Julia Extra Band 177 - Penny Jordan - E-Book

Julia Extra Band 177 E-Book

Penny Jordan

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Beschreibung

Jetzt und für immer von Penny Jordan
Jung, schön und erfolgreich als Modedesignerin das ist India. Als jedoch der herrische Simon glaubt, sie habe den Mann seiner Cousine verführt, beginnt ein Drama aus Leidenschaft und Eifersucht. Machtlos gegen seine verzehrende Liebe zu India, heiratet Simon sie. Aber vertrauen kann er ihr nicht bis sie eines Tages dem Tod nahe ist...

Du gehörst nur mir allein von Linda Miles
Heirat mit Jeremy geplatzt! Da läuft der verzweifelten Natasha der attraktive Chase über den Weg - und schlüpft in die Rolle des Bräutigams. Die Hochzeit kann stattfinden. Die Flitterwochen in Paris sind so romantisch, dass aus Chase und Natasha auch ein Liebespaar wird. Trotzdem glaubt sie, dass die sinnliche Toni ihn mehr fasziniert...

Hochzeit in Notting Hill von Mary Lyons
Vorsicht vor diesem charmanten Playboy! Die ernsthafte junge Anwältin Harriet ist vor ihrem Kollegen Finn gewarnt. Trotzdem nimmt sie ihn als Mieter in ihrem Haus auf. Und es kommt, wie es kommen muss: Sie erliegt seinen Verführungskünsten. Für ihn scheint es nur ein Abenteuer zu sein, denn Harriet entdeckt bei ihm eine Frau in Dessous!

Nur vier Wochen Seligkeit von Amanda Browning
Gleich bei ihrer ersten Begegnung spüren Kari und Lance, dass sie sich leidenschaftlich begehren. Vier Wochen verbringen sie wie im Rausch. Doch als er ihr einen Heiratsantrag macht, bricht sie jeden Kontakt zu ihm ab. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie Angst vor einem neuen Verlust. Kann Lance ihr das Vertrauen in die Liebe zurückgeben?

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Seitenzahl: 725

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Penny Jordan, Amanda Browning, Mary Lyons, Linda Miles

Julia Extra Band 0177

IMPRESSUM

Julia Extra Band 0177 erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Telefon: 040/60 09 09-361

Fax: 040/60 09 09-469

E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

©

1982 by Penny Jordan Originaltitel: „An Unbroken Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

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Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0177 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Gudrun Bothe Fotos: RJB Photo Library / ZEFA

©

1999 by Linda Miles Originaltitel: „Last-Minute Bridegroom“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

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Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0177 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Hélène Gaudet Fotos: : RJB Photo Library / ZEFA

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1999 by Mary Lyons Originaltitel: „Reform Of The Playboy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: PRESENTS Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

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Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0177 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Dakshina Fotos: RJB Photo Library / ZEFA

©

1999 by Amanda Browning Originaltitel: „The Seduction Bid“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: PRESENTS Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0177 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Gudrun Bothe Fotos: RJB Photo Library / ZEFA

Veröffentlicht im ePub Format im 09/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: readbox, Dortmund

ISBN 978-3-95446-052-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

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www.cora.de

Penny Jordan

Jetzt und für immer

1. KAPITEL

“Melisande ist hier – und warte erst, bis du den Mann siehst, den sie mitgebracht hat!”, verkündete Jennifer Knowles aufgeregt, während sie das Büro ihrer Chefin enterte und dabei bedeutungsvoll mit den Augen rollte. “Hinreißend – und bestimmt steinreich, so wie der aussieht! Nun, wenn er Melisandes Zukünftiger werden will, sollte er es auch sein”, fügte sie unverblümt hinzu. “Aber ich glaube, wir haben im Moment gar nichts für sie in Arbeit, und im Buch steht auch nichts.” Sie runzelte die Stirn, während sie das ledergebundene Auftragsbuch studierte. “Das Schwarzseidene hat sie doch bereits letzte Woche abgeholt.”

“Hm”, nickte India Lawson zustimmend, nahm ein halbes Dutzend Stecknadeln aus ihren zusammengepressten Lippen und betrachtete mit gerunzelter Stirn die pinkfarbene Seidenbluse, an der sie gerade arbeitete. “Sie ist zu einem Wohltätigkeitsball eingeladen und rief mich gestern an, ob wir nicht noch schnell etwas für sie zaubern könnten.”

“Natürlich vorausgesetzt, dass sie es umsonst bekommt”, fügte Jennifer sarkastisch hinzu. “Jetzt aber mal ernsthaft. Sie muss doch eine Stange Geld mit ihrer Rolle in Evergreen verdienen. Das Stück läuft bereits seit sechs Monaten, und es sieht auch nicht so aus, als sollte es demnächst abgesetzt werden. Ich habe vergeblich versucht, Karten fürs nächste Wochenende zu bekommen.”

India lächelte. “Vergiss nicht, dass Melisande allein dadurch, dass sie unsere Kleider trägt, eine ausgezeichnete Werbung für unser Atelier ist.”

“Ich weiß wirklich nicht, wie du immer so gelassen bleiben kannst”, knurrte Jennifer gereizt.

India lachte. “Sag Melisande bitte, dass ich in fünf Minuten bei ihr bin. Ach Jen, und biete ihr doch …” Fast hätte sie ‘eine Tasse Kaffee’ gesagt, erinnerte sich dann aber an die Beschreibung von Melisandes Begleiter. “Biete ihnen bitte ein Glas Sherry an”, korrigierte sie sich. “Ich muss schnell noch diese Bluse fertig machen, da Lady Danvers sie dringend für das Wochenende braucht.”

Die ausdrucksvolle Haltung, mit der Jennifer das Zimmer ihrer Chefin verließ, zeigte deutlich, was sie von Indias Entgegenkommen zahlungsunwilligen Kunden gegenüber hielt. Natürlich genoss India es, ihr eigener Boss zu sein. Das war ihr Bestreben gewesen, seit sie ihre Ausbildung beendet hatte. Und es war beileibe nicht leicht gewesen, ihren Traum zu verwirklichen. Nach dreijährigem Studium an einer Kunsthochschule hatte sie für wenig Geld drei weitere Jahre für einen sehr bekannten Modeschöpfer in Paris gearbeitet. Danach war sie eine Zeit lang im Einkauf tätig gewesen, wobei sie sich alles Notwendige über Materialkontrolle, Kalkulation, Buchführung und Rechnungswesen aneignete, um sich von anderen Designern abzusetzen, die zu glauben schienen, dass künstlerisches Genie schon ein ausreichender Garant für Erfolg sei.

Immerhin hatte es sich für sie ausgezahlt. Die kleine Erbschaft eines Großonkels hatte es ihr schließlich ermöglicht, sich selbstständig zu machen. Zu ihrer eigenen Begeisterung hatte sich ihre erste kleine Kollektion ausgefallener Röcke und Blusen ausgezeichnet verkauft und es ihr ermöglicht, noch exklusivere Mode zu fertigen, die den Vorstellungen und Bedürfnissen der Londoner Gesellschaft genügen konnte. Und so zählte sie inzwischen einige wichtige Damen der Gesellschaft zu ihren Kundinnen, deren Fotos regelmäßig in verschiedenen Hochglanzmagazinen zu finden waren.

Als sie wenige Augenblicke später die Tür zu ihrem Verkaufsraum öffnete, fiel ihr erster Blick auf den Mann, den Jennifer als ‘hinreißend’ beschrieben hatte. Sie hat wirklich nicht übertrieben, dachte sie trocken, während sie ein professionelles Lächeln auf ihre Lippen zauberte und gleichzeitig den ausgezeichneten Schnitt seines eleganten grauen Anzugs registrierte, ebenso wie das farblich passende Seidenhemd mit Krawatte und die gepflegten, aber dennoch männlichen Hände, die selbst jetzt im März tief gebräunt waren. Sein dichtes dunkles Haar lockte sich bis zum Hemdkragen, und seine Augen waren von einem beunruhigenden harten Grau.

“India Darling!”, begrüßte Melisande sie mit ihrer heiseren, tragenden Stimme. “Sie retten mir das Leben. Zeigen Sie mir gleich, was sie für mich ausgesucht haben. Aber es muss etwas ganz Besonderes sein – etwas absolut Außergewöhnliches! Wenn es Simon gefällt, hat er mir versprochen, mir noch etwas zu kaufen. Und, India Darling, ist es nicht langsam an der Zeit, dass Sie aufhören, dieses schreckliche Schulmädchen-Outfit zu tragen? Niemand würde im Entferntesten glauben, dass Sie die aufregendste Sexy-Mode entwerfen!”

India hoffte, ihr Befremden erfolgreich verborgen zu haben, doch, als sie langsam den Blick hob, bemerkte sie, dass Melisandes Begleiter sie mit zynischem Amüsement beobachtete.

“Oh, ich habe euch noch gar nicht einander vorgestellt”, sagte die Schauspielerin geziert. “Simon Darling, das ist India, ein wirklich geschicktes kleines Ding. India, dies ist Simon Harries – Sie werden in den Gesellschaftsnachrichten über ihn gelesen haben.”

“Das habe ich, und im Finanzteil natürlich”, antwortete India leichthin, und war sich des wachsamen Ausdrucks auf Simon Harries’ Gesicht sehr wohl bewusst.

“Sie haben demnach ein ausgeprägtes Interesse an der Welt der Finanzen?”

India knirschte ob seines herablassenden Tones lautlos mit den Zähnen. “Natürlich, wie wahrscheinlich jede Frau”, sagte sie mit einem bedeutsamen Seitenblick auf Melisande. Sie konnte an seinem Gesichtsausdruck sehen, dass der Pfeil getroffen hatte. Er konnte ja wohl nicht annehmen, dass Melisandes Interesse an ihm rein altruistischer Natur war.

India kannte die Schauspielerin nun schon seit einigen Jahren, und Melisande machte absolut kein Geheimnis daraus, dass sie von ihren Begleitern neben äußeren Attributen durchaus auch genügend Reichtum verlangte, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

India betrachtete sie gedankenverloren und war sich dabei des unterschiedlichen Bildes bewusst, das sie beide abgaben. Melisande war klein und sehr zierlich, mit hellem, silbrig glänzendem Haar und betont weiblichen Formen – der Prototyp eines zarten, anschmiegsamen Frauchens, während sie selber … Sie zog unwillkürlich ihre Nase kraus. Sie war für eine Frau sehr groß, ihr dichtes Haar leuchtete in einem dunklen, intensiven Rot, ihre grünen Augen saßen ein wenig schräg unter zwei hochgewölbten Brauen, und nur ihr verletzlich wirkender weicher Mund verriet, dass sie weniger selbstbewusst war, als ihre Erscheinung vermuten ließ.

Sie fühlte, dass Simon Harries sie beobachtete und unterdrückte das Verlangen, einfach zurückzustarren. Sie konnte spüren, wie er sie mit seinen grauen Augen von oben bis unten fixierte, an ihrem üppigen Busen hängen blieb und dann über die schmale Taille zu ihren endlos scheinenden Beinen wanderte.

Nachdem er eine Weile gedankenverloren auf Indias Beine gestarrt hatte, hob er unvermittelt den Blick.

“Ein echtes Rätsel”, sinnierte er. “Ein prüdes Blüschen, Schulmädchenrock, aber Seidenstrümpfe.”

India merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Es war etwas in seinem Blick, das ihr unwillkürlich heiße Schauer über den Rücken schickte.

“Oh, India ist weit davon entfernt, prüde zu sein, das kann ich dir versichern”, kicherte Melisande schelmisch. “Zufällig weiß ich, dass sie einen sehr charmanten und extrem gut gebauten Freund hat. Sie hat ihn zu meiner letzten Party mitgebracht, stimmt’s, Darling? Melford Taylor”, fügte sie in wichtigem Ton den Namen eines bekannten Geschäftsmannes hinzu.

Obwohl sie nicht in seine Richtung schaute, bemerkte India, dass Simon Harries ihren Modesalon plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtete. Er war in Weiß und Gold gehalten, mit einigen grünen Akzenten – klar und frisch, mit dem undefinierbaren Flair unterschwelligen Reichtums. India hatte die Ausstattung selbst entworfen und preisgünstig von einer kleinen Firma für Bühnendekoration, mit deren Besitzern sie befreundet war, anfertigen lassen. Mit Einfallsreichtum, Kreativität und handwerklichem Geschick hatten sie gemeinsam ihr Modeatelier in ein Schmuckstück verwandelt. Und jetzt stand sie diesem Simon Harries gegenüber und konnte förmlich sehen, wie er den Wert ihrer kleinen Firma abschätzte, und dabei wohl überlegte, wie viel Anteil Melford Taylor daran hatte.

India war beileibe kein naives dummes Mädchen mehr. Sie war jetzt fünfundzwanzig und lebte seit dem Tod ihrer Eltern vor fünf Jahren allein. Sie war sich absolut der lockeren Moralvorstellungen der Gesellschaftskreise, in denen Melisande und dieser Simon sich bewegten, bewusst, und ebenso der Rückschlüsse, die dieser spöttisch dreinschauende Mann aus Melisandes Andeutungen gezogen hatte. Dabei hatte sie noch nie finanzielle Hilfe oder anderweitige Zuwendungen von irgendeiner Seite angenommen und ärgerte sich maßlos über solche Unterstellungen.

Absolut lächerlich, dachte sie bei sich, als sie die dezenten Glasvitrinen aufschloss, in denen sie fertiggestellte Aufträge zu präsentieren pflegte. Warum sollte es sie überhaupt stören, wenn Simon Harries sie falsch einschätzte. Ihre Beziehung zu Melford Taylor ging nur sie allein etwas an, und niemand sonst! Gereizt griff sie nach einem blassblauen Satinkleid in der Auslage.

“Ich liebe diese Farbe”, rief Melisande enthusiastisch. “Darling, ich bestehe darauf, dass Sie die Bühnengarderobe für mein nächstes Stück anfertigen. Wissen Sie überhaupt schon, dass ich die weibliche Hauptrolle in The Musgraves bekommen habe?”

India schüttelte den Kopf in gespielter Überraschung.

“Simon hat das für mich arrangiert”, fügte sie neckisch hinzu und tippte mit ihren rot lackierten Nägeln auf seinen Arm. “Er hat einigen Einfluss im kommerziellen Fernsehen.”

“Tatsächlich?”

India war sich nicht bewusst, wie dämpfend sich ihre Erwiderung angehört haben musste, bis ihr Blick auf Simon Harries fiel, der sie aus kühlen grauen Augen ärgerlich musterte.

Natürlich hatte sie gehört, dass Melisande die Hauptrolle in einer neuen Seifenoper ergattert hatte, aber Filmgarderobe zu entwerfen, war ein unbekanntes Terrain für sie, und außerdem hatte sie im Moment in ihrem Salon mehr als genug zu tun.

Ich bin sicher, er könnte auch für Sie ein gutes Wort bei den Studiobossen einlegen”, sagte Melisande.

“Und ich bin mir sicher, Fräulein Lawson braucht meine Fürsprache nicht im Geringsten”, murmelte Simon Harries süffisant. “Nicht mit Melford Taylor in ihrem Rücken als … Gönner.”

India schluckte ihre aufsteigende Wut mühsam hinunter und drehte ihm abrupt den Rücken zu, froh über die Ausrede, Melisande bei der Anprobe zur Seite stehen zu müssen. Es war schon Jahre her, dass sie so eine spontane und heftige Abneigung gegen irgendjemand gefasst hatte, und auch, dass jemand sie so unverschämt behandelt hatte. Und sie hatte keine Ahnung, warum er das tat. Selbst wenn sie tatsächlich Melfords Geliebte wäre, was um alles in der Welt ging Simon Harries das an?

In der Umkleidekabine half sie Melisande in das blaue Satinkleid, dessen eng anliegende Korsage und schmalgeschnittener Rock die grazile Gestalt der Schauspielerin optimal betonten.

“Es ist einfach fantastisch”, zwitscherte Melisande und betrachtete sich hingerissen im Spiegel.

“Der Saum muss noch umgelegt werden, und ein, zwei Kleinigkeiten werde ich noch ändern, aber das ist kein Problem bis morgen”, versprach India.

Sie hörte, dass ihr privates Telefon klingelte und seufzte unwillkürlich bei dem Gedanken, dass es wahrscheinlich Mel war, der sie sprechen wollte. Sie hatte ihm am letzten Wochenende versucht klarzumachen, dass ihre Beziehung keine Zukunft haben konnte. Sie mochte ihn sehr gern, er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor und war ein unkomplizierter und zuvorkommender Begleiter – aber er war auch ein verheirateter Mann.

Ob sie noch nie etwas von Scheidung gehört hätte, hatte er sie neckend gefragt, aber India hatte ihm sofort das Wort abgeschnitten. Wie sie wusste, hatte er zwei kleine Kinder, und selbst, wenn sie ihn geliebt hätte, was nicht der Fall war, bezweifelte sie, dass sie es fertigbringen würde, ihnen den Vater zu entziehen. Der Grund dafür lag in ihrer eigenen Kindheit. Als sie zwölf war, hatte ihr Vater eine Liebesaffäre, die über ein Jahr andauerte und die ganze Familie sehr belastete. Obwohl nach dem Ende der Affäre das Thema nicht mehr zur Sprache kam und ihre Eltern augenscheinlich wieder harmonisch miteinander lebten, hatte ihr dieses Erlebnis einen schweren Schock versetzt, dessen Auswirkungen sie nie mehr abschütteln konnte. Sie war vorsichtig und misstrauisch geworden – nicht bereit, sich so weit auf eine Beziehung zu einem Mann einzulassen, dass sie in Gefahr geraten konnte, verletzt zu werden. Das hatte dazu geführt, dass sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren, was ihre emotionellen und sexuellen Erfahrungen betraf, weit hinter ihren Altersgenossinnen zurücklag.

Als sie aus der Umkleidekabine traten, sah sie, dass Simon Harries ganz vertieft ein Seebild betrachtete, das Indias Vater kurz vor seinem Tod gemalt hatte. Es zeigte den Ausblick aus dem Fenster ihres Elternhauses. India wusste, dass sie ihre künstlerische Begabung von ihrem Vater geerbt hatte. Er hatte vor seinem Ruhestand als Bauingenieur oft außerhalb gearbeitet. India selbst war das Ergebnis eines Besuches ihrer Mutter bei ihrem damals in Indien beschäftigten Vater. Daher stammte auch ihr ungewöhnlicher Name.

“Cornwall?”, fragte Simon über die Schulter, ohne sich umzudrehen.

“Ja.”

“Ihre Sekretärin hat gerade hereingeschaut. Sie bat mich, Ihnen auszurichten, dass jemand für Sie am Telefon war, Sie wüssten schon wer.” Bei diesen Worten schaute er sie direkt an. “Es ist bestimmt nicht einfach, eine Beziehung zu einem verheirateten Mann zu unterhalten, aber ich möchte Ihnen gratulieren. Sie scheinen wirklich außergewöhnlich diskret zu sein.”

Er ließ es so klingen, als unterstelle er ihr, ihr Geld als Prostituierte zu verdienen. Selbst Melisande hatte den ironischen Unterton in seiner Stimme mitbekommen und runzelte leicht ihre Stirn.

“Aber wirklich, Darling! Bist du da nicht vielleicht ein wenig altmodisch? Außereheliche Verhältnisse sind doch heute nichts Ungewöhnliches mehr. Sei ehrlich, könntest du dir vorstellen, verheiratet zu sein, und dein ganzes Leben lang einer Frau die Treue zu halten? Ich denke, India macht es ganz richtig. Lieber unabhängig mit einem Liebhaber, als gebunden mit einem Ehemann am Hals. Sie werden mir das Kleid doch ganz bestimmt bis morgen schicken, nicht wahr?”, fragte sie India, während Simon Harries ihr in die Fuchspelzjacke half. “Simon nimmt mich zum Wohltätigkeitsball ins Dorchester mit, und da will ich so gut wie möglich aussehen.”

India begleitete sie zur Tür. Melisande küsste sie auf beide Wangen, und India wandte sich zu Simon Harries, um ihn zu verabschieden. Doch der ignorierte ihre halb ausgestreckte Hand und ließ stattdessen seinen Blick noch einmal langsam und eindringlich über ihren Körper wandern, bevor er Melisande zu dem dunkelgrünen Ferrari folgte, der vor der Salontür geparkt war. India starrte ihm zähneknirschend hinterher.

“Hm, so etwas müsste ich auch einmal finden”, seufzte Jennifer verträumt hinter ihrem Rücken. “Fantastisches Aussehen, Geld satt und bestimmt auch noch ein umwerfender Liebhaber!”

“Es ist eher wahrscheinlich, dass du schwer enttäuscht sein würdest”, sagte India knapp.

“Glaubst du?” Jennifer runzelte nachdenklich die Stirn. “Er hat dich ganz schön aus der Ruhe gebracht, oder?”, sagte sie langsam. “Ich habe zum ersten Mal erlebt, dass du deinen Sinn für Humor verlieren kannst. Und das nach all den Gestalten, die wir hier schon ertragen mussten. Ist er dir irgendwie zu nahe gekommen, als Melisande mal nicht hingeschaut hat?”

“Warum sollte er? Du sagst doch selbst, er könnte jede haben. Warum sollte er einen Blick an mich verschwenden, wenn er Melisande haben kann?”

“Oh, da fallen mir gleich mehrere Gründe ein”, antwortete Jennifer. “Zunächst einmal hast du wesentlich mehr Sex-Appeal als sie. Ja, ich weiß, dass sie wie ein zartes, anschmiegsames Püppchen aussieht, aber jeder weiß, dass sie unter ihrer Fassade hart wie Stahl ist, während du … Bist du sicher, dass er keinen Annäherungsversuch gemacht hat?”

“Ganz sicher! Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?”

“Na gut”, lenkte Jennifer ein. “Worüber möchtest du denn reden? Oh Himmel, ich habe ja den Anruf völlig vergessen! Mr. Taylor lässt dir ausrichten, dass er dich um acht Uhr abholen wird. Ich wusste gar nicht, dass ihr heute eine Verabredung hattet.”

“Ich auch nicht, jedenfalls nicht sicher. Er hat letztens irgendetwas von einem gemeinsamen Dinner in dieser Woche gesagt, aber ich hatte ihm gleich erklärt …”

“Dass du mit verheirateten Männern nicht ausgehen willst”, vollendete Jennifer ihren Satz mit einem Grinsen. “Du machst dir das Leben gerne schwer, nicht wahr? Mit seinem Einfluss und seinen Verbindungen …”

“Ich brauche seine Verbindungen nicht”, schnitt ihr India mit ungewohnter Schärfe das Wort ab. “Ich mag Mel sehr gern und schätze seine Freundschaft. Ich kenne ihn jetzt gut drei Jahre, eigentlich, seit ich den Salon eröffnet habe. Mein Steuerberater hat uns miteinander bekannt gemacht. Mel war es auch, der mir diese Räumlichkeiten vermittelt hat …”

“Das ist ja wohl auch nichts Anrüchiges, oder?”, bemerkte Jennifer betont sachlich. “Er ist absolut verrückt nach dir – das sieht doch jeder!”

“Er ist verheiratet”, entgegnete India knapp. “Und abgesehen davon – ich liebe ihn nicht.”

“Liebe? Wer braucht die denn? Weißt du, obwohl ich drei Jahre jünger bin als du, fühle ich mich manchmal wie deine Mutter.”

“Wenn du das tatsächlich wärest, dürftest du mich erst recht nicht dazu drängen, ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann anzufangen”, bemerkte India trocken, aber Jennifer zog lediglich die Augenbrauen hoch.

“Du machst wohl Witze! Bei einem so gut situierten Mann wie Mel würde jede normale Mutter so eine Kleinigkeit, wie eine existierende Ehefrau, geflissentlich übersehen.”

War sie wirklich dumm? India seufzte, als sie sich wenige Stunden später zu Fuß auf den Weg nach Hause machte. Sie hatte das Glück gehabt, das Obergeschoss eines viktorianischen Hauses kaufen zu können, ehe diese Art Wohnungen in Mode kamen, und genoss die Ruhe und Großzügigkeit ihrer Behausung. Außerdem lag die Wohnung nur ein paar Minuten von ihrem Salon entfernt.

Mel hatte mehr als einmal versucht, ihre Freundschaft auf eine intimere Ebene zu ziehen, aber India hatte ihn jedes Mal sofort an seine Frau erinnert.

Als sie ihre Haustür öffnete, hörte sie das Telefon klingeln. Sie legte ihre Tasche und ihren Mantel auf einen wunderschönen, aufgearbeiteten viktorianischen Sessel, dem einzigen Möbelstück in der kleinen Diele, und nahm den Hörer ab. Sie hatte einige Freunde, die sie häufiger anriefen, aber sie wusste schon, bevor sie die Stimme hörte, wer im Moment am anderen Ende der Leitung war.

“Hast du meine Nachricht erhalten?”

“Das habe ich Mel, aber ich fürchte …”

“Gib mir bitte keinen Korb, ich muss wirklich dringend mit dir reden. Ich weiß, dass du niemals zu mir kommen würdest, also ist ein Abendessen die unverfänglichste Möglichkeit für ein Gespräch.”

Etwas irritiert durch die Anspannung in seiner Stimme, sagte India zu.

“Ich hole dich dann gegen acht ab. Wir essen im Jardines.”

Es war eines der neuen exklusiven Trend-Restaurants, und es war sehr schwer, dort einen freien Tisch zu bekommen, aber für einen Mann wie Melford Taylor war nichts unmöglich.

Melford war der typische ‘Selfmademan’, der durch harte Arbeit und unbeugsame Energie seine kleine Firma zu einem beeindruckenden Imperium ausgebaut hatte. Über seine privaten Hintergründe wusste sie so gut wie gar nichts. Gerade mal, dass er verheiratet war, und zwei kleine Söhne hatte, die eine sehr exklusive Schule besuchten. India meinte auch, gehört zu haben, dass Melford ‘über seine Verhältnisse’ geheiratet haben sollte, ein Ausdruck, den sie verabscheute. Er war ein kultivierter Mann mit einem ausgezeichneten Geschmack, höflich und freundlich, und sie konnte sich kaum vorstellen, was für Probleme in seiner Ehe überhaupt existieren konnten. Es war auch kein Thema zwischen ihnen. Sie hatte es seit dem Beginn ihrer Bekanntschaft vermieden, in sein Privatleben einzudringen.

Und es war auch noch gar nicht so lange her, dass sie ihn überhaupt regelmäßig traf. Erst in dem letzten halben Jahr versuchte er, ihre Freundschaft in intimere Bahnen zu lenken.

Da sie zum Essen ausgehen würde, machte sich India in ihrer kleinen Küche, die sie selbst entworfen und eingerichtet hatte, nur schnell ein wenig Obst zurecht. Es hatte ihr ungeheuren Spaß gemacht, ihre Wohnung nach eigenen Ideen zu renovieren und auszustatten. Von ihren Eltern hatte sie einige sehr schöne antike Möbel geerbt, und verbrachte etliche Stunden in Antikläden und auf Märkten, um ihre Einrichtung zu ergänzen. Am liebsten stöberte sie auf den Flohmärkten herum, da sie dort auch häufiger alte Spitze fand, die sie aufarbeitete und für ihre eigenen Kollektionen gebrauchte.

Gewöhnlich schnappte sie sich nach dem Abendbrot ihren Skizzenblock und machte in der entspannten Atmosphäre ihrer gemütlichen Wohnung noch einige Entwürfe, aber heute würde sie keine Zeit dafür haben.

Das Jardines hatte sich zu einer Art Bühne für ein exklusives modeorientiertes Publikum entwickelt, und so schaute India besonders sorgfältig ihre überraschend spärliche Garderobe durch. Wie viele Menschen, die schöne Dinge für andere herstellten, fand sie selten die Zeit, etwas für sich selbst zu kreieren.

Ihr Tagesoutfit, über das sich Melisande und ihr unangenehmer Begleiter Stunden zuvor noch mokiert hatten, gehörte zu ihrer Lieblingsgarderobe und war schon mehrere Jahre alt. Die schlichte Seidenbluse hatte sie in Paris gekauft. Sie liebte den schweren, glatten Stoff genauso wie den exklusiven Schnitt und hatte damals ein kleines Vermögen dafür hinblättern müssen. Der graue Flanellrock war einer ihrer eigenen Entwürfe, extrem schlicht, aber wirkungsvoll geschnitten, und häufig trug sie ihn zu einer Kaschmirjacke in einem dunkleren Grau, die mit großen Perlmuttknöpfen geschlossen wurde. Die extravagante Kleidung, die viele ihrer Kundinnen bevorzugten, kam für sie selbst nicht in Frage.

Sie griff nach einem weichen schwarzen Samtkleid, mit einem hohen cremefarbenen Spitzenkragen und dreiviertellangem Arm, legte es vorsichtig über ihr Bett und ging ins Bad.

Sie hatte sowohl eine Wanne wie auch eine Duschkabine im Badezimmer, und wenn sie morgens zum Wachwerden ein erfrischendes Duschbad bevorzugte, gönnte sie sich nach Feierabend so oft wie möglich ein ausgedehntes Bad im duftenden Wasser.

Arpège, ein klassischer, kühler Duft, war ihr Lieblingsparfüm. So oft sie versucht hatte, zu einem blumigeren, orientalischen Duft zu wechseln, war dieses Experiment gescheitert, und sie hatte sich schnell auf ihre vertraute Marke zurückbesonnen. Vielleicht hatte es etwas mit ihren Kindheitserlebnissen zu tun, dass sie den Drang hatte, Traditionen aufrechtzuerhalten, gewohnte Wege zu gehen – India wusste es selbst nicht genau.

Mit schnellen, routinierten Bewegungen zog sie einen schwarzen Seiden-BH und einen spitzenverzierten, seidenen Slip über, setzte sich auf die Bettkante und griff nach den schwarzen Seidenstrümpfen – auch ein Luxus, dem man frönen konnte, ohne sich schuldig zu fühlen, wenn man genug dafür geschuftet hatte. Als sie die Strümpfe behutsam über ihre schlanken Beine zog, fielen ihr unwillkürlich Simon Harries’ unverschämte Bemerkung und sein noch unverschämterer Blick ein. Sie zuckte gereizt mit den Achseln. Er war sicher nicht der Typ Mann, den sie beeindrucken wollte. Viel zu dominant und maskulin für ihren Geschmack. Ganz im Gegenteil zu Jennifer glaubte sie nicht, dass er ein guter Liebhaber sei. Viel zu arrogant, selbstbezogen, überlegte sie, obwohl sie zugeben musste, dass sich die Liste der Frauen, die mit ihm in Verbindung gebracht wurden, wie das Guinnessbuch der weiblichen Schönheiten las.

Das schwarze Samtkleid stand ihr ausgezeichnet, und die Farbe des Spitzenkragens unterstrich ihren cremigen Teint.

Ihre Haare hatte sie in einer weichen Rolle im Nacken zusammengenommen, die von einem Netz gehalten wurde, das über und über mit Perlen bestickt war. Übrigens ein Weihnachtsgeschenk, das sie sich im letzten Jahr selbst gemacht hatte. Während sie noch Parfüm auf Hals und Handgelenke sprühte, hörte sie schon die Türklingel, griff nach ihrem Abendmantel, ebenfalls aus schwarzem Samt, und eilte zur Tür.

Mels Augen weiteten sich anerkennend, als sie ihm öffnete. Er beugte sich über sie, aber durch eine rasche Seitwärtsbewegung Indias landete sein Kuss auf ihrem Nacken, und nicht wie beabsichtigt, auf dem Mund.

“Du siehst wundervoll aus”, sagte er einfach. “Ich wünschte, wir würden heute Abend allein sein.”

Seine Augen und seine Stimme waren voll verhaltenem Schmerz, und India spürte sofort, dass ihn etwas quälte.

“Nicht jetzt”, griff er ihrer Frage vor. “Wir unterhalten uns beim Essen.”

Er war nicht mit seinem eigenen Wagen, sondern mit einem Taxi gekommen. Es regnete, und obwohl keiner von beiden sprach, fühlte India, dass sich Traurigkeit wie eine Decke über sie beide ausbreitete.

2. KAPITEL

Am Ende einer schmalen Straße in der Nähe des Hyde-Parks war das Jardines in einem ehemaligen Kutscherhaus eingerichtet worden. Dicht an dicht standen teure Autos am Ende der Sackgasse, und unter einer gestreiften Markise trat ein Portier hervor, um sie vom Taxi zum buchsbaumgeschmückten Eingang zu geleiten.

Als sie das Restaurant betraten, fielen India auf den ersten Blick wenigstens ein halbes Dutzend prominenter Gesichter auf, und sie unterdrückte einen schwachen Seufzer. Aus den verschiedensten Gründen hätte sie viel lieber in dem kleinen italienischen Restaurant gleich bei ihr um die Ecke gegessen, aber sie wusste, dass Mel ihr etwas Besonderes bieten wollte.

Die meisten der anwesenden weiblichen Gäste trugen Abendkleider – aufwendige, kostbare Kreationen, die mehr Fleisch zeigten, als verbargen. War sie etwa prüde? Sie verdrängte den Gedanken sofort wieder, konnte aber nicht umhin, sich an die unglückliche Bemerkung von Simon Harries über prüde Schulmädchenkleidung und Seidenstrümpfe zu erinnern. Es schien ihr fast so, als wolle er ihr unterstellen, dass sie so etwas wie kindliche Unschuld vortäusche. Unverschämter Kerl!

Sie wurden zu einem kleinen Tisch geführt, der etwas abseits in einer Nische stand, was die Intimität allerdings nicht förderte, sondern den Platz zum viel beachteten Mittelpunkt des Raumes machte.

Das Restaurant war erst vor Kurzem eröffnet und im viktorianischen Stil eingerichtet worden. Die nostalgischen Tische mit Marmorplatten verschwanden fast unter den üppigen Grünpflanzen, die jetzt am Abend durch die geschickte Illumination von innen zu leuchten schienen.

“Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist ein Papagei, der aus diesem Urwald geflogen kommt”, versuchte Mel zu scherzen, während er die Speisekarte studierte.

“Entweder das oder Tarzan”, pflichtete India ihm bei.

“Gefällt es dir hier nicht? Wir können auch woanders hingehen. Dies ist das begehrteste Restaurant im Moment, und ich dachte …”

“Es ist fantastisch hier. Kneif mich, wenn du mich mit offenem Mund starren siehst. Das letzte Mal, dass ich so viele Prominente auf einem Haufen gesehen habe, war irgendeine Preisverleihung im Fernsehen.”

“Hm, es scheinen wirklich auffallend viele Schauspieler hier zu verkehren. Was möchtest du essen?”

“Ich glaube, ich beginne mit der Meeresfrüchte-Platte, und danach vielleicht Hühnchen in Weißwein.”

Mel gab ihre Bestellung an den wartenden Ober weiter und fügte seine eigene hinzu. Er war ein sehr traditionsbewusster Mann, überlegte India. Kein Macho, aber ein Mann, der die Frauen als das schwächere Geschlecht betrachtete, das beschützt werden musste. In vieler Hinsicht erinnerte er sie an ihren Vater. Sie fühlte sich aufgehoben und sicher in seiner Gegenwart, zumindest hatte sie es bis jetzt so empfunden.

Er wartete, bis ihr Essen auf dem Tisch stand und der Wein eingeschenkt war, bevor er zum eigentlichen Zweck seiner Einladung kam.

“India, du kennst meine Gefühle für dich”, platzte er dann aber ohne Umschweife heraus. “Oh, ich weiß sehr wohl, dass du mich nicht ernst nimmst, aber du bist weder naiv noch unsensibel, das weiß ich genau. Und ich weiß auch, wie du dazu stehst, dass ich verheiratet bin, denn das gehört einfach zu deiner besonderen Persönlichkeit, auch wenn ich mir manchmal wünschte, dass du nicht so … altmodisch wärst.”

“Altmodisch?”, protestierte India schwach.

“Moralisch”, korrigierte er sich. “Und wenn ich ganz ehrlich bin, will ich dich auch gar nicht anders haben. Ich wünschte mir nur, ich hätte dich schon vor zehn Jahren getroffen, bevor ich Alison heiratete. Selbst wenn du mit einer Affäre einverstanden wärest, glaube ich nicht, dass es funktionieren würde. Ich könnte es nicht ertragen, daran schuld zu sein, deine aufrichtige und integere Haltung zerstört zu haben. India …, wenn ich mich von Alison scheiden lassen würde, würdest du mich dann heiraten?”

Sie hatte es erwartet, und trotzdem war es ein Schock. India war blass geworden, und ihre Hand zitterte, als sie nach dem Weinglas griff. Sie stieß das Glas um und schaute hilflos auf das Weinrinnsal, das erst über den Tisch und dann auf den Boden floss.

Während ein Angestellter den Schaden diskret behob, versuchte Mel die Situation zu entspannen.

“So etwas passiert jeden Tag, und du hast ja nicht einmal das Glas zerbrochen”, scherzte er schwach. “Und selbst wenn, wäre es nicht das Ende der Welt.”

India wusste selbst nicht, warum sie so aus der Fassung geraten war. Sie war doch sonst nicht so ungeschickt. Zum Glück hatte das Kleid nichts abbekommen, aber ihre Finger fühlten sich etwas klebrig an. Als sie ihre Handtasche öffnete, um ein Taschentuch rauszuholen, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie beobachtet wurde. Langsam hob sie den Kopf und schaute quer durch das Restaurant direkt in Simon Harries harte, graue Augen. Ihr Herz machte einen unvernünftigen Satz und schlug ihr plötzlich bis zum Hals, und ihr Mund wurde trocken, was aber nichts mit dem leeren Weinglas zu tun hatte.

Melisande war bei ihm, schien India aber bis jetzt nicht bemerkt zu haben.

“India …”

“Oh … Entschuldige bitte”, murmelte sie.

“Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.”

“Ich wünschte, es wäre so. Oh, tut mir leid”, entschuldigte sie sich, als sie Mels besorgten Blick sah. “Das ist nur Melisandes letzte Eroberung. Sie brachte ihn heute mit in meinen Salon, und irgendwie hat er mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ich weiß auch nicht, warum.”

“Wer ist es denn?”

“Simon Harries. Du müsstest eigentlich von ihm gehört haben. Er taucht ständig in den Klatschspalten auf … Alles in Ordnung?”, fragte sie beunruhigt, als sie sah, dass er totenblass geworden war. “Mel …?”

“Es geht mir gut … Alles in Ordnung, India”, sagte er, aber seine Stimme klang verzweifelt. “Würdest du …, würdest du mich im Falle einer Scheidung heiraten, India?”

Sie beugte sich über den Tisch und legte ihre Hand in einer mitfühlenden Geste über seine. “Ich bewundere dich sehr, Mel. Ich genieße deine Freundschaft, und es gibt niemanden, den ich weniger verletzen möchte als dich, aber …”

“Aber du liebst mich nicht”, vollendete er ihren Satz mit schwerer Stimme. “Nun, ich glaube, dass ich die Antwort schon wusste, aber ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben.”

“Ich wünschte mir wirklich, ich könnte dich lieben”, sagte India spontan, selber überrascht über diesen Ausbruch. “Manchmal überlege ich, ob ich überhaupt zur Liebe fähig bin, zu dieser Liebe, die lichterloh brennt und alles andere unwichtig werden lässt”, fügte sie leise hinzu.

Tiefes Verständnis und Schmerz spiegelten sich in Melfords Augen, als er sie anschaute. “Das bist du, mein Liebling”, murmelte er heiser. “Du hast nur noch nicht den richtigen Mann gefunden. Aber weiche keinen Zentimeter von deinem Weg ab, und verleugne dich nicht selbst, indem du dich jemandem hingibst, der nicht der Eine ist.”

Dies war eine versteckte Anerkennung ihrer Zurückhaltung bezüglich ihrer sexuellen Erfahrungen, und India war überrascht von Mels Scharfsinn. Sie hatte nie mit ihm über dieses Thema gesprochen oder mit sonst irgendjemand, und sie konnte nur hoffen, dass sie für andere nicht so leicht zu durchschauen war. Es war ohnehin schwer genug für eine fünfundzwanzigjährige Jungfrau, eine angeblich coole, abgeklärte Miene zum Thema Sex zur Schau zu tragen.

“Schätzchen, du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du heute hier essen würdest”, Melisandes scharfe Augen fixierten Mel von oben bis unten. “Du siehst erschöpft aus, Mel”, stellte sie fest. “Was haben Sie nur mit ihm gemacht, Schätzchen?”, fügte sie an India gewandt hinzu.

Simon Harries stand direkt neben ihr. Es war offensichtlich, dass die beiden ihr Essen beendet hatten und im Begriff waren zu gehen. Mel schien noch mehr Farbe verloren zu haben. Er war aufgestanden, als Melisande an ihren Tisch getreten war, aber obwohl er kein kleiner Mann war, überragte ihn Simon Harries immer noch um Haupteslänge.

Selbst India musste ihren Kopf noch zurücklegen, um ihm ins Gesicht zu sehen, obwohl sie heute Abend sehr hohe Absätze trug.

“Wir wollen noch zu Tokyo Joe’s”, informierte Melisande sie. “Warum kommt ihr nicht einfach mit? Ich habe übrigens das Drehbuch zu einem göttlichen neuen Stück gelesen. Die Hauptrolle ist mir wie auf den Leib geschrieben, aber es muss ein Vermögen kosten, so eine Produktion heutzutage auf die Beine zu stellen …”

Sie hatte Mel bei diesen Worten angeschaut, doch er antwortete nicht, und die Schauspielerin zog einen Schmollmund.

“Überrede sie, mit uns zu kommen”, wandte sie sich bittend an Simon Harries. “Es wird bestimmt lustig!”

“Ich befürchte, der Spaß, den Melford und Miss Lawson im Sinn haben, benötigt nur zwei Akteure”, murmelte er gedehnt, “entgegen der puritanischen Aufmachung von Miss Lawson …”

“Aber Liebling”, protestierte Melisande halb schockiert, halb belustigt, während sich ihre Augen vor Überraschung weiteten. Mel war aufgesprungen, und India sah an der Art, wie sich seine Finger zur Faust geballt hatten und seine Wangenmuskulatur zuckte, was er vorhatte. Instinktiv streckte sie ihre Hand nach ihm aus und bat ihn, ruhig zu bleiben.

“Welch sittsames, welch beherrschtes, wohl temperiertes Verhalten!”, bemerkte Simon Harries süffisant. “Niemand würde glauben, dass Sie jemandem den Ehemann stehlen könnten. Wie haben sie nur herausgefunden, dass die meisten Männer, besonders die älteren Semester, auf diese Rühr-mich-nicht-an-Masche hereinfallen?”

Er drehte sich auf dem Absatz herum, ehe India antworten konnte, schob seine Hand unter Melisandes Ellbogen und verließ mit ihr das Restaurant. Niemand von den anderen Gästen schien dieses kleine Intermezzo bemerkt zu haben. India schaute zu Mel. Er war weiß wie eine Wand, die Haut spannte über seinen Wangen, und in seinen Augen las sie Schmerz und Niederlage.

“Er hatte kein Recht, so mit dir zu reden”, stieß er erstickt hervor. “Niemals. Mein Gott, ich hätte ihn umbringen sollen!”

“Vergiss ihn. Es macht mir nichts aus”, sagte India leichthin.

“Ich habe nicht überlegt, in was für eine Situation ich dich bringe – wie andere unsere Freundschaft interpretieren könnten.” Sein Mund zuckte schmerzlich. “Und all das für nichts! India, da gibt es etwas, was ich dir sagen muss. Oh, wenn es nur die leiseste Chance gäbe, dass du mich heiraten würdest …! Alison, meine Frau …, sie ist schwanger.”

Er zog eine Grimasse, als er Indias Gesichtsausdruck sah. “Ja, ich weiß, was du jetzt denkst, mein Schatz … Aber weißt du – Männer sind einfach so. Trotz meiner Gefühle für dich habe ich mit meiner Frau geschlafen. Verabscheuungswürdig, nicht wahr? Und die ganze Zeit war mir klar, dass du mich sowieso nicht nehmen würdest, wenn du wüsstest, dass sie ein Kind von mir unter ihrem Herzen trägt. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte. Nach der Geburt der Jungen, hat der Arzt Alison gesagt, dass sie keine Kinder mehr bekommen dürfe. Vielleicht war das der Grund …” Er runzelte die Stirn. “Mein Gott, ich sollte dich nicht noch mit all dem belasten, aber Tatsache ist, dass wir nach Jonnys Geburt getrennte Schlafzimmer hatten. Es ging ihr sehr schlecht, und der Arzt hat uns vor einer weiteren Schwangerschaft gewarnt. Die Pille konnte sie nicht vertragen, und wie auch immer … wir haben nicht mehr miteinander geschlafen. Bis auf dieses eine Mal. Ihre Eltern, und ihr Bruder mit Frau haben uns besucht, und wir brauchten das zusätzliche Gästezimmer, also musste ich in dieser Nacht bei ihr schlafen …”

“Was wird sie tun?”, fragte India mit trockenem Mund. “Abtreiben?”

Mel schüttelte den Kopf. “Nein, das kommt für sie überhaupt nicht in Frage, und ich muss gestehen, ich habe damit auch meine Probleme. Nein, heute Abend ist die Entscheidung gefallen. Hättest du zugestimmt, mich zu heiraten, hätte ich Alison um die Scheidung gebeten. Glücklicherweise bin ich in der Lage, auch zwei Familien zu unterhalten. Aber da du mich nicht willst, werde ich die Verantwortung für mein Kind übernehmen und mich bemühen, ihm ein stabiles Heim zu verschaffen. Alison geht es nicht gut, und …”

“Weiß sie …, weiß sie über deine Gefühle Bescheid? Ich meine …”

“Über dich?” Mel schüttelte den Kopf. “Nichts Genaues. Oh, sie merkt, dass nicht alles so ist, wie es sein sollte. Ich werde für eine Weile weggehen, India. Ich weiß, es ist alles meine Schuld, aber ich brauche Zeit – Zeit, um Kraft zu sammeln …”

“Wo wirst du hinfahren?”

“Das weiß ich noch nicht.”

Sie verließen das Restaurant in einem Schweigen, das auch während der Taxifahrt anhielt, mürrisch auf Mels Seite und mitleidig auf Indias. Mitleid nicht nur für Mel, sondern auch für seine Frau. Das Taxi hielt vor dem ausladenden Appartementkomplex, wo Mel wohnte.

“Komm mit rauf auf einen Drink”, bat er leise, und India hatte nicht das Herz, ihm einen Korb zu geben.

Sie war zwar schon in seiner Wohnung gewesen, aber niemals mitten in der Nacht und allein mit ihm. Es war ein seltsam steriles, unpersönliches Appartement, trotz der kostbaren Möbel und Accessoires.

“Alison hasst diese Wohnung”, vertraute er India an, während er ihr einen Drink reichte. “Sie bevorzugt das Land. Ich glaube, ich gebe das Appartement auf. Ich habe jetzt eine Position in meinem Arbeitsleben erreicht, dass ich es mir leisten kann, die meisten Geschäfte von zu Hause aus zu erledigen … Alison und ich hätten nie heiraten dürfen. Wir sind zu verschieden.”

“Wie habt ihr euch kennengelernt?”, fragte India sanft, weil sie sein Bedürfnis spürte zu reden.

“Auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Ihre Familie hatte das, was man Einfluss nennt, kaum Geld, aber Generationen von blauem Blut und jede Menge richtiger Eheschließungen. Um die Geschichte abzukürzen, wir beide überzeugten uns gegenseitig, dass wir füreinander bestimmt seien, dass wir uns lieben würden und heirateten schließlich. Es dauerte nicht lange, bis die Luftblase platzte. Alison war es bald leid, mich sämtlichen Ehemännern ihrer Freundinnen vorzustellen, die dann vorbeikamen und sehr schnell jegliches Interesse an mir verloren.”

“Aber du hast sie doch einmal geliebt”, erinnerte ihn India sanft. “Und sie liebte dich. Ihr beide tragt eine Verantwortung euch gegenüber, und gegenüber euren Kindern.”

“Verantwortung?”, lachte Mel bitter auf. “Himmel, das ist eine absolut sterile, erbarmungslose Welt. Komm, lass mich dir ein Taxi rufen.”

“Es ist nicht weit. Ich kann laufen.”

“Auf keinen Fall.”

Schließlich erlaubte sie ihm, ein Taxi zu rufen und musste unwillkürlich lächeln, als er darauf bestand, sie hinunterzubegleiten und mit ihr auf das Taxi zu warten.

Ungeachtet des Taxis und des vorbeirauschenden Verkehrs nahm sie zum Abschied sein unglückliches Gesicht in beide Hände und schaute ihm fest in die Augen.

“Oh, Mel. Schau mich nicht so an. Es wird alles gut werden … Ich weiß es ganz sicher.”

“Wird es das?” Mit einem dumpfen Aufstöhnen zog er sie in seine Arme und küsste sie mit einer verzweifelten Leidenschaft, gegen die sie sich nicht wehrte, da sie wusste, dass sie den endgültigen Abschied bedeutete. Sie schloss ihn in die Arme – überwältigt von Mitleid und ungeachtet des vorbeibrausenden dunkelgrünen Ferraris und des bitteren Zynismus in den Augen des Mannes, der ihn chauffierte.

Die ganze letzte Woche hatte sie für eine ihrer ältesten Kundinnen und deren Tochter gearbeitet. Es ging um Designerroben anlässlich des achtzehnten Geburtstages des jungen Mädchens. Celia Harvey war klein und mollig, mit weichen dunklen Haaren und einem madonnenhaften Ausdruck im Gesicht. India wollte sie gerne in etwas Fließendes, Engelhaftes stecken, aber die junge Dame bestand energisch auf einem knappen, sexy Outfit. Ihre Mutter zog verzweifelt die Augenbrauen hoch, und India sympathisierte stark mit ihr.

Nun, entweder Celia würden ihre Kreationen gefallen oder sie konnte sich eine andere Designerin suchen, beschloss India schließlich und blickte seufzend auf den Stapel sorgfältig gezeichneter Entwürfe. Ihr Kopf begann zu schmerzen. Jennifer und die Mädchen aus dem Nähraum waren schon vor Stunden nach Hause gegangen. Sie schaute auf die Uhr. Fast neun. Sie wollte nur noch nach Hause, ein schönes Bad nehmen und in ihr Bett kriechen.

India zog eine Grimasse, als ihr der Brief einfiel, den sie heute von ihrem Steuerberater bekommen hatte. Ihr Problem war, dass ihre Kundschaft derart schnell expandierte, dass sie kaum noch dazu kam, die buchhalterischen Arbeiten zu erledigen. Am liebsten würde sie diese ganze Schiene abgeben – aber an wen? In diesen Momenten vermisste sie Mel. Wie selbstsüchtig, überlegte sie. Seit dem Abend im Jardines hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hatte er sich schon längst, wie geplant, irgendwohin zurückgezogen.

Auch sie selbst hatte einen Urlaub dringend nötig. Aber der Sommer schien so weit weg wie noch nie. London erlebte gerade einen schrecklichen Frühling, mit kalten, stürmischen Winden und einem penetranten Dauerregen.

Selbstverständlich war auch kein Taxi in Sicht, als sie auf die Straße trat. Anstatt auf den Bus zu warten, setzte sie sich energisch in Richtung ihrer Wohnung in Bewegung. Genau zwischen zwei Bushaltestellen setzte ein eisiger Schauer ein, aber der heftige Wind verbot von vornherein den Versuch, einen Schirm aufzuspannen. Als sie endlich ihre Wohnung erreichte, war sie sowohl völlig durchnässt wie auch halb erfroren.

Sie rannte in ihr Bad und gab sich die nächste halbe Stunde dem Genuss eines heißen duftenden Bades hin. Dann schlang sie ein Handtuch um ihre frisch gewaschenen Haare und marschierte in die Küche, um sich eine Suppe heiß zu machen.

Wenn sie weiter in diesem Stil wie heute arbeiten würde, drohte ihr Appetit sie noch völlig zu verlassen, überlegte sie. Sie hätte die Arbeit für Celia ablehnen können. Ihre jetzigen Aufträge würden sie ohnehin schon bis zum Herbst beschäftigen. Die Arbeit im Salon drohte sie fast aufzufressen. Erst heute Morgen hatte Jenny sie darauf angesprochen, dass sie nie mehr die Zeit finden würde auszugehen oder irgendetwas anderes privat zu unternehmen.

“Immer nur Arbeit und keinen Spaß, macht die Jungfer trüb und blass”, zitierte Jennifer. Wo ist nur mein Sinn für Humor geblieben, überlegte India, die sich durch diese Bemerkung unverhältnismäßig getroffen fühlte.

“Mach dir nichts draus”, versuchte Jennifer, sie zu beruhigen, als sie es ihr später gestand. “Wir leiden alle von Zeit zu Zeit darunter.”

“Leiden? Unter was?”, fragte India unklugerweise.

Jenny schaute ihr eindringlich in die Augen. “Unter den Hormonen natürlich!”

War das die Antwort? Sie hatte nie das Gefühl gehabt, dass ihr ein Liebhaber oder so etwas fehlte. Aber irgendwie meldeten ihr Körper und ihre Psyche Bedürfnisse an, die sie bisher erfolgreich ignoriert hatte, die sich aber gerade jetzt im Frühling energisch meldeten. Der Frühling war die schlechteste Zeit, um allein zu sein.

Aber ich bin doch gar nicht allein, sagte sie sich beruhigend. Sie hatte doch jede Menge …

Das Klingeln des Telefons unterbrach ihre trüben Gedanken. Sie lief in die Diele und nahm den Hörer ab.

“Miss Lawson?”, meldete sich eine energische, männliche Stimme. “Sie erinnern sich an mich? Simon Harries.”

Mit ihrer freien Hand raffte sie ihren seidenen Bademantel vorne zusammen, als ob er durchs Telefon sehen könnte, wie wenig sie anhatte. Ihr Mund fühlte sich trocken an, und ihr Herz schlug bis zum Hals.

“Ja, Mr. Harries”, sagte sie so kühl wie möglich. “Was kann ich für Sie tun?”

“Es geht nicht darum, was Sie für mich, sondern darum, was Sie für Melisande tun können.”

“Melisande?” India runzelte ihre Stirn. “Ich denke, die ist in den USA zu Filmaufnahmen.”

“So ist es auch. Sie wird aber an diesem Wochenende zurückkommen. Ich bereite eine Überraschungsparty für sie vor, und sie hat mich eindringlich darum gebeten, Sie einzuladen.”

“Mich? Aber …”

“Ich hoffe, Sie können es einrichten. Einige meiner Kollegen vom South-Mid-Sender werden auch kommen, und Melisande hat mir erzählt, Sie seien sehr daran interessiert, Filmgarderobe zu entwerfen.”

“Nicht besonders”, erwiderte sie kurz.

Was um alles in der Welt hatte dieser Mann an sich, dass sich ihre Haare aufstellten, wenn sie nur seine Stimme hörte.

“Melisande würde sehr enttäuscht sein …”

“Ich weiß wirklich nicht, ob ich es einrichten kann”, unterbrach India ihn. “Ich habe im Moment eine Menge Arbeit und muss erst in meinen Terminkalender schauen.”

“Sehr gut. Ich werde Sie morgen im Salon anrufen und hören, was Sie tun konnten”, sagte er kühl.

Nachdem er aufgelegt hatte, versuchte India, sich zu beruhigen, aber es gelang ihr einfach nicht. Nervös und gereizt tigerte sie in ihrer Wohnung hin und her, bis sie schließlich in ihrem Arbeitszimmer landete und dort bis tief in die Nacht über ihren Entwürfen brütete.

Am nächsten Morgen beim Kaffee erzählte sie Jenny von der Einladung.

“Natürlich gehst du hin”, beschloss ihre Sekretärin kategorisch. “Du Glückliche!”

“Aber …”, zögerte India. “Ich weiß wirklich nicht, wie ich das schaffen soll. Es gibt so viel zu tun im Moment.”

“Nichts, was nicht auch warten kann”, sagte Jenny energisch. “Schau, ich habe das Auftragsbuch hier. Du kannst tagsüber, jede Nacht und auch noch am Wochenende arbeiten.”

“Ja, aber Celias Kleid …”

“Vergiss Celia! Ich weiß sowieso nicht, warum du so viel Zeit an sie verschwendest. Wenn sie sich wie ein fetter, kleiner Tannenbaum rausputzen will, dann lass sie doch! Nein, ernsthaft – du musst dort hingehen. Du bist zwar meine Chefin, und ich hänge an meinem Job, aber zu meinen Aufgaben gehört auch, dass ich auf meinen Boss aufpasse, dass er sich nicht überarbeitet. Eine Party! Ein halbes Dutzend Stunden deines Lebens …”

So gesehen, waren ihre Vorbehalte wirklich ein wenig lächerlich, musste India zugeben. Sie wusste eigentlich selbst nicht, warum sie sich innerlich so gegen diese Einladung sperrte. Aber irgendwie hatte das mit Simon Harries zu tun.

“Weißt du, ich glaube, du hast einfach Angst, dort hinzugehen”, sagte Jenny nachdenklich, als sie ihre Kaffeepause beendet hatten. “Habe ich recht, India?”

“Nein! Nein …, natürlich nicht! Warum sollte ich auch?” Ja, warum auch?

Unvermittelt begann das Telefon zu klingeln.

“Es ist Simon Harries”, teilte ihr Jenny, die den Anruf angenommen hatte, flüsternd mit. “Soll ich ihm sagen, dass du kommst?”

“Das kann ich ihm auch selbst sagen, vielen Dank”, sagte India trocken und streckte die Hand nach dem Hörer aus.

“Haben Sie es einrichten können?”, fragte er ohne Umschweife. Offensichtlich hatte er nicht vor, mehr Zeit als unbedingt notwendig in so eine belanglose Sache zu investieren.

Sich Jennys Anwesenheit deutlich bewusst, versuchte India so kühl und unverbindlich wie nur möglich zu antworten. “Ja, ich denke schon.”

“Gut. Melisande wäre sonst auch sehr enttäuscht gewesen. Sie legt sehr viel Wert auf Ihr Erscheinen, und ich auch.”

Wieso fing ihr Puls bei diesen lässig hingeworfenen Worten nur so an zu rasen?

“Oh, ehe ich es vergesse. Bemühen Sie sich bitte nicht um ein Taxi. Ich werde Sie abholen. Um acht vor ihrer Wohnung – ich kenne die Adresse.”

Er hatte aufgelegt, ehe India einen Ton hervorbringen konnte.

“Nun?”, fragte Jenny neugierig. “Gehst du hin?”

“Es sieht wohl so aus”, erwiderte India langsam.

“Großartig! Alles, was du jetzt noch tun musst, ist zu überlegen, was du anziehst.”

3. KAPITEL

Bedeutende letzte Worte, dachte India reuevoll, als sie wenige Tage später ihre spärliche Garderobe inspizierte. Wie sie Melisande kannte, würden die meisten Gäste aus der Sparte Reich und Schön sein, Menschen, mit denen sie ohnehin nicht mithalten konnte.

Positiv denken, ermahnte India sich selbst. Sie mochte weder reich sein, noch einen Titel haben, aber sie war jung, einigermaßen attraktiv, und wenn sie auch nicht so auf Glamour bedacht war wie andere Frauen, brauchte sie sich in keinem Fall zu schämen.

Andererseits war ihr Hang zu zeitlos schlichter Kleidung heute vielleicht nicht unbedingt angesagt. Zwischen Melisande und den High Society-Damen würde sie sonst wie ein Karpfen in einem tropischen Aquarium wirken. Nervös befingerte sie ihr Samtkleid und errötete unwillkürlich, als sie an den Blick dachte, mit dem Simon Harries es an jenem Abend im Jardines betrachtet hatte.

Ohne sich weiter Rechenschaft über ihre Gefühle abzugeben, ging sie zum Telefon und bestellte sich ein Taxi. Als es kam, war sie gebadet und frisch geschminkt. Vor ihrem Salon bat sie den Fahrer, auf sie zu warten und lief eilig hinein.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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