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Über Kalle und Manni habe ich diese kleinen Geschichten geschrieben, und weitere werden folgen. Meine beiden Protagonisten sind Hauptstädter, aber viele Zuzüge haben das Ursprüngliche in Sprache und Binnenkultur mehr und mehr zurückgedrängt. Dennoch sind Kalle und Manni eingefleischte Berliner geblieben, sie reden miteinander, wie man es vor Jahren vor allem im Ostteil der Stadt noch oft hörte und was man im Volksmund die Berliner Schnauze nennt. Sie ist derb im Ausdruck, aber wer genau hinhört, spürt die innere Herzlichkeit der Bewohner. Hinzu kommt, dass Kalle und Manni sich nicht nur kulturell unterprivilegiert fühlen, sondern auch glauben, dass es ihnen an Bildung mangelt. Ein typisches soziologisches Problem. Deshalb nimmt Kalle an einem Schreibcafé teil und teilt seine Erfahrungen mit Manni. Als dicke Freunde tauschen sie sich über das allgegenwärtige Kulturgerede aus, aber auch über Zeitgenössisches. Als Berliner und Autor kann man mir einige Erfahrungen mit dem Geschilderten unterstellen, ich bin in einem besseren Viertel aufgewachsen, so haben wir nie geredet, oder doch, Konrad Adenauer war das Rheinische auch nicht abzusprechen.
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Seitenzahl: 85
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Berliner Kulturbanausen
Bildaausstellung
Da hält eener de Hand uff
Ochsen, die keine sind oder doch
Mir ist so langweilig!
Ick freue mia!
Unsa Autor is vonna Rolle
Berlina Originale unta sich
Ei häff e' Driem
Nu wär´mal nich politisch
Der nächste Gegner ist immer der schwerste
Des Barons Gastfreundschaft: zweites Kapitel von Fontanes letztem
Die Aufgabe
Die Intention
Altersgerechtes Fremdgehen
Optimale Strategieplanung – Planung und Kontrolle von Instandhaltungsstrategien in Kraftwerken
Sach´mal, wat machste denn zu Weihnachten?
Haupstädters Gedanken zwischen den Jahren
Anhang Rasanter Verfall: Über den Geisteszustand des deutschen Bürgertums
Über Kalle und Manni habe ich diese kleinen Geschichten geschrieben, und weitere werden folgen. Meine beiden Protagonisten sind Hauptstädter, aber viele Zuzüge haben das Ursprüngliche in Sprache und Binnenkultur mehr und mehr zurückgedrängt. Dennoch sind Kalle und Manni eingefleischte Berliner geblieben, sie reden miteinander, wie man es vor Jahren vor allem im Ostteil der Stadt noch oft hörte und was man im Volksmund die Berliner Schnauze nennt. Sie ist derb im Ausdruck, aber wer genau hinhört, spürt die innere Herzlichkeit der Bewohner.
Hinzu kommt, dass Kalle und Manni sich nicht nur kulturell unterprivilegiert fühlen, sondern auch glauben, dass es ihnen an Bildung mangelt. Ein typisches soziologisches Problem. Deshalb nimmt Kalle an einem Schreibcafé teil und teilt seine Erfahrungen mit Manni. Als dicke Freunde tauschen sie sich über das allgegenwärtige Kulturgerede aus, aber auch über Zeitgenössisches. Als Berliner und Autor kann man mir einige Erfahrungen mit dem Geschilderten unterstellen, ich bin in einem besseren Viertel aufgewachsen, so haben wir nie geredet, oder doch, Konrad Adenauer war das Rheinische auch nicht abzusprechen.
Nu kieken Se'mal rinn in de Jeschichten von Kalle und Manni.
Das Foto auf dem Titelblatt ist von der Info-Box des zukünftigen Homboldt-Forum in Richtung Alexanderplatz von mir aufgenomen
Normalerweise sitze ich um 8.30 Uhr an meinem Schreibtisch. Das ist jeden Tag meine Zeit. Auch jetzt, und schaue mir das Bild an, das im Schreibcafé der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg erhalten habe. Und wie immer denke ich mir etwas dazu aus, als Hausaufgabe. Nein, diesmal lasse ich nachdenken, von zwei Indigenen unserer Hauptstadt im Originalton. Ob ihnen damit die kulturelle Teilhabe des Sugets gelingt, lasse ich mal dahingestellt. Auf jeden Fall ist es ein Anlass, bei künftigen Berlinbesuchen genau hinzuhören.
Hören wir, was die beiden Kulturbeflissenen Kalle und Manni zu sagen haben.
***
„Du, Kalle, ick bin im Kino jewesen, hab mir ´ne ollen Jruselfilm gejesehen. Mir hat det Plakat davon so anjemacht. Steht da eener uff ´nen ollen Segelkahn und kiekt so um de Ecke. Ick hab´ ja nischt jejen Segelohren, aber spitze dazu, hmm. Un de schiefen Zähne, wer looft denn mit sowat rum. Soll mal zum Dentiste jehen, de Eckbeißer sind zo lang und sehn´ jefährlich aus. Ooch de Finganäjel kanna sich mal schneiden lassen. Bei sone Schippen denkt man, der hat Dreck am Stecken. Ich saach nur, vor ´ne Fünwer pro Stücke inne Nagelstudio sin se´ weg. Det mit de Jlatze jeht en Ordnung, loofen ja alle so rum. Aba de schwarze Klamotten, det is janz old fashioned. Kann sich mal neue koofen.“
„Manni, nu halt mal de Luft an, saach ma lieba, wo sowat aufjeführt wird un wie det dia jefallen hat. Ick gloobe, ick kenn´ det Machwerk. Hat der Murnau jeklaut von den Bram Stoker, ´ne Iren, der hat wat´ vonne undoten Jrafen in Transsilvanien jeschrieben. Un de Adlije hat denn nach England jemacht, un sich da rumjetrieben. War scharf uff de Lucie von seine Besucha.“
„Mensch Kalle, da kennst du ja det Stück, aba een kleenet bisschen anders wa det schon. Icke fang´ mal von vorne an. Also, ick bin endet olle Kino in der Großgorschenstraße jejangen, is ja mehr een Museum for olle Zelluloidstreifen. Erst dacht ick, de Lautsprecha funktionieren nich, aba denn hab ick et jeschnallt, det war een Stummfilm. Um am Ball zu bleiben, musste man de Texte mang de Bilda lesen. Un dazu klimperte eener uff ´ne Klavia, nich jerade Heavy Metal, passte aba zu dette, wat jerafe jezeigt wurde. Det mitte Jrafen stimmt, doch der heeßt anders, Orlok oda so und de Jeliebte heeßt Ellen, un det janze spielt in Visborg, gemeent war wohl Wismar. Da hatten se´ jerade die Pest am Hals. Wie det mir jefallen hat? War janz jut, kanma nich meckan, reeßt aba eenen nich vom Hocker.– Aba mal wat anderes, woher weest du denne vonne Stück?“
„Ick dachte ma, Kalle, mach´mal wat in Kultur, imma nur uff´ne Molle abhängen, is nischt uff de Daua. Da hatten se´ inna Paulus-Jemeende vor de Grufties sone Schreibstube uffjemacht. Un mang de Jebildeten war icke ooch dabei. Se´sachten imma – wie schön, dass wir auch bildungsferne Teilnehmer hier haben. Wat die zusammenkritzeln, det kann icke ooch. Un erst det Männekin vorne, sone Journaliste, war uff de Unität un hat ne´ Magister jemacht. Hätta mal ´ne Meester jemacht, so wie icke, denn hätta ooch mehr Kohle in der Tasche, un müsste nich andere det Klieren beibringen.“
„Ick gloob´ dette nich, du machst uff Kultur! Un da bring´ se´ dir sowat bee. Saach nua, jetzt kannste de Akkusativ von´ ne Dativ untascheiden. Da hab icke inna Penne mal uffjepasst. Nu bin ick aba uff´nen Keen mitte Jeschischte von de abartigen Jrafen. Ham´ se´ darüber jeredet?“
„Ach, Manni, du weest ja, wie se´ sinn, haben det janze Werk aus´neanda jenommen. Schwafelten wat üba de Natur vonne Sache: als Untoter sei er jenseits der Kategorien von Schuld und Reue. Un weiter: In den Film warn sehnsuchtsvolle und verklärende Elemente der Romantik. Denne sachte eener wat üba det metaphysische Sinnbild politischer Diktatur, un ´ne andere wat üba die traumatische Kompensation der in der bürgerlichen Gesellschaft untersagten Sexualität. Und de Journaliste jab noch eenen druff: Man solle doch nicht vergessen, dass die realistische Inszenierung des Films den Eindruck erwecke, übersinnliche Vorgänge seien wie selbstverständlich in der realen Welt verankert.
„Au Mann, Kalle, jetzt hör uff, icke verstehe nua Bahnhof. Da jehst de hin! Ick wees nich, ob det dir jut tuen tut. Kannst ma mal uff ´ne Stuppi einladen, oda bessa ick bring gleech ´ne janzen Kasten mit. Bis dahin wird dette mit deene Hals wieda jut sinn.“
„Is ´ne jute Idee. Komm mal nächste Woche vorbee, denn is det mit meene Hals wieda roger, müssen wohl Flöhe jewesen sinn. Ach, un mach de joldene Kettchen mit de Kreuz ab, det steht dir in deenen Alta nich mehr. Un, Manni, nimmst du noch det Xerelto? Det is jut vors Schlürfen.“
Gedenktafel Am Hafen 1 (Wismar) Nosferatu
Über die kulturelle Teilhabe zweier Hauptstädter habe ich bereits geschrieben. Bei dem einen scheint mir die kulturelle Aktivität Früchte zu tragen, bei dem anderen muss man wohl abwarten. Der Kalle hat es mit den Flohbissen etwas übertrieben, er war nicht infiziert, und der Manni kam mit den Stubbies von Schultheiss, das goldene Kettchen mit dem Kreuz blieb um seinen Hals, es hätte auch nicht gestört. Ohne Xarelto ging es nicht, Vorhofflimmern ist eine Volkskrankheit, und ohne Blutverdünner ist die Gefahr eines Schlaganfalls groß. Aber lassen wir die Widrigkeiten des Lebens beiseite und wenden uns einem anderen kulturellen Ereignis zu.
Kalle und Manni trafen sich wieder einmal und hatten sich viel zu erzählen. Und das in der in der Hauptstadt selten gewordenen Berliner Schnauze.
***
"Mensch Manni, meen Freund, so seh'n wia uns mal wieda. Wa een netta Abend mit de Stubbies. Jut, de ick dia treffe, hab mit dia wat zu bequantschen. Komme jerade vonne Schreibstube, du weest ja, wo ick mang de Jebildeten janz alleene bin. Un da ham'se Hausuffjaben mitjejeben. Ick gloob', det raff' icke nich."
„Ja, Kalle, du siehst ooch janz vabildet aus. Ick hatte dia ja jesaacht, det bekommt dia nich. Aba lass mal Manni rann, det Ding kriejen wa beede schon jebogen. Nu quantsch dia mal aus, wat for'n Unsinn sollste machen."
„Au, Manni, det fing schon schlimm an. Ick sollte ma vorstellen, icke wär' een bestimmte Boom, un warum ick det wär'. Keene Ahnung, aba da hat ma meen Autor jeholfen, hat mir eenjeflüstert, ick soll ne' Buchsbaum sein, ooch wenn det keen Boom is, wo der jepflanzt is, jefällt. det allet. Ick muss dia saaje, ick hab´ ma schwer jetan mit dette, dachte imma anne Friedhof.“
„Haste Rech´, aba de´ Jarden im Charlottenburga Schloss is doch supa mit de ville Bux. Ick see jerade, du hast so een Bild inna Hand. Haste det och von denen?“
„Hab ick jezogen aussa Keksbüchse vonne Journaliste. Hätt´ ma leiba wat zum Knappern jewünscht. Det Bild wa jefaltet, sollten wa erst zuhause uffmachen un denne een Text dazuschreiben, aba so dette, wie hatta jesaacht, dass der Text offenbleibt. Kiek´dir mal det Bild an, ick kann nischt damit anfangen.“
„Kalle, ick muss dir saajen, icke och nich! Un dette soll Kunst sin. Da is ma det Wimmelbild von meener Kleenen doch lieba. Aba ick kann dia helfen. Hab mal Kurs vonne Bilderkennungs-Software jemacht. Also, du scannst det Bild, un denn speicherste dette uffnen Computa, aba so, dettte det wiedafindest. Denn roofste Google Images uff un lädst det Bild ruff. Uff „Suchen“ klicken und schon haste de Information vonne Bild. Un denne weeste wo det herkommt.“
„Au, Manni, ob icke det schaffe. Ick wees aba eenen, der kann dette. Werd´ ihn mal frajen. Un wenn wa det jeschafft haben, melde ick mir bei dia.“
***
Drei Tage später klingelt Mannis Handy.
„Hallo, meen Kleener, hier is Kalle. Du, wia haben wat jefunden von det Bild. Meen Computa-Junkie hattet ma it ausjedruckt. De WDR hat wat üba ne´ Fotoaausstellung in Düsseldorf jesendet, die heest „Size Matters“ un is´ da inne Kunstpalast. Un wat se´ dazu jeschrieben, versteh´ icke nich. Villeicht wirste de schlau draus. Ick lees dir eenen Satz vor: „Die Schau demonstriert, dass gerade die dimensionale Beweglichkeit dem Medium Wirksamkeit in kulturellen, sozialen und politischen Kontext verleiht.“
„Hör´uff, Kalle, ma wird janz schlecht, vasteht doch keen Mensch. Weeste wat, schlag doch de Schreiber-Guru un de janzen Bande een Ausfluch nach Düsseldorf vor. Denn jehste da rinn un lässt dia allet erklären.“