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In einer mitternächtlichen Zeremonie, im Beisein seiner Berliner Geliebten Marie, habe Kafka dann, zurück in Steglitz, den falschen Testikel, in ein Taschentuch mit seinen Initialen eingeschlagen, unter der Grasnarbe verbuddelt.
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Seitenzahl: 17
Veröffentlichungsjahr: 2013
Timo Berger
Kafka und ich
SuKuLTuR 2013
„Kafka und ich“ erschien erstmals auf Spanisch in „Sex and Sound“ (Buenos Aires: Eloísa Cartonera, 2004).
Anmerkung des Autors: Die in der Erzählung erwähnten Moldawier sind nicht zu verwechseln mit den rechtschaffenen Bürgern der Republik Moldau.
Als Steve noch in der Stadt wohnte, rief er oft, meist spät abends, an, grüßte nicht, sondern begann, ohne Umschweife zu erzählen. Obwohl wir uns schon lange kannten, fiel es mir bisweilen schwer, sofort zu erkennen, worauf er hinauswollte. Manchmal behauptete er, die Liebe existiert. Manchmal vertrat er das Gegenteil. Manchmal existierte die Liebe zwar, dafür aber ihr Beweis nicht. Oder der Beweis war gefälscht oder falsch geführt, im Ergebnis aber richtig. Andere Male war das, was er erzählte, nur Teil einer längeren Geschichte, die sich erst nach mehreren Telefonaten erschloss.
Ich gebe zu, dass ich seinen Ausführungen nicht immer aufmerksam folgte. Sehr wahrscheinlich ist, dass er dies auch nicht erwartete. Solange ich nur ab und zu am anderen Ende der Leitung bestätigende Geräusche von mir gab, zeigte er sich zufrieden. »Du verstehst mich«, sagte er dann. Schwieg einen kurzen Moment, und ich hörte, wie er einen Zug von seiner Zigarette nahm und dabei leise schmatzte.
Zumindest in thematischer Hinsicht kamen wir immer schnell überein: Wir unterhielten uns über Gedichte und Frauen. Manchmal überschnitten sich beide Themen, so dass nur ein einziges blieb, und dann sprachen wir zusätzlich über Kafka.