Käptn Flink und die Himmelspiratenbande - Jakob von Wolkenstein - E-Book

Käptn Flink und die Himmelspiratenbande E-Book

Jakob von Wolkenstein

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Beschreibung

Fünf entflohene Waisenkinder verlieren ihre neue Heimat, einen verlotterten Kinderspielplatz, der sich offensichtlich in Luft aufgelöst hat. Ihre abenteuerliche Suche danach führt sie in ein fantastisches Piratenreich über den Wolken, dessen Bevölkerung von einem ewig traurigen Piratenkönig unterdrückt wird. Durch ihr Lachen erlösen die Kinder den König von seiner Traurigkeit und erretten die Wolkenbewohner so vor seiner Tyrannei. Eine Geschichte über die Magie des Kinderlachens

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Seitenzahl: 359

Veröffentlichungsjahr: 2021

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INHALT

WO IST UNSER SPIELPLATZ HIN?

HEXE BLEIBT HEXE!

DIE PIRATENINSEL

DAS NICHTS!

ZUM TRAURIGEN WIRT!

KÄPTN FLINK

DAS WETTESSEN

DER JAMMERNDE FALKE

DAS ELEGISCHE WOLKENMEER

WAS FÜR EIN PIRATENLEBEN

SCHLAFENSZEIT

MAXENS APFELTONNE

EIN STURM ZIEHT AUF!

PRIMUS

DER SCHATTENWALD

DIE SCHIRACHEN

AUF DER FLUCHT

DIE HÖHLE DES LÖWEN

PRIMUS II. AUFTRITT

STARK WIE EIN LÖWE

THADEUS‘ HÜTTE

BARBAROSSAS SCHLOSS

AB IN DEN KERKER MIT IHNEN!

PIRATEN-PRINZESSIN

EINGESCHLOSSEN IM KERKER

VERSTECKEN

DER UNBARMHERZIGE KÖNIG

DER SPIELPLATZ

VORWORT

EINE WAHRE ZAUBERGESCHICHTE.

Viele Kinder denken, man müsste in eine Zauberschule gehen, um Zaubern zu lernen. Doch in Wirklichkeit trägt jeder Mensch ein wenig Zauberkraft in sich. Der eine mehr, der andere weniger.

Ich selbst habe das früher auch nicht gewusst. Doch eines Tages, als ich auf dem Weg in die Schule war und ich wieder einmal vergessen hatte meine Hausaufgaben zu machen, hat man mich in so ein Zauberkunststück eingeweiht.

Meine Mutter erzählte mir von diesem Geheimnis, das wir unbedingt für uns behalten sollten. Käme es nämlich an die Öffentlichkeit, könnte es einigen bösen Menschen viel zu viel Macht verleihen.

Du wirst dich jetzt fragen, woher meine Mutter selbst von diesem Zauber wusste. Naja, ... Meine Mutter war nämlich keine gewöhnliche Mutter. Nein.

Meine Mutter war eine ... HEXE!

Aber du brauchst dich jetzt nicht zu fürchten. Sie war nämlich nicht so eine Pfefferkuchen-Kinderverspeisende-Monsterhexe, wie du es aus Hänsel und Gretel kennst. SIE hatte leider kein Pfefferkuchenhaus und Kinder zu verspeisen kam ihr auch nicht in den Sinn. Meine Mutter dagegen war eine sogenannte Zucker-Lächel-Hexe. Ihre Zauberkraft äußerte sich nämlich hauptsächlich darin, dass sie hin und wieder, wenn ihr danach war, Zuckerlzauber anwendete und es Süßigkeiten regnen ließ, um uns Kinder endlich ruhig zu stellen.

Das konnte sie wirklich toll. Zuerst ließ sie uns ihre Hände kontrollieren, damit wir keinen faulen Zauber vermuteten. Dann sammelte sie ihre Kräfte, rüttelte und schüttelte sich und ließ plötzlich bunte Süßigkeiten überall auf den Boden prasseln, die wir so schnell wie möglich einsammelten und verspeisten. Dabei musste man sehr schnell und geschickt sein, sonst waren die Geschwister schneller und es blieb einem selbst nicht genug zu naschen übrig.

Ach ja, so ein Zuckerlregen war echt eine supertolle Sache. Aber, bevor ich es vergesse, zurück zu meiner Zaubergeschichte.

An besagtem Tag, an dem ich ohne Hausaufgaben auf dem Weg zur Schule war, ließ ich meinen Kopf hängen und war sehr traurig, weil ich Angst vor meiner Lehrerin Frau Wagner hatte. Diese konnte ganz schön schimpfen und toben wenn man seine Hausübungen vergessen hatte, was ich zu dieser Zeit leider schon des Öfteren am eigenen Leib erfahren musste. Ich konnte meiner Mutter natürlich nichts davon erzählen, sonst hätte ich ja noch mehr Schimpfer bekommen – oder, sie hätte mich sogar, zur Strafe, einen Tag lang in einen hässlichen Frosch verwandelt – also ließ ich am Weg zur Schule einfach nur den Kopf hängen und war traurig, weil ich genau wusste, was mir bevorstand. Als meine Mutter dies bemerkte – ich bin mir sicher, dass sie sofort wusste, was der Grund für meine schlechte Laune war, denn als gute Hexe konnte sie sicherlich auch Gedanken lesen – erzählte sie mir von ihrem zweiten Zauber, den ich auch heute noch, obwohl ich schon längst erwachsen bin, hin und wieder anwende. Sie sagte:

»Wenn du vor etwas Angst hast, musst du nichts weiter tun als unentwegt zu lächeln, und du wirst sehen, dass dir nichts mehr passieren kann.«

»Mhmm...«, dachte ich,»...wenn sie das sagt, dann wird es schon stimmen« Denn Mütter haben immer Recht. Außerdem war meine Mutter noch dazu eine Hexe. Also setzte ich mich, in der Schule angekommen, an meinen Tisch im Klassenzimmer und grinste unentwegt wie ein Pfefferkuchenpferd.

Gleich nach dem Läuten betrat Frau Wagner das Klassenzimmer. Vor lauter Aufregung musste ich zwar den riesigen Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, runterschlucken, aber ich hörte trotzdem niemals auf zu grinsen.

Dann plötzlich! Sie fragte uns Schüler, ob auch jeder brav seine Hausaufgaben gemacht hätte.

Was jetzt? Wenn man sich da wohl nicht meldete, wären das Geschrei und die Strafe sicherlich noch unangenehmer. Trotzdem blieb ich fest entschlossen und zeigte nicht auf, gab keine Antwort und grinste einfach weiter.

Da strich schon ihr erster, suchender Blick durch das Klassenzimmer und über den lächelnden Jakob hinweg. Es wurde der Erste ausgewählt, der seine Hausübungen vorlesen sollte. Ihr Blick schweifte von links nach rechts, zweimal über mich drüber und dann sogar genau in meine Richtung.

Ich lächelte sie an. Matthias wurde drangenommen.

Schluck! Dieser las brav seine gut vorbereitete Hausübung vor und bekam ein Sternchen dafür ... Der war ja auch schon immer ein Streber. Dann ging Frau Wagners Blick gleich wieder durch den Raum und suchte nach einem weiteren, undankbaren Opfer. Von rechts nach links. Wieder zweimal über mich hinweg. Diesmal sah sie mir sogar genau in die Augen.

Ich grinste sie an. Konstantin musste vorlesen und ich gleich noch einmal schlucken ... Wieder ein Sternchen.

Dann, gleich noch einmal: Ihr stechender Blick durch die Klasse. Von links nach rechts. Noch einmal, nein, zweimal über mich hinweg. Fröhliches Grinsen. Florian war dran. So ging das ein paar Mal, bis endlich das erlösende Klingeln die Deutschstunde beendete.

»HA!«, dachte ich, »Es funktioniert!«

Dies war der Tag an dem ich den zweiten Zauber meiner Mutter, den Zauber des Lächelns, erlernte und bis heute hat er jedes Mal einwandfrei geklappt.

Leider war ich immer ein sehr schlechter Schüler. Das lag wohl daran, dass ich danach kaum mehr Hausaufgaben machte. Also setzt den Zauber bitte nur dann ein, wenn es unbedingt notwendig ist und macht trotzdem brav eure Hausarbeiten.

Diese nachfolgende Geschichte ist meiner lieben Nichte Madeleine, meiner Mutter und dem Zauber des Kinderlachens gewidmet.

KAPITEL 1

WO IST UNSER SPIELPLATZ HIN?

»Nimm dich in Acht, elender Pirat!« Christoph brüllte seinen üblichen Angriffsschrei, während er Konstantin mit seinem zusammengebastelten Holzschwert gekonnt attackierte. Der dicke Konstantin parierte flink, mit einer zackigen Bewegung seines Plastikspielzeugsäbels und postierte sich mit rundem Bauch keck in herausfordernder Pose. Dazu steppte er Tanzschritte, nur, um Christoph noch ein wenig mehr zu veräppeln.

»HA! Glaubst du wirklich, dass du mich mit so einem lächerlichen Angriff erschrecken kannst, Schwarzbart!?«, schnauzte er Chris entgegen. »Ich werde dein Schiff kapern und deine Mannschaft über die Planke marschieren lassen, gleich nachdem ich dich aufgespießt habe!«

So eine Beleidigung ließ sich der bärenstarke Christoph sicher nicht gefallen. »Zügle deine Zunge, Augenklappe...«, knurrte er böse zurück und zeigte gleichzeitig angriffslustig mit dem Finger auf seinen Erzfeind. »...sonst hast du das letzte Mal einen Fuß auf meine Insel gesetzt!«

KLACK! KLACK! KLACK! Ging es gleich wieder hin und her, als ihre Spielzeugsäbel aneinander knallten. Schon wieder entbrannte ein heftiger Schwertkampf zwischen den beiden zähnefletschenden Donaupiraten.

Matthias verdrehte genervt die Augen. »Ihr könntet uns lieber die Einkaufssackerl tragen helfen anstatt den ganzen Tag nur rum zu blödeln!« Langsam hatte er wirklich genug von dem Theater. Er und Florian hatten sich bis jetzt die ganze Straße runter alleine mit den Einkaufssackerln abgeschleppt, nur weil die beiden Streithähne immer wieder ihre Piratenkämpfe ausfechten mussten. Weit war es ja zum Glück nicht mehr. Nur noch schnell ums Eck und dann war die ganze Bande schon wieder zuhause angelangt.

Die kleine Leni jammerte sowieso schon die längste Zeit herum, weil ihr die winzigen Füßchen wehtaten. Sie war schließlich die Kleinste der fünf und musste dadurch leider auch die meisten Schritte machen. Trotzdem zappelte sie brav neben Christoph her und zupfte geistesabwesend an ihren blonden Prinzessinnenhaaren herum, die sie sich selbst zu einem süßen Zöpfchen zusammengeflochten hatte.

Brav nahm sie Chris Hand, als sie die Straße überquerten, sodass dieser kurz abgelenkt war und einen kleinen Hieb von Konstantins Schwert in die Seite bekam. Böse war er deswegen aber nicht. Christoph und Leni waren schließlich supergute Freunde. Sozusagen wie Pech und Schwefel.

»Oh Mann! Tun mir schon die Arme weh!«, maulte Matthias himmelwärts in Flo`s Richtung, als sie endlich um die Ecke bogen. Der großgewachsene Florian nickte gerade noch zustimmend, da erstarrten die Kinder plötzlich allesamt zu Salzsäulen.

»Wo ist er?« ... »Wo ist unser Spielplatz hin?!«

Matthias ließ vor Schreck sämtliche Sackerl zu Boden fallen. Die fünf standen alle auf einmal mit offenem Mund da und konnten zuerst nicht fassen, was sie da sahen. Oder besser gesagt, was sie nicht sahen.

Denn dort, wo vor kurzem noch ihr Zuhause gestanden hatte, war auf einmal nur noch ein riesiges, schlammiges Erdloch im Boden.

»Waren wir vielleicht eine Straße zu früh abgebogen?«, bemerkte der dicke Konstantin nachdenklich, steckte den Plastiksäbel zurück in seine Gürtelschlaufe und stapfte dabei entgeistert im schlammigen Matsch herum. Doch Matthias schüttelte nur ungläubig den Kopf ohne ihn anzusehen, denn seine Augen starrten immer noch in Richtung des Nichts, wo kurz zuvor noch ihr geliebtes Zuhause gestanden hatte.

Nein ... Dies war die Theodor-Kramer-Straße, der gleiche Ort, an dem sie nun schon seit drei Monaten Zuflucht gefunden hatten.

– Jaja, du hast schon recht verstanden. Unsere Kinder waren sicher nicht zum Spielen unterwegs, sondern bewohnten tatsächlich das Spielplatzgelände. Doch das alles diente nicht ihrem Vergnügen, sondern war bitterer Ernst –

Gleich nach ihrem Ausbruch aus dem schaurigen Waisenhaus, hatten es sich die Fünf hier am Spielplatz gemütlich gemacht und dort sozusagen ihrer eigene Welt erschaffen. Weit abseits vor dem kleinen Wäldchen, dort an der Alten Donau, hatten sie ihr neues Zuhause entdeckt.

Nicht gerade sehr einladend hat die alte Spielburg vorerst dagestanden. An einer Seite ein großes, rotumrandetes Schild auf dem in pechschwarzen Buchstaben geschrieben stand:

»BENUTZUNG DES SPIELPLATZES BIS AUF WEITERES UNTERSAGT! ELTERN HAFTEN FÜR IHRE KINDER!«

Rundherum ein kleiner, hölzerner Zaun, um den ein dickes rot-weißes Band gewickelt war und viele kaputte Bretter, die ächzend im Wind hin- und herpendelten und auf denen gefährlich rostige Nägel hervorstanden.

Was es bedeutet, wenn Eltern für ihre Kinder haften, hatte ihnen der schlaue Matthias zwar noch erklärt, aber keiner der Anderen hatte wiedermal ein Wort verstanden. Da sie außerdem keine Eltern hatten, mussten sie sich darüber wahrscheinlich sowieso keine Sorgen machen. Außerdem hatte die Bande sämtliche Mängel in Ordnung gebracht und repariert, sodass der betagte Spielplatz mehr oder weniger in altem Glanz erstrahlte.

Tortuga hatten sie die baufällige Spielburg getauft, die auf einem Sandhaufen genau in der Mitte des Platzes errichtet war. Genau wie die Pirateninsel, über die sie schon so viele Geschichten gehört hatten. Danach wurde diese hochoffiziell zur neuen Heimat der Donaupiraten erklärt. Zumindest von den fünf Piraten selbst.

Der ganze Spielplatz war zwar schon sehr alt und man musste jedes Mal aufpassen, dass man sich keinen Schiefer einzog, wenn man über sein verrottetes Holz kraxelte, doch hatten ihn die Fünf während den letzten Monaten mit sämtlichen Raffinessen ausgestattet, um sich dort geborgen zu fühlen. Sogar eine zusammengebastelte Piratenflagge hatten sie gemeinsam auf dem linken kleinen Spieltürmchen hochgezogen, nachdem sie das Spielgerüst in Besitz genommen hatten.

Doch nun? Was war passiert? Sie waren doch nicht länger als ein paar Stunden weg gewesen.

Wo waren ihre weichen Betten geblieben, die sie sich in harter Arbeit aus alten Überresten hinter der Matratzenfabrik zusammengebastelt hatten?

Wo war die kleine Taschenlampe, die ihnen jede Nacht ihr Licht schenkte, damit ihnen Matthias all die tollen Geschichten vorlesen konnte. Und vor allem ... wo war ihre Schatztruhe hin, mit all ihren Sachen. Die vielen Bücher, das Spielzeug, Töpfe, Pfannen und Comichefte, die sie trotz aller Erschöpfung kilometerweit in Nacht und Nebel aus dem Kinderheim im neunzehnten Bezirk über die Donauinsel drüber und bis hierher an die Alte Donau geschleppt hatten.

Was war passiert? Hatten sie nicht genügend Geisterfallen aufgestellt? Ihr geliebter Spielplatz war wie vom Erdboden verschluckt.

Der riesengroße Florian blickte stumm und langsam rundum in die Ferne und schob sich seinen Strohhut aus dem Gesicht. Viele Worte zu verlieren war nicht so sein Fall, vielleicht konnte er ja wenigstens etwas aus seiner höheren Perspektive erkennen. Flo verzog das Gesicht. Augen wurden zusammengekniffen. Eine hellrote Sonnenscheibe blendete ihm fröhlich entgegen.

Die Sonne war wie immer frühmorgens aufgestanden und strahlte heute mit besonders guter Laune in den Tag. Da normalerweise alle Menschen fröhlich waren, wenn sie es war, wusste sie ja nicht, dass ihre Strahlen den armen Flo gerade nur ärgerten, sonst hätte sie sich sicher kurz mittels eines kleinen Wölkchens verdunkelt. Mit ihr konnte man ja reden.

Mit einer Hand über den Augenbrauen drehte Flo sich hin und her und ließ seine abstehenden Segelohren im kalten Wind umherflattern. Aber ... nein. Nichts zu sehen. Bloß ein riesiger, mit Holz und Erde beladener LKW, der gerade polternd um die Ecke der Theodor-Kramer Straße bog.

Nervös ließ Flo sein gelbes-Smiley-Glücksjojo nach unten zucken und einmal rundherum zischen, nur, um es dann flugs wieder in seiner Hand verschwinden zu lassen.

»Heeeee lass das!«, ging die übliche Streiterei wieder los. Wie immer gerieten Christoph und Konstantin aneinander, weil der Eine natürlich sofort meinte, dass dies sicher die Schuld des Anderen war, und umgekehrt. Gefolgt von gegenseitiger Rempelei und Herumgestoße. Eben ... das Übliche. Konstantin landete sogleich im Schlamm. Christoph folgte nur wenige Augenblicke später. »Schlammcatchen!«, brüllten sie beide gleichzeitig daher.

Matthias ließ wieder genervt die Augen rollen. Er war sowieso schon verzweifelt, weil er keine Ahnung hatte, wo sie heute Nacht unterkommen sollten, nun musste er auch noch die beiden Streithanseln ertragen. Diese rauften munter im Matsch herum und verdreckten sich ungeniert von oben bis unten. Ihr verschwundenes Zuhause war da vorerst Nebensache.

»Glaubt ihr die Lazarus hat uns gefunden und den Spielplatz weggenommen?«, meinte die kleine Leni erschrocken zu den Jungs und versteckte sich gleich wieder schüchtern hinter Matthias´ Bein. Allen fünf lief ein kalter Schauer über den Rücken, sobald sie nur daran dachten.

Klosterschwester Elisabeth Lazarus, grausame Direktorin des Kinderheimes Kleinvorderberg, einem alten, grauen Kasten mit riesigen, schmutzigen Fenstern am Rande der Stadt. Ein Schandfleck im ansonsten so schönen Wien, den die Stadtverwaltung bis dato übersehen hatte.

SIE war schon seit Monaten hinter den Kindern her und hatte die Bande unentwegt, in der ganzen Umgebung, suchen lassen. Getrieben von Rachsucht, aber auch von Angst vor Konsequenzen, wenn die fünf Rabauken von ihren Quälereien berichten würden, hatte die Lazarus nie aufgegeben sich nach den Kindern umzusehen. Immer wieder mussten sich die Donaupiraten vor herannahenden Polizisten verkriechen, die sie in Lazarus´ Auftrag einfangen und zurückbringen sollten und dafür Bezirk für Bezirk absuchten. Zu ihrem Glück wussten nur wenige Leute von dem Spielplatz, der schon mehrere Jahre baufällig und unbenutzt dastand und viel zu abseits gelegen war, als dass die Kinder seit ihrem Umzug Aufsehen erregt hätten.

Wenn er an die Zeit in dem hässlich graukatholischen Kinderheim zurückdachte, hatte Florian sofort den stechenden Schweißgeruch in der Nase, den die gemeine Lazarus verströmte, sobald sie nur den Raum betrat. Was sich andererseits als praktisch herausstellte, weil man die alte Direktorin meist vorher erschnüffeln konnte, bevor sie um die Ecke bog. »Durch ihren großen Bauch hatte sie wohl schon lange nicht mehr in die Dusche gepasst!«, scherzten die Kinder, jedoch nur hinter vorgehaltener Hand, sobald die Lazarus hohen Hauptes vorüberschritt. Gemeinsam mit ihrem dichten Damenbart, der dunklen, behaarten Warze auf der Oberlippe und den schwarzen, fettigen Haaren, die sie sich zu einem teerigen Zopf zusammengebunden hatte, ergab dies das scheußliche Bild, das die Kinder von ihrer alten Direktorin kannten.

Jahrelang hatten sie ihre boshaften Strafen ertragen und immer weiter, gehorsam Erde umgegraben und geschuftet, nur, damit die Lazarus ihr blödes Gemüse am Naschmarkt verkaufen konnte.

Widerworte wurden hart bestraft. Tagelang waren sie in der dunkelfeuchten Zitterkammer im Kellergewölbe eingesperrt gewesen oder mussten Fußböden schrubben bis ihnen die Knie bluteten. Trotzdem hatten sie sich nie unterkriegen lassen. Schließlich waren sie ja eine Piratenbande.

Den netten jungen Pärchen hat die Lazarus dann auch noch heimlich Lügen erzählt, nur, um sie von einer Adoption abzubringen und die Kinder noch länger dort zu behalten. Das eine Kind wäre ständig krank, das andere würde ständig Ärger machen und herumquengeln. Eine Lügengeschichte nach der anderen hatte sie auf den Lippen, wenn es darum ging die Waisen vor ihren zukünftigen Eltern schlechtzumachen.

So mussten die fünf immer wieder traurig zusehen wie ein weiteres Auto das Kinderheim verließ, ohne auch nur ein einziges Kind mit zu nehmen. Und das, obwohl sie doch so gerne eine eigene Familie hätten.

Sämtliche Donaupiraten waren schon so früh im Heim gelandet, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern konnten, jemals eine Familie gehabt zu haben. Wie schön wäre es da, einen richtigen Vater und eine richtige Mutti zu haben, die sich um dich kümmern, dich zu Freunden ins Freibad chauffieren und noch dazu Schokolade und Bonbons einpacken. Das wär mal was. Na ja, wenigstens hatten sie ja einander.

Natürlich wollte die Bande auch nur gemeinsam adoptiert werden, was ihr Vorhaben nur noch erschwerte. In ihrer eigenen Vorstellung waren sie längst Geschwister. Es fehlten ihnen lediglich die passenden Eltern dazu.

Nein, ... die gemeine Lazarus war zwar hinterhältig, doch dies war das Werk eines anderen Ganoven.

Matthias messerscharfer Verstand fing sofort an zu arbeiten. Er war schließlich der schlaue Professor der Truppe und konnte die anderen vier stundenlang mit wissenschaftlichen Vorträgen nerven. Andererseits hat er sich immer wieder fantasievolle Geschichten für sie einfallen lassen oder die Bande durch listige Einfälle aus der einen oder anderen Patsche befreit. Auch nun ließ er wieder einmal seiner Fantasie freien Lauf, während er nachdenklich an einem der Löcher seiner Lieblingsjeans rumzupfte. Wer könnte bloß etwas dagegen haben, dass sich die Donaupiraten hier am Spielplatz breitmachten? Sicherlich eine böse und hinterlistige Person.

»Wie war das nochmal?« ... »Wenn man alle logischen Lösungen eines Problems eliminiert, ist die unlogische, wenn auch unmöglich, unweigerlich richtig...« Matthias Gehirn brannte. »...Das behauptet zumindest dieser Sherlock Holmes, der berühmte Detektiv aus einem meiner schlauen Bücher.«

»Waaas?« Die Kinder hatten gar nichts verstanden und sahen ihn nur ungläubig an. Doch bald kam Klarheit auf. Anscheinend hatte Matthias nur wieder mit sich selbst geplappert.

Alle beobachteten nun ihren Anführer beim Hin- und Herwatscheln. Sogar Chris und Konsti lauschten jetzt gespannt und vertrugen sich endlich wieder.

»Denk nach Matthias« ... »Denk nach«, murmelte dieser weiter zu sich selbst. »DENK NACH!«

Plötzlich hielt er an. Sämtliche Gedanken formten sich zu einem eindeutigen Ergebnis.

»Die Hexe war es! «, brach es aus ihm heraus. »DIE HEXE!«

»SIE hat unseren Spielplatz vom Erdboden verschwinden lassen und dann auch noch die Schatztruhe mitgenommen!«

– Na ja, wenn das der schlaue Matthias behauptet, dann wird es schon stimmen –

»Oder, sie hat Beides einfach nur bei sich im Schuppen versteckt«, fügte Konstantin dahermampfend hinzu und schluckte selbstzufrieden ein Stück Schokoladenriegel runter.

Chris kommentierte wie gewohnt Konstantins haarsträubende Einfälle.

»Sicher, die Hexe hat unseren Spielplatz im Schuppen versteckt ... Was bist du denn für ein Blödi«, ließ er für ihn die Augen rollen.

Die Hexe, so nannten die Kinder eine alte, verlotterte Dame, die in einem winzigen, an den Spielplatz angrenzenden Häuschen mit noch kleinerem Schrebergarten wohnte. Nichts da, Zucker-Lächel-Hexe. DIE war wirklich so eine Pfefferkuchen-Kinderverspeisende-Monsterhexe, wie du es aus Hänsel und Gretel kennst.

Eigentlich hieß die Hexe Frau Klepsch, wie es auch in großen dunklen Buchstaben auf ihrem Postkasten zu lesen stand. Doch ihrem schielenden Glasauge und ihrer viel zu langen Nase, auf deren Spitze sich eine grausige Warze niedergelassen hatte, verdankte die alte Dame ihren treffenden Spitznamen. Dass sie sich selbst für eine Hexe hielt und genauso kleidete, war dadurch eigentlich schon nebensächlich.

Tag für Tag sammelte sie Kräuter und grausige Utensilien, die sie dann in großen Töpfen vermengt kochte und dazu grässliche Beschwörungsformeln aufsagte.

Egal wie sehr sich die Kinder bemühten leise zu sein, der alten Hexe waren sie nie leise genug. Hörte sie auch nur ein leises Lachen oder Kichern, schrie sie gleich lauthals aus ihrem Fenster und stieß furchteinflößende Zaubersprüche zum Himmel, sodass ihnen jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken lief.

Zum Leidwesen der Hexe waren die Donaupiraten nämlich ganz besondere Kinder. Nicht nur besonders laut, nein, leider auch besonders fröhlich.

»Wenn, dann kann nur SIE es gewesen sein!«, meinte Matthias. »Auf welche Art könne man sonst einen Spielplatz verschwinden lassen, als durch gemeine Zauberei?« Das war selbst ihm als begeisterten Naturwissenschaftler klar. Wahrscheinlich hatte sie ihr Zuhause nun endgültig in Luft aufgelöst, um sich ihrer frohsinnigen Widersacher zu entledigen.

»Das lassen wir uns so nicht gefallen!«, brüllte Chris. »Die kann was erleben!« Sofort stampfte er vor Wut auf den Boden und fing an sich vor Ungerechtigkeit gegen den Himmel zu strecken, wie er es immer tat wenn er von irgendetwas genug hatte. Sein Schützling dagegen riet ihnen zur Vorsicht: »Aber sie hat doch Zauberkräfte!«, entgegnete die kleine Leni schüchtern und streckte ihren Kopf kurz unter Chris schützenden Arm hervor. Mattias beschwichtigte sie alle. »Deswegen werden wir auch vorsichtig sein!«, versicherte ihnen der Professor und polierte gleichzeitig seine Brille. Dabei kniff er jedes Mal die Augen zusammen und machte sein übliches Maulwurfgesicht. Sehr passend, weil er ohne die Brille ja blind wie ein Maulwurf war. Dieser Gesichtsausdruck verriet der Bande auch immer, dass er sich bereits einen seiner schlauen Pläne ausgedacht hatte.

Konstantin und Chris kamen endlich aus dem Schlammloch hervorgestapft.

»Und vergesst nicht das grässliche Jaulen, dass wir jede Nacht aus ihrem Schuppen hören«, fiel einem der Beiden gleich noch zusätzlich ein – Welcher der Beiden, war schwer zu erkennen, da sie ja so voll mit Matsch waren, dass sie wie ein Ei dem anderen glichen. Das eine Ei war jedoch deutlich dicker als das andere –

»Da jaulen sicher die eingesperrten Kinder, die sie bereits gefangen hat«, fügte Leni noch schnell hinzu.

Nun verdrehte Matthias die Augen. Er hatte wohl wieder einmal mit seinen Schauergeschichten übertrieben. Es war einfach zu reizvoll gewesen, das Jaulen aus dem Schuppen in eine seiner Hexengeschichten einzubauen ... Selber schuld.

Die Donaupiraten beriefen flugs ihren üblichen Kriegsrat ein. Dafür stellten sich alle fünf – wie immer – im Kreis auf und steckten die Köpfe zusammen. Christophs Vorschlag, die Hexe einfach zu überrumpeln, wurde sogleich einstimmig abgelehnt.

»Warum denn nicht, zum Donnerwetter!?«, fragte er enttäuscht. »Wer etwas mittels Zauberspruch verschwinden lassen kann, der kann dies ja auch wieder rückgängig machen, ... oder?« Aber nein, die Bande war sich zuallererst nur einig den verwilderten Schrebergarten erstmal gründlich unter die Lupe zu nehmen. Zu groß war die Angst vor der alten Dame aus der Nachbarschaft und ihrer schrecklichen Zauberkraft.

Die Donaupiraten legten, wie immer am Ende des Kriegsrates, ihre Hände in der Mitte des Kreises übereinander und warteten auf die Ansage ihres Anführers.

»Donaupiraten! Wollen wir unseren Spielplatz zurückerobern!? Wollt ihr Abenteuer!?«, befragte Matthias die versammelte Mannschaft, wie er es immer tat wenn sie etwas Halsbrecherisches vorhatten.

– Eine unnötige Frage, denn die Donaupiraten waren schließlich für ihre Vorliebe für das Abenteuer bekannt –

»ABENTEUER!«, brach es wie immer lauthals aus den Kindern heraus. Damit war es beschlossene Sache.

KAPITEL 2

HEXE BLEIBT HEXE!

Ein Plan war gefasst. Chris wurde als stärkster der fünf vorausgeschickt um die Lage erst einmal zu erkunden. Er war wahrscheinlich sowieso der Einzige der sich vor traute.

Nur der dicke Konstantin beschwerte sich lauthals, wie immer, wenn Christoph für irgendetwas anstelle von ihm selbst ausgewählt wurde. Doch das tat er nur aus Trotz und sicher nicht, weil er unbedingt als Erster vormarschieren wollte. Er war vielleicht dick, aber sicherlich nicht dumm.

Matthias mahnte noch einmal kurz zur Vorsicht: «Hexe bleibt Hexe«, ließ er den starken Chris nicht vergessen mit wem er es hier zu tun hatte. Doch für den mutigen Christoph war der Auftrag sicher nur ein Klacks, obwohl er sich selbst eingestehen musste, dass auch seine Knie vor Angst ein wenig schlotterten. Natürlich durfte er dies keinesfalls den Anderen zeigen. Deswegen fügte er schnell noch ein kurzes »Die kann was erleben!« hinzu, zog vorsichtshalber sein Holzschwert aus der Gürtelschlaufe und schlich nichtsdestotrotz zaghaft in den Garten des angrenzenden Häuschens.

Alt und heruntergekommen war es. Der Garten war, genauso wie das winzig verfallene Holzhäuschen selbst, dicht zugwuchert mit Schlingpflanzen und das Gras war sicher seit Jahren nicht geschnitten worden. Kein Vorgarten, sondern ein wahrer Jungel lag vor ihm.

Das wuchernde Gestrüpp erwies sich jedoch als Vorteil beim Heranschleichen, da Chris, selbst wenn man wusste wo er sich aufhielt, dadurch kaum zu entdecken war. Schritt für Schritt tastete er sich nun mucksmäuschenstill an das Hexenhaus heran.

– Also, wohl eher muckskätzchenstill –

Geduckt, wie ein tapsendes Kätzchen schlich der tapfere Chris durch den zugewucherten Jungelgarten. Jeden Muskel, gespannt wie ein Bogen. Genau wie eine Katze beim Heranschleichen, die kurz davor ist, sich auf ein unschuldig piepsendes Mäuschen zu stürzen.

Von undurchdringlichem Gebüsch, durch durchdringliches Gestrüpp, durch querverästeltes Geäst, durch durchwegs stechpiksendes Rosengestrauch. Die Bande verfolgte großäugig Chris nervös katzbuckelndes Anschleichen. Schritt für Schritt und Schritt für Schritt.

KRACKS! Ein Brett der Veranda knickte unter Christophs Gewicht und verbreitete ein verräterisches Knacksen. Chris Herz schien vor Schreck kurz stillzustehen.

Endlich ... bei der ersten Fensterbank der Brüstung angelangt, schluckte er kurz und spähte vorsichtig nach oben durch den leicht geöffneten Fensterflügel. Sämtliche Lichter waren ausgeknipst. Im Inneren des Häusschens war es friedhofsstill und zappenduster.

Plötzlich war Christophs Mut wieder in alter Frische zurück. Er stellte sich wieder aufrecht hin und stolzierte, diesmal offensichtlich heroisch und mit stolzgeschwellter Brust, schnurstracks durch den Garten in Richtung der anderen zurück. Diese deuteten ihm nervös, er solle sich doch wieder verstecken und fuchtelten dabei wild in der Luft herum. Doch Chris stapfte nur entschlossen und aufrecht wie ein Zinnsoldat weiter durch das hohe Wiesengras und stellte sich dann tollkühn vor der Bande hin.

»Keiner da!«, unterbreitete er den Donaupiraten seine grandiose Entdeckung. Denen fiel ein Stein vom Herzen. Die Hexe war wohl ausgeflogen. DIE Gelegenheit sich einmal so richtig in ihrem verwunschenen Garten umzusehen.

JAUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU!

Die Bande zuckte zusammen. Gerade als sie sich vom ersten Schreck erholt hatten, spitzten die fünf nervös die Ohren.

JAUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU!

Da war es wieder! Das grässliche Gejaule aus dem Gartenschuppen, das sie schon so viele Nächte vorher gespenstisch aus dem Schlaf gerissen hatte. Das Gewimmer ließ alle gleichzeitig erschauern.

»Mir reicht`s...«, meinte Christoph. »...Ich hab genug von dieser Jaulerei!« Mit großen Schritten machte er sich wütend auf den Weg in Richtung Schuppentüre. Konstantin folgte ihm in ähnlicher Pose, allerdings mit gewissem Sicherheitsabstand hinterher. Matthias, Leni und Flo trappelten noch ein wenig schüchterner hinterdrein.

Die Tür des Gartenschuppens war schwerfällig und verzogen. Ächzend und quietschend schob sie Christoph, in seltener Einheit, gemeinsam mit Konstantin zur Seite.

– Wie die alte Dame so eine schwere Türe alleine öffnen konnte war den Kindern sowieso ein Rätsel –

Aus der alten Rumpelkammer staubte es ganz schön heraus.

BUMM! Knallte ihnen die Türe plötzlich und viel zu laut auf!

BUMM! Knallte sich der riesige Flo seinen Kopf am Türrahmen an. Genauso wie der Knall von vorhin hallte ein Echo schmerzhaft auf seine Schädeldecke nach. Sein Strohhut landete am Boden. Genervt rieb Flo die Beule und musste sich auch noch einen blöden Kommentar dazu anhören. »Bücken! Du langer Lulatsch!«, lächelte Christoph seinem großgewachsenen Freund schadenfroh zu.

Gemeinsam schoben sie kistenweise grüne Fläschchen zur Seite die hier gelagert waren. Und da plötzlich! Was für ein grausiger Geruch. Konstantin musste sofort an die Lazarus denken als er den Schuppen betrat.

Ekelhaftes Zeug lag überall verstreut auf Kisten und Regalen herum. Froschschenkel, Hühnerklauen, Echsenzungen, Otternasen, Krötengedärm und andere scheußliche Zauberzutaten waren dort aufgefädelt, getrocknet und eingelagert worden. Zutaten, die die Hexe anscheinend für ihre Zaubertränke verwendete und die hier wahrscheinlich schon tagelang vor sich hin moderten. Christoph hob die kleine Leni eilig von seinen Schultern und schob sie vorsichtig zur Tür hinaus, um ihr den Anblick zu ersparen. Das neugierige Mädchen war davon zwar nicht gerade begeistert, gehorchte aber brav.

Und wo hatte sich nun ihr schreckliches Monster versteckt?

Die Antwort kam wie auf Befehl hervorgekrochen.

Leises Gewimmer tönte aus einer düsteren Ecke des Schuppens! Die vier übrigen Donaupiraten lauschten vorsichtig in das Halbdunkel hinein.

Zaghaft tapsend schritt der dicke Konstantin in die Richtung der Wimmerei und schob vorsichtig ein paar Kisten zur Seite. Zum zweiten Mal heute, benutzte er seine Hände nicht nur um Schokolade an seinen Mund zu führen. Der Hunger war ihm vor Angst vergangen, was nur allzu selten vorkam. Seine roten Pausbäckchen wurden ihm gleichzeitig heiß und kalt. Sein rundes Mopsgesicht kreidebleich. Seine schokoladeverschmierten Hände zitterten.

»ROARRRRRRRR!« Lautstarkes Gebrüll ließ die Kinder sofort wieder einige Schritte in Richtung des Ausgangs zurückweichen und gleichzeitig ihren armen dicken Freund vor Angst erstarren.

Was war das? Ein Löwe? Die Bande blickte sich ratlos an. Keiner der vier brachte auch nur ein einziges Wort heraus.

Zögerlich machte der tapfere Christoph ein paar Tapser vorwärts und spähte ums Eck.

DA! Wütend angriffslustig gelbe Kulleraugen blickten von weit unten nach weit oben zu den Kindern auf. Pfoten mit ausgefahrenen Krallen blitzten ihnen entgegen.

Ein viel zu kleingeratener, ausgemergelter, goldbrauner Kater kauerte auf ein wenig Stroh in der dunkelsten Ecke des Schuppens, fauchte und fletschte ihnen die Fangzähne. Den Hals des Möchtegern-Raubtieres schmückte eine ungewöhnlich kunterbunte Mähne die im einfallenden Licht in sämtlichen Regenbogenfarben schimmerte. Darunter blitzte ein viel zu dickes, eisernes Kettenhalsband hervor, das mittels faustdicker Kettenglieder und mächtigen Eisenhaken am Schuppenboden befestigt war.

So ein merkwürdig buntes Katzentier hatten unsere Donaupiraten ja noch nie gesehen. Klitzeklein mit viel zu dicken Pfötchen und buschigem Schwänzchen wirkte es zwar einerseits wie ein Hauskater, glich aber andererseits auch einem Löwentier. Und warum war der arme Kater bloß so garstig und mit solch einer übergroßen Kette gefesselt worden? Die Kinder sahen sich gegenseitig fragend an. Mit großen Augen spähte auch das Kätzchen nach den Kindern und bewegte sich gefährlich in Angriffsposition, ähnlich wie Christoph vorher im Garten. Die Angst vor dem kleingeratenen Brüllmonster hielt sich jedoch plötzlich in Grenzen.

»Was? Hat dieses winzige Kätzchen eben SOOOOO gebrüllt?...«, flüsterte Konsti auf einmal vorfrech, wenn man bedenke, wie sehr er gerade noch vor dem winzigen Kätzchen gezittert hatte. »...DER glaubt wohl er sei ein Löwe!«, spottete er.

Konstantin machte nun wieder ein paar zaghafte Schritte auf das Tierchen zu.

»Du hast dich vor einem kleinen Kätzchen gefürchtet!«, triezte ihn Chris und begann ihn gleich wieder herausfordernd anzurempeln.

Oje ... Das war der übliche Startschuss für die beiden. Gleich würden sie wieder loslegen. »Schlammcatchen!!«, brüllte bereits wieder einer der Beiden los. – Welcher von beiden ist mir leider entgangen, doch sie wurden sowieso gerade noch VOR der Rauferei unterbrochen –

»Eine Katze?«, murmelte eine leise Stimme von draußen herein und unterbrach die beiden Streithanseln gerade noch rechtzeitig.

»EINE KATZE!«, hallte es plötzlich fröhlich laut.

Auf einmal waren kleine Kinderbeinchen zu hören die sich langsam von hinten annäherten. Da hatte wohl jemand wieder nicht hören wollen. Leni schob sich neugierig zwischen den beiden Raufbolden hindurch, um auch einen Blick auf das winzige Brüllmonsterchen zu werfen.

Plötzlich! Als das Kätzchen mit seinen großen, goldglänzenden Augen das kleine Mädchen entdeckte, war es wie ausgewechselt. Soweit es die Eisenkette am Halsband zuließ, stürzte es sich freudig auf die süße Leni und leckte sie übermütig im ganzen Gesicht ab, als hätte es sie schon ewig nicht mehr gesehen. Man könnte meinen, dies wäre schon immer Lenis Katerchen gewesen. Leni selbst plumpste auf den Boden und brachte vor lauter Schreck zuallererst kein einziges Wort heraus. Sogar Chris und Konstantin unterbrachen kurz ihre Rempeleien und beobachteten fasziniert den Tumult. Da fing ihre kleine Freundin auch schon an lauthals loszulachen.

Es war das herzerwärmendste und unschuldigste Kinderlachen, das man sich vorstellen kann, sodass alle Donaupiraten miteinstimmen mussten. Lachvolle Fröhlichkeit breitete sich in ihren Herzen aus. Sie hatten glatt verdusselt, wo sie sich gerade befanden. Gefahr und Streitereien waren allesamt vergessen. Herzhaftes Gelächter folgte von allen Seiten. Denn wenn Leni lachte, musste man einfach mitlachen.

»Das kitzelt!«, schrie Leni. »Hör auf! Ich kann nicht mehr!« Sie kullerte lachend hin und her. Die anderen Kinder waren nur noch stille Beobachter. Auf Befehl ließ die Mietze von ihrer Beute ab und schmiegte sich schnurrend an ihr Bein. »Sitz!«, befahl die kleine Leni lustig und lachte vergnügt weiter, als sie dem Kätzchen über ihr goldig struppiges Fell streichelte.

»Ach Leni, das ist doch kein Hund«, merkte Chris gerade noch an, doch auf Befehl setzte sich das Kätzchen wirklich auf seinen winzigen Katzenpopo und sah das kleine Mädchen mit aufmerksamen Augen an. Matthias machte nun verblüfft große Augen.

»Gib Pfote!«, befahl ihre kleine Prinzessin noch dazu. Plötzlich streckte das Kätzchen auch noch artig das winzige Pfötchen entgegen.

Matthias konnte es nicht fassen. »Ist das dein Kater?«, scherzte er kurz und kettete die Mieze dabei flugs von ihrem Gefängnis los. »Der ist aber süß!«

Die kleine Leni nahm den kleinen Kater in den Arm und streichelte ihn wie wild. Matthias beäugte einstweilen nachdenklich die viel zu dicke Eisenkette, an der das kleine Geschöpf angebunden war und ließ sie zu Boden rasseln. »Da muss sich wohl jemand sehr vor diesem armen Kätzchen fürchten«, witzelte er.

»Können wir jetzt gehen, bevor wir hier noch wirklich einen Löwen wecken?«, scherzte Konstantin ein wenig nervös daher, um die anderen endlich zum Abmarsch zu überreden. Er hatte letztendlich genug von all den Überraschungen und überhaupt von diesem gespenstischen Schuppen.

Doch ... gerade als die fünf die alte Holzhütte verließen, kroch ihnen ein vertrauter Geruch in die Nase. Allen war sofort klar, um wen es sich handelte. Nur Matthias brachte es übers Herz den verhassten Namen auch auszusprechen. »Die Lazarus! ... D-D-Das muss die Lazarus sein!«, stotterte er daher. Da hörten sie schon Stimmen aus der Ferne und konnten gerade noch genug durch die Büsche stieren, um die Umrisse der gemeinen Lazarus und mehrerer Polizisten zu erahnen, die vor dem Spielplatz-Erdloch umherstanden und diskutierten.

Oh Mann! Was jetzt?

»Rückzug«, flüsterte Matthias.

Alle seine Piraten duckten sich folgsam ins Gras und sahen ihn fragend an. Aber wohin nur in der Eile?

»Ich weiß wohin ... einziger Ausweg«, stammelte Christoph nervös. Die Kinder waren wie erstarrt vor Schreck, als sie sahen wo es hin ging. Langsam kroch Chris rückwärts in Richtung des Hexenhauses.

Was? Dorthin? Die Stimmen ihrer Verfolger waren immer lauter zu hören. Ihnen blieb nicht viel Zeit um nachzudenken. Gezwungenermaßen folgten sie Christoph bis zum halb offenen Fenster in das er vorher spioniert hatte.

»Hinein!«, flüsterte dieser zu Matthias.

»Was? ... Ist das dein Ernst?«, zischelte Matthias entgeistert zurück. Gerade als er die Worte ausgesprochen hatte, war Christoph bereits in der kalten Dunkelheit des Fensters verschwunden. Matthias hörte nur noch ein kurzes: »Schnell! Hier rein!«, da kroch schon ein Kind nach dem anderen über den schiefrigen Holzfensterrahmen. Sogar der kleine Kater mit der bunten Mähne wurde ihm flink durch das Fenster nachgereicht. Matthias und Christoph halfen bei dem Manöver zusammen. Nur den armen Konstantin ließ Chris ohne Hilfe in das Zimmer stolpern und spottete kurz lustig, bevor er wieder den Ernst der Lage begriff. Bei der kleinen Leni dagegen gab er sich extra Mühe, damit sich diese nicht verletzte. Sie verkroch sich wie üblich sofort hinter seinem Rücken.

»Verstecken...«, hauchte Matthias leise in die Runde als auch er sich als Letzter über den Fensterrahmen schleppte. Sofort bezogen die Kinder unter dem großen Wohnzimmertisch Stellung, der ein wenig abseits im letzten Winkel des Zimmers stand. Florian stieß sich dabei, wie üblich, den Kopf und ärgerte sich stumm, während sich die übrige Piratentruppe bereits unter dem Tisch platzierte. Der Arme musste sich ungemütlich gekrümmt hinhocken, sonst hätte er ja nicht unter den Tisch gepasst – Groß zu sein muss leider auch seine Nachteile haben –

Als sie endlich zur Ruhe gekommen waren, horchten die Kinder gespannt auf die dumpfen Stimmen von draußen. Leiser und leiser schienen diese in die Ferne zu wandern, bis sie kaum noch zu hören waren. Gerade als sie erleichtert aufatmeten, ertönte ein heftiges Rütteln an der Tür!

Leise hörte man wie ein Schlüssel ins Schlüsselloch zuckelte und sich dann laut krachend herumdrehte. Selbst Christoph stockte in diesem Moment der Atem.

Ächzend wurde die Türe auf die Seite geschoben. Dann hörten die Kinder auch schon Stimmen:

»Die Türe sollten sie mal ölen lassen Frau Klepsch!« Zwei Herren in roter Kleidung schlurften durch das Wohnzimmer und schoben den Wohnzimmerteppich zur Seite. Fast hätten sie dabei einen Blick auf unsere Kinder erhascht, die noch immer unter dem Tisch kauerten und vor lauter Angst allesamt die Luft anhielten. Einen Atemzug später rollten die roten Herren die alte Hexe bereits auf einem unangenehm laut quietschenden, weißen Rollstuhl langsam in das Zimmer, sodass sich unsere Bande auch noch die Ohren halten musste. Dann wurde die Alte von beiden sorgsam auf einen bequemeren Stuhl gehoben. Einer beugte sich nah an das linke Ohr der Hexe und sprach in lautem Ton: »Vergessen sie nicht, dreimal täglich ihre Tabletten zu nehmen!«. Er wiederholte noch einmal lauter: »DREIMAL TÄGLICH!«, dann machten sich die zwei wieder auf den Weg. Für die Kinder selbst waren jedoch nur Beine zu erkennen, die sozusagen führerlos im Raum rumwanderten, da sie ja versteckt unter dem Tisch nichts Genaueres erkennen konnten.

Endlich. Die Herren in roter Kleidung rollten den quietschenden Rollstuhl wieder am Tisch vorbei und zur Türe hinaus. Nach einem kurzen: »Auf Wiedersehen!«, fiel diese wieder krachend ins Schloss zurück.

Darauf folgte ... zermürbende Stille ... Nur das heftige Atmen der Hexe war zu hören ... Die alte Dame schleppte sich schnaufend zum Fenster ... Kein Wort ... Die Kinder sahen sich fragend an ... Was nun? Selbst Matthias war ratlos wie es weitergehen sollte. Sie gestikulierten nur stumm unter dem Tisch herum.

Plötzlich murmelte eine ächzende, alte Stimme: »Ihr könnt jetzt rauskommen, ihr kleinen Monster ... Ich habe euch längst bemerkt!«

Den Kindern fuhr augenblicklich fürchterlichste Angst in die Knochen. Keiner wagte auch nur ein Wort zu flüstern, geschweige denn auch nur zu atmen ... wieder ... zermürbende Stille. Dann pochte der alte Gehstock der Hexe laut gegen das Tischbein gleich neben Florian. TOCK! ... TOCK!

Der Arme beulte sich vor lauter Schreck gleich wieder den Kopf an. Und nicht nur er. Alle Kinder zucken gleichzeitig zusammen.

»Rauskommen, hab´ ich gesagt!«, brüllte die Hexe mit unangenehmer schriller Stimme.

Die Kinder krochen lautlos, ohne ein Wort zu sagen, einer nach dem anderen unter dem Tisch hervor, bis sie alle fünf, aufgereiht wie in der Schule, dastanden. Nur der kleine löwenbraunbunte Kater versteckte sich weiterhin schlau hinter einem Tischbein und beäugte die Hexe unsicher. Anscheinend hatte er keine guten Erfahrungen mit der alten Dame gemacht.

»Was wollt ihr Monster hier?« ... »Habt ihr mich noch nicht genug geärgert?« Für so eine alte Frau schien die Hexe plötzlich ungewöhnlich lebhaft.

Matthias wusste zum ersten Mal nicht so richtig, was er sagen sollte, da machte Christoph bereits einen entschlossenen Schritt auf die Alte zu, woraufhin diese wiederum ein wenig in den Raum zurückwich. Möglicherweise hatte sie es nun selbst mit der Angst zu tun bekommen? Wer weiß?

»Wir haben keine Angst vor dir, du alte Hexe!«, fauchte Christoph in überzeugendem Ton.

»Genau!«, fügte Konstantin etwas kleinlauter hinzu.

Matthias mahnte wieder zur Vorsicht: »Hexe bleibt Hexe«, flüsterte er Chris zu und hielt ihn am Hemdärmel zurück.

»Waaaaaas?«, die Alte hielt fragend ihr linkes Ohr in Richtung der Kinder.

»Wir haben keine Angst vor dir!«, wiederholte Chris ein wenig lauter, keck zu der Alten und trat stattdessen noch näher an sie heran.

»Soso, ihr habt also keine Angst vor mir?« Die Hexe drehte sich kurz vor den Kindern weg und schien dabei ihre Kräfte zu sammeln. »HA! Das solltet ihr aber!«, fauchte sie, bäumte sich verkrampft auf und stieß dabei einen markerschütternden Fluch aus:

«Froschgebein und Tümpelkraut von Totenhand im Sumpf gebraut!«

... Stille ...

... Nichts passierte ...

Die Kinder sahen sich gegenseitig an.

Christoph versuchte sich nicht einschüchtern zu lassen und machte ein bisschen zögerlich einen weiteren Schritt auf die Hexe zu. Diesmal erklärte er noch lauter als zuvor: »Gib uns unseren Spielplatz zurück du traurige, alte Hexe, oder...«

»...Oder was?«, entgegnete die Hexe. »Was wollt ihr kleinen Monster mir schon antun?« Und schon wieder schien sie ihre Kräfte zu sammeln und ging in schrecklicher Pose auf die Kinder los:

»Tintenfisch und Würmerwinden sollt ihr im grauen Sumpf versinken!«

Wieder, ... nichts passierte.

Erschöpft ließ sich die Alte in den Wohnzimmersessel fallen und ärgerte sich leise in sich hinein, ohne die Kinder auch nur anzusehen. »Es funktioniert einfach nicht. Warum zum Belzebub funktioniert es nicht«, murmelte sie leise daher. Dann lehnte sie sich müde in den Lehnstuhl zurück und machte dabei einen aufgesetzten, unschuldigen Gesichtsausdruck.

»Was wollt ihr von mir? ... Ich bin doch nur eine arme, alte Frau«, appellierte sie scheinheilig an das Mitgefühl der Kinder. Matthias wusste immer noch nicht so recht, wie er anfangen sollte.

»Ha! Das sollen wir dir glauben?«, fauchte Christoph stattdessen weiter. »Du wirst uns wiedergeben, was du uns gestohlen hast!«

Wieder der unschuldige Gesichtsausdruck der Alten. »Gestohlen? ... Was soll ich euch denn gestohlen haben?«, krächzte die alte Dame gespenstisch. Merkwürdigerweise streckte in diesem Moment gerade die schüchterne Leni ihr Köpfchen hinter Christophs Bein hervor und entgegnete ihr leise: »Unseren Spielplatz. Wir wollen bitte unseren Spielplatz zurück.«

Plötzlich beugte sich die Alte ein wenig vor, sodass die Kinder genau in ihr grausig gelbes, schielendes Glasauge sehen konnten. »Ach! Euer Spielplatz ist verschwunden?«, lehnte sie sich wieder langsam in den weichgepolsterten Lehnsessel zurück und hielt kurz inne als würde sie nachdenken. »Barbarossa der Piratenkönig«, hauchte sie leise.

»WER?« Alle Kinder beugten sich gleichzeitig fragend über die alte Frau.

»Barbarossa hat euren Spielplatz fortgenommen.«

Noch einmal entgegnete ihr der Kinderchor:

»WER?« Von ihrer Neugierde getrieben kamen die Kinder der Hexe immer näher. Vielleicht sogar ein bisschen zu nahe. Matthias konnte sie gerade noch zurückhalten. »Hexe bleibt Hexe«, ermahnte er sie alle.

»Barbarossa Rotbart, ... ein Piratenkönig der schon ewige Zeit über das Wolkenreich Düsterleid regiert...«, krächzte sie die Kinder an. » ... Jetzt ist er wahrscheinlich schon selbst ein alter Mann«, fügte die Alte ein wenig traurig hinzu.

»ER wird euren Spielplatz haben ... Und jetzt verschwindet und lasst mich endlich alleine!« Sie machte eine scheuchende Handbewegung zum Ausgang. Doch so schnell ließen unsere Kinder nicht locker.

»Wie können wir uns den Spielplatz wieder zurückholen, liebe Hexe?«, harkte die kleine Leni noch schnell nach. Der hässlichen Hexe huschte ein gemeines Lächeln über die Lippen. »Da müsstet ihr schon zu den Wolken fliegen«, kicherte die Alte gespenstisch in sich hinein. »Zu den Wolken fliegen«, wiederholte sie nochmal und kicherte noch gespenstischer. Dann ärgerte sie sich selbst über ihre eigene Kicherei.

BUMM! BUMM! BUMM! Plötzlich pochte es an der Tür. Die ganze Bande zuckte zusammen. Ein vertrauter, grausiger Geruch kroch durch den Türspalt und stieg den Kindern in die Nase.

»Seid ihr da drinnen ihr Giftzwerge?«, hörten sie zum ersten Mal seit Monaten die krächzende Stimme ihrer Direktorin dumpf durch die Tür schallen. Eine Stimme die noch unangenehmer als der quietschende Rollstuhl von vorhin klang.

Die Lazarus war wieder da! DIE LAZARUS! Was nun? Die Hexe ignorierte das Klopfen und erzählte einfach weiter.

– Vielleicht hatte sie es aber auch einfach nur überhört –

»Euer Lachen, ... euer scheußliches Lachen hat die Piraten hierhergelockt...«, fuhr sie fort. »...Nun haben sie euer liebstes Spielzeug mitgenommen ... So machen sie es immer wenn ihnen Kinder zu fröhlich sind.«

BUMM! BUMM! BUMM! Wieder das Klopfen an der Tür, gefolgt von grausigem Gestank. Wieder die krächzende Stimme ihrer alten Direktorin: »Kommt raus ihr verlausten Giftwarzen! ... Ich weiß, dass ihr Pestbeulen da drin seid!«