Kalt wie das Mondlicht - Gisela Witte - E-Book

Kalt wie das Mondlicht E-Book

Gisela Witte

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Beschreibung

Kathrin fährt zum Seddiner See, um das Familienerbe anzutreten: Ein heruntergekommenes Gutshaus mit Geschichte, in dem sie früher unbeschwerte Schulferien verbracht hat. Doch sie ahnt nicht, was sie erwartet. Schon nach wenigen Tagen bekommt sie zu spüren, dass ihre Anwesenheit unerwünscht ist. Doch wer terrorisiert und bedroht sie und will sie um jeden Preis vertreiben? Sie entdeckt ein dunkles Familiengeheimnis. Als es fast zu spät ist, erkennt sie, dass sie in das Visier von Drogenhändlern und skrupellosen Mördern geraten ist.

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Gisela Witte

Kalt wie das Mondlicht

© 2021 Gisela Witte

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-26692-6

Hardcover:

978-3-347-26693-3

e-Book:

978-3-347-27267-5

Lektorat: Heidi von Plato

Covergestaltung: U.B. Bauer

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Prolog

Heute will ich eine Antwort. Ich berühre ihn sanft an der Schulter.

»Wie geht es Ihnen?«

Der alte Gutsherr schlägt die Augen auf und blinzelt. »Ach, du bist es«, flüstert er nach einem kurzen Moment. »Schön, dass du mich besuchst.« Ächzend richtet er sich auf. »Ist noch jemand da?«, murmelt er und sieht sich unsicher im Raum um. Wen erwartet er?

Er wirkt enttäuscht, als er sich auf sein Kissen zurücksinken lässt. »Ich dachte, meine Nichte besucht mich endlich.«

Da kann er lange warten, die hat Besseres zu tun. Die arrogante Schnepfe ist mit sich selbst beschäftigt. Prüfend mustert er mich. Sein Atem rasselt, als er hustet. »Du hast damals unseren Garten in Ordnung gehalten. Warst immer so fleißig. Hab dich immer gemocht.«

Seine blau geäderten Hände wandern auf der Bettdecke hin und her. Er schließt die Augen. Wie kann ich ihn wachhalten? Er soll mir antworten, bevor er wieder weg nickt. Ich berühre ihn sanft am Arm.

Mein Mund ist trocken, ich krächze fast: »Stimmt es, dass wir … blutsverwandt sind?«

»Hast du was gesagt, Junge?«

»Sind wir miteinander verwandt?«, frage ich etwas lauter.

Einige Minuten liegt er regungslos mit geschlossenen Augen da. Sollte er eingeschlafen sein? Da schüttelt er kaum merklich den Kopf. »Ich weiß, was du meinst. Waren alles nur Gerüchte. Daran ist nichts.« Er schmatzt leise vor sich hin. „Wasser. Gib mir einen Schluck Wasser.“

Ich reiche ihm das Wasserglas, warte, bis er es fest in der Hand hält, und stütze ihn beim Trinken. Er trinkt das Glas vollständig leer und streckt es mir entgegen. Ich nehme es ihm ab. Danach lässt er sich zurückfallen.

Wenn er doch endlich weiterredete!

»Gerüchte können Wahres enthalten. Also wie war das mit dem Gerücht?«, frage ich ihn munter, als ginge es um etwas Heiteres. Am liebsten würde ich den Alten schütteln.

»Ach ja.« Er leckt sich die Lippen. »Mein Vater, er liebte das Leben.« Er lacht, das Lachen geht in ein Husten über. Nach einem kurzen Moment fasst er sich und hebt seinen dünnen Zeigefinger in die Höhe. „Also, er liebte das Feiern und den Wein. Aber er hätte niemals was mit dem Personal angefangen. Meine Mutter … « Er bekommt einen weiteren Hustenanfall. »Die Köchin Frieda, deine Großmutter, wurde schwanger … Hat nicht verraten von wem. Sie haben ihr angeboten zu bleiben, auch mit dem Kind. Aber sie ist dann nach Berlin … « Der alte Mann schließt die Augen. Sein Brustkorb hebt und senkt sich im schnellen Rhythmus des rasselnden Atems.

Ich will mehr erfahren. Warum redet der Alte nicht weiter. Wen sollte ich sonst fragen? Mutter weigerte sich immer, darüber zu sprechen. So kann ich mir nur zusammenreimen, was er sagen wollte.

Der alte Mann, der für einige Minuten weggenickt war, ist wieder wach und fixiert mich aus tiefliegenden, blassblauen Augen an. »Du bist so ein guter Junge. Hast mich die ganze Zeit im Heim besucht. Niemand hat sich sonst um mich gekümmert.« Er nuschelt. »Hast mir Blumen mitgebracht. Ich mag Blumen. Früher auf meinem Schreibtisch … « Seine Worte verlieren sich.

Er dreht mir den Kopf zu und wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. »Weißt du was? Sollst das Haus erben. Hast du dir verdient. Nächstes Mal … Notar … «

Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das sich in mir ausbreitet. Endlich spüre ich Boden unter meinen Füßen. Wenn ich das Haus erbe, gehöre ich zu ihnen, zur Gutsbesitzerfamilie, selbst wenn sie es nicht wollten. Mir wird heiß und mein Herzschlag beschleunigt sich.

Der alte Herr will noch etwas sagen. Er hustet, seine Stimme versagt, seine Hand, fällt auf das Bett zurück, der Kopf kippt zur Seite.

»Nein, nicht!«, entfährt es mir. Ich beuge mich über ihn. Seine Augen starren ins Leere, das Rasseln des Atems versiegt. Ich lege eine Hand auf seine Halsschlagader. Hat sein Herz aufgehört zu schlagen? Das darf nicht sein. Warum muss er ausgerechnet jetzt sterben?

Kapitel 1

In der letzten Stunde haben sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Frank hält das Steuerrad mit beiden Händen fest umspannt, den Blick starr auf die Straße gerichtet. Zu gerne würde sie wissen, was er denkt.

Kathrin sieht ihren Mann von der Seite an: die grade Nase, das kantige Kinn, die vollen dunklen Haare, mit den ersten Spuren von Grau, wie immer von einem erstklassigen Friseur geschnitten.

»Niemals habe daran gedacht, dass ich das Gutshaus eines Tages erben werde«, sagt sie.

Frank gibt nur ein schwer einschätzbares Brummen von sich.

Kurz vor Potsdam hält er an einer Tankstelle. Nachdem er getankt hat, verschwindet er im Laden. Wo bleibt er nur so lange? Kathrin steigt aus dem Auto und sieht sich um. Da entdeckt sie ihn halb verdeckt von einer Zapfsäule, wie er telefoniert.

Erst nach einer Weile kehrt er zurück und setzt sich neben sie. »Musste lange an der Kasse warten«, murmelt er mit einem kurzen Seitenblick und startet den Wagen.

Sein Gesicht verrät keinerlei Gefühlsregung. Er sieht wieder geradeaus auf die Straße.

Sie sind jetzt auf der B2. Hier muss es gewesen sein. Sie spürt, wie sie Atemnot bekommt. Sie lässt das Seitenfenster herunter.

«Halte bitte einen Moment an.«

»Was ist los«, fragt er.

»Mir ist schlecht. Hier war der Unfall.«

Frank hält an der nächsten Weggabelung. Sie stolpert aus dem Auto, geht langsam einige Schritte hin und her und atmet tief durch. Der Würgereiz lässt nach.

»Jetzt geht es wieder«, sagt sie und steigt in das Auto.

»Dass dich der Autounfall deiner Eltern immer noch so mitnimmt.« Er schüttelt den Kopf. »Das ist doch inzwischen fast fünf Jahre her.«

»Aber seither habe ich diese Strecke gemieden.«

Warum reagiert er so unsensibel? Warum kann er ihre Gefühle nicht nachvollziehen?

Sie fahren weiter. Kathrin starrt aus dem Fenster und unterdrückt mühsam ihre Tränen.

»Gleich sind wir da«, sagt sie auf einmal. In ihrer Stimme schwingt freudige Erwartung. Sie haben den Ort Seddin erreicht und Frank verringert das Tempo. Kathrin erinnert sich noch an die vielen Schlaglöcher von damals, aber jetzt gibt es eine neue Asphaltstraße. Sonst hat sich der Ort wenig verändert. Dicht beieinanderstehenden Häuser und der Platz mit der Kirche ziehen an ihnen vorbei. Das Café in der Hauptstraße ist geöffnet und rote Sonnenschirme leuchten ihnen entgegen.

Kathrin entdeckt ein neues Haus mit weiß gestrichenen Wänden und mit blau glasierten Ziegeln, umgeben von einem Rosengarten - ein wahrer Exot zwischen den Gebäuden aus Backstein, den Fachwerkhäusern und den Scheunen.

»Ich bin gespannt, in welchem Zustand wir alles vorfinden werden. Seit Onkel Martin vor etwa drei Jahren ins Heim musste, steht das Haus leer. Aber wie ich gehört habe, gibt es einen Reinigungsdienst, der alle paar Monate kam. Ich kann immer noch nicht begreifen, dass er tot ist.« Sie seufzt und sagt dann gedankenverloren: »Hätte ich ihn nur häufiger besucht.«

Als sie den Ort hinter sich gelassen haben, blitzt für einen kurzen Moment der See durch die Bäume. Dann verwehren hohe Hecken den Einblick.

»Stop, wir sind da«, sagt sie unvermittelt.

Kaum hat Frank angehalten, da springt Kathrin aus dem Auto und schlägt die Tür mit Schwung hinter sich zu. Sie läuft auf das schmiedeeiserne Tor zu, den großen Schlüssel in der Hand. Das Schloss leistet einen kurzen Widerstand, bis das Tor nachgibt und mit einem Seufzer nach innen schwingt.

Zwischen den Pflastersteinen im Innenhof wuchern Gras und Moos. An der gelben Backsteinfassade ist der Wilde Wein fast bis zum Dach hinaufgeklettert und hat einige Fenster vollständig bedeckt.

Das Eingangsportal ist von Sockeln flankiert, auf denen die steinernen Löwen sitzen, den Blick in die Ferne gerichtet.

Da steigen Bilder aus der Vergangenheit auf, Bilder von unbeschwerten Ferientagen in ihrer Jugend. Sie meint, Stimmengewirr und Lachen aus der Küche zu hören. Die Tante eine Frohnatur macht ihre Scherze mit Mutter. Der Duft von frischgebackenem Kuchen liegt in der Luft.

Kathrin schreckt aus ihren Tagträumen, als Frank neben ihr zwei Reisetaschen auf den Boden fallen lässt.

»Wow, das habe ich mir wesentlich kleiner vorgestellt«, sagt er sichtlich beeindruckt. Sein Blick wandert über die Fassade. »Du hast mir verschwiegen, dass du ein richtiges Gutshaus geerbt hast, mit unzähligen Zimmern.«

„Es sind sechszehn, genau sechszehn Zimmer“, entgegnet Kathrin. Sie dreht sich zu ihm um. Es ist etwas in seinem Blick, was ihr nicht gefällt: sein interessierter Maklerblick. So sieht er aus, wenn er ein einträgliches Geschäft wittert.

Sie umarmt ihn. »Ach bitte, lass uns die nächsten Tage einfach abschalten, nur Urlaub machen, ohne an den Job zu denken.«

Er nickt geistesabwesend. Kathrin löst sich von ihm. Was ist mit ihm los? Begeisterung sieht anders aus.

Die Eingangstür lässt sich ohne Schwierigkeiten öffnen. Frank stellt die Reisetaschen ab, sucht umgehend nach dem Sicherungskasten und drückt auf den Knopf für die Hauptsicherung.

Eine große Jugendstildeckenleuchte aus weißem Glas verbreitet ein sanftes Licht in der Halle. Franks Blick wandert über die getäfelten Wände und den Parkettboden.

»Unglaublich«, ruft er aus. Er sieht sie an. »Wir sollten uns beeilen, und bevor es dunkel wird, wenigstens die Küche und unsere Schlafzimmer in einen brauchbaren Zustand versetzen. Es wird vermutlich hier eher eine Art Picknick, als ein Urlaub.«

Sie nehmen die restlichen Taschen aus dem Kofferraum und tragen sie in den Flur. Er streichelt ihren Arm. »Bitte sei nicht enttäuscht, wenn ich allein schlafen will. Ich brauche meinen Schlaf ganz dringend. Ich werde mir im Erdgeschoss ein Zimmer suchen, damit ich dich nicht störe. Muss heute noch ein paar wichtige Telefonate erledigen.«

Kathrin seufzt tief. »Dann werde ich mich eben in meinem alten Zimmer oben einquartieren«, antwortet sie kurz angebunden. Natürlich ist sie enttäuscht. Was glaubt er denn? Warum verhält er sich die ganze Zeit schon so distanziert? Sie beschließt, ihn für den Rest des Tages zu ignorieren. Soll er sich doch sein Abendbrot selber machen.

In welchem Zustand sich das Haus wohl befindet? Es ist ja schon seit Jahren nichts mehr renoviert worden.

Im Erdgeschoss schlägt ihr muffige Luft entgegen und sie öffnet die Fenster. Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, wandert sie von einem Raum zum anderen. Einige Wände müssten ausgebessert werden oder brauchen einen frischen Anstrich, eine neue Tapete.

In der Küche bleibt sie einen Moment lang überrascht stehen. Auf den schwarz-weißen Fliesen sind deutliche Abdrücke von Schuhsohlen zu erkennen. Jemand muss sich erst kürzlich hier aufgehalten haben. Vielleicht der hilfsbereite Nachbar, der einen Schlüssel zum Haus hat? Auf dem Tisch liegt ein Flyer von dem Reinigungsservice, der vermutlich für den Onkel gearbeitet hat. Sie nimmt ihn und pinnt ihn an ein Regal.

Als sie den Kühlschrank anstellt, bemerkt sie eine Bewegung am Fenster. Frank saust in seinem Jogginganzug vorbei. Für seinen blöden Sport findet er immer Zeit, nur nicht für mich, denkt sie. Sie lässt ihren Ärger an dem Staub auf dem Tisch aus und wischt noch energischer. Auf der Tischplatte werden jetzt Brandflecke von Töpfen, Schnitte von Messern sichtbar. Einen Moment lang hält sie inne und denkt an die Abende, die sie hier mit den Eltern als sie noch lebten und Onkel und Tante verbracht hat.

Danach trägt sie ihre Reisetasche in das Zimmer im Obergeschoss, das sie früher in den Ferien bewohnt hat. Auch hier riecht es nach abgestandener Luft und nach Vergangenheit. Sie stößt die Fensterläden auf und ist verzaubert von dem Anblick des Sees in der Abendsonne.

Soweit sie sich erinnert, hat sich in ihrem Zimmer nicht viel verändert. Der halb blinde Spiegel zeigt verschwommen die Umrisse ihrer zierlichen Gestalt mit dem schulterlangen roten Haar. Im Regal entdeckt sie ein Fläschchen mit schwarzem eingetrocknetem Nagellack, zurück geblieben von einem Ferienaufenthalt. Damals war sie gerade siebzehn geworden, ausgestattet mit einem gesunden Selbstbewusstsein. Sie war davon überzeugt, alles erreichen zu können, was sie nur wollte. Denn sie war nicht nur besonders clever, sondern zeichnete sich auch durch eine interessante, vielschichtige Persönlichkeit aus. Damals hatte sie viel gelesen. Unter anderem hatte sie sich mit Fragen des Existenzialismus auseinandergesetzt, war auf Sartre, Camus und de Beauvoir gestoßen, deren Philosophie sie faszinierte. Grundsätzlich hatte sie damals nur schwarze Kleidung getragen, wie ihre Vorbilder. Und Jazz gehört. Auch färbte sie sich die Haare schwarz. Bei den meisten Gleichaltrigen, stieß sie auf Unverständnis. Die spöttischen Bemerkungen über ihr Äußeres ließ sie mit gespielter Gleichgültigkeit über sich ergehen und schwelgte in der tragischen Rolle des Andersseins.

Die ganze Welt gehörte ihr, davon war sie überzeugt. Diese optimistische Einstellung, sollte in den kommenden Jahren leichte Risse bekommen. Aber daran will sie jetzt nicht denken.

Sie ermahnt sich dazu, das Bett zu beziehen, bevor sie die Lust ganz verlässt. Eine gründliche Reinigung sollen die Reinigungsleute vornehmen, die Frank bestellt hat.

Es wird dunkel, und sie lässt sich mit einem Teller Salat und einem Glas Rotwein auf der Holzbank vor der Tür nieder. Dies war für sie immer der schönste Augenblick des Tages gewesen, wenn das Licht am Himmel verblasste und ein Sternenhimmel hervortrat, den man so intensiv in der Stadt nicht sah.

Was soll sie mit dem Haus machen? Es ist ein gutes Gefühl Hausbesitzerin und reich zu sein, es gibt Sicherheit. Sie

gerät ins Träumen. Hier, fern vom Großstadtstress würden Frank und sie sich wieder näherkommen, indem sie mehr Zeit miteinander verbrächten. Sie könnten im See schwimmen, mit den mitgebrachten Rädern über die Dörfer fahren, in einfachen Gasthäusern essen, den Garten neu gestalten. Und vielleicht fände er Gefallen an der Natur, am Landleben. Im Haus wäre ausreichend Platz für ein Büro, ohne eine horrende Miete bezahlen zu müssen wie in Berlin. Und – dieser Gedanke schleicht sich jetzt ein – sie hätte ihn besser unter Kontrolle. Mit einem Mal überkommt sie das Verlangen, nahe bei ihm zu sein, sich an ihn zu schmiegen, zu spüren, wie er sie hält. Soll sie zu ihm gehen, ihren Stolz überwinden? Nein sie hat schon zu viele Zugeständnisse gemacht.

Die Lampe über der Tür wirft einen matten Schein in den Innenhof, sie lauscht den Geräuschen der Nacht. Ein aufkommender Wind fährt in das Blätterwerk der Kastanie im Hof. In den Büschen, die die Backsteinmauern säumen, raschelt es. Nachttiere sind unterwegs und begeben sich auf die Jagd. Erst nach einer Weile dringt zu den Geräuschen im Hof eine gedämpfte Stimme aus dem Haus zu ihr herüber. Frank ist von seiner Joggingrunde zurückgekehrt und geht seiner Lieblingstätigkeit dem Telefonieren nach. Beim Näherkommen hört sie ihn durch die offene Terrassentür sagen:

»Nein Sie stören nicht. Das ist ja wichtig. Komme zurück, so bald ich kann.« Danach senkt sich Stille über das Haus.

Katrin seufzt. Mist. Da hat sie sich falsche Hoffnungen gemacht. Das hört sich nicht nach einem entspannten, gemeinsamen Urlaub an.

Die Moskitos fallen jetzt mit aller Bosheit über sie her und sie erschlägt einige. Auch beginnt sie zu frösteln und beschließt schlafen zu gehen. In der Halle begegnet sie Frank.

»Tut mir leid«, sagt er und legt beschwichtigend die Hand auf ihre Schulter. »Meine Sekretärin hat mich eben informiert. Wir haben Probleme mit der Bank und müssen schnell reagieren, spätestens übermorgen muss ich nach Berlin zurück.«

»Das war nicht so geplant«, antwortet Kathrin. Sie ist so bitter enttäuscht, dass sie ihn am liebsten ohrfeigen würde. Es war schließlich seine Idee gewesen, sie zu begleiten und gemeinsam Urlaub zu machen. Brüsk dreht sie sich um und stampft die Treppe hoch, ohne sich noch einmal umzudrehen.

In ihrem Zimmer angekommen, drückt sie auf den Lichtschalter. Das Licht leuchtet kurz auf und erlischt. Im Flur ist die Elektrizität ebenfalls unterbrochen. Schade, sie hätte gern noch die Räume im Obergeschoss begutachtet und danach etwas gelesen. Soll sie sich in der Dunkelheit die Treppe hinunter zum Sicherungskasten vorarbeiten? Durch das offene Fenster zum Hof dringt ein mattes Licht. Die Lampe über der Haustür scheint nicht vom Kurzschluss betroffen zu sein. Kathrin tastet die Wand entlang zum Fenster, lehnt sich hinaus und sieht in den sternenklaren Himmel. Kein Laut ist zu hören, nur das ferne Röhren eines Motorrads.

Als sie sich umwenden will, nähert sich ein Auto und hält auf der anderen Straßenseite. Während der Motor weiter läuft, steigt jemand aus. Unmittelbar danach springt der Bewegungsmelder an. Die Silhouette eines Mannes zeichnet sich ab. Minutenlang bleibt er am Tor stehen, hält die Gitterstäbe fest umklammert und starrt auf das Haus.

Kapitel 2

Mitten in der Nacht wacht sie auf. Ein greller Schmerz durchfährt die linke Seite ihres Kopfes. Sie presst die Hand an die pochende Schläfe, stöhnt auf. Blitze zucken vor ihren Augen. Ihr Mund fühlt sich trocken an, wie nach einem tagelangen Marsch durch die Wüste. Kathrin drückt auf den Schalter der Nachttischlampe und schwingt die Beine aus dem Bett. Dabei stößt sie mit dem Fuß auf die am Boden liegende Rotweinflasche, die schwungvoll über die Dielen rollt. Verdammt. Sie hatte sich geschworen, nur noch in Gesellschaft zu trinken und dann höchstens zwei Gläser. Sie weiß doch, dass Rotwein Migräne bei ihr auslöst. Mit zwanzig war das in Ordnung gewesen, mehr zu trinken. Aber jetzt konnte sie den Kater nicht mehr so leicht abschütteln. Jetzt muss sie für ihre Unvernunft büßen. Ihre Handtasche mit den Tabletten liegt auf dem Stuhl. Sie erhebt sich schwankend, ihr wird schwindlig und sie hält sich am Bettpfosten fest. Jede Bewegung kostet Mühe und steigert das Pochen in ihren Schläfen. Sie wühlt in ihrer Handtasche, findet die Packung. Dann greift sie nach der Mineralwasserflasche auf der Kommode und spült drei Tabletten hinunter.

Aus ihren Erfahrungen mit Migräneanfällen weiß sie, dass sie das Tageslicht unerträglich blenden wird. Als sie sich aus dem Fenster lehnt, um die Fensterläden zu schließen, nimmt sie eine Bewegung in der Hecke am Zaun wahr. Sie meint ein Rascheln zu hören, sieht genauer hin. Aber nichts bewegt sich, sie muss sich getäuscht haben.

Das Dröhnen in ihrem Kopf verstärkt sich. Wenn der Schmerz doch endlich aufhören würde! Sie will ihn wegschlafen und rollt sich auf ihr Bett.

»Schläfst du noch?«

Kathrin schlägt die Augen auf, Frank beugt sich über sie.

»Die Leute von der Reinigungsfirma können jeden Moment kommen.«

Sie hält sich die Ohren zu. »Schrei bitte nicht so, ich hab Migräne.« Kathrin ist froh, dass sie noch in der Nacht daran gedacht hat, die Rotweinflasche zu verstecken. Frank würde sonst einen längeren Vortrag über ihre Unbelehrbarkeit, ihre Unvernunft halten. Nachdem sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben, sieht sie seinen prüfenden Blick.

»Kannst du dich um die Leute kümmern? Mir ist so schlecht. Ich bleib noch liegen. Und bitte bring mir Wasser.«

Frank verlässt geräuschlos den Raum, schließt behutsam die Tür hinter sich und sie schläft sofort ein.

Später weckt sie das Geräusch eines Rasenmähers auf. Sie klettert aus dem Bett, öffnet die Fensterläden und sieht einen Mann, der den Rasenmäher vor sich herschiebt. Der schaut plötzlich zu ihr hoch. Sein Blick bleibt an ihr haften. Er starrt sie so hasserfüllt an, dass sie vom Fenster zurückstolpert. Wer ist das? Hat sie ihn schon mal gesehen? Und vor allem: Was hat sie ihm getan?

Sie zieht sich in ihr Bett zurück und zittert am ganzen Körper. Ach was, beruhigt sie sich. Ich reagiere überempfindlich wegen der Migräne. Das ungute Gefühl will aber nicht von ihr weichen. Sie wird so lange im Bett bleiben, bis die Reinigungskräfte gegangen sind.

Da klopft es. Frank bringt ihr eine Schale mit Gemüsesuppe und Tee.

»Geht̛ s besser?« fragt er. Seine Stimme klingt besorgt. »Du solltest aufstehen und an die frische Luft gehen.«

Er setzt sich auf den Bettrand und reicht ihr die noch dampfende Schale. »Etwas essen solltest du auch. Das wird dich wieder auf die Beine bringen.«

Kathrin nickt und löffelt lustlos in der Suppe herum.

»Die Reinigungsleute sind gerade gegangen. Ein Mann und vier polnische Frauen. Der Mann hat im Garten gearbeitet und die Frauen haben ziemlich flott die Räume im Erdgeschoss gereinigt. Allerdings konnten sie nicht das ganze Haus an einem Tag schaffen. Sag ihnen Bescheid, wann sie wiederkommen sollen.«

Er legt ihr eine Visitenkarte auf die Bettdecke, die sie im Moment nicht sonderlich interessiert. Frank hält kurz inne, bevor er weiterredet.

Er hebt einen grauen verschnürten Karton vom Boden auf.

»Ach übrigens, das hing vorne am Portal und ist an dich adressiert. Ich mach mal einen Kaffee und warte auf dich im Garten.«

Frank erhebt sich von der Bettkante und verlässt den Raum, indem er leise die Tür hinter sich schließt.

Kathrin betrachtet die steile Druckschrift auf dem Karton mit ihrem Namen. Keine Schriftzüge, die ihr bekannt vorkommen.

Sie steigt aus dem Bett, holt die Nagelschere aus dem Etui und zerschneidet die Schnur. Als sie den Karton öffnet, gleitet ein Gegenstand heraus. Kathrin schreit laut auf. Ein blutiges Beil landet, begleitet von einem dumpfen Geräusch, auf dem Boden.

Kapitel 3

Kathrin schreckt hoch. Im Bett sitzend starrt sie in den halbdunklen Raum, dann fällt ihr Blick auf den Wecker. Die Neonzahlen zeigen sechs Uhr.

Nachts ist sie immer wieder aufgewacht. Das blutige Beil, ein besonderes Willkommensgeschenk, hat ihr Alpträume beschert. Wer schickt ihr so etwas und warum? Sie kennt hier im Ort niemanden näher.

Franks Ratschlag, das Haus zu verkaufen und damit allen Problemen aus dem Weg zu gehen, konnte sie auch nicht trösten oder überzeugen.

Gerade hat sie ein Traum heimgesucht, der sie häufig kurz vor dem Aufwachen quält: Frank verlässt sie nach einem Wutanfall aus Gründen, die in den verworrenen Traumbildern nicht deutlich werden. Schwer atmend kommt sie erst allmählich zu sich. Der Traum hinterlässt ein dumpfes Gefühl der Trauer und Schuldgefühle. Was hat sie nur falsch gemacht? Warum will Frank sie verlassen? Hat sie sich zu wenig um ihn bemüht? Sie findet keine Antwort.

Erleichtert stellt sie fest, dass die Kopfschmerzen verschwunden sind. Sie steigt aus dem Bett, öffnet die Fensterläden, tritt an das halb geöffnete Fenster und atmet die kühle Luft tief ein. Es ist ein schöner Morgen, der sich mit einem Glühen über den Baumwipfeln ankündigt. Aber noch breitet sich die Wiese wie ein großer Schatten aus, der sich im See fortsetzt. Da erblickt sie Frank. Der Traum hat gelogen. Frank hat sie nicht verlassen. Er läuft in seinem Jogginganzug am Ufer entlang, hält an, streckt die Arme in die Höhe, lässt sie fallen und schaut in die Runde.

Bevor er nach Berlin zurückfährt, will sie wenigstens mit ihm frühstücken. Sie springt unter die Dusche, zieht sich im Eiltempo an. Mit nackten Füßen rennt sie die Holztreppe hinunter, durchquert die Halle und tritt durch die Flur Tür in den Garten. Der Tisch auf der Wiese ist mit einer blau karierten Tischdecke gedeckt. Frank sitzt jetzt auf einem der beiden Klappstühle, von denen die weiße Farbe abblättert. Die Zutaten für sein Frühstück hat er um den Teller gruppiert.

»Guten Morgen«, sagt sie, streicht ihm über die Haare und küsst ihn auf die Wange. Er sieht so frisch und lebendig aus in der Morgensonne. So gerne würde sie heute etwas mit ihm unternehmen.

Sie nimmt eines der fünf Döschen auf dem Tisch in die Hand: »Avocado Mousse« steht auf dem Etikett. Auf einem Teller liegen drei Brotscheiben von undefinierbarer Farbe.

»Na, alles in Ordnung?«, brummelt er und verfolgt ihren Blick. »Ja, ich habe mich für eine Diät entschlossen. In der Umstellungsphase esse ich noch Brot, selbstverständlich nur Bio Brot, von dem ich genau die Inhaltsstoffe kenne.« Frank hebt den Zeigefinger. »Der Durchschnittsmensch denkt nicht nach und ernährt sich von dem, was er im Supermarkt so vorfindet. Wusstest du, dass unsere Verdauungsorgane identisch mit denen von Schimpansen sind? Sie ernähren sich von Früchten, von grünem Blattgemüse, Kräutern, von Nüssen und nur zu zwei Prozent von Kleintieren. Und die gesundheitlichen Auswirkungen sind ja bekannt. Kein Schimpanse leidet an Zivilisationskrankheiten.«

Kathrin starrt ihn mit offenem Mund an. Von Zeit zu Zeit packt Frank die Angst vor den Folgen des Älterwerdens. Dann stürzt er sich auf allerlei kuriose, vermeintlich gesundheitserhaltende Maßnahmen.

»Und was trinkst du da?«, fragt sie und deutet auf den Becher mit gelber Flüssigkeit.

»Meinen basischen Morgentee.«

»Da koche ich mir doch lieber einen säurehaltigen Morgenkaffee«, antwortet sie und erhebt sich.

Als sie zurückkehrt, mustert er die Vollkornbrötchen und das Holzbrett mit den verschiedenen Käsesorten auf ihrem Tablett, wie sie meint, mit neidvollem Blick. Aus Erfahrung weiß sie schon jetzt, dass Frank seine Schimpansen Diät nicht lange durchhalten kann. Dazu genießt er gutes Essen viel zu sehr.

»Das ist hier eine erstklassige Immobilie, ein Wassergrundstück und dazu noch voll erschlossen.«

Kathrin will sich dazu nicht äußern.

»Das Haus würde beim Verkauf eine Menge Geld bringen«, sagt Frank nach einer Weile des Schweigens. »Ich könnte dir auf der Stelle einige solvente Käufer vermitteln.« Sein Blick wandert über die Hausfassade, die Wiese, über das wild wuchernde Gartengelände bis zum Ufer des Sees.

»Früher war das ein richtiges Gutshaus mit Ställen, Scheunen, Gesindehäusern«, antwortet Kathrin. »Mit Wäldern und jede Menge Land. Als die Geschwister meines Großvaters in den dreißiger Jahren ausgezahlt werden mussten, wurde der größte Teil verkauft. Das war gut so, sonst wäre womöglich später zu DDR-Zeiten alles enteignet worden. So stand bei der Wende mein Großvater noch im Grundbuch und damit waren die Eigentumsverhältnisse klar. Das ist übrigens das alte Kutscherhaus.« Katrin deutet auf ein Gebäude, das auf dem Nachbargrundstück weiß durch die Bäume schimmert. »Es stand eine Weile leer. Der Onkel hat es erst wieder vermietet, kurz bevor er ins Heim kam.« Sie zögert, schneidet ihr Brötchen auf und sagt nach einem kurzen Moment: »Ich überlege die ganze Zeit, was ich mit dem Haus machen soll. So lange ist es schon im Familienbesitz. Anderseits ist der Verkauf verlockend. Mit dem Geld könnte ich mich selbstständig machen.«

Sie sieht seine finstere Miene und zögert. »Ach, übrigens habe ich dir schon gesagt, dass ich meinen Job gekündigt habe? Ich … «

Er unterbricht sie. »Wie bitte? Schon wieder? Du hast schon wieder deine Arbeit gekündigt? Das ist bereits das dritte Mal in fünf Jahren.«

Sie verschweigt ihm, dass ihr die Leitung der

Beratungsstelle angetragen worden war. Das würde ihn noch mehr auf die Palme bringen. »Hör mir doch zu, Frank. Mein Job hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe geglaubt, ich könnte Menschen helfen, das war aber sehr begrenzt, nicht so, wie ich gehofft habe. Ich bin noch jung. Ich will Neues lernen, einen Job, der mich zufrieden macht. Außerdem … «

Frank fällt ihr ins Wort. »Ich kann schließlich auch nicht nach Lust und Laune meine Arbeit kündigen. Ich hab mein Studium aufgeben müssen, um Geld zu verdienen.«

Diese Unterhaltung wiederholt sich in regelmäßigen Zeitabständen. Katrin kann das nicht mehr hören und winkt ab. »Ach komm, du hast es gerade nötig.« Erst nach achtzehn Semestern hat Frank sein Architekturstudium aufgegeben, um als Immobilienmakler zu arbeiten.

»Ja, spotte du nur. Bei deiner chaotischen Lebensplanung können wir froh sein, dass wir kein Kind haben. Ein Kind braucht Beständigkeit. Das ist ja nicht so dein Ding.«

Kathrin ignoriert die Bemerkung mit dem Kind. Das ist unfair und ein ewiger Streitpunkt zwischen ihnen. Sie will noch nicht Mutter werden und fühlt sich von ihm bedrängt.

»Jetzt weiche mal nicht vom Thema ab und lass es gut sein. Habe ich jemals von deinem Geld gelebt? Und einen Job wie den in der Bratungsstelle, finde ich bei meiner Qualifikation allemal«, antwortet sie selbstbewusst. »Ich brauche eine Herausforderung, möchte etwas Neues machen. Ich sehe das Erbe als Chance, mich in eine andere Richtung zu entwickeln. Zum Beispiel könnte ich das Haus gewerblich nutzen, eine Pension eröffnen. Übrigens besucht uns meine Kollegin Simone am Wochenende. Vielleicht hat sie ein paar gute Tipps.«

Frank zieht eine Grimasse. Schon häufiger hat er gehässige Bemerkungen über Simone gemacht. Kathrin steht ihr auch nicht besonders nahe, aber sie kann sich Franks Antipathie nicht erklären. Simone hatte sich selbst eingeladen und Kathrin hatte sie nicht vor den Kopf stoßen wollen.

»Ich kann mir gut vorstellen, hier zu leben«, sagt Kathrin trotzig. »Mein Erbe reicht auch für notwendige Renovierungen aus.« Frank sieht sie grimmig an, aber sie fährt unbeirrt fort. »Es hätte auch enorme Vorteile für dich. Wie wäre es, wenn du dir hier ein Büro einrichtest, mietfrei?« Sie grinst. »Außerdem kannst du im Garten und im Gewächshaus alles selbst anbauen, was ein durchschnittlicher Schimpanse so braucht. Ist das nicht reizvoll? Was meinst du?« Sie sieht ihn herausfordernd an.

Er runzelt die Stirn, seine blauen Augen werden dunkel.

»Sehr witzig! Davon höre ich jetzt zum ersten Mal. Entschuldige also, wenn ich nicht gleich wie irre losjubele. Ich habe es nicht gern, ungefragt verplant zu werden. Außerdem darfst du die Renovierungskosten von so einem Riesenkasten nicht unterschätzen. Die Schäden an einem Haus stellen sich immer erst bei der Renovierung heraus. Davon hast du keine Ahnung. Ich versichere dir, versteckte Baumängel können jeden ohne ein größeres Finanzpolster ruinieren. Bleib lieber bei Sachen, von denen du etwas verstehst. Ich garantiere dir schlaflose Nächte ohne Ende!«

»Aber … «, setzt Kathrin an. Franks Handy klingelt. Er unterbricht sie mit einer abwehrenden Handbewegung, steht auf und geht in Richtung See. Am Ufer läuft er hin und her, und gestikuliert heftig, während er telefoniert.

Einen Moment lang bleibt Kathrin sitzen, um Franks Standpauke zu verdauen. Dann trägt sie das Frühstücksgeschirr in die Küche. Dort schaut sie sich prüfend um. Die Speisekammer hat sie noch nicht inspiziert.

Sie öffnet die klemmende Tür und entdeckt eine größere Anzahl von gusseisernen Kasserollen, Pfannen und Kuchenformen. Zwei Regale sind vollgestellt mit Gläsern von eingeweckten Pflaumen, Birnen und mit hausgemachter Erdbeer- und Brombeermarmelade, alle sorgfältig mit Datum versehen. Wer weiß, welche Überraschungen sonst noch im Haus auf sie warten.

Da erscheint Frank in der Küchentür. »Das hatte ich ja schon bei unserer Ankunft angekündigt, muss jetzt nach Berlin fahren, bin wahrscheinlich abends zurück.« Er hebt abwehrend die Hand. »Bitte mach kein Theater, stehe ohnehin unter einem Wahnsinnsstress.« Flüchtig küsst er sie auf die Wange und verschwindet.

Kathrin tritt ans Fenster und sieht ihm hinterher, wie er das Tor öffnet und mit seinem BMW hinausdüst.