Juno und die Reise zu den Wundern - Judith Hoersch - E-Book
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Juno und die Reise zu den Wundern E-Book

Judith Hoersch

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Beschreibung

Eine Geschichte voll Weisheit und Liebe - für Jung und Alt und spirituelle Sinnsucher

Juno ist eine ungewöhnliche und verträumte junge Frau. Oft fühlt sie sich einsam und unverstanden. Als sie in die schielende Stadt zieht, lernt sie dort den kauzigen Goldschmied Mr. James kennen. Er wird Lehrmeister und Freund zugleich und ermahnt sie, mutiger durch das Leben zu gehen, damit die Wunder sie auch finden können. Also bricht sie auf zu einer magischen Reise rund um den Globus.

Von all den fantastischen Orten, Ländern und Menschen, die sie kennenlernt, sammelt sie wertvolle Erkenntnisse, die sie achtsam in ihr Tagebuch einträgt. Diese Lektionen sind es, die ihr den Weg zur Liebe und zu sich selbst weisen.

Junos liebevolle Geschichte erzählt von den inneren und äußeren Reisen unseres Lebens. Sie entführt uns in eine fabelhafte Welt, in der sich Traum und Wirklichkeit miteinander verweben, zwei goldene Ringe Wegweiser sind und Kamele sprechen können.

»Wenn wir uns auf den Weg zu ihnen machen, finden sie uns – die Wunder. Ein Buch, das uns zeigt: Nichts ist unmöglich.« Clara Maria Bagus

»Mit der zauberhaften Juno reist man im Sessel sitzend um die Welt und kommt bei sich selbst an. Es ist eine Geschichte für alle Träumer, für alle Suchenden und für alle, die endlich ihr eigenes Wunder brauchen.« Astrid Ruppert

»Eine Geschichte voller Wunder - wundervoll erzählt.« Eva Mattes

»Ich glaube, wir haben alle eine kleine Juno in uns. Auf ihre Reise mitgenommen zu werden ist wunderschön und heilend – ganz egal, wo man sich gerade in seinem eigenen Leben befindet.« Lena Klenke

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Seitenzahl: 174

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Die wegweisende Kraft der Fantasie zur Weisheit

Juno träumt sich durch ihre Kindheit und fühlt sich oft einsam und unverstanden. Doch als sie als junge Frau in der schielenden Stadt auf den kauzigen Mr James trifft, öffnet sich plötzlich eine Tür in ein neues Leben. Sie nimmt all ihren Mut zusammen und bricht auf zu einer magischen Reise rund um den Globus. Auf der Suche nach der wahren Liebe entdeckt sie sich selbst und noch viel mehr.

Juno und die Reise zu den Wundern entführt uns in eine fabelhafte Welt, in der sich Traum und Wirklichkeit miteinander verweben, zwei goldene Ringe Wegweiser sind und Kamele sprechen können.

»Es ist die Zuwendung zu sich selbst und die Beharrlichkeit, an Wunder zu glauben, die ich von der Romanfigur Juno lerne. Mit genauer Beobachtungsgabe und Poesie fühlt sich Judith Hoersch in die Welt ihrer Heldin Juno ein. Es ist eine Geschichte voller Wunder – wundervoll erzählt. Ich empfehle diese märchenhafte Geschichte wärmstens weiter.«

Eva Mattes, Schauspielerin.

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Copyright © 2020 Diederichs Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © Maria Martin

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-26506-9V003

www.diederichs-verlag.de

Für meine Tochter Tilda

Es gibt nur zwei Arten, sein Leben zu leben:

Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.

Albert Einstein

Juno, Audrey und der unsichtbare Spencer

Als Kind wünschte sich Juno, eine Nixe zu sein. Dann könnte sie abtauchen ins tiefe Blau und mit den Fischen Verstecken und Fangen spielen. Sie wollte keine Beine haben, sondern eine glänzende Schwanzflosse und obendrein einen attraktiven Meeresprinzen zum Mann.

Damals lebte sie mit ihren Eltern in dem Haus, das nicht fliegen konnte. Aber wenn Juno sich fürchterlich konzentrierte, wuchsen dem Haus Flügel, und dann schwebte es träge davon, samt Juno, ihren Eltern Audrey, Luis und Nepomuk, dem getigerten Kater.

Wenn sie nicht gerade aus ihrem Fenster den unruhigen Zug der Wolken beobachtete, bis ihre Mutter Audrey sie für ihr ständiges Tagträumen wieder einmal ausschimpfte, steckte Juno ihre kleine Nase in dickleibige Märchenbücher, bis sie irgendwann völlig in ihnen verschwand. Sie wurde zur wach geküssten Prinzessin, musste gegen grässliche Drachen kämpfen und das heilende Elixier finden, um die Raben wieder in bunte Papageien zu verwandeln …

In einem solchen Buch hatte Juno auch von einer Nixe gelesen, die an Land kam und in Salz badete. Daraufhin fand ihre Mutter sie eines Abends in der Badewanne – weinend und aufgeweicht. Mit der einen Hand zog sie ihre Tochter aus dem Wasser, in der anderen hielt sie ihre mondän dünne Zigarette und aschte nachlässig ins Badewasser. Junos Hände waren vom warmen Salzwasser ganz verschrumpelt, aber Schwimmhäute, oder gar eine bewegliche Schwanzflosse, waren ihr nicht gewachsen.

»Ach, Dummerchen, glaubst du immer noch alles, was in deinen Büchern steht?«, versuchte ihre Mutter sie zu beschwichtigen. Doch Juno blieb untröstlich und wünschte sich einmal mehr, das Leben würde endlich ihrer Fantasie folgen können oder wenigstens die Menschen darin.

Juno spürte es schon früh und ganz deutlich in ihrem Herzen. Ein stechender Schmerz sagte es ihr: Ihre Mutter, eine in die Jahre gekommene Ballerina, mit stets rot geschminkten Lippen und ebenso rot lackierten Fingernägeln, die Juno oft mit spitzen Lippen und einer in Falten gelegten Stirn, aus der die Fragezeichen emporstiegen, beobachtete, hätte viel lieber eine andere Tochter gehabt. Ein hübsches, blondes Mädchen, das mit langen Zöpfen und Kleidchen dasaß, das Ballett tanzte, mit Puppen spielte und immerzu lächelte, statt wie Juno schüchtern und verträumt, manchmal aber auch wild in ihrer ganz eigenen Welt zu wandeln. Statt blonden Zöpfen hüpften Junos orangefarbene Locken in alle Himmelsrichtungen oder hingen schlaff wie Sauerkraut an ihrem zarten Köpfchen hinab. Ihre Lockenpracht war ein Gefühlsbarometer. Und statt Ballett zu tanzen, sprach Juno lieber mit den Vögeln und Bäumen und verschenkte ihr Pausenbrot an den Obdachlosen, der sich an der Ecke auf dem Boden eine Höhle gebaut hatte, wie sie es manchmal in ihrem Zimmer tat.

Aber natürlich möchten auch Kinder in ihrer ganz eigenen Welt vor allem und unbedingt von ihren Eltern geliebt werden, und so überlegte sich Juno eines Tages eine ganz besondere Überraschung für ihre Mutter. Wenn sie aussähe wie eine hübsche Ballerina, dann würde sie vielleicht das Herz ihrer Mutter erobern? Also nähte sie mit rotem Garn und unter viel Mühe alle bunten Halstücher, die Audrey besaß, zu einem Ballett-Tütü zusammen. Sie piekte sich ständig in die Finger, aber erst als alle Tücher zu einem langen Tuch verbunden waren und sie diese oben zusammenknoten konnte, war sie zufrieden mit dem Ergebnis. Am Ende hatte sie ein ganz buntes, schwingendes Tütü in allen Farben, und wenn sie es um ihre schmalen Hüften band, wippte es wie ein richtiges Kleidchen hin und her. Juno betrachtete sich im Spiegel und fand sich sogar ein bisschen schön. Und ihre Mutter würde entzückt sein, da war sie sich ganz sicher! Dann zog sie die Lackpumps von Audrey an und malte sich großzügig Rouge auf die Wangen. Mühsam versuchte sie, ihre Locken zu einem Dutt zu bändigen, was ihr mehr schlecht als recht gelang. So wartete sie im Vorgarten aufgeregt auf ihre Mutter. Aber Audrey kam und kam nicht. Und so zog Juno die Pumps aus und buddelte vor Langeweile ihre kleinen Füße in die Erde, bis sie ganz braun waren. Stunden später dann, als ihre Mutter Juno schlafend im Vorgarten vorfand, Nepomuk im Arm, das Rouge verschmiert und ihre wertvollen Halstücher zu einem bunten Irgendwas vernäht, war sie nicht nur entsetzt, sondern vor allem wütend.

»Oh Dummerchen, was hast du denn schon wieder angestellt? Was fällt dir ein, meine ganzen teuren Tücher zu zerstören. Und was soll das überhaupt darstellen? Du siehst schrecklich aus. Zieh das aus und dann ab auf dein Zimmer!« Schimpfend und schnaubend ging sie in die Küche, um sich eins dieser prickelnden Gläschen mit langem Stiel zu gönnen, die sie recht häufig trank.

Juno war traurig. Wieder einmal hatte sie ihre Mutter nur enttäuscht. Wie geht das bloß mit der Liebe, fragte sie sich, als sie mit Tränen und hängenden Löckchen, einem riesigen Kloß im Hals und schmutzigen Füßen alleine in der Dunkelheit lag und nicht in den Schlaf fand. Egal, wie viel Mühe sie sich gab – nie war Juno richtig für ihre Mutter. Und so zog sie sich mehr und mehr zurück und verbarg ihr Innerstes, denn so wie sie war, konnte Audrey keine Liebe für sie aufbringen.

Auch in der Schule blieb sie eine Einzelgängerin und Außenseiterin.

Eine Zeit lang zeichnete sie immerzu schwarze Iglus, versteckte Steine, mit denen sie gelegentlich auch sprach, an einem geheimen Ort, dort, wo sie auch die Goldmünze ihrer verstorbenen Schwips-Uroma Anni aufbewahrte, damit ihre Mutter sie nicht fand und einschmelzen lassen konnte. Annis Eltern hatten bereits sechs Mädchen, als ihre Mutter mit ihr schwanger war. Die Eltern hegten die Hoffnung, dass sie nun endlich den ersehnten Sohn bekämen. »Ein Anno soll es werden«, verkündete die Mutter vor der Niederkunft. Doch als das schreiende Mädchen das Licht der Welt erblickte, waren sie geschockt. »Nicht schon wieder ein Mädchen«, stöhnten Vater und Mutter. Doch nach dem ersten Schock ersetzten sie kurzerhand das o durch ein i, und aus Anno wurde eine Anni.

Juno hatte ihre Anni geliebt, und auch wenn sie Junos Schwips-Uroma war – für Juno war sie einfach nur Oma Anni. Von ihr hatte sie ihren Kater Nepomuk geschenkt bekommen, das war aber schon eine Weile her und Juno noch so klein, dass sie gerade mal auf Zehenspitzen über die Tischkante schauen konnte.

Oma Anni lebte in einem alten Haus, voll mit bunten Blumen und Pflanzen bis an die Zimmerdecke; überall lag oder stand etwas herum und es gab so viele Katzen, dass Juno den Überblick verlor: getigerte, weiße, einäugige, alte, pummelige, verspielte, langhaarige, kratzbürstige und faule. Es lebten unter Oma Annis Dach humpelnde Kater, zickige Biester und scheue junge Kätzchen. Die schüchternsten unter ihnen verkrochen sich jedes Mal schleunigst unter dem rotbraunen Mobiliar, wenn die Kuckucke aus den Wanduhren sprangen und die neue Stunde verkündeten.

Verstaubt standen Parfumflakons neben alten Bürsten mit Silbergriff und Fotografien, auf denen Oma Anni noch ganz jung war. An einem besonderen Ort hatte sie die Goldmünze in einem Ledersäckchen aufbewahrt.

Als Juno wieder einmal zu Besuch war, drückte Anni ihr dieses Säckchen in die Hand.

»Eines Tages«, sagte sie, »liebe Juno, eines Tages wirst du sehen, dass es eine Zaubermünze ist. Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber glaube mir, wenn es so weit ist, wirst du wissen, was damit zu tun ist. Und bevor sich irgendein anderer von der buckligen Verwandtschaft die Münze unter den Nagel reißt, möchte ich sie dir jetzt schon geben. Pass gut auf sie auf.«

Manchmal fragte sich Juno, ob ihre Schwips-Uroma hellsehen konnte, denn kurz darauf starb Anni. Ihre Katzen kamen ins Tierheim, egal wie sehr Juno zeterte und versuchte, sie in Sicherheit zu bringen. Audrey wollte nicht noch mehr Katzen im Haus. Juno weinte tage- und nächtelang um Anni, die Katzen und die verlorene Zeit. Sie war durch nichts und von niemandem zu trösten. Nicht, dass es jemand versucht hätte. Audrey lief wie von der Tarantel gestochen und fluchend durch Annis Haus und suchte nach der Goldmünze.

In all diesen Jahren hatte Juno nur einen wirklichen Freund. Er hieß Spencer, trug eine Nickelbrille, hatte viel zu große Ohren und war wie Juno ein Einzelkind, und – zum Leidwesen ihrer augenrollenden Mutter – unsichtbar. Zumindest für alle anderen.

»Ach Dummerchen, den gibt es doch nicht. Such dir lieber echte Freunde und sei nicht so sonderbar!«, schimpfte ihre Mutter und weigerte sich stets, für Spencer beim Abendbrot aufzudecken. Und immer, wenn Juno Audreys mitleidig genervtes Gesicht sah und ihr geziertes Nein hörte, wurde aus dem sonst so ruhigen Mädchen ein wilder kleiner Irrwisch.

»Wenigstens das Temperament hast du von mir«, sagte Audrey dann fast anerkennend, und am Ende bekam Juno dann doch ihren Willen und Spencer eine warme Mahlzeit.

Leute auf der Straße sahen Juno oft argwöhnisch an, und Juno verwirrte es, wenn eines der Kinder mit dem Finger auf sie zeigte. »Sieh mal, das Mädchen hat orange Haare und wässrige Augen«, sagten sie, »Augen so blau, so grau, so flaschengrün wie das Meer.« Und es stimmte: Juno hatte blaugrau-flaschengrüne Augen und orangefarbene Locken, die in alle Richtungen abstanden. Audrey war das peinlich, und sie zerrte Juno weiter, die Locken mit jedem Schritt trauriger gegen Boden hängend.

Und so hatte die Schule, auch wenn sie Juno keine Freunde brachte, irgendwann etwas Gutes. Denn sobald Juno einen Stift halten konnte, kritzelte sie fortan Zeichnungen, Gedanken, Gefühle und Träume in ein Notizbüchlein. Niemand außer ihr durfte in das glitzernde Büchlein mit der roten Schleife hineinsehen, ohne dass er Gefahr lief, einen echten Veitstanz zu erleben. In diesen Büchern lebte Juno im Verborgenen und nur für sich in ihrer eigenen Welt, die ganz anders war als die der Menschen aus dem Land der qualmenden Köpfe.

An einem dieser Kindheitstage schrieb Juno auf die Seiten, denen sie alles anvertrauen konnte: ›Hier, im Land der qualmenden Köpfe, sind die Menschen komisch. Immer sind sie mit irgendwas beschäftigt und sehen nicht, was wirklich da ist. Sie wollen, dass ich die Welt betrachte wie sie, aber es gelingt mir einfach nicht. Wenn ich groß bin, wünsche ich mir einen Freund, der die fliegenden Wolkentiere und sprechenden Bäume sehen und hören kann wie ich.‹

Juno, Luis und Kater Nepomuk

Ihren Namen verdankte Juno ihrem Hippie-Vater Luis, der stets den Song Everyone loved Juno von der Band Stoned sang und dabei mit Cowboystiefeln und freiem Oberkörper durch das Haus lief. Irgendwie war ihm entgangen, dass die Siebziger seit vielen Jahren vorbei waren, und so trug er sein Haar immer noch lang und, nicht zu vergessen, eine originalgetreue Kopie von John Lennons getönter Nickelbrille. Um diesen trauerte Luis immer noch und hatte alle über ihn auffindbaren Zeitungsartikel fein säuberlich archiviert und seinem Helden ein Mausoleum gebaut.

Luis war ständig mit dem Umbau des Hauses beschäftigt, er sammelte Scherben, Einweggläser und Waschmaschinen. Juno kam es vor, als wäre Luis, genau wie sie, weit weg – in seiner ganz eigenen Welt.

›Eigentlich‹, schrieb Juno in ihr Büchlein, ›bewohnen wir drei Häuser. Jeder eines für sich, in dem wir einsam umherstreifen.‹ Aber nur sie schien das zu stören.

Im Garten rosteten Luis’ alte VW-Käfer vor sich hin – in einem der beiden hatte er an seinen glücklichen Tagen mit Juno ein Blumenbeet auf der Rückbank gepflanzt. Und so wuchsen bunte Wildblumen in allen Farben und Formen aus den kleinen Kippfenstern heraus. Audrey hasste diesen »Unsinn«.

Er redete mehr mit sich selbst als mit Juno, was sie traurig stimmte, aber wenn er sie manchmal auf die Schultern nahm und dabei das Lied Everyone loved Juno pfiff, fühlte sie sich herrlich leicht und kicherte, während sie ihm durch die borstigen Haare fuhr.

Er besaß eine beachtliche Sammlung an Langspielplatten und konnte jeden Song mitsummen. Aber mit den Jahren verkroch er sich immer mehr in »seinen Projekten«, vielleicht nur um den lauten Nörgeleien seiner Ehefrau zu entkommen. Vielleicht aber auch, und bei diesem Gedanken zog sich Junos Herz dann ganz klein in ihrer Brust zusammen, weil sie auch ihrem Vater nicht liebenswert genug erschien.

Junos Eltern stritten sich immer häufiger, so dass Juno schon gar nicht mehr wusste, wie es klang, friedlich zu sein. Luis beschwerte sich beim Frühstück über den Glibber auf dem morgendlichen Spiegelei. Audrey mokierte sich darüber, wie verlottert er schon wieder herumlief. Er kritisierte, dass sie schon mittags anfing, aus den Gläschen mit dem langen Stiel zu trinken, und sie beschimpfte ihn als Nichtsnutz. Juno saß zwischen den Stühlen und hörte weg, so gut sie konnte. Aber in ihrem Inneren verschwammen die bösen Worte, die Anschuldigungen und Feindseligkeiten, die sich Audrey und Luis wie wütende Kinder an den Kopf warfen. Sie wurden unverständlich, verhallten und verknoteten sich ineinander. Aus lauter Verlegenheit und dumpfem Schmerz baute Juno auf ihrem Teller Gesichter aus Käse und Wurst mit roten Haaren aus Marmeladenstriemen. Ihre Eltern merkten das nicht einmal, so sehr waren sie mit den Vorwürfen und Streitereien beschäftigt.

Und eines Tages kam es, wie es kommen musste: Audrey hatte ihr feines Näschen gestrichen voll von dem Chaos, ihrem nichtsnutzigen, eigenbrötlerischen Ehemann und ihrer, wie sie Juno nannte, »seltsamen« Tochter. Juno saß auf der Bettkante, Spencer neben ihr, und sie sahen ihrer Mutter stumm dabei zu, wie sie voller Wut und Elan ihre Koffer packte. Beide waren traurig. Ab und an musste Spencer den Kleidern, die Audrey wutentbrannt aus dem Kleiderschrank in seine Richtung schleuderte, ausweichen.

In einem Moment der Atemlosigkeit nahm Juno die schmale Hand ihrer Mutter und hielt sie, so fest es ging. »Mama, bitte, bitte verlass mich nicht. Ich brauche dich doch.« Ihre Stimme klang heiser, und sie musste schrecklich schluchzen.

Aber Audrey tätschelte ihr nur kurz die Wange und rauschte dann mit riesigem Tamtam, dicken Krokodilstränen, den kreischenden Nepomuk und ihren alten Ballett-Tütü unterm Arm, ab, um sich einer aussichtslosen Liebschaft mit einem langnasigen Schriftsteller hinzugeben.

Juno und Spencer standen am Fenster und sahen ihr bei dem furiosen Abgang zu. Dabei malten sie mit ihrem Atem kleine Herzchen auf die Fensterscheibe und hinterließen mit ihren Nasen Fettflecken an dem kalten Glas. Junos Locken hingen wie verkochte Spaghetti an ihrem Kopf hinunter.

So richtig hatten ihre Eltern nie zusammengepasst, redete sich Juno ein. Nun konnte sie wenigstens ungestört träumen. Es gab wieder eine Stille, die man mit Fantasie zum Klingen bringen konnte. Ihr Vater war zu Anfang traurig, aber dieser Zustand hielt nicht lange an. Nach kurzer Zeit putzte er sich sogar ein wenig heraus. Er kaufte sich neue Hemden und Hosen und schnitt sich die Haare. »Komisch«, dachte Juno. »Jetzt sieht er so aus, wie Mama ihn sich immer gewünscht hat.« Von nun an hatte Luis häufig wechselnden Frauenbesuch. Meistens blieben die Damen für ein oder zwei Wochen, bis er die Suche nach »der Richtigen« wieder aufnahm und sein Leben als einsamer Wolf fortsetzte. Juno verstand nichts von alldem. Mit ihr redete ja keiner, und Spencer war in Liebesdingen leider nicht der versierteste Gesprächspartner. Juno war einsam und verwirrt – besonders wegen Nepomuk, der jetzt fort war. Kein Kind mag so was. In diesen einsamen Stunden schrieb Juno in ihr Büchlein, das nun schon das siebte dicke Buch war, das sie mit Gedanken füllte: ›Sie ist gegangen, weil ich nicht so war, wie sie sich eine Tochter gewünscht hatte.‹ Insgeheim gab sie sich die Schuld an der Situation.

Juno, der Mann an der Ecke und das fliegende Haus

Wenn Juno nicht von jemandem jenseits der papiernen Seiten gestört oder bewertet wurde, war ihre Welt in Ordnung. Daher gewöhnte sie sich schnell ab, über ihre Träumereien mit Klassenkameradinnen zu sprechen. Die fanden Junos Gedanken und Fantasiespiele befremdlich und langweilig. Sie beschäftigten sich lieber mit klapperdürren, blonden Püppchen, für die sich Juno einfach nicht erwärmen konnte, und malten sich irgendwann die Fingernägel bunt an.

An manchen Tagen, wenn Juno alleine war, legte sie sich in ihrem Zimmer flach auf den Boden und konzentrierte sich so lange, bis dem Haus, das nicht fliegen konnte, Flügel wuchsen und es Juno mitnahm, weit weg über die Dächer und immer höher schwebend. Auch der Rasen und der gesamte Garten hoben ab und mit ihm alles, was darauf lebte: die beiden rostigen VW-Käfer, das Mausoleum, die knochigen Pflaumen- und Apfelbäume und die Familie der Gartenzwerge. »Kommen die auch mal ein wenig rum«, dachte sich Juno. »So ein Gartenzwergleben ist ja ansonsten auch ganz schön eintönig. Immer nur rumstehen und vor sich hinstarren. Hoffentlich wird mein Leben nicht so monoton und langweilig wie das eines Gartenzwergs.« Sie war mit dem Haus, das nicht fliegen konnte, schon so hoch in der Luft, wo sich ihre geliebten Wolkentiere am Himmel tummelten. Aus nächster Nähe waren die gar nicht mehr so mächtig und groß. Endlich hatte Juno die Hasenwolken, Schweinewolken und Schildkrötenwolken so nah vor sich, dass diese ihr über die Wange streicheln konnten, und eine Wolke sah sogar aus wie ihr Kater Nepomuk. Das machte Juno ganz wehmütig.

Juno träumte sich mit dem geflügelten Haus in ferne Länder und an ferne Orte, wo die Luft nach Zimt und Schokolade roch …

Zur exakt selben Zeit, nur ein paar Wolkentiere entfernt, in einem anderen selbst erdachten Flugobjekt, zog ein kleiner Junge seine Bahn durch die Lüfte, der sich ebenso unverstanden und einsam wie Juno fühlte. Er sah durch ein Fernglas, das er sich aus einer Müsliverpackung gebastelt hatte, und entdeckte das fliegende Haus und darin Juno mit ihren in alle Himmelsrichtungen abstehenden Haaren. Er winkte ihr zu, doch irgendwann ließ er sein Fernglas sinken, als die Welt wieder einmal nicht auf seine Fantasie antworten wollte.

Zurück von ihrer Reise wartete Spencer schon ungeduldig auf Juno. Er war ein wenig eifersüchtig auf ihre Ausflüge, dabei war er nicht einmal schwindelfrei, und dazu hatte er auch noch Flugangst.

Wenn Juno nicht schrieb oder träumte, wenn sie nicht mit Spencer lachte oder mit ihrem Haus davonflog, dann schmierte sie dem Mann, der an der Straßenecke auf dem Boden wohnte und vor dem Juno sich ein wenig fürchtete – immerhin hatte er sonnengegerbte, ledrige, schmutzige Haut –, Brote und brachte sie ihm vorbei. Er war genauso schüchtern wie sie und nickte Juno zum Dank immer nur still zu. Es machte Juno traurig, dass sie selber so viel hatte und der Mann nicht einmal Schuhe, ein Hemd oder eine Jacke besaß.

An einem kalten Wintertag hielt Juno es einfach nicht mehr aus. Sie ging an Luis’ Kleiderschrank, holte Anziehsachen heraus und nahm ihren ganzen Mut zusammen, denn womöglich würde er sie wie die anderen nur belächeln, und brachte dem Mann die Kleidungsstücke.

Als er sie zitternd entgegennahm und Juno voller Dankbarkeit ansah, war er sicher, einen Engel mit graublau-flaschengrünen Augen zu sehen. Er wollte Juno zum Dank umarmen, aber sie lief schnell davon. Ein bisschen furchteinflößend blieb er ja doch.

Luis vermisste irgendwann seine beste Hose und seine teuren Hemden und durchsuchte den gesamten Kleiderschrank. Und als er den Mann, der auf dem Boden wohnte, mit seiner liebsten Cordhose sah, war er komplett verwirrt. »Wo hat er die her?« Er stellte Juno zur Rede.

»Papa, wenn du so viele Hemden hast und er kein einziges, dann ist es doch nur fair, dass man teilt. Es ist so kalt draußen, und du kannst ja ohnehin nie alle Hemden gleichzeitig tragen.« Luis wollte schimpfen, doch die Menschenliebe seiner Tochter rührte ihn. Er schloss Juno in die Arme und schämte sich, dass ihm sein Kind hatte erklären müssen, was Gerechtigkeit ist.