ Aber jetzt schien die junge Frau wirklich beunruhigt. „Glauben Sie, ich könnte eine Fehlgeburt haben, Doktor?“

„Möglicherweise ist es noch etwas komplizierter. Es könnte sein, dass Sie eine sogenannte ektope Schwangerschaft haben. Das bedeutet, dass sich die befruchtete Eizelle nicht in der Gebärmutter festgesetzt hat, sondern irgendwo anders, zum Beispiel im Eileiter oder in der Bauchhöhle. Nach der Ultraschalluntersuchung wissen wir Bescheid.“

„Und was ist mit dem Baby?“ Die junge Frau brach in lautes Schluchzen aus.

Sie tat Sebastian entsetzlich leid. Er drückte ihre Hand. „Ich kann Ihnen nicht viel Hoffnung machen, dass der Embryo überlebt.“

„Und kann ich später wieder ein Kind bekommen?“

„Grundsätzlich spricht nichts dagegen“, versuchte Sebastian, sie zu beruhigen. Wenn der Embryo einen der Eileiter beschädigt hatte, bestand nur eine geringe Chance, dass der Chirurg das wieder in Ordnung bringen konnte. Leider war es jedoch sehr häufig in solchen Fällen notwendig, den Eileiter ganz zu entfernen.

„Lass mich mit ihr sprechen“, bat Olivia leise.

Sebastian trat zur Seite.

Olivia beugte sich zu der jungen Frau hinunter und begann, leise auf sie einzureden. Sebastian verstand nicht, was sie sagte, aber er merkte, dass Alison sich beruhigte.

Olivia sah Alison nach, die in ihrem Bett zur Ultraschalluntersuchung geschoben wurde. Die junge Frau tat ihr leid. Wenn die ektope Schwangerschaft sich bestätigte, würde sie in die gynäkologische Abteilung verlegt und so bald wie möglich operiert werden. Es musste schrecklich für die junge Frau sein zu wissen, dass sie schwanger war, aber kaum Hoffnung bestand, dass ihr Baby überlebte.

„Danke, Olivia, dass du die Patientin beruhigt hast. Du hast dafür ein ganz besonderes Talent.“

Sie errötete und lächelte ihn an. „Übrigens: Du hast vorhin erwähnt, dass ihr euch auf einen größeren Unglücksfall vorbereitet? Was ist passiert?“

Sebastian schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Richtig. Der Tanker. Ich muss mit meinem Team sprechen. Wenn er wirklich im Sturm leckschlägt, kann es zu einer Katastrophe kommen.“

„Um Himmels willen. Das ist ja fürchterlich.“

„Das wird garantiert die schwierigste Sache seit Bestehen des Krankenhauses.“ Er schaute auf die Uhr. „Sorry, aber ich muss jetzt wirklich zu meinen Leuten.“

„Natürlich. Ich wollte dich nicht aufhalten.“

Er blieb stehen und sah sie nachdenklich an. „Warum kommst du nicht mit mir? Dann kannst du den Rest des Teams auch kennenlernen.“

„Hältst du das für richtig? Ich möchte dir nicht im Weg stehen.“

„Das tust du nie.“ Er öffnete die Tür seines Büros.

Olivia hielt das für keine gute Idee, aber das wollte sie jetzt nicht mit ihm ausdiskutieren. Sie schloss sich ihm schweigend an. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für einen unangemeldeten Besuch gewesen. Jetzt musste sie sehen, wie sie das Beste daraus machte.
Freitag, 18.00 Uhr

„Tut mir leid, dass ich euch alle habe warten lassen“, entschuldigte Sebastian sich bei seinem Team. „Aber wir hatten einen Notfall zu versorgen.“

Der Raum war ziemlich voll. Sebastian schob Olivia bis nach vorn zu seinem Schreibtisch und drehte sich herum. „Darf ich es kurz machen … das ist Olivia, meine Frau. In Anbetracht der besonderen Situation verschieben wir alle weiteren Informationen auf später.“

Sebastian ignorierte die erstaunten Blicke seiner Mitarbeiter. Obwohl alle wussten, dass er verheiratet war, hatten sie angenommen, er und Olivia lebten getrennt. Ihr Erscheinen hatte alle verblüfft. Aber jetzt war bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt, über den Grund ihres Besuches zu reden, vor allem dann nicht, wenn er den Anlass ihres Kommens richtig einschätzte.

„Ich habe mit der Küstenwache gesprochen. Es gibt keine guten Neuigkeiten“, sagte er ernst. „Die Schlepper konnten bei dem Sturm keine Leinen befestigen. Der Tanker wird von dem starken Wind und der Strömung immer noch direkt in die Richtung der Bohrplattform getrieben. Ein Zusammenstoß ist sehr wahrscheinlich. Deshalb wurde angeordnet, so viele Menschen wie möglich von der Plattform und dem Tanker zu evakuieren.“

„Mit Hubschraubern?“, erkundigte sich Marilyn.

„Solange das möglich ist, ja. Wenn der Sturm zu stark wird, können die Hubschrauber nicht mehr eingesetzt werden. Deshalb wurden alle Schiffe in der Gegend alarmiert und aufgefordert, sich nach Möglichkeit an der Rettungsaktion zu beteiligen. Vielleicht schaffen es Fischerboote, die Mitglieder der Tankerbesatzung an Bord zu nehmen. Wir können nur hoffen, dass keiner der Hubschrauber in Schwierigkeiten kommt oder ins Meer stürzt.“

„Wie groß ist die Besatzung des Tankers?“, wollte Ben Robertson, der Radiologe des Teams, wissen.

„Das versucht die Küstenwache gerade herauszufinden“, erklärte Sebastian. „Die genaue Ladung des Tankers ist ebenfalls noch nicht bekannt. Die Eigentümer des Tankers sind mit ihren Angaben sehr zurückhaltend.“

„Dann können wir also kaum einschätzen, wie viele Notfälle eventuell auf uns zukommen“, stellte Cathy erbost fest.

„Du sagst es.“ Sebastian sah jedes Mitglied seines Teams an, auf Olivia verweilte sein Blick etwas länger. Fasziniert betrachtete er ihr Kostüm. Er hatte immer gemocht, wie sie sich anzog.

Dann räusperte er sich. „Es kann sein, dass wir nur sechs Notfälle zu behandeln haben, vielleicht aber auch sechzig. Wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein. Mit den Besatzungen der Rettungswagen wurde vereinbart, dass sie als Erstes nur die Schwerverletzten hier einliefern. Aber das können auch so viele sein, dass wir an unsere Grenzen stoßen. Ich weiß, ihr werdet alle euer Bestes geben. Dafür danke ich euch schon jetzt.“

Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Dann verließen die Mitglieder des Notfallteams den Raum.

Sebastian blieb zurück. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Und er wusste, dass er jedem Einzelnen vertrauen konnte.

„Ich sollte dann auch wohl besser gehen.“ Olivia ging zur Tür. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um mit Sebastian ein längeres, ernsthaftes Gespräch zu führen. Aber möglicherweise ging die Sache mit dem Tanker ja auch glimpflich aus. Vielleicht sollte sie sich ein Hotel im Ort suchen und ein paar Tage bleiben. Dann würde sich schon eine Gelegenheit ergeben, mit Sebastian zu sprechen, und sie hätte den langen Weg nicht vergeblich gemacht.

„Unsinn. Du kannst doch nicht gleich wieder gehen – du bist doch gerade erst angekommen.“ Sein Tonfall war barsch.

Olivia resignierte. Sie wollte nicht schon wieder Streit mit ihm haben, deshalb war es besser, wenn sie jetzt ging. Sie machte den Mund auf, um Sebastian zu sagen, dass sie in ein Hotel gehen würde, als das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete.

„Sebastian Bridges.“

Sie konnte nicht verstehen, was der Anrufer sagte, aber sie sah ihm an, dass es nichts Gutes war. Höchst alarmiert legte er auf.

„Die Küstenwache. Sie wissen jetzt, was der Tanker geladen hat. Irgendeine Chemikalie, die zur Herstellung von Pestiziden verwendet wird. Hochgiftig. Und schon in geringer Konzentration krebserregend.“

„Ist der Stoff wasserlöslich?“

„Sie sind sich nicht sicher. Aber solange wir das nicht wissen, müssen wir den schlimmsten Fall annehmen. Wenn der Tanker leckschlägt, wird das Zeug an die Küste gespült.“

„Das kann ja ein Albtraum werden“, meinte Olivia entsetzt. „Das Wochenende steht bevor. Und auch wenn es schon Herbst ist, gehen Tausende von Menschen gern am Strand spazieren.“

„Und jeder von ihnen ist extrem gefährdet, wenn er mit der Chemikalie in Kontakt kommt“, fügte Sebastian grimmig hinzu.

Olivia erschauderte, als sie sich die möglichen Konsequenzen vorstellte. „Sagst du es deinem Team?“

„Natürlich. Sie müssen voll informiert sein. Eine der Schwestern hat gerade erfahren, dass sie schwanger ist. Sie darf auf keinen Fall mit dem giftigen Stoff in Kontakt kommen.“ Er eilte zur Tür.

„Kann ich mich irgendwie nützlich machen?“

Er blieb überrascht stehen. „Das würde uns sehr helfen. Wenn es hier richtig rundgeht, sind wir einfach zu wenige Leute. Da ist eine erfahrene Ärztin Gold wert.“

„Glaubst du das tatsächlich? Wäre das den anderen nicht … irgendwie peinlich? Schließlich bin ich für sie eine Fremde.“

„Peinlich?“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Du bist eine erstklassige Ärztin. Und von deinem damaligen Job im Krankenhaus kennst du dich mit Notfallmedizin bestens aus. Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du freiwillig bei uns mitmachst.“

„Danke.“ Olivia lächelte. Seine lobenden Bemerkungen über ihre Qualifikation als Ärztin hatten sie tief berührt. „Ich bin gern dabei, wenn du das möchtest.“

„Wundervoll.“ Er öffnete die Tür. „Ich führe dich eben schnell herum, damit du einen Überblick bekommst und weißt, wo du alles findest. Nichts ist schlimmer, als wenn man sich nicht auskennt.“

„Wie wir beide damals an unserem ersten Tag im Royal Hospital, erinnerst du dich noch?“

„Unser erster Tag im Royal …“ Er lächelte. Seine haselnussbraunen Augen waren voller warmer Erinnerung auf sie gerichtet. „Weißt du noch, wie wir die ältere Patientin zum Röntgen bringen sollten? Wir haben zwanzig Minuten gebraucht, um die Röntgenabteilung zu finden.“

„Und als wir ankamen, war kein Radiologe da, weil alle zum Mittagessen gegangen waren. Also mussten wir mit der alten Dame zurück in die Notfallabteilung.“ Olivia schüttelte den Kopf.

Er lachte sie an. „Ein Glück, dass wir zusammen waren und uns gegenseitig helfen konnten – sonst wären wir in den ersten Monaten verrückt geworden.“

„Wahrscheinlich.“

Olivia fühlte, wie sie sich innerlich verkrampfte. Die Erinnerung, wie nah sie sich einmal gewesen waren und was aus ihnen mittlerweile geworden war, ließ ihre Brust eng werden.

Vor acht Jahren hatte sie ihm ihr Jawort gegeben – felsenfest davon überzeugt, dass es für immer sein würde. Sie hatte versprochen, ihn zu lieben, bis der Tod sie trennte. Und jetzt war sie hier, um dieses Versprechen zurückzunehmen.

Sebastian stellte Olivia die verschiedenen medizinischen Einrichtungen seiner Abteilung vor. Dazu zählte auch eine eigene Röntgenabteilung. Sie wusste, dass er Wert darauf legte, nicht von anderen Abteilungen abhängig zu sein.

„Und hier ist unser eigener Operationssaal“, erklärte er.

Olivia stellte sich auf die Zehenspitzen, um durch das Fenster in der Tür zu sehen.

Wehmütig betrachtete Sebastian sie. Er hatte fast vergessen, wie klein sie war. Sein Blick fiel auf ihre weiblichen Rundungen. Und plötzlich verspürte er eine körperliche Reaktion, die er nicht erwartet hatte. Ihr Aussehen und ihre sexuelle Ausstrahlung hatten ihn immer fasziniert. Offensichtlich hatte sich bis heute nichts daran geändert.

„Das sieht ja wirklich beeindruckend aus“, sagte Olivia anerkennend.

Er lächelte sie an und gab sich Mühe, seine Reaktion auf sie zu verbergen. Wenn sie gekommen war, um von ihm die Scheidung zu verlangen, würde das alles noch mehr komplizieren. Obwohl ihm die Idee gar nicht gefiel, würde er sich nicht gegen die Scheidung sperren, wenn Olivia unbedingt darauf bestand.

Er drehte sich abrupt um. „Jetzt kennst du die ganze Abteilung. Genügt dir das für den Augenblick, um dich einigermaßen zurechtzufinden?“

„Danke, ja. Du hast hier Beachtliches auf die Beine gestellt. Es ist eine der am besten eingerichteten und organisierten Notfallabteilungen, die ich je gesehen habe. Jetzt verstehe ich, was dich an diesem Job so fasziniert hat.“

„Stimmt, das alles von Anfang an nach meinen Vorstellungen mit aufzubauen, war sehr reizvoll. Aber die beste Ausstattung ist ohne ein qualifiziertes Team nichts wert. Zum Glück habe ich ein hervorragendes Team gefunden.“

„Das freut mich zu hören.“

Sebastian runzelte die Stirn. Ihre letzte Bemerkung hatte sehr kühl und wenig begeistert geklungen. Offenbar war seine enthusiastische Erwähnung des Teams bei ihr nicht so gut angekommen.

Er atmete erleichtert auf, als Marilyn kam und ihm sagte, dass jemand von der Rettungswagenzentrale am Telefon sei und ihn sprechen wollte. Er nickte Olivia entschuldigend zu und ging in sein Büro.

Was er erfuhr, ließ ihn vor Schreck tief durchatmen. Als der Tanker die Bohrplattform gerammt hatte, war es zu einer schweren Explosion gekommen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen hatte es eine Reihe von Verletzten gegeben, die umgehend ausgeflogen und direkt zum Krankenhaus gebracht werden sollten.

Sebastian legte auf und sah auf die Uhr. Es blieben schätzungsweise noch gut zehn Minuten, um alles für die Ankunft der Hubschrauber und der ersten Verletzten vorzubereiten. Energisch schüttelte er die trüben Gedanken an Olivia ab und konzentrierte sich auf seine Aufgabe.

Er ging zum Aufenthaltsraum. Dort würde sein gesamtes Team warten. Zuerst bemerkten sie ihn gar nicht, aber dann sah Gary ihn und winkte den anderen zu. Die lebhafte Unterhaltung verstummte, und alle schauten gespannt zu Sebastian.

„Der erste Hubschrauber ist auf dem Weg“, sagte er. „Drei Verletzte mit schweren Brandwunden sind an Bord. Ankunft wahrscheinlich in knapp zehn Minuten. Marilyn führt das erste Team, Gary das zweite und ich das dritte.“

„Ist schon abzuschätzen, wie viele Verletzte wir insgesamt zu erwarten haben?“, wollte Gary wissen.

„Nein. Wir müssen davon ausgehen, dass es sehr viele sein könnten. Darauf müssen wir uns vorbereiten.“

Er wandte sich an Jayne. Wegen ihrer Schwangerschaft wollte er kein Risiko eingehen. „Wenn es auch nur ein Anzeichen für eine Chemikalienvergiftung gibt, verlässt du sofort die Station. Verstanden?“

Die Schwester nickte sichtlich erleichtert.

Sebastian war froh, dass er daran gedacht hatte.

Als die Tür geöffnet wurde, drehte er sich um und erwartete, die ersten Rettungssanitäter zu sehen. Aber es war Olivia, die eintrat.

„Hast du dir schon überlegt, wie ich euch helfen kann?“, fragte sie und blieb direkt vor ihm stehen.

„Was würdest du denn machen wollen?“, fragte er mit heiserer Stimme zurück.

„Das ist mir egal. Hauptsache, ich kann mich wirklich nützlich machen.“

Er nickte. „Gut, ich werde es dir sagen, wenn es so weit ist.“

Wieder wurde die Tür aufgestoßen. Dieses Mal waren es wirklich die Sanitäter mit dem ersten Verletzten. Sebastian winkte ihnen zu, sie sollten den Mann zu ihm bringen. Sekunden später hatten sie den Verletzten von der fahrbaren Liege auf ein Bett gehoben, und Sebastian konzentrierte sich voll und ganz auf das, was er als Mediziner gelernt hatte.

Noch einmal verspürte er kurz einen scharfen Schmerz. Nichts und niemand hatte ihm beigebracht, wie er mit dem Verlust von Olivia fertig werden sollte.

3. KAPITEL

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