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Das Kalewala ist ein im 19. Jahrhundert auf der Grundlage von mündlich überlieferter finnischer Mythologie zusammengestelltes Epos. Sie ist eine Zusammenstellung verschiedener Überlieferungen und gibt ein breites Spektrum von Heldensagen und Mythen wieder.
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Seitenzahl: 573
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Kalewala
Inhalt:
Kalewala – Bedeutung und Entstehung
Erste Rune.
Zweite Rune.
Dritte Rune.
Vierte Rune.
Fünfte Rune.
Sechste Rune.
Siebente Rune.
Achte Rune.
Neunte Rune.
Zehnte Rune.
Elfte Rune.
Zwölfte Rune.
Dreizehnte Rune.
Vierzehnte Rune.
Fünfzehnte Rune.
Sechzehnte Rune.
Siebzehnte Rune.
Achtzehnte Rune.
Neunzehnte Rune.
Zwanzigste Rune.
Einundzwanzigste Rune.
Zweiundzwanzigste Rune.
Dreiundzwanzigste Rune.
Vierundzwanzigste Rune.
Fünfundzwanzigste Rune.
Sechsundzwanzigste Rune.
Siebenundzwanzigste Rune.
Achtundzwanzigste Rune.
Neunundzwanzigste Rune.
Dreißigste Rune.
Einunddreißigste Rune.
Zweiunddreißigste Rune.
Dreiunddreißigste Rune.
Vierunddreißigste Rune.
Fünfunddreißigste Rune.
Sechsunddreißigste Rune.
Siebenunddreißigste Rune.
Achtunddreißigste Rune.
Neununddreißigste Rune.
Vierzigste Rune.
Einundvierzigste Rune.
Zweiundvierzigste Rune.
Dreiundvierzigste Rune.
Vierundvierzigste Rune.
Fünfundvierzigste Rune.
Sechsundvierzigste Rune.
Siebenundvierzigste Rune.
Achtundvierzigste Rune.
Neunundvierzigste Rune.
Fünfzigste Rune.
Kalewala, Unbekannte Autoren
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849637972
www.jazzybee-verlag.de
Name des finnischen Nationalepos, das die Taten der drei Kalewasöhne schildert: des alten Wäinämöinen, eines zaubergewaltigen Sängers und Erfinder der Zither Kantele, bei dessen Tönen die ganze Natur aufhorcht, die Menschen weinen und die Götter lächeln; des kunstreichen Schmiedes Ilmarinen, und des kampfeslustigen Lemminkäinen, eines nordischen Don Juantypus. Die Geschichten der K. drehen sich hauptsächlich um zwei Punkte: 1) handelt es sich darum, die Tochter Louhis, der bösen Wirtin des hohen dunkeln Nordens Pohjola, als Frau zu gewinnen. Die wichtigste Bedingung, die Ilmarinen löst, ist das Schmieden des Sampo, einer Zaubermühle, die Mehl, Salz und Geld auswirft und überall Fruchtbarkeit und Gedeihen ausbreitet; 2) gilt es, diesen Glückshort von Pohjola zurückzuerobern, was den Kalewalahelden auch unter vielen Gefahren gelingt; die Louhi verwandelt sich in einen Adler, der auf seinem Rücken die Pohjolamannen trägt, und schießt auf das flüchtende Kalewaschiff herunter, der Sampo zerschlägt sich im Wasser und nur die glückbringenden Splitter werden aus Kalewaufer gespült. Die Darstellung ist in echt epischem Ton ganz objektiv gehalten. Mit individualisierender Kraft wird die Wirklichkeit bis ins einzelne hinein ausgemalt. Von der Landschaft, den Tieren und Menschen des baltischen Nordens wird ein farbenhelles Bild entworfen. Die Gemütsart der nordischen Menschen, die, mit der Zärtlichkeit fürs Kleine den Sinn für das Große und Maßlose vereint, tritt überall hervor (Rosencranz). Unter den mannigfachen Episoden, an denen die Dichtung reich ist, sind besonders der hochpoetische Abschnitt von Külervo, des Repräsentanten der Blutrache, die sinnigen Hochzeitslieder und die liebliche Sage von der unglücklichen Jungfrau Aino hervorzuheben. Den eigentümlichsten Zusatz aber bilden die zahlreichen Zauberlieder, magische Beschwörungen in poetischer Form. Das Versmaß besteht aus fortlaufenden vierfüßigen Trochäen mit Stabreim und Gedankenreim (Alliteration und Parallelismus). Dies Epos wurde 1835 von Elias Lönnrot aus Volksliedern zusammengestellt, die er hauptsächlich bei den Kareliern im Gouvernement Archangel ausgezeichnet hatte. Die Kalewalalieder werden noch heute bei ihnen und in dem Gouvernement Olonetz, hart an der Grenze Finnlands, im östlichsten und südöstlichsten Finnland (nördlich und westlich vom Ladogasee) sowie im Petersburger Gouvernement (Ingermanland) gesungen; auch bei den Esten in den Ostseeprovinzen sind überall Varianten anzutreffen. Im mittlern und Westfinnland haben sich nur die magischen Lieder erhalten, doch wurden da vor hundert Jahren auch epische ausgezeichnet. Im ganzen sind ca. 100,000 Varianten und Bruchstücke mit ein paar Millionen Zeilen gesammelt worden. Nach den neuern Forschungen sind die epischen Lieder größtenteils entweder in Westfinnland oder Esthland, die magischen in Westfinnland entstanden. Auf karelischem Gebiet fließen die Gesänge von diesen beiden Quellen zusammen, erhalten neue Zuflüsse aus dem heimatlichen karelischen Boden und das Ganze gerät gleichsam in einen Strudel, aus dem immer neue schäumende Wogen emportauchen. Die Strömung geht hier vom Süden nach Norden. In Ingermanland sind die schon ziemlich häufigen Verbindungen verschiedener Themata meistens lose und unverschmolzen; die magischen Lieder haben sich nur selten mit den epischen vermischt, und die Persönlichkeiten von Wäinämöinen und Ilmarinen (ursprünglich Götter des Wassers und der Luft) treten nur erst in einigen wenigen Gesängen auf. In Finnisch-Karelien sind aus den Verbindungen verschiedener Themata durch vollständige Verschmelzung neue Gesänge entstanden, eine ganz neue Art episch-magischer Dichtung hat sich herausgebildet, und einige Personennamen beginnen alle übrigen zu verdrängen. In Russisch-Karelien ist diese Entwickelung noch weiter vorgeschritten. Die Lieder gruppieren sich um gewisse Personennamen; um diese zu vereinigen, erscheinen weitere Neubildungen; es entstehen Gesangszyklen, und einer von diesen, der Sampozyklus, wird gleichsam zu einem Mittelpunkte, der alles in die Nähe Kommende zu sich heranzieht. An diese letzte Entwickelungsform reiht sich Lönnrots Zusammenstellung. – Eine ältere Ansicht über die Entstehung der Kalewalagesänge auf karelischem Boden vertreten A. Ahlqvist (»Das Karelertum des K.«, finnisch, 1887) und D. Comparetti (s. unten, Literatur), der die epischen Lieder aus der magischen Poesie und diese aus dem Schamanismus erklären; nach der moderneren Ansicht sind die Zauberlieder aus der katholischen Magie entstanden und durch den Einfluss der episch-lyrischen Poesie entwickelt. – Was Lönnrots Arbeit betrifft, sind die ältesten handschriftlichen Redaktionen von 1833 genau untersucht worden (A. R. Niemi, Die Zusammenstellung des K., I, finnisch, 1898). Mehr als neun Zehntel des Werkes sind sicher rein volkstümlich; auch das übrige enthält gewöhnlich Reminiszenzen aus den echten Volksliedern, da Lönnrot kein selbständig schöpferisches poetisches Talent besaß. Doch verfuhr er nicht wie ein pedantischer Gelehrter bei der Auswahl der Zeilen aus den Varianten ein und desselben Liedes, sondern folgte einfach seinem poetischen Instinkt. Auch gebrauchte er Interpolationen aus andern Volksliedern zur Ausschmückung eines Gesanges nach der Art der Volkssänger, die ein Lied gerade mit Hilfe andrer weiter entwickeln. Einen Beweis für das seine Gefühl, das Lönnrot für die Volksdichtung besaß, liefert die Tatsache, dass in den später ausgezeichneten Volksliedern Verschiedenes in derselben Weise ausgeführt worden ist, wie im K., nachweislich ohne hiervon beeinflusst zu sein. Der Zweifel einiger Autoren in betreff der Volkstümlichkeit der K. beruhen auf den Ausführungen von K. B. Wiklund (»Om K.«, 1901), denen jedoch, wie K. Krohn in den »Finnisch-ugrischen Forschungen« (1902) nachweist, keinerlei Quellenforschungen, sondern nur lose Mutmaßungen zugrunde liegen. Elias Lönnrots erste Auflage der K. erschien 1835 und wurde in französische Prosa von Léouzon le Duc in »La Finlande« (Par. 1845, 2 Bde.) übersetzt, von Jakob Grimm (»Über das finnische Epos«, in den »Kleinern Schriften«, Bd. 2) besprochen. Die zweite, von 12,000 auf 22,000 Zeilen vermehrte Redaktion Lönnrots folgte 1849 und wurde von A. Schiefner (Helsingfors 1852) und H. Paul (das. 1885–86, 2 Bde.) übersetzt. Eingehend behandelt das Epos Julius Krohn in der »Finnischen Literaturgeschichte«, Bd. 1 (finn. u. schwed., Helsingf. 1883–85 u. 1890) und Kaarle Krohn in der »Geschichte der Kalewalagesänge«, Bd. 1: »Sampo« (finn. 1903), sowie in deutschen Aufsätzen der »Finnisch-ugrischen Forschungen«, 1901 ff. Ältere Kommentatoren sind: Cäsar, Das finnische Volksepos K. (Stuttg. 1862), und v. Tettau, Über die epischen Dichtungen der finnischen Völker, besonders die K. (Erfurt 1873); Comparetti, Der K. (deutsche Ausg., Halle 1892).
Werde von der Lust getrieben,
Von dem Sinne aufgefordert,
Daß ans Singen ich mich mache,
Daß ich an das Sprechen gehe,
Daß des Stammes Lied ich singe,
Des Geschlechtes Sang ich sage;
Worte schmelzen mir im Munde,
Es entschlüpfen mir die Töne,
Wollen meiner Zung' enteilen,
Wollen meine Zähne spalten.
Goldner Freund, mein lieber Bruder,
Teurer, mit mir aufgewachsen!
Komm jetzt, um mit mir zu singen,
Um vereint mit mir zu sprechen,
Da wir hier zusammentrafen,
Von verschiednen Seiten kommend;
Selten kommen wir zusammen,
Selten finden wir einander
In den kargen Länderstrecken,
Auf des Nordens armem Boden.
Laß uns Hand in Hand nun legen,
Unsre Finger sich verschränken,
Einen muntern Sang zu singen,
Unsern besten vorzutragen,
Daß die Teuern ihn vernehmen,
Die Geliebten ihn erfahren,
In der Jugend, die emporsteigt,
In dem wachsenden Geschlechte –
Diese Worte, die erhaltnen,
Diese Lieder, die erschloßnen
Aus dem Gürtel Wäinämöinens,
Aus der Esse Ilmarinens,
Von dem Schwerte Kaukomielis,
Von dem Bogen Joukahainens,
Von des Nordgefildes Marken,
Von den Fluren Kalewalas.
Diese sang voreinst mein Vater,
Wenn er an dem Beilschaft schnitzte,
Diese lehrte mich die Mutter,
Wenn sie ihre Spindel drehte,
Da ich als ein Kind am Boden,
Vor den Knien ihr mich wälzte,
Als ein jämmerlicher Milchbart,
Als ein Milchmaul klein von Wuchse;
Über Sampo fehlten nimmer,
Über Louhi Zauberworte:
Alt ward in den Worten Sampo,
Louhi schwand im Zaubersange,
In den Liedern starb Wipunen,
In dem Spiele Lemminkäinen.
Gibt noch manche andre Worte,
Zaubersprüche, die ich lernte,
Die vom Wegrand ich gelesen,
Von der Heide abgebrochen,
Vom Gesträuche abgerissen,
Von den Zweigen abgepflücket,
Die gepreßt ich aus den Gräsern,
Von den Stegen aufgehoben,
Da ich ging als Hirtenknabe,
Als ein Kindlein auf die Weide,
Auf die honigreichen Wiesen,
Auf die goldbedeckten Hügel,
Folgend Muurikki der schwarzen,
An der bunten Kimmo Seite.
Lieder schenkte selbst der Frost mir,
Sang gab mir der Regenschauer,
Andre Lieder brachten Winde,
Trugen mir des Meeres Wogen,
Worte fügten mir die Vögel,
Sprüche schuf des Baumes Wipfel.
Sammelt' sie zu einem Knäuel,
Band zusammen sie zum Bündel;
Tat das Knäuel auf den Karren,
Warf das Bündel in den Schlitten;
Führte sie in meine Wohnung,
Mit dem Schlitten zu der Darre;
Tat sie auf des Speichers Bretter,
In den kupferreichen Kasten.
Lagen lange in der Kälte,
Weilten lange in dem Dunkel;
Soll das Lied ich aus der Kälte,
Aus dem Frost den Sang ich holen,
Meinen Kasten in die Stube,
Zu dem Tische meine Kiste,
Unter diese schönen Balken,
Dieses Dach, das weitberühmte,
Meine Liedertruhe öffnen,
Des Gesanges Schrein erschließen,
Soll das Knäuel ich entwirren,
Lösen dieses Bündels Knoten?
Werd' ein gutes Lied nun singen,
Daß es wunderschön ertöne,
Hab' ich Roggenbrot gegessen
Und vom Gerstentrank getrunken;
Sollte man kein Bier mir bringen
Und kein Dünnbier mir hier reichen,
Singe ich mit magrem Munde,
Singe ich bei bloßem Wasser
Zu der Freude unsres Abends,
Zu des schönen Tages Zierde,
Oder zu der Lust des Morgens,
Zum Beginn des neuen Tages.
Hörte oftmals also sagen,
Hörte oft im Liede singen:
Einzeln nahen uns die Nächte,
Einzeln leuchten uns die Tage,
Einzeln ward auch Wäinämöinen,
Dieser ew'ge Zaubersänger,
Von der schönen Lüftetochter,
Die ihm Mutter war, geboren.
Jungfrau war das Kind der Lüfte,
Sie, die schöne Schöpfungstochter,
Trug gar lang ihr einsam Dasein,
Alle Zeit ihr Mädchenleben
In der Lüfte weiten Höfen,
Auf den flachgebahnten Planen.
Einsam ward ihr dort das Leben,
Unbehaglich ihr das Dasein,
Immerfort allein zu weilen,
So als Jungfrau dort zu hausen
In der Lüfte weiten Höfen,
In der langgestreckten Öde.
Nieder ließ sich da die Jungfrau,
Senkt' sich auf des Wassers Fluten,
Auf des Meeres klaren Rücken,
Auf die freie Wogenfläche;
Fing ein Sturmwind an zu blasen,
Aus dem Osten böses Wetter,
Trieb das Meer zu wildem Schäumen,
Daß die Wellen wütend wogten.
Sturmwind wiegte dort die Jungfrau,
Mit ihr spielt' des Meeres Welle
Auf dem blauen Wasserrücken,
Auf den weißbekränzten Fluten;
Schwanger blies der Wind die Jungfrau
Und das Meer verlieh ihr Fülle.
Und es trug des Leibes Schwere,
Seine Bürde sie mit Schmerzen
Ganze siebenhundert Jahre,
Trug sie neun der Mannesalter,
Ohne daß das Kind geboren,
Daß zum Vorschein es gekommen.
Also schwamm als Wassermutter
Bald nach Osten, bald nach Westen,
Bald nach Norden, bald nach Süden,
Sie zu allen Himmelsrändern,
Angstvoll ob der Frucht des Windes,
Ob des Leibes schwerer Bürde,
Ohne daß das Kind geboren,
Daß zum Vorschein es gekommen.
Fing da leise an zu weinen,
Redet Worte solcher Weise:
Weh mir Armen ob des Schicksals,
Wehe mir ob meines Wanderns!
Dahin bin ich nun geraten,
Unterm Himmel hinzuirren,
Daß der Sturmwind mich hier wiege,
Daß die Welle mit mir spiele,
Auf den weiten Wasserstrecken,
Auf den schrankenlosen Fluten.
Wäre besser mir gewesen,
Wär' ich Jungfrau in den Lüften,
Als daß hier als Wassermutter
Durch die fremde Zeit ich treibe;
Frostig ist mir hier das Leben,
Schmerzhaft ist es hier zu weilen,
In den Wogen so zu irren,
In dem Wasser so zu wandern.
Ukko, du, o Gott der Höhe,
Du der Himmelswölbung Träger!
Komm herbei, du bist vonnöten,
Komm herbei, du wirst gerufen,
Lös' das Mädchen von den Qualen,
Von den argen Wehn das Weib du,
Komm geschwind, herbei komm eilend,
Eilend her, denn man bedarf dein!
Wenig Zeit war hingegangen,
Kaum ein Augenblick verflossen,
Sieh, herbei eilt eine Ente,
Fliegt heran der schöne Vogel,
Sucht zum Nest sich eine Stelle,
Späht nach einem Platz zur Wohnung.
Fliegt nach Osten, fliegt nach Westen,
Fliegt nach Norden und nach Süden,
Kann kein solches Plätzchen finden,
Nicht die allerschlechtste Stelle,
Wo ihr Nest sie machen könnte,
Eine Stätte sich bereiten.
Langsam schwebt sie, schaut rings um sich,
Sie besinnt und überlegt es:
Baue ich mein Haus im Winde,
Auf den Wogen meine Wohnung,
Wird der Wind das Haus zerstören,
Weit die Wogen es entführen.
Da erhebt die Wassermutter,
Sie, der Lüfte schöne Tochter,
Aus dem Meere ihre Kniee,
Aus der Flut die Schulterblätter,
Wo die Ent' ein Nest sich bauen,
Wo sie friedlich weilen könnte.
Entlein nun der schöne Vogel
Schwebt herbei und schaut rings um sich,
Sieht das Knie der Wassermutter
Auf dem blauen Meeresrücken,
Hält's für einen Wiesenhügel,
Meint, es wäre frischer Rasen.
Hin nun fliegt sie, schwebet langsam,
Läßt sich auf das Knie dann nieder;
Bauet dort ihr Nestlein fertig,
Legt hinein die goldnen Eier,
Goldner Eier ganze sechse,
Siebentes ein Ei von Eisen.
Setzt sich brütend auf die Eier,
Wärmt gemach des Kniees Wölbung;
Brütet einen Tag, den zweiten,
Brütet auch am dritten Tage;
Schon bemerkt's die Wassermutter,
Sie, der Lüfte schöne Tochter,
Spürt nun, daß es heißer wurde,
Daß die Haut beginnt zu glühen,
Meint, daß ihr die Kniee brennen,
Alle Adern ihr zerschmelzen.
Hastig rührt sie ihre Knie,
Schüttelt heftig ihre Glieder,
Daß die Eier in das Wasser,
In die Flut des Meeres stürzen,
In der Flut in Stücke brechen
Und in Splitter sich zerschlagen.
Nicht verkommen sie im Schlamme,
Nicht die Stücke in dem Wasser,
Sondern werden schön verwandelt,
Schön gestaltet alle Splitter:
Aus des Eies untrer Hälfte
Wird die niedre Erdenwölbung,
Aus des Eies obrer Hälfte
Wird des hohen Himmels Bogen;
Was sich Gelbes oben findet,
Fängt als Sonne an zu strahlen,
Was sich Weißes oben findet,
Das beginnt als Mond zu scheinen;
Von dem Sprenkligen im Eie
Werden Sterne an dem Himmel,
Von dem Dunkeln in dem Eie
Wird Gewölke in den Lüften.
Und die Zeiten schwinden rascher,
Immer fort und fort die Jahre
Bei der jungen Sonne Leuchten,
Bei des jungen Mondes Glanze;
Immer schwimmt die Wassermutter,
Sie, der Lüfte schöne Tochter,
In den schlummerstillen Wellen,
Auf der nebelreichen Fläche,
Vor sich hat sie nur die Fluten,
Hinter sich den hellen Himmel.
Endlich in dem neunten Jahre,
Zu der Zeit des zehnten Sommers
Hebt ihr Haupt sie aus dem Meere,
Ihre Stirn sie aus den Wogen,
Sie fängt an, ein Werk zu schaffen,
Anzufertigen beginnt sie
Auf dem klaren Meeresrücken,
Auf der weiten Wogenfläche.
Wo die Hand nur hin sie streckte,
Hoben sich schon Landesspitzen,
Wo sie mit dem Fuße rührte,
Bildeten sich Fischesgruben,
Wo ins Wasser sie sich tauchte,
Senkten sich des Meeres Tiefen,
Wo die Hüfte hin sie wandte,
Da erschienen ebne Ufer,
Wo den Fuß zum Land sie lenkte,
Wurden Lachsessammelplätze,
Wo der Kopf dem Lande nahte,
Da erwuchsen breite Buchten.
Schwamm noch weiter von dem Lande,
Ruht' ein wenig auf dem Rücken,
Schuf so Klippen in dem Meere,
Riffe, die dem Aug' verborgen,
Wo die Schiffe oft zerschellen,
Wo der Männer Leben endet.
Schon gebildet waren Inseln,
Klippen in dem Meer begründet,
Festgestellt der Lüfte Pfeiler,
Flur und Felder schon geschaffen,
Bunt die Steine schon gesprenkelt,
Wohlgefurchet schon die Felsen,
Wäinämöinen nur der Sänger
War und blieb noch ungeboren.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Wandert noch im Leib der Mutter
Dreißig Sommer nacheinander,
Eine gleiche Zahl von Wintern,
In den schlummerstillen Wellen,
Auf der nebelreichen Fläche.
Er besinnt und überlegt es,
Wie zu sein und wie zu leben
In dem nimmerhellen Raume,
In der unbequemen Enge,
Wo er nicht das Nordlicht schauen,
Nicht die Sonne kann gewahren.
Darauf spricht er diese Worte,
Läßt sich solcherart vernehmen:
Lös', o Mond, befrei', o Sonne,
Bringe mich, o Bär am Himmel,
Von den ungewohnten Türen,
Von den unbekannten Pforten,
Hier aus diesem kleinen Neste,
Aus dem engen Aufenthalte!
Daß ich auf der Erde wandre,
Wie ein Menschenkind im Freien,
Daß des Himmels Mond ich schaue,
Daß die Sonne ich gewahre,
Daß den Bären ich erblicke,
Daß die Sterne ich betrachte!
Da der Mond ihn nicht erlöset,
Nicht die Sonne ihn befreiet,
Wird das Sein ihm unbehaglich,
Ihm das Leben dort verdrießlich;
Sprengt der Festung schmale Pforte
Mit dem Finger ohne Namen,
Schlüpfet durch das Schloß, das starre,
Mit des linken Fußes Zehe,
Kriechet mit der Hand zur Schwelle,
Auf den Knieen durch das Vorhaus.
Stürzt nun häuptlings sich ins Wasser,
Wendet mit der Hand die Wogen;
Also bleibt der Mann im Meere,
So der Held im Flutgetriebe.
Ruht im Meere fünf der Jahre,
Fünf der Jahre, ja gar sechse,
Selbst das siebente und achte;
Endlich hält er ein im Meere,
An der Landzung' ohne Namen,
An dem baumentblößten Strande.
Rafft sich auf den Knien zum Lande,
Wendet mit der Hand sich hastig,
Hebt sich, um den Mond zu schauen,
Um die Sonne zu gewahren,
Um den Bären zu erblicken,
Um die Sterne zu betrachten.
Also wurde Wäinämöinen,
Dieser mächt'ge Zaubersänger,
Von der Lüfte schöner Tochter,
Die ihm Mutter war, geboren.
Alsobald schwang Wäinämöinen
Beide Füße auf die Heide,
Auf das meerumspülte Eiland,
Auf die baumentblößte Fläche.
Weilte darauf manche Jahre,
Lebte immerwährend weiter
Auf dem Eiland ohne Worte,
Auf der baumentblößten Fläche.
Dachte nach und überlegte,
Hegt' es lang in seinem Haupte:
Wer das Land ihm wohl besäen,
Wer den Samen streuen sollte?
Pellerwoinen, Sohn der Fluren,
Sampsa ist's, der Kleingeratne,
Der das Land ihm gut besäen,
Der den Samen streuen konnte.
Er besät das Land gar fleißig,
Wie das Land, so auch die Sümpfe,
Wie der Haine lockern Boden,
So die festen stein'gen Flächen.
Fichten sät er auf die Berge,
Tannen sät er auf die Hügel,
Heidekraut gibt er der Heide,
Zarte Schößlinge den Tälern.
Birken pflanzt er in die Brüche,
Erlen in die lockre Erde,
Feuchtes Land bekommt der Faulbaum,
Weichen Boden auch die Weide,
Heil'gen Ort die Eberesche,
Wasserland die Wasserweide,
Schlechten Boden der Wacholder,
Und die Eiche Stromesufer.
Höher wuchsen schon die Bäume,
Schon erstanden junge Sprossen,
Tannen mit den Blütenwipfeln,
In die Breite wuchsen Föhren,
Birken stiegen in den Brüchen,
Erlen in der lockern Erde,
In dem feuchten Land der Faulbaum,
Schlechtgebettet der Wacholder,
Schöne Beeren am Wacholder,
Gute Frucht am Faulbeerbaume.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Macht sich auf, um zuzuschauen,
Wie des Sampsa Saat geraten,
Wie die Arbeit Pellerwoinens;
Sah die Bäume sich erheben,
Junge Sprossen munter wachsen:
Nur die Eiche will nicht keimen,
Wurzeln nicht der Baum Jumalas.
Ließ die Böse in der Freiheit
Ihres eignen Glücks genießen,
Wartet' annoch drei der Nächte,
Wartet' ebensoviel Tage,
Ging dann hin, um zuzuschauen,
Als die Woche hingeschwunden:
Wachsen wollte nicht die Eiche,
Wurzeln nicht der Baum Jumalas.
Schaute dann der Mädchen viere,
Sah wohl fünf der Wasserbräute
Auf dem weichen Wiesenboden,
Auf dem feuchtbetauten Grase,
Auf der nebelreichen Spitze,
Auf dem dunstumwobnen Eiland;
Harkten da, was sie gemähet,
Zogen alles dann in Schwaden.
Aus dem Meere stieg ein Riese,
Stieg ein starker Held nach oben,
Drückt die Gräser, daß sie brennen,
Sie sich lichterloh entflammen,
Bis in Asche sie zergehen,
Bis sie ganz und gar verglühen.
Dort nun stand der Aschenhaufen,
Dort der Hügel trocknen Staubes,
Dahin tat ein zartes Blättchen,
Mit dem Blatt er eine Eichel,
Draus erwuchs die schöne Pflanze,
Stieg die üppig grüne Gerte
Gleich der Beere aus dem Boden,
In gegabelter Verzweigung.
Breitet aus schon ihre Äste,
Bauschet sich mit ihrer Krone,
Hebt den Wipfel bis zum Himmel,
Weit hinaus dehnt sie die Zweige,
Hält die Wolken auf im Laufe,
Läßt die Wölkchen selbst nicht ziehen,
Gönnt der Sonne nicht zu strahlen,
Gönnt dem Monde nicht zu leuchten.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Dachte nach und überlegte:
Könnte man den Stamm doch stürzen,
Diesen schlanken Baum hier fällen!
Traurig ist der Menschen Leben,
Mühsam ist des Fisches Schwimmen,
Wenn ihm nicht die Sonne scheinet,
Nicht das liebe Mondlicht leuchtet.
Nirgends gab es einen Helden,
Nirgends einen solchen Riesen,
Der den Eichenstamm ihm fällte,
Der die hundert Wipfel stürzte.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Sprach dann selber diese Worte:
Mutter, die du mich getragen,
Schöpfungstochter, die mich nährte!
Send' mir von des Wassers Mächten
(Viel der Mächte sind im Wasser),
Diese Eiche umzustürzen,
Auszurotten ihre Bosheit,
Daß die Sonne wieder scheine,
Daß das liebe Mondlicht leuchte.
Da entstieg ein Mann dem Meere,
Hob ein Held sich aus den Wogen,
Zählt er gleich nicht zu den größten,
Keineswegs auch zu den kleinsten:
Lang gleich einem Männerdaumen,
Hoch wie eine Weiberspanne.
Kupfern war des Mannes Mütze,
Kupfern an dem Fuß die Stiefel,
Kupfern an der Hand die Handschuh',
Kupfern auch ihr Streifenzierat,
Kupfern war am Leib der Gürtel,
Kupfern war das Beil im Gürtel,
Daumenslänge hat der Beilschaft,
Seine Schneide Nagels Höhe.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Überlegte und besann es:
Hat das Aussehn eines Mannes,
Hat das Wesen eines Helden,
Doch die Länge eines Daumens,
Kaum die Höh' des Rinderhufes.
Redet' darauf diese Worte,
Ließ sich selber so vernehmen:
Was bist du wohl für ein Männlein,
Du armseligster der Helden,
Besser kaum als ein Verstorbner,
Schöner kaum als ein Verblichner?
Sprach der kleine Mann vom Meere,
Antwort gab der Held der Fluten:
Bin gar wohl ein Mann, wenn einer,
Von dem Heldenvolk im Wasser,
Komme, um den Stamm zu fällen,
Um den Baum hier zu zertrümmern.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
Nimmer hast du solche Kräfte,
Nimmer ist es dir gegeben,
Diesen großen Stamm zu stürzen,
Diesen Sonderbaum zu fällen.
Konnte kaum noch dieses sagen,
Kaum den Blick auf ihn noch lenken,
Als der Mann sich rasch verwandelnd
Sich zu einem Riesen reckte;
Schleift die Füße auf der Erde,
Mit dem Haupt trägt er die Wolken,
Übers Knie reicht ihm der Bartschmuck,
An die Fersen seine Haare,
Klafterweite trennt die Augen,
Klafterbreit stehn ihm die Hosen,
Zweithalb Klafter von dem Kniekopf,
Zwei der Klafter von der Hüfte.
Wetzte hin und her das Eisen,
Strich behend die ebne Schneide
Mit sechs harten Kieselsteinen
Und mit sieben Schleifsteinsenden.
Fängt dann hastig an zu schreiten,
Hebt gar eilig seine Beine
Mit den überbreiten Hosen,
Die gebläht im Winde flattern,
Schwankt mit seinem ersten Schritte
Hin auf lockern Sandesboden,
Taumelt mit dem zweiten Schritte
Hin auf Land von dunkler Farbe,
Mit dem dritten Schritte endlich
Tritt er an der Eiche Wurzeln.
Haut den Baum mit seinem Beile,
Schlägt ihn mit der ebnen Schneide,
Einmal haut er, haut das zweite,
Schon zum dritten Male schlägt er,
Funken sprühen aus dem Beile,
Feuer fliehet aus der Eiche,
Will die Eiche niederwerfen,
Will den mächt'gen Baumstamm beugen.
Endlich bei dem dritten Male
Konnte er die Eiche fällen,
Brechen den gewalt'gen Baumstamm
Und die hundert Wipfel senken;
Stieß der Eiche Stamm nach Osten,
Warf die Wipfel hin nach Westen,
Schleuderte das Laub nach Süden
Und die Äste nach dem Norden.
Wer dort einen Zweig genommen,
Der gewann sich ew'ge Wohlfahrt,
Wer den Wipfel an sich brachte,
Hatte ew'ge Zauberkunde,
Wer vom Laube was geschnitten,
Dem ward ew'ge Liebeswonne.
Was von Spänen ausgestreuet,
Was von Splittern fortgeflogen
Auf den klaren Meeresrücken,
Auf den flachen Wellenspiegel,
Ward vom Winde dort gewieget,
Von den Wellen dort beweget
Wie ein Boot in Wasserwogen,
Wie ein Schiff in Meeresfluten.
Nach dem Nordland trugen's Winde;
Nordlands Magd, die kleine Jungfrau,
Spülte ihren schönen Kopfputz,
Spült' und klopfte ihre Kleider
Auf des Strandes Wassersteinen,
Auf des Landes langer Spitze.
Sah die Späne in den Fluten,
Sammelt' sie in ihren Ranzen,
Trug im lang beriemten Ranzen
Sie nach Hause, nach dem Hofe,
Daß der Zaubrer daraus Pfeile,
Waffen sich der Schütze schaffe.
Als die Eiche nun gefällt war,
Als gebeugt der stolze Baumstamm,
Konnt' die Sonne wieder scheinen,
Konnt' das liebe Mondlicht leuchten,
Weit dahin die Wolken schweifen,
Wölben sich des Himmels Bogen
Auf der nebelreichen Spitze,
Auf dem dunstumwobnen Eiland.
Schön erhoben sich die Haine,
Willig wuchsen da die Wälder,
Baumesblätter, Erdenkräuter,
Vögel sangen in den Bäumen,
Lustig lärmten heitre Drosseln
Und der Kuckuck ließ sich hören.
Beeren wuchsen aus dem Boden,
Goldne Blumen auf den Fluren,
Kräuter mancher Art entstanden
Und Gewächse jeder Weise;
Nur die Gerste wollte noch nicht,
Nicht die schöne Saat gedeihen.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Ging dahin und überlegte
An dem Strand des blauen Meeres,
An des mächt'gen Wassers Rande;
Fand dort bald der Körner sechse,
Sieben schöne Samenkörner,
An dem Strand des großen Meeres,
In dem lockern, sand'gen Lande;
Barg sie in dem Marderfelle,
In des Sommereichhorns Beinhaut.
Ging den Boden zu besäen,
Ging den Samen auszustreuen
An den Rand des Kalewbrunnens,
An den Saum des Osmofeldes.
Sieh, da schnarrt vom Baum die Meise:
Nicht gedeihet Osmos Gerste,
Nicht der Hafer von Kalewa,
Wird der Boden nicht bereitet,
Wird die Waldung nicht gelichtet,
Nicht mit Feuer abgesenget.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Ließ ein scharfes Beil sich machen,
Fing die Waldung an zu fällen
Und den Hain mit Kraft zu schwenden,
Fällte Bäume aller Arten,
Nur die Birke ließ er stehen,
Einen Ruheplatz den Vögeln,
Wo der Kuckuck rufen könnte.
Her vom Himmel kam ein Adler,
Durch die Lüfte angeflogen,
Kam die Sache anzuschauen:
Weshalb ward denn stehn gelassen
Diese Birke unbeschädigt,
Nicht der schlanke Baum gefället?
Wäinämöinen gab zur Antwort:
Deshalb ward sie stehn gelassen,
Daß die Vögel auf ihr ruhen,
Daß des Himmels Aar hier sitze.
Sprach der Aar, des Himmels Vogel:
Gut gewiß ist deine Sorge,
Daß die Birke du gelassen,
Daß der schlanke Baum geblieben
Als ein Ruheplatz den Vögeln,
Daß ich selber darauf sitze.
Feuer schlägt der Lüfte Vogel
Und verbreitet rasch die Flamme,
Bald versengt den Busch der Nordwind,
Nordost setzt ihn schnell in Asche,
Brennt die Bäume alle nieder,
Bis in Staub sie ganz zergehen.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Holt hervor der Körner sechse,
Holt die sieben Samenkörner
Aus dem Mardersack behende,
Aus der Haut des Sommereichhorns,
Aus dem Fell des Hermelines.
Geht das Land dann zu besäen,
Geht den Samen auszustreuen,
Redet selber diese Worte:
Hingebeugt werf' ich den Samen
Durch des Schöpfers Fingerspalten,
Mit der Hand des Machterfüllten,
Hin auf dieses Land zu wachsen,
Aus dem Boden hier zu sprossen.
Alte, die du unten weilest,
Erdenmutter, Flurengöttin,
Bring' den Rasen nun zum Drängen,
Bring' die Erde du zum Treiben;
Nimmer wird die Kraft der Erde,
Nimmer ihre Macht je fehlen,
Wenn die Geberinnen Gnade,
Huld der Schöpfung Töchter leihen.
Steig, o Erde, auf vom Schlafe,
Von dem Schlummer, Land des Schöpfers,
Laß die Halme sich erheben,
Laß die Stengel auf sich richten,
Tausend Ähren auferstehen,
Hundertfach sie sich verbreiten
Durch mein Ackern, durch mein Säen,
Da ich also mich bemühe!
Ukko, du, o Gott der Höhe,
Du, o Vater in dem Himmel,
Der du im Gewölke waltest
Und die Wölklein alle lenkest!
Halte Rat im Wolkenraume,
Guten Rat im Luftbereiche,
Schick' von Osten eine Wolke,
Laß von Nordwest eine kommen,
Treibe andre her von Westen,
Sende welche aus dem Süden,
Laß vom Himmel Regen sprühen,
Laß die Wolken Honig träufeln,
Daß die Ähren sich erheben,
Daß die Saaten munter rauschen!
Ukko, er, der Gott der Höhe,
Er, der Vater in dem Himmel,
Hielt nun Rat im Wolkenraume,
Guten Rat im Luftbereiche,
Schickt' von Osten eine Wolke,
Ließ von Nordwest eine kommen,
Andre trieb er her vom Westen,
Sandte welche aus dem Süden,
Fügt' die Säume aneinander,
Stieß die Seiten rasch zusammen,
Ließ vom Himmel Regen sprühen,
Ließ die Wolken Honig träufeln,
Daß die Ähren sich erhoben,
Daß die Saaten munter rauschten;
Es erhoben sich die Halme,
Es erstanden farb'ge Ähren
Aus der Erde weichem Boden
Durch die Mühe Wäinämöinens.
Es verging der Tage nächster,
Zwei und drei der Nächte schwanden;
Als die Woche abgelaufen,
Ging der alte Wäinämöinen
Hin zur Saat, um nachzusehen,
Wie sein Ackern, wie sein Säen,
Wie die Arbeit wohl gediehen;
Sieh, es wuchs die Saat nach Wunsche,
Ähren gab es mit sechs Kanten,
Halme fand er mit drei Knoten.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Schaute um sich, wandt' die Blicke,
Sieh, da kam des Frühlings Kuckuck
Und ersah die schlanke Birke:
Weshalb ward denn stehn gelassen,
Ungefället diese Birke?
Sprach der alte Wäinämöinen:
Deshalb ist sie hier gelassen,
Diese Birke, daß sie wachse,
Dir ein Platz zum muntern Singen;
Rufe hier, o lieber Kuckuck,
Singe schön aus weicher Kehle,
Singe hell mit Silberstimme,
Singe klar mit Zinnesklange,
Rufe morgens, rufe abends,
Rufe um die Mittagsstunde,
Daß sich diese Stätte freue,
Daß die Wälder schöner wachsen,
Reichern Schatz die Küste spende
Und das Feld von Korne schwelle!
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Lebte nun sein liebes Leben
Auf den Fluren von Wäinölä,
Auf den Flächen Kalewalas,
Sang dort seine ew'gen Lieder,
Sang beständig kunsterfahren.
Sang von einem Tag zum andern,
Nacht um Nacht in steter Folge,
Das Gedächtnis alter Zeiten,
Sang den Ursprung aller Dinge,
Was die Kinder nimmer können,
Nicht ein jeder Held verstehet
Jetzt in diesen schlimmen Zeiten,
Bei dem sinkenden Geschlechte.
Weithin hörte man die Nachricht,
Weit verbreitet sich die Kunde
Von dem Liede Wäinämöinens,
Von dem Sang des starken Helden;
Hin nach Süden dringt die Kunde,
Nach dem Nordland kommt die Nachricht.
Allda lebte Joukahainen,
Dieser magre Lappenjüngling;
Einst zu Gast im Nachbardorfe
Hört' er wundersame Worte,
Daß man schöner singen könnte,
Beßre Lieder wüßt' zu schaffen
Auf den Fluren von Wäinölä,
Auf den Flächen Kalewalas,
Als er selber je vermochte,
Als vom Vater er erlernte.
Wurde darob weidlich böse,
War die ganze Zeit voll Neides
Ob des Sangs von Wäinämöinen,
Daß er besser sei denn seiner;
Eilte bald zu seiner Mutter,
Hin zu ihr, der greisen Alten,
Sagt', er wolle gleich von hinnen,
Unverweilt sich fortbegeben
Zu den Stuben von Wainölä,
Um mit Wäinö dort zu streiten.
Es verbot's dem Sohn der Vater,
Wie der Vater, so die Mutter,
Hin nach Wainölä zu gehen,
Um mit Wäinö dort zu streiten:
Bannen wird man dich gewißlich,
Bannen dich und dir versenken
Mund und Kopf in Schneegefilde,
Deine Hand in rauhe Lüfte,
Daß den Arm du nimmer rührest,
Daß die Füße du nicht regest.
Sprach der junge Joukahainen:
Gut wohl ist des Vaters Wissen
Und noch besser das der Mutter,
Doch das eigne steht am höchsten;
Will mich gegenüberstellen
Und den Mann zum Kampfe fordern,
Übersinge, wer mich ansingt,
Überspreche, wer mich anspricht,
Singe, daß der beste Sänger
Bald als schlechtester erscheinet,
Sing' ihm Steinschuh' an die Füße,
Hölzern Beinkleid an die Hüften,
Sing' ihm Steinlast auf das Brustbein,
Einen Steinblock auf die Schultern,
Steinern' Handschuh' an die Hände,
Eine Steinmütz' auf den Schädel.
Darauf ging er ungehorsam,
Nahm sein Roß rasch aus dem Stalle,
Feuer sprüht' aus dessen Nüstern,
Funken schlugen dessen Hufe;
Schirrte an das Roß voll Feuer,
Spannt' es an den goldnen Schlitten;
Setzt' sich selber in den Schlitten
Hob sich auf dem Hintersitze,
Schlug das Roß mit seiner Gerte,
Mit der perlenreichen Peitsche,
Lebhaft lief das Roß von dannen,
Leichten Laufes seine Wege.
Stürmte ungestüm von dannen,
Jagte einen Tag, den zweiten,
Jagte noch am dritten Tage;
Endlich an dem dritten Tage
Hält er auf Wäinöläs Fluren,
Auf den Flächen Kalewalas.
Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Er, der ew'ge Zaubersprecher,
War gerade auf dem Wege,
Fuhr gelassen seine Straße
Auf den Fluren von Wäinölä,
Auf den Flächen Kalewalas.
Joukahainen jung und stürmisch
Kam ihm auf dem Weg entgegen,
Deichsel haftet an der Deichsel,
Riemen reibt sich an dem Riemen,
Kummet klappert an dem Kummet,
Krummholz an des Krummholzs Kante.
Blieben beide darauf stehen,
Blieben stehn und überlegten,
Wasser tropfte von dem Krummholz,
Von der Deichsel stieg der Dampf auf.
Fragt' der alte Wäinämöinen:
Woher bist du denn von Hause,
Der so dumm drauf losgefahren,
Unbeholfen mir begegnet,
Der das Kummet mir zerschlagen
Und zerbrochen mir das Krummholz,
Meinen Schlitten mir beschädigt
Und zersplittert seine Leisten?
Sprach der junge Joukahainen,
Redet Worte solcher Weise:
Bin der junge Joukahainen,
Aber nenne dein Geschlecht nun,
Woher bist denn du von Hause
Und aus welcher Sippe, Ärmster?
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Nannte nunmehr seinen Namen,
Ließ sich also dann vernehmen:
Bist du denn jung Joukahainen,
Nun so weich mir aus dem Wege,
Jünger bist du ja an Jahren.
Doch der junge Joukahainen
Redet Worte solcher Weise:
Minder gilt hier Mannes Jugend,
Mannes Jugend, Mannes Alter;
Wer an Wissen höher stehet,
Wer an Weisheit mehr umfasset,
Der nur mag die Bahn behalten
Und der andre mag ihm weichen;
Bist du denn alt Wäinämöinen,
Du der ew'ge Zaubersänger,
Nun so wollen wir ans Singen,
An die Lieder wir uns machen,
Daß der Mann vom Mann was höre,
Einer mit dem andern streite.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
Werde wohl nicht viel vermögen,
Nicht gar viel zu singen wissen,
Habe ja mein liebes Leben
Nur gelebt in ödem Lande,
Auf den heimatlichen Fluren,
Nur den Kuckuck dort vernommen;
Doch dem sei nun wie ihm wolle,
Sage du, damit ich's höre,
Was denn weißt du mehr als andre,
Worin geht dein Wissen weiter?
Sprach der junge Joukahainen:
Weiß gar wohl so manche Dinge,
Dies verstehe ich von Grund aus,
Und erfasse ganz genau es:
In dem Dache ist das Rauchloch,
Und der Herd steht an dem Ofen.
Lustig ist der Robbe Leben,
Fröhlich sind des Seehunds Tage,
Frißt die Lachse, die ihm nahen,
Schlingt die nachbarlichen Schnäpel.
Schnäpel haben flache Felder,
Und die Lachse ebne Stätten;
Hechte laichen in der Kälte
In den wilden Winterstürmen;
Bange schwimmt der Barsch zur Herbstzeit
Krummen Nackens in den Tiefen,
Sommers laichet er im Trocknen,
Raschelt dann am Meeresufer.
Sollte das genug nicht scheinen,
Weiß ich noch so manche Dinge,
Kann so manche Sache sagen:
Mit dem Renntier pflügt das Nordland,
Südland mit dem Mutterpferde,
Hinterlappland mit dem Elen.
Kenn' die Bäum' des Pisaberges,
Auf dem Hornafels die Föhren,
Schlank sind auf dem Berg die Bäume,
Auf dem Hornafels die Föhren.
Drei gibt es der Wasserfälle,
Ebensoviel große Seen,
Ebensoviel hohe Berge
Unter diesem Himmelsbogen:
Bei den Jämen Hälläpyörä,
Kaatrakoski in Karjala,
Nicht bestritten wird der Wuoksen,
Übertroffen der Imatra.
Sprach der alte Wäinämöinen:
Kinderklugheit, Weiberweisheit
Ziemet nicht dem bärt'gen Helden,
Nimmer dem beweibten Manne;
Sage mir der Dinge Ursprung
Und erzähle mir ihr Wesen.
Sprach der junge Joukahainen:
Redet Worte solcher Weise:
Kenne wohl der Meise Ursprung,
Weiß gar wohl, daß sie ein Vogel,
Daß die grüne Natter Schlange,
Fisch im Wasser ist der Kaulbarsch,
Weiß vom Eisen, daß es spröd ist,
Daß die schwarze Erde sauer,
Schmerzhaft ist das heiße Wasser,
Und des Feuers Hitz' gefährlich.
Wasser ist der Salben ältste,
Schaum der Zaubermittel erstes,
Von den Ärzten ist der Schöpfer,
Von den Helfern Gott der erste.
Aus dem Berge kam das Wasser,
Hoch vom Himmel fiel das Feuer,
Aus dem Rost entstand das Eisen,
Und das Kupfer kam aus Felsen.
Ältstes Land sind feuchte Bühle,
Wie die Weid' der Bäume erster,
Tannen sind die ersten Häuser,
Blöcke sind die ersten Töpfe.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
Weißt du weiter was zu sagen,
Oder ist dein Schwatz zu Ende?
Sprach der junge Joukahainen:
Werd' wohl noch ein wenig wissen,
Mich entsinnen jener Zeiten,
Als ich ackerte die Meere
Und des Meeres Höhlen hackte,
Als ich grub der Fische Grotten
Und des Wassers Tiefen senkte,
Als die Seen ich ließ erstehen,
Berge aus dem Boden steigen,
Felsen sich zusammenhäufen.
Ferner habe ich als sechster,
Ich als siebenter der Helden
Diese Erde hier erschaffen,
Hab' den Luftraum ich gewölbet,
Gründete der Lüfte Pfeiler,
Spannte aus des Himmels Bogen,
Seine Bahn befahl dem Mond ich
Und der Sonne ihre Wege,
Wies dem Bären seinen Ort an,
Streute Sterne aus am Himmel.
Sprach der alte Wäinämöinen:
Bist ein überfrecher Lügner;
Nimmer warst du da zugegen,
Als man ackerte die Meere
Und des Meeres Höhlen hackte,
Als man grub der Fische Grotten
Und des Wassers Tiefen senkte,
Als die Seen da erstanden,
Berge aus dem Boden stiegen,
Felsen sich zusammenhäuften.
Nimmer hat man dich gesehen,
Nicht gesehen, nicht gehöret,
Als die Erde ward erschaffen,
Als der Luftraum ward gewölbet,
Als die Pfeiler auch der Lüfte
Und der Himmel ward gegründet,
Als dem Mond die Bahn gewiesen
Und der Sonne ihre Wege,
Als der Bär an seinen Ort kam,
Ausgestreut die Sterne wurden.
Doch der junge Joukahainen
Gab zur Antwort solche Worte:
Soll ich selbst Verstand nicht haben,
Werd' ich ihn beim Schwerte suchen;
Nun du alter Wäinämöinen,
Sänger mit dem breiten Maule,
Laß du uns die Schwerter messen,
Laß die Klingen uns beschauen!
Sprach der alte Wäinämöinen:
Nimmer fällt's mir ein, zu fürchten
Deine Waffen, deine Weisheit,
Deine Schneide, deinen Scharfsinn;
Doch dem sei nun, wie ihm wolle,
Mit dir, der du so erbärmlich,
Werd' das Schwert ich nimmer messen,
Nie mit dir, dem armen Wichte.
Doch der junge Joukahainen
Zieht gar schief den Mund und schüttelt
Samt dem Haupt die schwarzen Haare,
Selber spricht er diese Worte:
Wer sich scheut, das Schwert zu messen
Und die Klinge zu beschauen,
Den werd' ich zum Schweine singen,
Ihn zum Rüsselträger zaubern,
Stecke Helden solchen Schlages
Diesen hierhin, jenen dorthin,
Drück' ihn in den Düngerhaufen,
Stoß' ihn in die Eck' des Viehstalls.
Unwirsch ward da Wäinämöinen,
Unwirsch ward er und ergrimmte,
Fing dann selber an zu singen,
Hob nun selber an zu sprechen;
Keine Kinderlieder sang er,
Kinderkram und Weiberwitze,
Sondern Sang des bärt'gen Helden,
Den die Kinder nimmer können,
Auch die Knaben nicht zur Hälfte,
Freiersleute nicht ein Drittel,
Jetzt in diesen schlimmen Zeiten,
Bei dem sinkenden Geschlechte.
Sang der alte Wäinämöinen,
Seen schwankten, Länder bebten,
Kupferberge selbst erdröhnten,
Starre Steine selbst erschraken,
Felsen flogen voneinander,
Klippen an dem Strand zerschellten.
Sang auf Joukahainens Krummholz
Zaubernd junge Baumessprossen,
Weidenbuschwerk auf das Kummet,
Weiden an des Riemens Ende,
Sang den schöngeschmückten Schlitten
In den See als schlechtes Strauchwerk,
Bannt' die perlenreiche Peitsche
An den Meeresstrand als Schilfrohr,
Sang das Roß mit weißer Stirne
An den Wasserfall als Steinbock.
Sang das Schwert mit goldnem Schafte
Dann als Blitzstrahl an den Himmel,
Bannt' des Bogens bunte Wölbung
Auf die Flut als Regenbogen,
Wandelte die flücht'gen Pfeile
Um zu Habichten, die kreisen,
Dann den Hund mit krummer Schnauze
Um zum Felsblock auf dem Boden.
Sang dem Mann die Mütz' vom Kopfe,
Wandelt' sie in Wolkenhaufen,
Sang die Handschuh' von den Händen
In den See als Wasserblumen,
Ließ das blaue wollne Wämschen
Lämmerwolken an dem Himmel,
Ließ die prächt'ge Gürtelbinde
Dort zu Sternenscharen werden.
Sang den Joukahainen selber
Bis zum Gurt in tiefe Sümpfe,
Bis zur Hüft' in Wasserwiesen,
Bis zum Arm in Sandestiefen.
Jetzt wohl mußte Joukahainen,
Mußt' er merken und begreifen,
Daß er diesen Weg gegangen,
Diese Fahrt er unternommen,
Um zu streiten und zu singen
Mit dem alten Wäinämöinen.
Wollte seinen Fuß bewegen,
Nicht vermocht' er ihn zu heben,
Wollt' den andern darauf wenden,
Doch er war mit Stein beschuhet.
Schon gerät jetzt Joukahainen
In gar große Angst und Sorge
Und versinkt in starken Jammer;
Redet Worte solcher Weise:
O du weiser Wäinämöinen,
Zaubersprecher aller Zeiten,
Wende deinen starken Bannspruch,
Nimm zurück die Zauberworte,
Laß mich aus dem Schreckensloche,
Aus der unbequemen Enge,
Gute Zahlung will ich geben,
Ich gelob' ein kräftig Lösgeld!
Sprach der alte Wäinämöinen:
Was denn wirst du mir wohl geben,
Wenn ich meinen Bannspruch wende
Und zurück den Zauber nehme,
Aus dem Schreckensloch dich lasse,
Aus der unbequemen Enge?
Sprach der junge Joukahainen:
Hab' zu Haus' zwei gute Bogen,
Wohl ein Paar gar schöner Bogen,
Schnell kann man den einen spannen,
Scharf zum Ziele schießt der andre;
Welcher dir gefällt, den wähle.
Sprach der alte Wäinämöinen:
Nicht begehr' ich deine Bogen,
Nicht, o Narr, sind sie mir nütze,
Habe deren selber welche,
Alle Wände sind behangen,
Jeder Nagel eingenommen,
Gehn von selbst stets in die Waldung,
Ohne Helden zu dem Jagdwerk.
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sogleich noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
Hab' zu Haus' zwei gute Boote,
Wohl ein Paar gar schöner Boote,
Läuft das eine leicht im Meere,
Trägt das andre schwere Lasten,
Welches dir gefällt, das wähle!
Sprach der alte Wäinämöinen:
Nicht begehr' ich deine Boote,
Heg' nach ihnen kein Verlangen,
Habe deren selber welche,
Schon besetzt sind alle Walzen,
Alle Buchten voll von Booten,
Manche ziehen mit dem Winde,
Andre gehen ihm entgegen.
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sogleich noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
Hab' zu Haus' zwei gute Hengste,
Wohl ein Paar gar schöner Pferde,
Läuft das eine leichten Hufes,
Zieht das andre rasch in Riemen,
Welches dir gefällt, das wähle.
Sprach der alte Wäinämöinen:
Nicht begehr' ich deine Hengste,
Brauche nicht die buntgefleckten,
Habe deren selber welche,
Stehen mir an jeder Krippe,
Stehen mir in jedem Stalle,
Klares Wasser auf dem Rücken,
Einen Fettsee auf dem Kreuzblatt.
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sogleich noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
O du alter Wäinämöinen,
Wende deinen starken Bannspruch,
Nimm zurück die Zauberworte,
Geb' dir eine Mütz' voll Goldes,
Schenk' dir einen Hut voll Silber,
Aus dem Kriege bracht's mein Vater,
Holt' es aus dem harten Kampfe.
Sprach der alte Wäinämöinen:
Sehn' mich nicht nach deinem Silber,
Frage nicht nach deinem Golde,
Hab' genug davon wohl selber,
Vollgestopft ist jede Kammer,
Jede Kiste bis zum Rande,
Gold mit ew'gem Mondesglanze,
Silber mit dem Sonnenschimmer.
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sogleich noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
O du alter Wäinämöinen,
Laß mich aus dem Schreckensloche,
Aus der unbequemen Enge,
Will dir mein Getreide geben,
Ich versprech' dir meine Felder,
Um mein Leben auszulösen,
Um mich selber zu befreien!
Sprach der alte Wäinämöinen:
Geh mit den Getreidehaufen,
Fort mit deinen fetten Feldern,
Habe deren selber welche,
Felder fast an jeder Ecke,
Hab' Getreid' auf jedem Grunde,
Eigne Felder sind die besten,
Eigne Ernten stets die liebsten.
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf nur immer tiefer.
Ward dem jungen Joukahainen
Endlich gar zu angst und bange,
Steckt schon bis zum Kinn im Sumpfe,
Mit dem Barte in dem Boden,
Hat den Mund voll Moos und Erde,
Streift die Sträucher mit den Zähnen.
Sprach der junge Joukahainen:
O du weiser Wäinämöinen,
Zaubersprecher aller Zeiten,
Sing zurück den Zaubersang doch,
Gönn' mir noch mein liebes Leben,
Laß mich aus dem Loche kommen,
Fort schon zieht der Fluß die Füße
Und der Sand ätzt mir das Auge.
Wendest du die Zauberworte,
Tust du ab den bösen Bannspruch,
Geb' ich Aino, meine Schwester,
Geb' ich meiner Mutter Tochter,
Daß sie dir die Stube kehre,
Rein den Raum dir immer halte,
Blank die Bütten spül' und scheure,
Deines Bettes Tücher breite,
Goldne Decken wirk' und webe,
Honigbrot dir fleißig backe.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Wurde nun gar froh und munter,
Daß er Joukahainens Schwester
Für sein Alter so gewonnen.
Setzt sich auf den Freudefelsen,
Stellt sich auf den Stein des Sanges,
Singt ein Weilchen, singt von neuem,
Singt dann noch zum dritten Male,
Wendet so den starken Bannspruch,
Nimmt zurück die Zauberworte.
Kam der junge Joukahainen
Aus dem Sumpfe mit den Knieen,
Mit dem Barte aus dem Boden,
Kam sein Pferd vom Felsenblocke,
Aus des Ufers Strauch sein Schlitten,
Aus dem Schilfrohr seine Peitsche.
Stellt' in Ordnung seinen Schlitten,
Warf sich eilend auf den Sitz hin,
Fuhr davon mit trüber Laune,
Mit gar schlechter Herzensstimmung,
Hin zu seiner lieben Mutter,
Hin zu ihr, der greisen Alten.
Fuhr gar rauschend nach der Heimat,
Fuhr gar wunderlich nach Hause,
Brach den Schlitten an dem Dreschhaus,
Und die Deichsel an der Pforte.
An zu raten fing die Mutter
Und der Vater sprach die Worte:
Wohl zum Scherz hast du den Schlitten,
Hast die Deichsel du zerbrochen!
Weshalb kommst so wunderseltsam
Und betroffen du nach Hause?
Mußt' der junge Joukahainen
Reichlich Tränen nun vergießen,
Tiefen Hauptes, trüben Sinnes,
Schief geschoben seine Mütze,
Ließ er breit herab die Lippen
Und zum Mund die Nase hängen.
Fragte ihn nunmehr die Mutter,
Suchte sie ihn auszuforschen:
Sag', was weinest du, mein Söhnchen,
Murrest du, mein Erstgeborner,
Läßt die Lippen also hängen
Und zum Mund die Nase sinken?
Sprach der junge Joukahainen:
Teure, die du mich getragen,
Wohl ist Grund ob des Geschehnen,
Ursach' ob des Vorgefallnen,
Wohl ist Grund zum Weinen heute,
Hab' ich Ursach' heut zu murren,
Ewig werde ich nun weinen,
Trauernd nun mein Leben tragen,
Da ich Aino, meine Schwester,
Meiner lieben Mutter Tochter,
Wäinämöinen hab' versprochen,
Ihm, dem Sänger, eine Gattin,
Ihm, dem Schwankenden, zur Stütze,
Und zum Schutz dem Winkelhocker.
Munter schlug alsdann die Mutter
Hand an Hand in Hast zusammen,
Redet Worte solcher Weise:
Weine nicht, mein liebes Söhnchen,
Hast nicht Grund zum Weinen heute,
Nicht zum Weinen, nicht zum Trauern:
Immer hegt' ich diese Hoffnung,
Hielt sie fest im Lauf der Jahre,
Wünschte mir den wackern Helden,
Ihn, den starken Wäinämöinen,
Mir zu meinem Schwiegersohne,
Mir zum Tochtermann den Sänger.
Doch die Schwester Joukahainens
Fing gar bitter an zu weinen,
Weinte einen Tag, den zweiten,
Weinend stand sie an der Pforte,
Weinte ob des großen Kummers,
Ob des bittern Grams im Herzen.
Hob die Mutter an zu sprechen:
Warum weinst du, liebe Aino?
Hast ja einen großen Freier,
Kommst ins hohe Haus des Mannes,
Um am Fenster dort zu sitzen,
Auf den Bänken dort zu plaudern.
Doch die Tochter sprach die Worte:
Mutter, die du mich getragen,
Wohl kann ich, o Liebe, weinen,
Weinen ob der schönen Flechte,
Ob des jungen Schmucks des Hauptes,
Ob der Weichheit meiner Haare,
Daß sie ganz und gar verborgen
Und bedeckt nun wachsen werden.
Weine nun mein junges Leben
Ob der lieben Sonne Liebe,
Ob des schönen Mondscheins Milde,
Ob der Herrlichkeit des Himmels,
Die als Kind ich muß verlassen
Und als Mädchen muß vergessen
Auf dem Schnitzplatz meines Bruders,
Unter meines Vaters Fenster.
Sprach die Mutter zu der Tochter,
So die Alte zu der Jungen:
Geh, o Törin, mit dem Grame,
Mit den Tränen, Mißgeratne,
Keinen Grund hast du zur Trauer,
Anlaß nicht, dich abzuhärmen:
Scheint doch Gottes schöne Sonne
Wohl auch anderswo auf Erden,
Nicht bloß in des Vaters Fenster,
Nicht bloß auf des Bruders Schnitzbank;
Beeren gibt es auf den Bergen,
Auf den Fluren viele Erdbeern,
Kannst sie dort, o Kummervolle,
Fort und fort dir selber pflücken,
Nicht bloß auf des Vaters Feldern,
Nicht bloß auf des Bruders Boden.
Aino, dieses junge Mädchen,
Joukahainens schöne Schwester,
Ging nun in den Busch nach Besen,
Ging, um Quaste dort zu holen;
Brach dort einen für den Vater,
Einen brach sie für die Mutter,
Bindet dann den dritten Besen
Für den jüngsten ihrer Brüder.
Schon macht sie sich auf nach Hause,
Flattert aus dem Erlenwäldchen,
Kommt des Weges Wäinämöinen
Und erblickt im Busch die Jungfrau,
Auf dem Gras die schöngeschürzte,
Redet Worte solcher Weise:
Nicht für andre trag, o Jungfrau,
Nein für mich nur trag, o Jungfrau,
An dem Halse Perlenschnüre,
Auf der Brust ein blankes Kreuzchen,
Wind' für mich die feine Flechte,
Schmück' für mich das Haar mit Seide.
Ihm zur Antwort gab die Jungfrau:
Nicht für dich und nicht für andre
Hängt mir auf der Brust das Kreuzchen,
Schmücke ich mein Haupt mit Seide;
Brauch' nicht schiffgebrachte Kleider,
Sehn' mich nicht nach Weizenbroten,
Geh' in knappem Hausgewande,
Nähre mich von grober Kruste,
Bleib' bei meinem lieben Vater,
In der Nähe meiner Mutter.
Riß drauf von der Brust das Kreuzchen,
Von den Fingern fort die Ringe,
Fort vom Halse dann die Perlen,
Von dem Haupt die roten Schnüre,
Warf es alles auf den Boden,
Warf behend es in das Buschwerk,
Ging dann weinend ihrer Wege
Und mit Heulen fort nach Hause.
An dem Fenster saß der Vater,
Schnitzte dort am schönen Beilschaft:
Weshalb weinst du, arme Tochter,
Arme Tochter, junges Mädchen?
Hab' wohl Grund zum Weinen, Vater,
Grund zum Kummer und zur Klage;
Deshalb wein' ich, lieber Vater,
Deshalb weine ich und klage:
Von der Brust fiel mir das Kreuzchen,
Meinem Gurt entglitt die Spange,
Ganz von Silber war das Kreuzchen,
Und die Spange war von Kupfer.
An der Pforte saß der Bruder,
Schnitzte dort am schönen Krummholz:
Weshalb weinst du, arme Schwester,
Arme Schwester, junges Mädchen?
Hab' wohl Grund zum Weinen, Bruder,
Grund zum Kummer und zur Klage;
Deshalb wein' ich, lieber Bruder,
Deshalb weine ich und klage:
Von dem Finger fiel der Ring mir,
Von dem Hals die Perlenschnüre,
Golden war der Ring am Finger,
Silbern an dem Hals die Perlen.
An der Schwelle saß die Schwester,
Webte dort am goldnen Gürtel:
Weshalb weinst du, arme Schwester,
Arme Schwester, junges Mädchen?
Hab' wohl Grund zum Weinen, Schwester,
Grund zum Kummer und zur Klage;
Deshalb wein' ich, liebe Schwester,
Deshalb weine ich und klage:
Von den Schläfen fiel das Gold mir,
Aus den Haaren mir das Silber,
Von dem Aug' die blaue Seide,
Von dem Kopf die roten Schnüre.
An der Tür des Vorratshauses
Sammelte die Mutter Sahne:
Weshalb weinst du, arme Tochter,
Arme Tochter, junges Mädchen?
Mutter, die du mich getragen,
Mutter, die du mich gesäuget,
Hab' wohl Grund, mich sehr zu grämen,
Bitterlich mich zu betrüben;
Deshalb wein' ich, arme Mutter,
Dies ist, Mütterlein, mein Kummer:
Ging hin in den Busch nach Besen,
Ging, um Quaste dort zu brechen,
Brach dort einen für den Vater,
Brach den zweiten für die Mutter,
Band darauf den dritten Besen
Für den jüngsten meiner Brüder,
Fing dann an nach Haus' zu gehen,
Eilte heimwärts durch die Heide,
Aus dem Tal sprach da Osmoinen,
Kalewainen von der Schwende:
Nicht für andre trag, o Mädchen,
Nein für mich nur trag, o Mädchen,
An dem Halse Perlenschnüre,
Auf der Brust ein blankes Kreuzchen,
Wind' für mich die feine Flechte,
Schmück' für mich das Haar mit Seide.
Riß drauf von der Brust das Kreuzchen,
Von dem Halse fort die Perlen,
Von dem Aug' die blaue Seide,
Von dem Kopf die roten Schnüre,
Warf es alles auf die Erde,
Warf behend es in das Buschwerk,
Sprach dann selber diese Worte:
Nicht für dich und nicht für andre
Hängt mir auf der Brust das Kreuzchen,
Schmücke ich mein Haupt mit Seide;
Brauch' nicht schiffgebrachte Kleider,
Sehn' mich nicht nach Weizenbroten,
Geh' in knappem Hausgewande,
Nähre mich von grober Kruste,
Bleib' bei meinem lieben Vater,
In der Nähe meiner Mutter.
Sprach die Mutter zu der Tochter,
So die Alte zu der Jungen:
Weine nicht mehr, teure Tochter,
Murre nicht, mein liebes Mädchen!
Iß ein Jahr lang gute Butter,
Wirst da lieblich runder werden,
Iß das zweite Jahr nur Schweinfleisch,
Wirst gar stattlich da gedeihen,
Und im dritten Sahnenkuchen,
Wirst die Schönste da von allen;
Geh zum Vorratshaus am Berge,
Öffnet dort die beste Kammer,
Kisten stehen dort auf Kisten,
Kasten stehen dort auf Kasten,
Öffne dort die beste Kiste,
Hebe ab den bunten Deckel,
Findest goldner Gürtel sechse,
Findest sieben blaue Röcke,
Die des Mondes Tochter webte,
Die der Sonne Tochter nähte.
Ging in meinen jungen Jahren,
In den Tagen meiner Jugend
In den Busch und suchte Beeren,
Suchte Himbeern an dem Berge,
Hört' des Mondes Tochter weben
Und der Sonne Tochter spinnen,
An dem Rand des blauen Haines,
An dem Saum des holden Laubwalds.
Nahe trat an sie heran ich,
Stellte mich zu ihrer Seite
Und begann sie sanft zu bitten,
Sprach dann selber diese Worte:
Gib dein Gold, o Mondes Tochter,
Gib dein Silber, Sonnentochter,
Diesem Mädchen ohne Habe,
Diesem Kinde, das dich bittet.
Gold gab mir des Mondes Tochter,
Silber mir die Sonnentochter,
Gaben Gold mir an die Schläfen,
Auf das Haupt mir schimmernd Silber,
Kam als Blume dann nach Hause,
Freudig nach des Vaters Höfen.
Trug es einen Tag, den zweiten,
Aber schon am dritten Tage
Nahm das Gold ich von den Schläfen
Und das Silber mir vom Haupte,
Bracht' es hin zum Haus' am Berge,
Tat es sorgsam in die Kiste;
Hat bis heute dort gelegen,
Hab' es nie mehr angesehen.
Winde Seide um die Augen,
Bausche Gold um deine Schläfen,
Um den Hals schling helle Perlen,
Mit dem Goldkreuz zier' den Brustlatz,
Leg' dir an ein Hemd von Leinwand,
Aus dem allerfeinsten Flachse,
Zieh dir an den schmucken Tuchrock,
Schnüre ihn mit seidnem Gürtel,
Kleide dich mit seidnen Strümpfen,
Mit den Schuhn von schönem Leder,
Winde dir ums Haupt die Flechte,
Binde sie mit seidnen Bändern,
Schmück' mit Ringen deine Finger
Und den Arm mit goldner Spange.
Kommst drauf also in die Stube,
Schreitest also aus dem Hause,
Wohl zur Freude der Verwandten,
Zu des ganzen Hauses Zierde,
Wandelst dann wie eine Blume,
Wie die Himbeer' an dem Wege,
Stattlich bist du mehr denn früher,
Schöner als zu andern Zeiten.
Also sprach sie zu der Tochter,
So die Mutter zu dem Mädchen;
Doch nicht achtet' ihrer Aino,
Hörte nicht der Mutter Rede,
Auf den Hof ging sie zu weinen,
Wandelte in schwerem Sinnen,
Sprach da Worte solcher Weise,
Ließ sich also dort vernehmen:
Wie wohl ist der Sinn der Sel'gen,
Wie der glückbegabten Seele?
Also ist der Sinn der Sel'gen,
So der glückbegabten Seele,
Wie das Wasser, das da flutet,
Wie die Welle in dem Troge.
Wie der Sinn der Unglücksel'gen,
Wie der Sinn der grauen Ente?
Also ist der Armen Stimmung,
So der Sinn der grauen Ente,
Wie der Schnee in Daches Schatten,
Wie das Wasser in dem Brunnen.
Oft schweift nun der Sinn der Schwachen,
Oft der Sinn des schwachen Mädchens
Angstvoll durch die Stoppelfelder,
Streichet mählich durch die Sträucher,
Wälzt sich weiter durch die Wiesen,
Drängt sich durch die dichten Büsche,
Schwarz wie Teer ist er beschaffen,
Weißer nicht das Herz als Kohlen.
Besser wär es mir gewesen,
Glücklicher wär's mir ergangen,
Wäre nimmer ich geboren,
Wär' ich nicht herangewachsen
Bis zu diesen bösen Tagen,
Zu dem freudenleeren Zeitraum;
Wär' ich doch nach sechs der Nächte,
In der achten schon gestorben,
Hätte da nicht viel benötigt,
Brauchte nur ein wenig Linnen,
Nur ein kleines Fleckchen Erde,
Etwas Tränen von der Mutter,
Weniger noch von dem Vater,
Von dem Bruder nur ein bißchen.
Weinte einen Tag, den zweiten,
Wieder fragte da die Mutter:
Weshalb weinst du, liebes Mädchen,
Weshalb härmst du dich, du Arme?
Deshalb wein' ich armes Mädchen,
Härm' ich mich mein ganzes Leben,
Daß du mich hast hingegeben,
Mich, dein eigen Kind, versprochen,
Ihm, dem alten Mann, zum Troste,
Ihm zu seines Alters Freude,
Ihm, dem Schwankenden, zur Stütze,
Und zum Schutz dem Winkelhocker;
Hätt'st mich lieber du versprochen
Unten in des Meeres Tiefe,
Schwester dort zu sein den Schnäpeln,
Freundin dort den flinken Fischen;
Besser ist's, im Meer zu schwimmen,
In den Wogen dort zu weilen,
Schwester dort zu sein den Schnäpeln,
Freundin dort den flinken Fischen,
Als den alten Mann zu trösten,
Ihn, den Schwankenden, zu stützen,
Der in seinen Strümpfen strauchelt,
Übers Zweiglein stürzt am Wege.
Geht drauf zu dem Haus am Berge,
Schreitet in die Vorratskammer,
Öffnet dort die schöne Kiste,
Hebet ab den bunten Deckel,
Findet goldner Gürtel sechse,
Findet sieben blaue Röcke,
Kleidet damit ihren Körper,
Schmückt sich mit dem allerschönsten,
Legt das Gold an ihre Schläfen,
Auf das Haar das helle Silber,
Blaue Seide um die Augen,
Rote Schnüre an die Stirne.
Fängt dann an davonzuschreiten
Über Feld und über Heide,
Schweift durch Sümpfe, schweift durch Wiesen,
Schweift durch schattenreiche Wälder,
Selber sang sie bei dem Gehen,
Sprach sie, als umher sie schweifte:
Ach, von Jammer schwillt das Herz mir,
Eine Last trag' ich im Haupte;
Möge noch der Jammer wachsen,
Mög' die Last noch schwerer werden,
Daß ich armes Mädchen sterbe,
Daß ich Elende vergehe
An der großen Wucht des Kummers,
An des Grames bittern Nöten.
Meine Zeit ist schon gekommen,
Fort von dieser Welt zu eilen,
Unten hin zum Reiche Manas,
In des Totenreiches Räume;
Nicht beweinte mich der Vater,
Nicht betrübte sich die Mutter,
Nicht würd' feucht der Schwester Wange,
Trocken blieb des Bruders Auge,
Wenn ich in das Wasser stürzte,
In der Fische Flut versänke,
In die Meereswogentiefe,
Zu dem schwarzgefärbten Schlamme.
Schreitet einen Tag, den zweiten,
Endlich an dem dritten Tage
Kam sie an die Meeresküste,
An das schilfbewachsne Ufer,
Langte an zur Dämmerstunde,
Und sie machte Halt im Dunkel.
Dort verweinte sie den Abend,
Klagte sie die ganze Nacht durch,
Auf des Strandes Wassersteinen,
An des breiten Busens Kante;
In der ersten Morgenfrühe
Blickte sie zum Vorgebirge,
An dem Vorgebirg drei Jungfraun
Sah sie in den Wellen baden,
Aino macht sich rasch zur vierten,
Schließt sich an, die schlanke Gerte.
Wirft das Hemd hin auf die Weide,
Auf die Espen ihre Kleidung,
Auf die Erde ihre Strümpfe,
Auf die Steine ihre Schuhe,
Auf den Ufersand die Perlen,
Auf das Strandgeröll die Ringe.
Ragt ein Stein dort voller Streifen,
Aus dem Meere goldenglänzend,
Auf den Stein zu schwimmt die Jungfrau
Und bewegt sich hin zum Felsblock;
Als sie nun dahin gelangt ist
Und zum Sitzen sich bereitet
Auf dem buntgestreiften Steine,
Auf dem glänzendglatten Felsblock,
Stürzt der Stein rasch in die Tiefe,
Fällt der Felsblock hin zum Grunde,
Mit dem Stein zugleich das Mädchen,
Aino auf des Felsblocks Fläche.
Also sank ins Meer das Hühnchen,
So verschwand das arme Mädchen,
Sprach noch selber beim Verscheiden,
Selber, als hinab sie rollte:
Ging zum Meere, um zu baden,
Ging zum Wasser, um zu schwimmen,
Fiel hinein, ich armes Hühnchen,
Starb alsbald, ein armes Vöglein;
Nimmer fange du, mein Vater,
Nimmer während deines Lebens
Fische aus des Meeres Fluten,
Nie aus dieser Wasserstrecke.
Ging zum Strande, mich zu waschen,
Ging zum Meere, um zu baden,
Fiel hinein, ich armes Hühnchen,
Starb alsbald, ein armes Vöglein;
Nimmer magst du, meine Mutter,
Nimmer während deines Lebens
Wasser in den Brotteig gießen
Aus der breiten Bucht am Hause.
Ging zum Strande, mich zu waschen,
Ging zum Meere, um zu baden,
Fiel hinein, ich armes Hühnchen,
Starb alsbald, ein armes Vöglein;
Nimmer magst du, lieber Bruder,
Nimmer während deines Lebens,
Hier dein muntres Streitroß tränken,
Nie am Strande dieses Meeres!
Ging zum Strande, mich zu waschen,
Ging zum Meere, um zu baden,
Fiel hinein, ich armes Hühnchen,
Starb alsbald, ein armes Vöglein;
Nimmer magst du, liebe Schwester,
Künftig während deines Lebens,
Nimmer deine Augen waschen
Mit dem Wasser dieser Fluten!
Alles Wasser aus dem Meere
Ist ja Blut aus meinen Adern,
Alle Fische in dem Meere
Sind ja Fleisch von meinem Körper,
Alle Sträucher an dem Strande
Sind ja meine Seitenknochen,
Alle Gräser an dem Ufer
Sind ja Haare meines Hauptes.
Also starb das junge Mädchen,
So verschwand das schöne Hühnchen.
Wer wohl wird die Nachricht melden,
Wer die Botschaft wohl berichten
Nach dem stolzen Haus der Jungfrau,
Nach dem Heimatshof der Schönen?
Wird der Bär die Nachricht melden,
Er die Botschaft hinberichten?
Nicht vermeldet er die Nachricht,
Stürzt sich auf die Rinderherde.
Wer wohl wird die Nachricht melden,
Wer die Botschaft wohl berichten
Nach dem stolzen Haus der Jungfrau,
Nach dem Heimatshof der Schönen?
Wird der Wolf die Nachricht melden,
Er die Botschaft hinberichten?
Nicht vermeldet er die Nachricht,
Stürzt sich auf die Lämmerherde.
Wer wohl wird die Nachricht melden,
Wer die Botschaft wohl berichten
Nach dem stolzen Haus der Jungfrau,
Nach dem Heimatshof der Schönen?
Wird der Fuchs die Nachricht melden,
Er die Botschaft hinberichten?
Nicht vermeldet er die Nachricht,
Stürzt sich auf die Gänseherde.
Wer wohl wird die Nachricht melden,
Wer die Botschaft wohl berichten
Nach dem stolzen Haus der Jungfrau,
Nach dem Heimatshof der Schönen?
Wird der Has' die Nachricht melden,
Er die Botschaft hinberichten?
Der gelobte es gar treulich:
Nicht vertun will ich die Rede.
Hastig lief sodann der Hase,
Eilend hüpfte fort das Langohr,
Gar behende rannt' das Krummbein,
Jagt' geschwind mit schiefem Maule
Nach dem stolzen Haus der Jungfrau,
Nach dem Heimatshof der Schönen.
Lief behende hin zur Badstub',
Hockte an der Schwelle nieder,