Keimzeit - Bernd Mannhardt - E-Book

Keimzeit E-Book

Bernd Mannhardt

4,7

  • Herausgeber: BeBra Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Vor dem Pinkelhäuschen am Moabiter Stephanplatz liegt ein Toter. Es handelt sich um den erfolglosen Foto-Künstler Stefan Klein, der nicht nur mit dem Inhaber der örtlichen Kunstgalerie über Kreuz lag, sondern auch mit den Leuten, die ihn vor einigen Monaten mittels Luxussanierung aus seiner Altbauwohnung vertrieben haben. Bei den Ermittlungen findet sich Kommissar Hajo Freisal unversehens in einer Schlangengrube aus Kulturschaffenden, Gentrifizierungsgegnern und Bauträgern wieder und sieht sich nach und nach mit einer bizarren Wendung des Falls konfrontiert.

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Seitenzahl: 358

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Bernd Mannhardt

KEIMZEIT

Ein Moabit-Krimi

Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig. Die Orte der Handlung existieren zwar, dienen jedoch lediglich als Kulisse.

Kurz, alles ist erstunken und erlogen. Und die echten Stadteilsanierer handeln selbstlos wie Mutter Teresa.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen.

ebook im be.bra verlag, 2016

© der Originalausgabe:

berlin.krimi.verlag im be.bra verlag GmbH

Berlin-Brandenburg, 2016

KulturBrauerei Haus 2

Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin

[email protected]

Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin

Umschlag: Ansichtssache, Berlin

ISBN 978-3-8393-6151-1 (epub)

ISBN 978-3-89809-524-2 (print)

www.bebraverlag.de

Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit,

mit Menschen auszukommen,

die man nicht leiden kann.

Samuel Goldwyn

Inhalt

Muckibude

Bereitschaft

Café Achteck

Lagebesprechung

Tyson

Charleys Tante

Kühli

Link

Keimzeit

Verwüstung

Musbach

Roman

Milchgesicht

Putzjob

Aorta

Abendtee

Morgen!

Lüge

Amnesie

Dehnung

Partnerlook

Bemühung

Anmerkungen

Über Autor

Muckibude

Am Abend des 21. Dezember kleidete eine dicke Schneedecke die Hauptstadt in ein Gewand von Friedfertigkeit. Weiße Pracht wurde vom Licht hipper Laternen beschienen, deren oberes Ende mit einem Metallsegel als Reflektor ausgestattet war. Der Weg, den sie säumten, schlängelte sich hin zum weit zurückgesetzten Eingang des Neubaukomplexes in der Hannoverschen Straße.

Gemütlichkeit pur, fand Kriminalhauptkommissar Hajo Freisal. Schneedecke … unberührt … ein Bild von Unschuld, sinnierte der KHK. Da hat sich Frau Holle aber auch so was von ins Zeug gelegt. Irgendwie auch kitschig – dennoch oder erst recht: Mir gefällt’s.

Aber Unschuld? Eine unglückliche Metapher. Freisal wusste, dass Berlin nicht als Hort der Seligen galt. Bedürfte es eines Beweises, genügte wohl ein Blick gen Kriminalgericht an der Turmstraße, das Tag für Tag die Polizeiticker der Hauptstadtpostillen fütterte.

»Guck mal an«, murmelte der Kommissar vor sich hin, »das haben die Wetterfrösche so gar nicht vorausgesagt.« Er blickte durch eines der bis zum Boden reichenden Fenster des im Parterre liegenden Sportstudios, in dem er trainierte, und sah hinüber zum Bolzplatz der Europa-Grundschule, in der sich tagsüber 350 Kinder und 50 Pädagogen aus 20 Ländern begegneten. In den Pausen, dachte Freisal, wird auf dem Schulhof der Teufel los sein. Jetzt aber lag das von dem verklinkerten Schulgebäude begrenzte Gelände still.

Es war halb neun und draußen hatte sich längst die Nacht über den Tag gelegt. Der mit Neonlicht erhellte Trainingsraum spiegelte sich im Glas der, wie Freisal zu sagen pflegte, »Muckibude«. Um auf die Straße hinaussehen zu können, hatte er seine vom Gewichtestemmen erhitzte Stirn an die kühle Scheibe gelegt; sein brav gescheitelter Kurzhaarschnitt war sichtlich außer Form geraten.

Hajo Freisal – vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er noch ein Kampfgewicht von 96 Kilo auf die Waage gebracht (bei nur 165 Zentimetern Mindestkörpergröße für den Polizeidienst) – und Krafttraining? Aber ja: Der KHK hatte nicht nur seine Ernährung umgestellt. Er wollte auch seinen über die Jahre sichtlich aus dem Leim gegangenen Körper straffen. Jetzt wog er schon sechs Kilo weniger.

Also bitte!

Freisal besuchte das Sportstudio in der Hannoverschen Straße, eines von insgesamt neun Studios des, wie er sagte, »Eidgenossen« in Berlin: Werner K., ein Schweizer Fitness-Unternehmer, dessen Franchising-Gesellschaft seinen Namen trug. Über die Jahre hatte sich K. offenbar auf dem hart umkämpften Fitnessmarkt in Berlin behaupten können. Jedenfalls war er von Köpenick über Mitte bis nach Reinickendorf mit Dependancen präsent.

Freisal hatte sich vorgenommen, alle Standorte des »Eidgenossen« abzuklappern. Das gab die Mitgliedskarte her. Er war neugierig, welches das räumlich großzügigste war. Wenngleich, in der Regel trainierte er am Ernst-Reuter-Platz. Das Studio dort lag dem Präsidium in der Keithstraße am nächsten.

»Tolle Ergänzung zum Abspecken«, hatte der Kommissar seiner jungen Assistentin, Yasmine Gutzeit, berichtet. »Mein Gewicht habe ich schon auf neunzig Kilo runtergeschraubt.« Dabei war er von seinem Gutzeits unmittelbar gegenüberstehenden Schreibtisch aufgestanden, hatte zwei, drei Schritte in den Raum gemacht und sich demonstrativ in Pose gebracht. »Und? Sieht man schon was?«

»Hm.« Gutzeit hatte ihren Bürostuhl um neunzig Grad hin zu ihrem Chef umgedreht.

»Macht einen schlankeren Hals, oder?«

Yasmine Gutzeit war sich in diesem Moment gewiss, dass Spaß und Ernst bei ihrem Vorgesetzten mal wieder verdammt eng beieinander lagen. Sie blickte den KHK nachdenklich an. Ihr Blick wanderte von oben nach unten. »Herr Freisal«, sagte sie, »bitte lockern Sie sich – und schauen Sie mal zu mir herüber.«

Freisal schaute zu seiner Kollegin.

»Ah, das Gesicht!«, rief Yasmine Gutzeit. »Tatsächlich, da sind Sie einen Tick schmaler geworden.«

Der Kommissar legte beide Hände übereinander und auf seinen imposanten Bauch. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »So, so … Gesicht … immerhin. Hatte schon befürchtet, Sie würden Nasenspitze sagen.«

Gutzeit reckte den rechten Daumen. »Wird schon«, sagte sie.

An diesem Abend trainierte Freisal also nicht am Ernst-Reuter-Platz, sondern in K.s Dependance in Mitte.

Er war positiv überrascht, dass sich die Trainierenden hier so gut auf die »Kraftstationen« verteilten: kein nerviges Warten auf das Freiwerden einer Maschine, entspannt von Trainingseinheit zu Trainingseinheit hoppen, ohne dass einem der Platz vor der Nase weggeschnappt wurde, was einem das Training schon ziemlich vermiesen konnte.

Schnee satt, konstatierte Freisal im Geiste und blickte weiter aus dem Fenster. Können wir tatsächlich hoffen, weiße Weihnachten zu bekommen? Das war für Berlin ganz und gar nicht selbstverständlich. Erst kürzlich hatte es im Radio geheißen: »Der meteorologischen Definition nach müsste vom 24. bis 26. Dezember mindesten ein Zentimeter Schnee liegen, um von weißer Weihnacht sprechen zu können.« Dies geschehe, statistisch betrachtet, »leider nur alle sieben Jahre in der Hauptstadt«. Es habe sogar schon einmal eine »Schneelücke von sechzehn Jahren« gegeben: zwischen 1940 und 1956.

Schnee von gestern, dachte Freisal und wandte sich wieder dem Training zu.

Just in dem Moment, als der Kommissar zur nächsten Kraftstation schritt, machte sich jemand unter dem Nickname BürgersZorn ganz eigene Gedanken zur aktuellen Wetterlage. Er oder sie postete im Kiez-Blog MoabitNETZ auf der Internet-Plattform des Moabiter Quartiersmanagements unter der Überschrift: »Schnee tut gut!« Hätte das ein neuer Portal-Besucher gelesen, der Bürgers Zorn, einen Stammgast im Blog, nicht kannte, glaubte er womöglich, dass sich jemand über die frisch gefallene Pracht freute. Das wäre weit gefehlt gewesen. Der Post entpuppte sich wenige Zeilen weiter als blanker Zynismus.

»Habe eben erfahren, dass das Büro des Quartiersmanagements Moabit-Ost verschönert wurde.« Verschönert? Das klang nach Renovierung des QM-Ladens in der Wilsnacker Straße. Und schon folgte Zynismus die Zweite, indem Bürgers Zorn verkündete, dass »Scheiben eingeschlagen« und »Wände mit Slogans« beschmiert worden seien. Nun würde »den Handlangern von Mafioso Rohe bei klirrender Kälte endlich der Arsch abfrieren«. Alles in allem war der Post getragen von einer abgrundtief feindseligen Haltung dem QM gegenüber.

Handlanger von Mafiosi Rohe? War hier Peter Rohe, Inhaber der gleichnamigen Bauträgergesellschaft mbH gemeint? Wieder einige Zeilen weiter stellte sich heraus, dass tatsächlich vom stadtbekannten »Spezialist für Modernisierung und Sanierung von Altbauten aller Art«, wie es auf Rohes Webseite hieß, die Rede war. Rohe galt als alter Hase im Berliner Baugeschäft; sein Wirken reichte weit zurück in die Achtziger, hinein in jene Zeit, in der in Westberlin eine bemerkenswerte Subventionspolitik betrieben worden war.

Bürgers Zorn wurde ein paar Zeilen weiter auch für Neu-User überdeutlich und damit verständlich: »Rohe ist Ende sechzig – dennoch: der bekommt den Hals nicht voll genug, will sich Moabit unter den Nagel reißen mit Luxussanierungen. Wird höchste Zeit für Kenntlichmachung von Wölfen in Schafspelzen, also auch den Handlangern der gesellschaftlichen Teilung in Arm und Reich. Mit dem Demolieren des QM Ladens sei ganze Arbeit geleistet worden. Unter dem Link frohaktion.indymedia.org ist die Aktion dokumentiert. P.S.: Mit besten Grüßen auch an die Bullen – und viel Spaß bei der Gründung einer neuen SoKo.«

Hajo Freisal setzte sich an die Kraftstation E2, um den kleinen Delta-Muskel im Schulterbereich mit seitlichem Armeheben zu trainieren. Diese Übung wollte er schnell hinter sich bringen. Aus Erfahrung wusste er, dass diese Muskelpartie nicht so belastbar war und schnell erlahmte.

Immer wieder schön, wenn der bittersüße Schmerz nachlässt, dachte der Kommissar, bevor er mit der Übung begann.

Bereitschaft

Derweil Freisal im XXL-T-Shirt und in Jogginghose an der E2 saß und gegen den Widerstand von Gewichten ankämpfte, klingelte bei Yasmine Gutzeit das Diensthandy.

»Och nee!«, stöhnte sie. Ganze dreißig Minuten hatte sie es sich in ihrer Charlottenburger Wohnung in der Mierendorffstraße auf der Couch mit einem Thriller gemütlich gemacht. Genau genommen mochte sie gar keine Thriller. Der sogenannte Mainstream war ihr schlichtweg zu blutrünstig. Das begann schon bei der Gestaltung der Cover, wie ihr erst neulich in der Buchhandlung aufgefallen war. Es tropfte nur so von Blut. Gottlob, auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel, hatte Gutzeit gedacht, als sie zu jenem Buch griff, in dem eine Geschichte vor dem Hintergrund illegaler Waffenexporte erzählt wurde.

Das Handy klingelte unerbittlich.

Gutzeit hatte die Rufnummer des Präsidiums auf dem Display erkannt und nahm das Gespräch an.

»’N Abend! Was gibt’s?«

»Leichenfund«, hieß es kurz und knapp. »Sie werden am Fundort erwartet: Moabit, Stephanplatz.«

»Gibt’s schon nähere Infos?«

»Ein Mann.«

»Unnatürlicher Tod?«, fragte Gutzeit.

»Würde ich Sie sonst anrufen?«, erwiderte der Kollege von der Einsatzzentrale mürrisch.

»Gegenfragen sind uncool, sagt mein Chef immer. Ich denke, da hat er recht.«

»Unnatürlicher geht’s nicht«, kam es zurück.

»Schuss- oder Stichverletzung?«, fragte sie.

»Das Opfer hat ein Messer im Bauch.«

Gutzeit stand von der Couch auf und trat ans Wohnzimmerfenster. Das Smartphone hielt sie in der Linken, mit der Rechten schob sie die Gardine ein Stück beiseite. »Wie lange schneit es schon?«

»Gut zwanzig Minuten.«

Gutzeit zog die Gardinen wieder zu.

»Wer hat uns alarmiert?«

»Ein anonymer Anrufer. Es ließ sich zurückverfolgen, dass aus einer Kneipe namens Dart-Pinte, nahe des Fundortes, Alarm geschlagen wurde, der Anrufer konnte aber nicht ermittelt werden. Der Wirt erinnert sich nicht, wer telefoniert hat, er habe es nicht mitbekommen, weil immer irgendwer am Telefon hänge. Darauf achte er schon lange nicht mehr.«

Gutzeit runzelte die Stirn. »Sind die Kollegen von der SpuSi …?«

»Kollegin, wie gesagt, man wartet auf Sie.«

»Bin schon unterwegs.« Gutzeit legte auf und blickte auf die Zeitanzeige des Displays: 20.45 Uhr. Sie überlegte, ob sie KHK Freisal alarmieren sollte, und entschied sich dagegen, weil sie wusste, dass ihr Chef in den letzten sportlichen Zügen lag. Sie beschloss, erst einmal selbst die Lage zu peilen. Sie wollte Freisal nicht ohne Not beim Training stören und wusste, dass die Hannoversche nahe am Fundort lag. Keine Gefahr im Verzuge. Alles im grünen Bereich.

In Lederkluft trat Yasmine Gutzeit vor die Tür des Charlottenburger Mietshauses. Ihren Helm trug sie unterm Arm. Es schien so, als realisierte sie erst jetzt das ganze Ausmaß des unverhofften Schneefalls … das Weiß auf dem Trottoir … der Straße … auf Sitz und Tank ihres Cross-Bikes, einer Suzuki.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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