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Moldawien, hat man ihr versichert, sei das Land der Liebe. Zuletzt am Samstagabend in einem Club, in den sie nur gegangen war, um eine Samstagabendbekanntschaft zu machen...
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Seitenzahl: 15
Veröffentlichungsjahr: 2013
Timo Berger
Moldawien
SuKuLTuR 2013
FÜR CECILIA PAVÓN
Verónica trägt keinen BH. Das fällt einem sofort auf, auch wenn man sie nicht so genau ansieht wie ich. Seit ihrer Ankunft vor zwei Wochen schwärmt sie von Moldawien. Nicht, dass sie dort gewesen wäre. Auch unternimmt sie nichts, um dorthin zu kommen. Sie redet nur ununterbrochen davon. Und wenn ich genervt reagiere, weil sie schon wieder erzählt wie grün die Wiesen in Moldawien seien, so grün wie nirgendwo sonst in der Welt, schon gar nicht in Berlin, wie glücklich die Kühe, wie friedlich die Menschen seien. Autos gäbe es fast keine, dafür Unmengen Pferde, Nomaden, Lagerfeuer, billige russische Zigaretten und Wodka in Lederbeuteln. Wenn ich dann versuche, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, ist sie sofort beleidigt und redet nicht mehr mit mir. Mir kommt ihre Reaktion gespielt vor. Aber dem sei nicht so, sie meine es ernst, sagt sie, wie sie im Übrigen alles ernst meine, was sie sage.
Moldawien, hat man ihr versichert, sei das Land der Liebe. Zuletzt am Samstagabend in einem Club, in den sie nur gegangen war, um eine Samstagabendbekanntschaft zu machen, und plötzlich stand ein dunkelhaariger Mann vor ihr und erzählte von Moldawien. Er war nicht der erste und nicht der letzte, der dies tat, aber ihm hat sie am meisten geglaubt. Er war sicher ein Moldawier, weil er an diesem Abend so gut zu ihr war, sich von der Tanzfläche aus kennen lernen ließ, ganz ohne hysterisches Getue, ein paar Späße auf Lager hatte, die er auch ins Englische übersetzen konnte, und sie nach dem Tanzen leise fragte, ob sie nicht noch mit zu ihm kommen wolle und sich nicht erst dabei, dabei aber vollends, als wahrer Gentleman herausstellte.