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Die Beziehung zwischen Alex und Julia wird durch die Belastungen, mit denen Julia zu kämpfen hat, auf eine harte Probe gestellt. Julia kommt nach wie vor nicht mit dem Tod ihrer besten Freundin Lisa klar, als eines Tages Lisas Vater vor der Tür steht und Julia einen Brief von Lisa, den er beim Durchsehen ihrer Sachen gefunden hat, übergibt. Julia weiß nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Sie sehnt sich so sehr nach Liebe und Geborgenheit, die ihr Alex aufgrund der Entfernung, die zwischen ihnen liegt, nicht geben kann. Und dann lernt Julia Sandro kennen...
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Seitenzahl: 246
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Inga Neudert ist gelernte Erzieherin. Sie arbeitete bislang mit Kindern, Jugendlichen und Familien und setzte sich hierdurch immer wieder mit Themen, die Jugendliche beschäftigen, auseinander. Mit ihrem Sohn wohnt sie in einem kleinen Ort im Fichtelgebirge.
Die Autorin ist zu erreichen unter: [email protected]
Samstag, 11.6.
Montag, 13.6.
Donnerstag, 16.6.
Samstag, 18.6.
Montag, 20.6.
Dienstag, 9.8.
Montag, 15.8.
Freitag, 19.8.
Freitag, 26.8.
Montag, 29.8.
Dienstag, 30.8.
Freitag, 2.9.
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Montag, 5.9.
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Freitag, 9.9.
Sonntag, 11.9.
Dienstag, 13.9.
Sonntag, 6.11.
Samstag, 12.11.
Sonntag, 13.11.
Sonntag, 20.11.
Dienstag, 22.11.
Freitag, 25.11.
Sonntag, 27.11.
Dienstag, 6.12.
Mittwoch, 7.12.
Samstag, 10.12.
Dienstag, 15.1.
Mittwoch, 17.1.
Sonntag, 21.1.
Oh Mann! Was soll ich nur tun? Ich bin hin und her gerissen. Auf der einen Seite fühle ich mich wie ein Schisser. Sarah ist doch eigentlich total nett und voll normal. Wenn sie schon so viel Erfahrungen mit diesem Thema hat, kann mir doch eigentlich gar nichts passieren. Eigentlich… Und was ist, wenn doch? Wenn mir das gleiche passiert, wie Sarah passiert ist, als die Toten zu ihr gekommen sind?
Frau Denkmann hat mich auch davor gewarnt. Ihr Rat war bis jetzt immer Gold wert. So ein Mist. Lisa… ich vermisse dich so…
Vernunft
Ich sitze zwischen zwei Stühlen.
Mich wühlen
die Gedanken ans Tischerücken auf.
Beschwör ich dann vielleicht wirklich etwas herauf,
was ich nicht mehr kontrollieren kann
und vielleicht aus dem Ruder läuft irgendwann?
Ich muss überlegen,
muss mich mit Vernunft dagegen
entscheiden
und weiter leiden,
weil ich keinen Kontakt zu Lisa habe
und immer noch ein Fünkchen Schuld in mir trage,
obwohl mir jetzt bewusst geworden ist,
dass Lisa selbst an diesem Mist
die Verantwortung hat
und ich tatsächlich keine Schuld daran trag…
Meine Lisa…
Ich werd noch mal mit Sarah sprechen. Am besten jetzt gleich:
„Hey Sarah, hier ist Julia!”
„Hey Julia, na wie geht´s?”
„So lala. Ich möchte mit dir noch mal über das Tischerücken sprechen. Aber sag mir doch erst mal, wie es dir geht.”
„Frage nicht. Beschissen.”
„Immer noch? Aber deine OP ist doch bestimmt schon über einen Monat her!”
„Genau genommen eineinhalb Monate.”
„Hast du noch Schmerzen?”
„Schmerzen wie die Hölle ist das eine. Und das andere ist, meine Brust öffnet sich nach wie vor an der Naht und Flüssigkeit fließt heraus. Gestern bereits das sechste Mal.”
„Und, was sagt der Arzt?”
„Er meint, ich habe immer noch eine Entzündung und kann froh sein, dass ich nicht noch mal operiert werden musste. Das sei nämlich der übliche Weg, wenn man einen Abszess hat. Außerdem hätte ich echt Schwein gehabt, denn dieses Eiter in der Brust hätte zu einer Vergiftung und damit auch zum Tod führen können.”
„Krass. Und was hast du jetzt vor? Willst du das Krankenhaus verklagen?”
„Eigentlich müsste man das tun. Denn dass hier was nicht mit richtigen Dingen zugegangen ist, sieht ein Blinder mit Krückstock. Doch leider ist es halt so, wie wir schon mal gesagt haben: Für solche Probleme unterschreibst du vor der OP, dass du über die möglichen Risiken aufgeklärt wurdest. Dann fang mal an zu kämpfen gegen die Götter in Weiß.”
„Glaub mir, ich muss total oft daran denken, was dir passiert ist. War für mich damals der volle Schock. Die Bilder seh ich immer noch genau vor mir und wie du geschrien hast. Ich wünsch dir von Herzen, dass alles wieder gut wird.”
„Danke. Das tut echt gut. Aber jetzt erzähl du mal.”
„Tja, ich wollte dich noch mal wegen dem Tischerücken anrufen. Auf der einen Seite verspüre ich echt den Drang, mit Lisa reden zu können. Auf der anderen Seite habe ich Bedenken, ich könnte etwas auslösen, was ich dann vielleicht nicht mehr kontrollieren kann.”
„He! Ich bin doch bei dir. Glaub mir - du brauchst null Angst zu haben. Dir kann gar nichts passieren.”
„Das, was du gerade sagst, kommt mir irgendwie bekannt vor. Vor nicht allzu langer Zeit stand ich vor einer ähnlichen Entscheidung. Aber das ist ein anderes Thema. Trotzdem danke für diesen Satz. Jetzt weiß ich, wie ich mich zu entscheiden habe.”
„Wie - für welchen Satz?”
„Für den Satz, …ich bräuchte überhaupt keine Angst zu haben, weil du bei mir bist und dass mir nichts passieren kann…”
„Muss ich das jetzt verstehen?”
„Ne. Musst du nicht. Aber ich hab mich gerade endgültig entschieden, die Finger davon zu lassen. Sicher ist sicher. Weißt du, ich hab kein gutes Gefühl dabei. Bitte sei nicht sauer.”
„Ne, deswegen bin ich doch nicht sauer. Jedem das Seine. Damit hab ich kein Problem. Wenn du willst, können wir uns ja trotzdem irgendwann mal treffen, wenn ich wieder gesund bin.”
„Gerne. Gute Besserung.”
„Danke, bis bald.”
OK. Jetzt ist es raus. Keine Geisterbeschwörung. Ich lass die Finger davon. Sicher ist sicher. Außerdem ziehe ich ja oftmals das Unglück an wie die Scheiße die Fliegen. Und nach allem, was in der letzten Zeit passiert ist, muss ich echt nicht haben, dass bei mir wegen dem Tischerücken der worst case eintritt. Der schlimmste Fall. Also: Sicher ist sicher.
Die Pfingstferien sind vorbei. Heute war der erste Schultag. Noch vor Unterrichtsbeginn stürmte Caro auf mich zu und begann, wie wild auf mich einzureden und von den Ferien bei Jochen zu erzählen. Ich musste sie erst mal bremsen:
„Haaaalt! Caro was hältst du davon, wenn du mal Luft holst!?”
„Luft holen kann ich später! Ich muss dir unbedingt erzählen, was ich alles erlebt habe!”
„Bitte sei mir nicht böse. Wir müssen das kurz verschieben. Hab irgendwie grad nicht den Nerv dazu.”
„Wie, du hast nicht den Nerv dazu? Ich habe eine Woche bei meinem Freund Jochen und deinem Freund Alex verbracht und du hast nicht den Nerv dazu, zu hören, wie es dort war?”
„Nur im Moment nicht. Hab einfach schlecht geschlafen. Lass uns heute Nachmittag noch mal drüber reden. Ich könnte zu dir kommen.”
„OK. Sag bloß, die Geschichte mit Lisa steckt dir immer noch in den Knochen?”
„Wir reden heut Nachmittag, in Ordnung?”
„In Ordnung.”
Leicht irritiert machte sich Caro vom Acker. Was hätte ich denn sagen sollen? Zum Beispiel „Hey Caro. Freut mich, dass du so tolle Ferien hattest. Erzähl mal… Meine waren auch ganz toll. Zum einen wusste ich nicht, wie ich damit klar kommen sollte, dass ich mich am Tod von Lisa schuldig fühlte. Ich war drauf und dran, mithilfe einer Geisterbeschwörung Kontakt zu Lisa aufzunehmen. Und wenn ich ehrlich bin, schwirrt mir dieser Gedanke immer noch im Kopf rum. Weil das alles wirklich noch nicht genug war, wusste ich bis vor kurzem noch nicht einmal, ob ich bisexuell bin. Aber - he! Dieses Thema ist jetzt zumindest durch, denn ich habe zusammen mit Ramona, die übrigens in mich verliebt ist, herausfinden wollen, ob an meinen verwirrten Gefühlen für sie etwas dran ist. Welche verwirrte Gefühle fragst du? Na die, die ich hatte, als ich dann das zweite Mal mit ihr geknutscht habe. Ja ja. Ich weiß. Ich habe doch einen Freund. Und Alex liebt mich. Das weiß ich auch. Aber ich musste das herausfinden, damit ich in Zukunft einfach Klarheit habe, ob ich nur auf Jungs oder auf Jungs und Mädchen stehe. Aber wie gesagt, dieses Thema ist vom Tisch. Ich stehe nur auf Jungs. Ob ich mit Ramona geschlafen habe? Fast. Fast hätte ich es getan. Und glaube mir, ich war auch dazu bereit. Doch dann merkte ich, dass das „Mädchen mit Mädchen - Ding” doch nicht meine Sache ist. Du siehst also, ich hatte auch interessante Ferien.”
Leckomio. Man stelle sich dabei mal Caros Gesicht vor. Die wäre mir glatt am ersten Schultag noch vor Unterrichtsbeginn aus den Latschen gekippt. Gut. Bis zum Nachmittag hatte ich dann mit meiner „verschieben wir´s auf später Taktik” zumindest noch genügend Zeit, mir einfallen zu lassen, wie viel ich Caro verrate und was ich besser für mich behalte.
Zumindest wurde der Nachmittag bei Caro total schön. Ich hatte mal echt wieder ein paar relaxte Stunden, die mich von der ganzen Scheiße der letzten Tage ablenkten:
„Sag mal Julia, bist du denn kein bisschen neugierig, was ich die letzten Tage erlebt habe und wie es Alex geht?”
„Doch. Natürlich bin ich neugierig.”
„Mir kommt es aber nicht so vor.”
„Hatte einfach viel um die Ohren.”
„Immer noch die Geschichte mit Lisa?”
„Hmmm.”
„Kann mir schon vorstellen, dass das alles nicht einfach für dich ist. Wenn ich mir vorstelle, meiner besten Freundin würde das passieren… Schon krass.”
„Hmmmm.”
„Kommst du mittlerweile einigermaßen mit Lisas Tod klar?”
„Muss ja irgendwie gehen.”
„Ja, das Leben geht weiter. So ist es nun mal. Für dich ist es jetzt wichtig, nach vorne zu schauen. Die Welt dreht sich nun mal weiter, ob es uns gut geht, oder schlecht.”
„Ich weiß.”
„Apropos schlecht. Alex geht es schlecht. Er vermisst dich total und würde dir so gerne helfen.”
„Ich denke, da kann er mir nicht viel helfen. Da muss ich alleine durch.”
„Klar musst du alleine durch. Aber lass ihn zumindest an deinen Gedanken teilhaben. Ich finde, er hat es nicht verdient, dass du ihn so auf´s Wartegleis stellst.”
„Hat er wohl gesagt, er fühlt sich wie auf dem Wartegleis?”
„Ne, nicht so direkt. Aber er hat eindeutig durchblicken lassen, dass die Situation echt an seinen Nerven zerrt und dass er sich wünschen würde, mehr für dich da sein zu können. Geb dir einen Ruck. Ruf ihn an. Du wirst sehen, er wird sich freuen wie ein Schnitzel.”
„Mach ich. Ich ruf ihn gleich heute Abend an.”
„Cool. Und jetzt erzähl ich dir mein persönliches highlight mit Jochen. Rate mal…”
„Ähhhmmm… Ich habt zusammen geschlafen…???”
„Hundert Punkte und eine Waschmaschine!”
„Ernsthaft? War das nicht ein bisschen bald?”
„Weißt du, ich halte nicht so viel davon, monatelang zu warten, um dann nach dem Sex vielleicht doch herauszufinden, dass man überhaupt nicht zusammen passt. Stell dir mal folgende Situation vor: Man wartet mit dem ersten Mal bis nach der Ehe, um dann zu checken, dass der Typ beim Sex auf mega ekelige, krasse Sachen steht oder vielleicht kein bisschen auf seine Frau eingehen kann und nur an sich denkt! Das wäre doch echt der totale Albtraum. Ich bin der Meinung: Ein bisschen vorher kennen lernen ist schon wichtig. Und ich finde, Jochen und ich hatten genug Zeit, uns ein bisschen, bzw. mehr wie ein bisschen vorher kennen zu lernen. Denk doch bloß mal an die Zeit in Spanien! Da waren wir ja ständig zusammen. Und dann dieses Wochenende, als sie uns besucht haben! Da waren wir ja auch ständig zusammen. Meiner Meinung nach hatte unser Kennenlernen eine echt gute Qualität, sodass ich es nicht länger für nötig hielt, weiter zu warten.”
„Oookeeyy… Was du da sagst, leuchtet mir irgendwie ein, muss ich gestehen. Und Jochen ist ja außerdem echt ein feiner Kerl.”
„Finde ich auch. Und sooo romantisch!”
„Jetzt erzähl doch mal von vorne!!!”
„OK. Also du weißt ja, meine Eltern sind nicht so streng, wie deine. Von daher war es von Anfang an keine Frage, wie die Übernachtungsgeschichte gelöst werden soll. Jochen bewohnt im Haus seiner Eltern eine eigene ganze Etage, sodass wir komplett ungestört waren.”
„Cool…”
„Das kannst du laut sagen. Jochen hat sich für mich echt ins Zeug gelegt. Als ich an kam, lagen im Flur auf dem Boden ganz viele rote Rosen verteilt und außerdem hatte er mir ein Bad mit lauter Rosenblättern eingelassen. Eigentlich dachte ich, wir würden gemeinsam darin baden, doch Jochen meinte, ich solle mich erst mal alleine von der langen Zugfahrt erholen.”
„Wie romantisch…”
„Fand ich auch. Total romantisch. Er schaltete mir sogar ganz leise Schmusemusik ein. Um ein Haar wäre ich in der Wanne eingeschlafen. Abends führte er mich zum Essen aus. Zu späterer Stunde trafen wir uns dann mit Alex in einer Bar.”
„Du hast meinen Alex getroffen…”
„Ja. Und glaube mir, nichts wäre in diesem Moment cooler gewesen, als wenn du dabei gewesen wärst. Wir alle haben ganz genau gemerkt, dass du fehlst.”
„Echt?”
„Echt.”
„Und Alex hat nicht zufällig irgendwelche anderen Mädels angebaggert?”
„Keine einzige. Er hat nicht einmal ein Auge riskiert. Er hat nur von dir gesprochen und von der gemeinsamen Zeit, die ihr und wir alle zusammen verbracht haben.”
„Schöööön. Und dann?”
„Dann sind wir wieder heim zu Jochen. Und stell dir vor: Als Jochen sich dann waschen ging, bin ich doch tatsächlich eingepennt und erst am anderen Morgen wieder aufgewacht - in Jochens Armen.”
„Also ist am ersten Abend nichts zwischen euch gelaufen?”
„Null Komma null. Ich war komplett ausgeknockt. Am zweiten Tag hat mir Jochen dann seine Heimatstadt gezeigt und mich einigen seiner Freunde vorgestellt. Fand ich voll putzig, wie stolz er dabei war… Den Abend verbrachten wir diesmal bei ihm zuhause.”
„Dann ist es passiert?”
„Fast. Am zweiten Abend haben wir erst Petting miteinander gemacht. Jochen meinte, er will, dass ich mir ganz sicher bin, dass ich mit ihm schlafen will. Und obwohl ich ihm beteuerte, ich wäre mir absolut sicher, meinte er, ich solle trotzdem noch eine Nacht drüber schlafen.”
„Also ist es am dritten Abend passiert?”
„Am dritten Nachmittag. Denn ich konnte und wollte nicht mehr bis zum Abend warten. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, essen zu gehen und anschließend ins Kino. Doch als wir so auf dem Sofa saßen und miteinander redeten, konnte ich mich nicht mehr zurück halten und fing an, ihn wie wild zu küssen und auszuziehen. Er musste erstmal tierisch lachen und schrie ‚halt halt! Was soll das denn werden?’ Ich entgegnete: ‚Na, nach was sieht´s denn aus?’ Darauf meinte er: ‚Bist du dir ganz sicher?’ Und ich: ‚Ganz sicher’. Dann holte er ein Kondom aus seiner Schublade und wir schliefen miteinander. Mann Julia! Du kannst dir echt nicht vorstellen, wie traumhaft schön es war! Jochen war total zärtlich und gab sich so viel Mühe, dass es für mich auch schön wurde. Anschließend unterhielten wir uns drüber, dass wir gegenseitig voneinander dachten, wir wären schüchtern und mussten beide lachen. Naja, eigentlich sind wir ja auch beide schüchtern. Aber eben nur am Anfang. Wenn wir mal aufgetaut sind, dann…”
„Also passt ihr richtig gut zusammen.”
„Wie die Faust auf´s Auge. Und echt: Das Beste an Jochen ist, er schaut beim Sex total auf mich, ob´s mir auch Spaß macht. Die meisten Jungs denken ja leider, Sex ist vergleichbar mit Sport: Wer kommt zuerst ans Ziel? Wer hat den ersten Orgasmus? Und dann checken sie nicht einmal, wenn das Mädchen total frustriert daneben liegt und absolut nichts von der Sache gehabt hat. Aber die Jungs fühlen sich trotzdem als die großen Bringer. Dass man sich vielleicht, bevor man miteinander schläft, auch mal vorher gegenseitig berührt, davor haben die meisten noch nichts gehört. Rein, raus, abspritzen, fertig. Toll. Und dann am Besten noch irgend so ein cooler Spruch hinterher: Mann war das geil… Klar Baby. Geil für dich vielleicht. Ach ja - dann gibt es noch die Sorte Jungs, die das Mädchen zwar vorher versuchen zu streicheln, auch im Intimbereich, aber dabei mehr kaputt machen, als dass es anturnt. Die meinen da unten rumrühren zu müssen, das ist die wahre Pracht. Und man selber liegt da und überlegt, ob man dem Typen gleich eine Scheuern soll, oder erst später. Was meinst du? Die meisten Jungs haben doch echt keine Ahnung, wie man Mädchen da unten anfasst, dass es ihnen auch gefällt.”
„Ähhh… Da kann ich leider nicht mitreden.”
„Oh ja sorry. Ich vergaß. Du hast ja noch nicht… Aber das wirst du noch früh genug alles erfahren, glaub mir. Umso stolzer bin ich, jetzt einen Freund zu haben, der echt alles richtig macht. Und stell dir vor: Er hat sogar nachgefragt, ob es so richtig ist, wie er mich anfasst.”
„Ich freu mich für dich, ehrlich. Komm lass dich mal drücken…”
„Ich freu mich auch. Es ist wie im Märchen. Ich glaube, ich habe meinen Prinz gefunden. Und dein Prinz wartet auch auf dich.”
„Ich weiß. Erzähl mal weiter. Wie verliefen denn die anderen Tage?”
„Super cool. Jochen und ich haben ganz viel unternommen, waren im Zoo, sind schwimmen gegangen, ins Kino, tanzen und auf einen Rummelplatz.”
„Na, da hast du ja echt ganz schön was erlebt.”
„Das hättest du auch haben können.”
„Ich weiß. Aber wenn ich mitgefahren wäre, wäre ich echt bloß die Spaßbremse gewesen. Es war besser so.”
„Kann sein. Komm ich zeig dir noch ein paar Fotos…”
Der Nachmittag verging wie im Flug und wie gesagt fühlte ich mich das erste Mal wieder seit einer halben Ewigkeit abgelenkt von dem ganzen anderen Mist. Es tat gut mit Caro die Zeit zu verbringen. Ich freue mich für sie und Jochen. Und: Ich muss unbedingt meinen Schatz heute Abend anrufen.
Vorhin habe ich mit Alex telefoniert. Er hat sich mega gefreut, meine Stimme zu hören und ich hab mich auch mega gefreut, seine Stimme zu hören. Wieder einmal nahm ich mir vor, ihn mehr in meinen Alltag mit einzubeziehen. Ich kann schon verstehen, wenn er sich das eine oder andere Mal wie auf einem Wartegleis vorkommt. Aber für mich ist die Situation auch nicht einfach. Er ist so weit weg und ich würde ihn schlichtweg hier, in meiner Nähe, brauchen. Auch, wenn es mir jedes Mal gut tut, mit ihm zu reden, so hab ich doch oft einfach keinen Bock ihn anzurufen, weil er eben so weit weg ist. Schon scheiße. Ich wünschte mir, alles wäre einfacher.
Ich muss mir dringend überlegen, ob ich mit Alex über die Geschichte mit Ramona spreche, oder nicht. Ein bisschen plagt mich mein Gewissen schon, auch wenn ich nicht wirklich das Gefühl habe, ihn betrogen zu haben. Wär bei einem Jungen ganz bestimmt was anderes gewesen. Hmmm… Mal sehn… Wahrscheinlich muss ich es ihm sagen. Oder auch nicht. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, vielleicht….
Alex hat mir vorgeschlagen, die verlorene Zeit von den Pfingstferien in den Sommerferien aufzuholen. Und er meinte, er könnte mich eventuell vorher noch mal besuchen kommen. Natürlich würde er Jochen mitbringen. Mann, das wäre echt der Burner!
Ich kann nur sagen: Seit langem war das heute mal wieder ein echt spitzen Tag!
Gestern ein spitzen Tag, heute ein Knallerabend. Ich saß beim Fernsehen, als es bei uns klingelte. Vor der Tür stand Lisas Vater. Er sah aus, wie ein Häufchen Elend und hielt einen Brief in seiner Hand.
„Hallo Julia. Ich hab hier einen Brief für dich. Von Lisa.”
„Von Lisa? Wie… ähhh… wann…”
„Beim Ordnen von Lisas Sachen haben wir diesen Brief gefunden. Lisa hat ihn anscheinend kurz bevor sie verschwunden ist geschrieben. Schau, vorne steht für meine allerbeste Freundin Julia drauf. Bitte schön.”
„Ähhh danke. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.”
„ Ist schon in Ordnung. Wie geht es dir?”
„Ganz langsam wird es ein bisschen besser. Die erste Zeit war mehr als hart. Wie geht es ihrer Frau?”
„Sie ist mittlerweile wieder zu Hause, muss aber Tabletten nehmen. Wir hangeln uns so von einem Tag zum nächsten. Mehr ist im Moment nicht drin.”
„Kann ich verstehen. Bitte richten sie ihrer Frau liebe Grüße von mir aus. Und sagen sie ihr, dass mir alles so wahnsinnig leid tut, was passiert ist.”
„Das wissen wir Julia. Aber du kannst ja nichts dafür. Wir haben kaum gemerkt, in welchem rasanten Tempo Lisa sich verändert hat. Irgendwie waren wir immer zu sehr mit unserer Arbeit beschäftigt. So viele Jahre ging alles glatt. Bis es auf einmal zu spät war..”
„Ich weiß, was sie meinen.”
„Hat Lisa mal mit dir gesprochen, wie sie darüber gedacht hat, dass meine Frau und ich so viel arbeiten müssen?”
„Tja… schon… hin und wieder…”
„Du kannst es mir ruhig sagen. Wir hatten in den letzten Wochen genügend Zeit, uns über dieses Thema zu unterhalten.”
„Auf der einen Seite war Lisa froh, so viele Freiheiten zu haben und eigentlich tun und lassen zu können, was sie will. Ich hätte oft gerne mit ihr getauscht. Welches 16 jährige Mädchen wünscht sich nicht, dass nicht ständig die Eltern mit irgendwelchen Regeln und Verboten an ihnen dran kleben? Aber auf der anderen Seite war sie auch oft einsam und fühlte sich nicht wichtig genug. Sie sagte dann: ‚Meinen Eltern ist die Arbeit wichtiger als ich’. Sie hätte sich schon oft mehr Kontakt mit ihnen und ihrer Frau gewünscht.”
„Das wissen wir jetzt. Wir dachten halt immer, ihr seid mit 16 ja schon fast erwachsen und wollt eure Dinge alleine regeln und nicht mehr alles mit den Eltern besprechen. Wir haben Lisa einfach vertraut, dass sie schon das Richtige tun wird…”
„Tja, was für sie ‚Vertrauen’ war, war für Lisa oft Desinteresse. Sie haben schon recht, man ist mit 16 fast erwachsen. Aber eben nur fast. Glauben sie mir, ich weiß genau, wie Lisa sich oft gefühlt hat. Denn es gab da Vieles, was uns einfach familientechnisch verbunden hat.”
„Du meinst, du hast auch Probleme mit deinen Eltern?”
„So kann man es sagen. Und weil ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man auf der einen Seite zwar selber entscheiden will, aber auf der anderen Seite seine Eltern, das Interesse der Eltern, die Zeit der Eltern, und die Zuneigung der Eltern braucht, weiß ich, dass es sich viele Erwachsene da oft ganz schön einfach machen.”
„Tja, da hast du wahrscheinlich recht. Doch leider haben meine Frau und ich das zu spät erkannt. Wären wir für Lisa da gewesen, wäre es vermutlich nie so weit gekommen.”
„Man weiß es nicht.”
„Nein. Man weiß es nicht. Trotzdem ist Fakt: Wir konnten es nicht merken, was bei ihr passiert, weil wir nur mit uns und unserer Arbeit beschäftigt waren.”
„Hmmm…. Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll.”
„Du brauchst nichts zu sagen. Es ist schon in Ordnung. Ich danke dir, dass du für Lisa eine so tolle Freundin warst.”
„Sie war ja auch eine tolle Freundin für mich.”
„Das freut mich. Also Julia, mach´s gut.”
„Danke für den Brief. Tschüß.”
Ich rannte sofort in mein Zimmer und wollte den Brief öffnen. Dann legte ich ihn wieder hin und starrte auf die Vorderseite: Für meine allerbeste Freundin Julia. Ich führ die Buchstaben mit meinem Finger nach, als ob ich noch ein Stück dabei von Lisa spüren konnte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Dann nahm ich den Brief in die Hand und roch daran. Ein kleines bisschen konnte ich von Lisas Parfüm riechen. Oder vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Egal. Ich legte ihn wieder vor mich hin und starrte auf die Schrift. Ein letztes Mal Lisa. Ein letztes Zeichen, ein letztes Wort von Lisa, schoss es mir durch den Kopf. Auf der einen Seite brannte ich darauf, ihn zu öffnen, auf der anderen Seite wusste ich, dass dieser Brief definitiv das Letzte war, das ich jemals von Lisa bekommen würde.
Dann ging meine Zimmertür auf und meine Mutter fragte mich, was Lisas Vater von mir wollte. Sie riss mich derart aus meinen Gedanken, dass ich wie von der Socke nur stammeln konnte, ich würde es ihr später erzählen. Dann ging sie wieder.
Ich nahm den Brief erneut in meine Hand, drückte ihn an mein Herz und begann, ihn langsam, ganz langsam zu öffnen. Ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit vergangen sein muss, bis ich die Seiten dann endlich aufgefaltet in meinen Händen hielt und zu lesen begann:
Brief 1
Liebe Julia,
Du wunderst dich bestimmt, warum ich dir einen Brief schreibe. Und warum ich dir das, was ich dir sagen will, nicht einfach persönlich sage. Nun, ich habe ganz einfach das Gefühl, dass die geschriebenen Worte noch wertvoller sind, als die gesprochenen. Außerdem hab ich dir ja auch ein Gedicht geschrieben. Du wunderst dich bestimmt darüber. Ich kann mir gerade förmlich dein Gesicht vorstellen und die Verwunderung ahnen. Denn Gedichte schreiben ist ja normalerweise überhaupt nicht meine Art. Weil ich aber weiß, wie sehr du Gedichte liebst, habe ich mich hingesetzt und versucht, dir eine Freude zu bereiten, die man nicht kaufen kann. Und weißt du auch warum ich dir eine Freude bereiten will? Ich will mich bei dir bedanken. Du bist meine allerbeste Freundin. Ich weiß nicht, ob ich dir das schon mal gesagt habe. Bestimmt. Aber heute will ich es einfach noch mal schreiben, denn noch nie in meinem Leben war jemand so für mich da, wie du. Es gibt nichts, das ich nicht mit dir besprechen könnte. Es gibt nichts, für das du nicht Verständnis hättest. Es gibt für dich keine Sorge und kein Problem, das zu klein ist, um deine Zeit zu bekommen und keines, das zu groß ist und du lieber nichts damit zu tun haben möchtest. Jeder findet bei dir immer ein offenes Ohr, nicht nur ich. Du bist echt ein guter Mensch, immer für andere da. Und dafür will ich dir DANKE sagen.
Ich weiß nicht, ob ich dir auch eine gute Freundin bin. Ich kann es nur hoffen. Ich weiß aber, dass du mich magst, und ich mag dich. Ich hoffe, unsere Freundschaft wird ein Leben lang halten!
Und nun bekommst du mein Gedicht:
Meine allerbeste Freundin
Du bist der Halt in meinem Leben.
Nicht mal meine Eltern geben
mir das, was Du gibst.
Dabei schiebst
Du Deine Sorgen immer an die zweite Stelle,
gehst auch wenn´s sein muss mit mir durch die Hölle,
hast immer ein offenes Ohr für mich -
dafür dank ich Dir wahnsinnig.
Ständig kommen bei Dir die anderen zuerst.
Dabei erfährst
Du immer wieder,
dass Du dem einen oder anderen lieber
nicht hättest helfen sollen,
denn viele wollen
Dich einfach nur ausnützen -
doch Du willst weiter andere stützen,
hast trotzdem den Glauben an das Gute nicht verloren -
Du bist anscheinend echt zum Helfen geboren.
Ich bewundere Dich für das, was Du bist.
Ich bewundere Dich für das, was Du gibst
und will Dir von Herzen DANKE sagen -
ohne Dich hätt ich so Vieles nicht ertragen.
Ich wünsche Dir von Herzen, dass Dein Glück Dich irgendwann findet und niemals Deine Charakterstärke und Dein Lebensmut Dir schwindet,
dass Du immer bereit bist, Dein Tun zu überdenken,
dass Dein Schicksal bereit ist, Dich richtig zu lenken,
dass Du Dich niemals selbst belügst,
dass Du Dich niemals selbst betrügst,
dass Du immer an das Besondere in Dir glaubst,
dass Du immer fest auf unsere Freundschaft baust.
Ich wünsche Dir alles Glück auf Erden
und dass Deine Träume in Erfüllung gehen werden!
Ich schicke Dir 1000 Bussis
Deine Lisa
Ich saß da und heulte Rotz zu Wasser. Die Sehnsucht, meine Lisa jetzt in die Arme schließen zu wollen, war kaum mehr auszuhalten. Und genau in diesem Moment kam mir wieder Sarah in den Sinn und die Möglichkeit, mit Lisa über Tischerücken in Kontakt treten zu können. Da fühlte ich es wieder - dieses hin und her gerissen sein zwischen dem, was ich tun könnte und zwischen dem, was besser nicht sein sollte. Es war mal wieder ein Kampf zwischen Herz und Verstand. Mein Herz schrie förmlich nach Lisa, und mein Verstand sagte immer wieder Schlag dir das aus dem Kopf. Das bringt nur Ärger. Dieser Schuss kann gewaltig nach hinten los gehen.
Als ich mich einigermaßen gefasst hatte, begann ich weiter zu lesen. Denn auf der nächsten Seite stand dann
Brief 2:
Liebe Julia,
Irgendwie habe ich den Zeitpunkt verpasst, dir den ersten Brief zu gehen. Frag mich nicht, warum. Aber ich habe mir fest vorgenommen, es nachzuholen, wenn es an der Zeit ist. Denn ich finde, du hast es verdient zu wissen, wie viel du mir bedeutet hast und dass ich dich wirklich wahnsinnig für das bewundere, wie du bist und was du bist. Ich wäre oft so gerne wie du. Aber ich bin nicht so wie du.
Ich bin mir sicher, wenn du jetzt gerade an meiner Stelle wärst, würdest du nicht so leichtfertig mit unserer Freundschaft umgehen, wie ich es tue. Ich bin mir sicher, du würdest überlegen und überlegen und dann ganz bestimmt deine Wünsche hinten anstellen, weil es besser so für unsere Freundschaft wäre. Aber - ich kann das nicht. Ich bin nicht so wie du.
Ich weiß genau, wie schlecht es dir im Moment geht. Du hast Angst, unsere Freundschaft könnte zerbrechen. Fakt ist, ich weiß auch nicht, wie es mit uns beiden weiter gehen soll. Denn das, was ich gerade erlebe, ist echt so krass und so anders als alles andere, was ich bisher erlebt habe, dass ich nicht weiß, ob ich bereit bin, es für unsere Freundschaft aufzugeben. Nein, wahrscheinlich nicht.
Ich liebe Chris. Und Chris liebt mich. Chris will nicht, dass wir beide, du und ich, zusammen sind. Er meint, du willst uns auseinander bringen. Auf der einen Seite kann ich das nicht glauben. Denn du wolltest immer nur, dass es mir gut geht. Und du hast dich immer mit mir gefreut, wenn es mir gut ging. Ich denke, keiner weiß besser als ich, wie ehrlich du dich mit anderen freuen kannst.
Tja, das ist die eine Seite. Aber die andere Seite ist, ich will Chris nicht verlieren. Wenn er meint, du würdest zwischen uns stehen, muss ich eine Entscheidung treffen. Oh Mann Julia! Wie gerne hätte ich jetzt deine Stärke! Bitte, bitte verzeih mir! Ich hoffe so sehr, dass du es irgendwann einmal kannst… mir verzeihen…
Mir bleibt keine andere Wahl, auch wenn es mir fast mein Herz bricht. Ich will Chris nicht verlieren. Ich muss mich gegen dich entscheiden.