Kein Entkommen - Stefan Zeh - E-Book

Kein Entkommen E-Book

Stefan Zeh

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Beschreibung

Bist du bereit für ein Spiel, das deine größte Angst zum Vorschein bringt? Eigentlich wollten Trisha und ihre Freunde nur einen entspannten Abend in einem Live-Escape-Game verbringen. Doch als sie das verlassene Sanatorium auf der Charlottenhöhe betreten, entpuppt sich das harmlose Abenteuer als tödliche Falle. Schon bald müssen sie erkennen, dass der Täter mit ihnen spielt. Und mit ihrer Angst. Während sie verzweifelt nach einem Ausweg suchen, ahnen sie nicht, dass ihnen ihr größer Alptraum noch bevorsteht. Werden sie sich ihren inneren Dämonen stellen und dem mörderischen Spiel entkommen? Sie müssen sich beeilen, denn ihre Zeit ist beinahe abgelaufen ...

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Personenverzeichnis
Prolog
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Danksagung

Kein

Entkommen

von Stefan Zeh

Ruhrkrimi-Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© Stefan Zeh, 2022

© Ruhrkrimi-Verlag, Mülheim/Ruhr, 2022

© Coverzeichnung: Jaana Redflower, Witten

Druck: BoD

ISBN 978-3-947848-32-4

Auch als eBook (ISBN 978-3-947848-33-1) erhältlich.

1. Auflage (Originalausgabe)

Disclaimer:

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

Die Verwendung von Text und Grafik ist auch auszugsweise ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

https://ruhrkrimi.de

Stefan Zeh wurde 1991 in Stuttgart geboren und verfasste bereits als Kind Tagebücher und Kurzgeschichten. Ursprünglich hat er Kaufmann für Büromanagement gelernt, nachdem er diese Tätigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme beenden musste, beschloss er, sich selbstständig zu machen und seiner Leidenschaft zum Schreiben nachzugehen. Seine ersten Werke waren Stuttgart-Krimis, die in seiner Heimatstadt spielen und neben präziser Ermittlungsarbeit immer ein schwieriges, gesellschaftliches Thema behandeln. Hochspannung, genaue Recherchen und eine lebendige Sprache zeichnen seine Werke aus.

Neben seiner Tätigkeit als Autor ist er leidenschaftlicher Gassigeher, liebt Spieleabende und verreist gerne in exotische Länder.

Web: https://www.stuttgart-krimi.de/

Mail: [email protected]

Personenverzeichnis

Trisha Feid: Schulfreundin

Aurelie Bergmann: Schulfreundin

Tobias Schmied: Schulfreund

Max Hagel: Schulfreund

Clarissa Bremer: Bekanntschaft von Tobias

Dominik Kaltbach: Trishas Freund

Arno Reimann: Mitschüler von Daniel

Ute Reimann: Mutter von Arno

Georg Reimann: Vater von Arno

Daniel Strauß: Mitschüler von Arno

Elisa Strauß: Mutter von Daniel

Bernhard Strauß: Stiefvater von Daniel

Leon Wann: Mitschüler von Arno und Daniel

Konrad Wann: Vater von Leon

Jenny Wann: Mutter von Leon

Yusuf Yilmaz: Mitschüler von Arno und Daniel

Weitere:

Mirko Erichson: Kriminalhauptkommissar Krimi- naldauerdienst (KDD) Pforzheim

Rainer Hain: Kriminalkommissar KDD

Nick Metzer: Kriminalkommissar KDD

Thorsten List: Polizeiwachtmeister Schömberg

Joachim Dorn: Spielleiter

Prolog

Er machte sich allmählich Sorgen um seine Schwester. Seit zwei Wochen hatte er nichts von ihr gehört, obwohl sie sonst täglich miteinander sprachen.

Einige Tage zuvor hatte er es nicht mehr ausgehalten und bei seinen Eltern angerufen, bei denen sie noch wohnte. Er hatte kurz ein paar Silben mit seinem Vater gewechselt und dann gebeten, seine Schwester ans Telefon zu holen. Sie schien nicht besonders erfreut über seinen Anruf. Sie hatte ihn mit wenigen Sätzen abgekanzelt und schließlich aufgelegt.

Er war ratlos. Früher hatten sie immer einen guten Draht zueinander gehabt. Viele Geschwister stritten sich oft, er und seine Schwester hingegen waren ein Herz und eine Seele gewesen. Natürlich war es auch vorgekommen, dass sie Streit hatten, aber es war die Ausnahme geblieben.

Vor einigen Wochen hatte sich jedoch etwas verändert. Sie hatte sich verändert. Anfangs war er davon ausgegangen, dass sie vielleicht nur schlechte Laune hatte, aber nachdem sie sich mehr und mehr zurückzog, begann er sich ernsthaft Gedanken zu machen. Auch das Verhältnis zu ihren Eltern wurde zunehmend schlechter. Nicht, dass das ungewöhnlich war. Seine Eltern waren seit jeher mehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, und merkten möglicherweise gar nicht, wie es ihr ging. Vielleicht waren sie sogar der Grund, dass er sich mit seiner Schwester immer so gut verstanden hatte, denn sie gaben sich gegenseitig jenen Halt, den sie von ihren Eltern nicht bekamen.

Seine Schwester schien auch seltener auszugehen. Wenn er sie früher angeschrieben hatte, zog sie meistens mit Freunden um die Häuser oder übernachtete bei einer Freundin. Inzwischen hatte er von den Eltern erfahren, dass sie oft zuhause blieb. Auch ihre frühere beste Freundin, die zeitweise Stammgast im Haus war, ließ sich nur noch selten blicken. Damals hatte er gewitzelt, dass sie in sein altes Zimmer ziehen könne. Inzwischen war es eine Ewigkeit her, dass er ihr über den Weg gelaufen war.

Heute Abend würden seine Eltern die Oper besuchen. Das hatte er in einem Telefonat mit seiner Mutter erfahren, die sich riesig darauf freute. Und er war sich sicher, dass seine Schwester die beiden nicht begleiten würde. Sie hasste Opern und dass sie etwas gemeinsam mit ihren Eltern unternahm, war eher die Ausnahme. Es war die Chance, sich ungestört mit ihr zu unterhalten.

Er hatte kurz überlegt, ihr vorher Bescheid zu geben, sich dann aber dagegen entschieden. Entweder würde seine Schwester gar nicht auf die Nachricht reagieren oder sie gleich ablehnen. Also wozu?

Er fuhr mit seinem Wagen die Abraham-Wolf-Straße entlang, an deren Ende seine Schwester mit den Eltern wohnte. Sie waren beide in diesem Haus in Sonnenbühl aufgewachsen und hatten eine schöne Kindheit zusammen verbracht. Seine Schwester war einige Jahre jünger als er, aber mit ihren siebzehn mittlerweile beinahe erwachsen. Er wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ausziehen würde. Sie würde ihm fehlen. Das Haus war ihr gemeinsamer Berührungspunkt gewesen. Es hatte ihm immer ein angenehmes Gefühl gegeben, was mehr mit seiner Schwester als mit den Eltern zu tun hatte.

Er parkte den Wagen direkt vor dem Haus und ließ seinen Blick über die Obstwiesen wandern, die sich weitläufig hinter der Straße erstreckten. Wie viele endlose Stunden hatten er und seine Schwester auf der Wiese verbracht und miteinander herumgealbert? Ihr Lieblingsspiel war Verstecken gewesen und er war immer derjenige, der sie hatte suchen müssen. Ein leichtes Unterfangen, weil die wenigen Bäume kaum Schutz boten, weshalb aus dem Versteckspiel meist eine Verfolgungsjagd wurde.

Lediglich in die Schwäblesklinge, das bewaldete Tal daneben, durften sie nur in Begleitung gehen, damit sie sich nicht verirrten. Später, als sie älter waren, unternahmen seine Schwester und er dort lange Spaziergänge und unterhielten sich über Gott und die Welt. Er hatte immer gewusst, die Beziehung zwischen ihnen beiden war etwas Besonderes. Sie konnten offen miteinander sprechen, hatten keine Geheimnisse voreinander und konnten aufeinander zählen. Eine solche Beziehung unter Geschwistern war selten, vor allem in ihrem Alter.

Ein wehmütiges Gefühl stieg in ihm auf, als er sich auf das Haus zubewegte. Der letzte Spaziergang mit ihr lag Wochen zurück. Früher machten sie das regelmäßig. Schon damals hatte er gemerkt, dass mit seiner Schwester etwas nicht stimmte. Als er seine Mutter darauf ansprach, zuckte sie nur mit den Schultern und meinte, es wird Zeit, dass sie mal ihr eigenes Leben führt, ein paar neue Freunde findet und nicht die ganze Zeit mit ihrem Bruder herumhängt.

Was für ein Schwachsinn. Seine Schwester und er hatten schon immer gerne Zeit miteinander verbracht. Sie hatte es mit ihren Mitschülern nicht einfach, weil sie in Gesellschaft anderer oft kühl abweisend wirkte, vielleicht sogar arrogant. Ein Laster, dass vielen schüchternen Menschen angehängt wurde. Dabei war sie ein empathischer, gefühlvoller Mensch, der Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nahm. Aber Jugendliche in ihrem Alter interessierte das natürlich nicht, sie nutzten ihre Gutmütigkeit nur aus. Trotzdem hatte das nie etwas an ihrem guten Verhältnis geändert. Bis vor zwei Wochen.

Sie hatten einen gemeinsamen Spaziergang geplant, bis seine Schwester kurz zuvor abgesagt hatte. Eigentlich nicht ungewöhnlich, nur dass sie dieses Mal keinen Grund nannte und sich nicht mehr meldete. Als er wenige Tage später mit ihr telefonieren wollte, nahm sie gar nicht erst ab. Er hatte ihr eine Nachricht geschickt, ob bei ihr alles in Ordnung wäre, woraufhin nur ›Alles bestens‹ zurückkam. Er kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte und heute würde er den Grund herausfinden.

Er öffnete das kleine Türchen und schritt durch den sauber gepflegten Vorgarten, in dem die ersten Blumen ihren Kopf hinausstreckten. Das Einfamilienhaus seiner Eltern war sehr groß mit einem schönen Garten ringsherum sowie einem Balkon zur rückwärtigen Seite des Hauses.

Da er seine Schwester nicht zu Tode erschrecken wollte, beschloss er zu klingeln. Er drückte den Knopf und wartete auf das Rauschen der Gegensprechanlage. Nichts geschah. Merkwürdig. War seine Schwester vielleicht doch nicht zuhause? Oder hatte sie nur keine Lust aufzumachen? Er wusste, dass sie ihn auf der Kamera, die an der Tür angebracht war, sehen konnte. Die Möglichkeit, dass sie in die Oper mitgegangen war, hielt er nach wie vor für ausgeschlossen.

Er griff in seine Tasche - und fluchte. Den Schlüssel für sein Elternhaus hatte er einige Tage zuvor von seinem Schlüsselbund entfernt, weil er diesen nicht die ganze Zeit herumtragen wollte und dann vergessen, ihn vor der Fahrt mitzunehmen.

Er trat ein paar Schritte zurück und spähte hinauf. Das Zimmer seiner Schwester befand sich ganz oben. Er hoffte, sie durch die runde Scheibe hindurch entdecken zu können, aber das Licht spiegelte sich zu sehr.

Was sollte er tun? Umdrehen und den Schlüssel holen?

Aber vielleicht wollte seine Schwester ihn im Moment gar nicht sehen. Möglicherweise wäre es doch besser gewesen, sich vorher anzukündigen.

Er musste wissen, was los war. Seine Schwester ignorierte ihn seit zwei Wochen. Da konnte er nicht einfach gehen und so tun, als wäre nichts.

Er entschied, es auf der rückwärtigen Seite zu probieren. Dort befand sich eine Kellertür, die nicht immer abgeschlossen wurde. Während der Zeit, als er noch hier wohnte, hatte er das oft kritisiert, weil es für Einbrecher viel zu leicht war, ins Haus zu kommen. Vielleicht entpuppte sich die offene Tür nun als Vorteil.

Er ging einmal um das Gebäude herum, wo sich ein kleiner Teich befand sowie ein großer Trompetenbaum, der im Sommer angenehm Schatten spendete. Um diese Jahreszeit war es noch zu kühl, um in der Sonne zu liegen, weshalb auf der Terrasse, bis auf zwei Stühle, gähnende Leere herrschte.

Er stieg die Steintreppe hinunter und drückte die Klinke der Kellertür. Zu seiner Erleichterung war sie unverschlossen. Das Licht ging an und er fand sich in einem großen, kühlen Raum wieder, dessen Regale mit allerlei Gerümpel vollgestellt war. Dem Plan seiner Eltern, diese mal gründlich auszumisten, waren offensichtlich noch keine Taten gefolgt.

Er stieg hinauf und fand sich in dem Flur wieder, der nach vorne zur Eingangstür führte. Er rief den Namen seiner Schwester.

Keine Antwort. Er lauschte. Totenstille. Ein dumpfes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Selbst wenn seine Schwester die Anrufe und Nachrichten ignorierte, sie würde ihn nicht im Flur stehen lassen.

Er nahm die Treppe, die nach oben führte. Auf der ersten Etage lagen das Wohnzimmer sowie die Küche. Er warf einen Blick hinein und entdeckte die vertraute, weiße Ledercouch, den Glastisch sowie den Perserteppich darunter. Er ging hindurch und ließ seinen Blick durch das Esszimmer und die angrenzende Küche schweifen. War seine Schwester oben? Vielleicht hatte sie Kopfhörer auf und hörte ihn gar nicht?

Er trat wieder in den Flur und rief erneut ihren Namen. Abermals folgte keine Antwort. Die Stille, die in seinem einstigen Elternhaus herrschte, wirkte beklemmend. War das schon immer so gewesen? Er konnte sich nicht erinnern.

Langsam lief er die Treppen nach oben. Ihr Zimmer befand sich auf der rechten Seite. Sein altes war immer angrenzend gewesen, wurde seit seinem Auszug allerdings nur noch als Lagerraum genutzt.

Er lief den kurzen Flur entlang und stand vor ihrem Zimmer. Die Tür war geschlossen. Er klopfte sachte und wartete. Von drinnen war kein Laut zu hören.

Er drückte die Klinke, während er abermals ihren Namen rief. Im ersten Moment sah er nur das zerwühlte Bett und ein paar Hefte darauf. Er öffnete die Tür weiter und hielt in der Bewegung inne.

Was er sah, raubte ihm buchstäblich den Atem. Der Körper seiner Schwester hing leblos von der Decke. Um ihren Hals lag ein Strick, der an einem Haken an der Decke befestigt war. Ihren Augen quollen heraus, das fahle Gesicht war zur Seite gekrümmt, die Arme hingen regungslos an ihr herab. Hinter ihr – der umgekippte Stuhl.

Er konnte den Blick nicht von dem leblosen Körper seiner geliebten Schwester abwenden. Vielleicht war es nur ein Alptraum, aus dem er jede Minute erwachen würde und erleichtert feststellte, dass es nicht wirklich passiert war. Er merkte nicht, wie er auf die Knie sank. Ein Zittern durchfuhr seinen Körper. Erst begann er zu heulen, dann zu schreien. Er fiel zu Boden und hatte das Gefühl in ein dunkles Loch zu fallen, aus dem er niemals wieder herauskommen würde.

-1-

»Hautnahes Feeling«, las Max vor.

»Kann ich mal sehen?« Trisha beugte sich neugierig nach vorne. Sie saß auf der Rückbank des kleinen Toyotas, eingepfercht zwischen ihrer besten Freundin Aurelie und einer jungen Frau, deren Namen sie bereits wieder vergessen hatte.

Max reichte ihr wortlos den Flyer und holte sein Handy hervor.

Trisha betrachtete den schwarzen Flyer, auf dem ein Escape-Room der besonderen Art beworben wurde. Die Gestaltung des Flyers wirkte unprofessionell, die Lettern waren in großer, roter Farbe dargestellt und das einzige Bild war unscharf und zeigte eine Handvoll Leute, die ein paar Gegenstände in Augenschein nahm. Nach echtem Nervenkitzel sah es für sie nicht aus.

Eigentlich hatte sie dieses Wochenende anderweitig verplant. Sie wollte zusammen mit ihrem Freund Dominik ins Kino gehen und anschließend daheim kochen. Auf Drängen ihrer besten Freundin hatte sie schließlich nachgegeben und sich einverstanden erklärt, an dem Escape-Game teilzunehmen. Die 10.000€ Preisgeld waren verlockend und sie konnte im Moment jeden Cent gebrauchen.

»Wisst ihr, was ich merkwürdig finde?«, unterbrach Max ihre Gedankengänge.

»Nein, aber du wirst es uns sicher gleich verraten.« Aurelie tat, als könne sie die Information kaum abwarten.

»Ich hab online keine einzige Bewertung zu den Escape-Rooms auf der Charlottenhöhe im Schwarzwald gefunden. Weder auf der Homepage, noch sonst wo.« Er hob sein Handy in die Höhe.

Tobias, der neben ihm am Steuer saß, zuckte mit den Schultern. »Vielleicht sind die neu.« Er drosselte das Tempo, als ein gelbes Schild am Straßenrand eine Ortschaft namens Calmbach ankündigte.

»Aber auf dem Bild sind Leute abgebildet«, widersprach Max. »Trotzdem gibt es keine Bewertungen.«

»Hat halt noch keiner eine geschrieben.« Aurelie gähnte.

»Vielleicht müssen sie deswegen mit 10.000€ Preisgeld werben, damit überhaupt jemand kommt.« Tobias grinste.

»Hauptsache, wir gewinnen.« Max lehnte sich im Sitz zurück.

»Hoffen wir’s.« Trisha lächelte.

»Wäre ja schade, wenn nicht, schließlich hat sie dafür extra Dominik sitzen lassen, nicht wahr, Süße?« Max warf ihr einen anzüglichen Blick zu.

»Nenn mich nicht so.«

»Seid ihr noch zusammen oder hat er wieder was mit Aurelie am Laufen?«

Max lachte schallend los, während Trisha sich nach vorne beugte und Tobias mit der Faust in den Oberarm boxte. »Idiot!« Sie warf einen Blick zu Aurelie, die aus dem Fenster sah. »Alles gut?« Sie berührte sanft ihre Schulter. Bevor sie mit Dominik zusammen kam, waren Aurelie und er für kurze Zeit ein Paar, bis Aurelie schließlich die Beziehung beendet hatte. Trotzdem wurde sie manchmal das Gefühl nicht los, dass Aurelie noch etwas für ihn empfand und versuchte, das Thema möglichst außen vor zu lassen. Was Tobias, dessen Einfühlungsvermögen der Größe einer Erbse entsprach, nicht davon abhielt, blöde Witze zu reißen.

»Alles gut.« Sie lächelte. »Bin über ihn hinweg.«

Trisha versuchte, an ihrem Blick zu erkennen, ob es der Wahrheit entsprach, konnte es aber nicht einschätzen.

Ihre Freundin wandte sich ab und kramte ihr Smartphone hervor.

»Ist es noch weit?«, fragte die junge Frau, die links von Trisha auf der Rückbank saß und bisher noch kaum etwas gesagt hatte.

»Zwanzig Minuten.« Tobias warf einen Blick in den Rückspiegel. »Hältst du solange durch?« Er lächelte ihr zu.

Trisha war immer wieder erstaunt, wie freundlich und zuvorkommend Tobias sein konnte, wenn er sich bemühte. Dumme Sprüche klopfen konnte er wie der Weltmeister, aber gegenüber seinen Eroberungen zeigte er sich von seiner besten Seite. Falls es sich um seine Eroberung handelte. Auch wenn sie bisher nicht viel über sich preisgegeben hatte, machte sie auf Trisha einen sympathischen Eindruck. Sie hoffte nur, dass Tobias ihr nicht das Herz brach.

»Hey, habt ihr Lust im September für eine Woche zusammen nach Mallorca zu fliegen? Ein Kumpel von mir kennt dort ein super Hotel, direkt am Meer und mit eigenem Strand.« Tobias drehte sich um.

»Als ob ich mit euch Bekloppten für eine Woche in den Urlaub fliege«, rief Aurelie.

Gelungener Konter, dachte Trisha und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. »Ich hoffe, das bezieht sich nicht auf mich.«

»Nö, nur auf die Esel eine Reihe vor uns.«

»Ich geb dir gleich Esel ...«, setzte Max an.

»Hey, beruhigt euch.« Trisha wollte vermeiden, dass die beiden sich wieder zankten, was sie liebend gern taten. Es war stets unterhaltsam, aber im Moment hatte sie keine Lust darauf. »Urlaub klingt super, aber ich bin sowieso pleite.« Sie seufzte. Gerne wäre sie mit ihren Freunden in den Urlaub geflogen. Eine Woche Auszeit klang verlockend, aber aufgrund einiger kostspieliger Investitionen war sie in Rückstand mit der Miete gekommen und ihr Gehalt als medizinisch-technische Assistentin reichte nicht aus, um ihre Schulden zu begleichen.

»Nicht, wenn wir heute das Preisgeld abstauben.« Max sah sie augenzwinkernd an.

»Dann überlege ich es mir.«

»Kommst du auch mit?« Trisha drehte sich zu ihrer linken Nachbarin, die sich momentan wohl etwas ausgeschlossen fühlte. Vermutlich war es für sie als Fremde schwierig, sich in eine Gruppe zu integrieren, die so vertraut miteinander war wie die ihre.

»Mal sehen, aber danke für das Angebot.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht.

»Aurelie?«

»Hm?« Ihre Freundin blickte irritiert von ihrem Handy auf.

»Urlaub?« Trisha sah sie mit hochgezogenen Brauen an. Offensichtlich war ihre Freundin mit den Gedanken ganz woanders.

»Ach so, ja klar.«

»Wem schreibst du eigentlich die ganze Zeit?« Trisha beugte sich neugierig nach vorne.

»Niemandem.« Urplötzlich wurde das Display schwarz und Aurelie ließ das Handy in ihrer Jeans verschwinden.

Trisha war Eigenarten von Aurelie gewohnt, trotzdem tat es ihr weh, dass ihre beste Freundin nicht mehr so offen mit ihr sprach, wie sie das früher getan hatte. Da sie nicht aufdringlich sein wollte, vermied sie weiteres Nachfragen.

Tobias verließ die Straße und fuhr über einen Kiesweg, der steil aufwärts führte, durch den Wald. Wenig später erreichten sie eine große Lichtung mit ein paar vereinzelten Häusern.

»Da sind wir!«, rief Tobias gut gelaunt.

»Das ist es?« Trisha konnte ihre Überraschung kaum verbergen. Sie schaute mit großen Augen auf das alte Gemäuer, das sich seitlich von ihnen erhob.

»Genau das.« Tobias stellte den Motor ab und öffnete die Tür.

Trisha wartete einen Augenblick, bis Aurelie ausgestiegen war und folgte ihr. Der Anblick ließ sie nicht mehr los. Jetzt war sie noch gespannter auf das, was kommen würde.

-2-

»Willkommen bei den Live-Escape-Games«, begrüßte sie der Mann mit Halbglatze, hoher Stirn und leichtem Bartansatz an der Oberlippe. Trisha schätzte den Spielleiter, der sich als Joachim Dorn vorgestellt hatte, auf Anfang dreißig. Bis auf zwei Plakate mit der Aufschrift Escape-Rooms deutete nichts in dem winzigen Empfangszimmer auf solche Räumlichkeiten hin. Er hatte sie die Treppen hinab in einen Irrgarten durch Kellergewölbe geführt, bis sie schließlich in diesem Verlies angelangt waren.

Trisha sah sich neugierig um. Der Raum war düster. Nur eine winzige Lampe an der Decke tauchte den Ort in ein rotes, unheimlich wirkendes Dämmerlicht. Ihr Kumpel Max stand vor der großen Stahltür, die äußerst massiv wirkte. An der Wand daneben befand sich ein Metallregal, vollgestopft mit Farbbehältern, aus denen eine undefinierbare Flüssigkeit tropfte. Eine große, morsche Holzkiste, die mit einem dicken Vorhängeschloss verriegelt war, nahm die gesamte Längsseite der Wand ein. Ein schaler Geruch lag in der Luft.

Sie spürte eine wachsende Aufregung, obwohl es nicht das erste Mal war, dass sie und ihre Freunde an einem Escape-Game teilnahmen. Der einzige Unterschied war, dass sie normalerweise Geld bezahlen mussten, während sie hier die Chance hatten, welches zu gewinnen.

»Sie sind Opfer einer Entführung und haben sechzig Minuten Zeit zu fliehen«, fuhr Dorn fort. »Für jeden Raum steht Ihnen unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung und Hindernisse erschweren den Ausweg. Aus diesem Raum müssen Sie entkommen sein, bis der grüne Balken die Null erreicht hat.« Er deutete auf ein Display, das neben einer weiteren Tür aus Holz an der Wand befestigt war. Auf der Anzeige wurde ein grüner Balken dargestellt sowie eine Prozentangabe. »Ansonsten sind Sie ... «

»Hinüber«, unterbrach ihn Tobias und Max lachte.

»Sozusagen.« Dorn schmunzelte.

Trisha betrachtete die Anzeige. Darunter war ein Tastenfeld mit Zahlen angebracht, in dem sie wohl eine Kombination eingeben mussten. Ihr Blick wanderte wieder zu der Anzeige. Über dem Balken war die verbleibende Atemluft markiert, die momentan noch bei einhundert Prozent stand. Obwohl es nur Fiktion war, breitete sich ein dumpfes Gefühl in ihrem Magen aus.

»Das ist so cool.« Ihre beste Freundin Aurelie beugte sich zu ihr. Dann inspizierte sie die Pritsche, auf der ein löchriges Leinentuch befestigt war. Sie beide kannten sich seit der Oberstufe, nachdem Aurelie an ihre Schule gewechselt hatte. Als ihre Freundin bei einer Prüfung völlig aufgeschmissen war, ließ Trisha, die nie Schwierigkeiten hatte, gute Noten zu erzielen, sie abschreiben, was den Beginn einer engen Freundschaft markierte. Im Laufe der Jahre zeigte sich, dass sie eine Menge Gemeinsamkeiten besaßen, ihren Männergeschmack mit eingeschlossen. Allerdings interessierten sich die meisten Männer eher für sie als für ihre Freundin. Trisha hatte keine Ahnung, warum, zumal Aurelie mit den schulterlangen, aschblonden Haaren, dem dunklen Teint und der schlanken Figur durchaus hübsch war. Glücklicherweise schien Aurelie ihr es nicht übel zu nehmen, wenn sie den Kürzeren zog.

Auf einer Geburtstagsfeier hatte sie dann Dominik kennengelernt. Trisha fand Gefallen an ihm, aber als sie ihn am Ende des Abends wild knutschend mit Aurelie entdeckte, hatte sie ihn abgehakt. Eine Zeitlang war sie davon ausgegangen, die beiden seien ein Pärchen, aber nachdem Aurelie plötzlich das Interesse an ihm verlor, kam sie zufällig in der Bibliothek mit ihm ins Gespräch. Er schien sympathisch und verständnisvoll und als er sie zu einem spontanen Date einlud, wollte sie zwar ablehnen, ließ sich dann aber doch breitschlagen. Sie beichtete die Geschichte Aurelie, aber diese zuckte nur mit den Schultern und meinte, sie habe kein Interesse mehr an ihm. Inzwischen war sie anderthalb Jahre mit Dominik zusammen.

Trisha ließ den Raum auf sich wirken. Als sie das marode Eingangszimmer betreten hatte, befürchtete sie bereits, eine herbe Enttäuschung zu erleben. Aber der Raum selbst wirkte so authentisch, dass es ihr schon eine Gänsehaut bescherte, überhaupt darin zu stehen.

»Wie bereits eingangs erwähnt, können Sie nur als Team gewinnen. Steigt jemand vorzeitig aus, verlieren Sie alle und das Preisgeld ist futsch.«

»Das wird bestimmt ein Abenteuer«, flüsterte Max verführerisch und drückte sich an sie.

»Ganz bestimmt«, erwiderte Trisha mit einem Lächeln und schob Max weg.

»Wann geht’s los?«, fragte Tobias, der es offensichtlich kaum abwarten konnte.

»Sobald Sie startklar sind. Sollte es irgendwelche Fragen oder Probleme geben ...« Er deutete auf die Kamera, die unterhalb der Decke angebracht war. »Ich bin da.«

Trisha betrachtete Tobias, der mit seinen einundzwanzig der Älteste in ihrer Gruppe war. Neben ihm stand seine Begleitung, die, im Vergleich zu dem hoch gewachsenen Tobias, wie ein Minion wirkte. Sie besaß kupferrote Haare, die sie seitlich zu einem Zopf zusammen gebunden hatte, sowie ein hübsches, sympathisches Gesicht. Trisha hatte noch nicht herausgefunden, in welchem Verhältnis sie und Tobias zueinanderstanden. Ein Pärchen schienen sie nicht zu sein. Sie passte mit ihrer etwas molligen Figur auch nicht wirklich in Tobias Beuteschema, der sich ausschließlich für schlanke Frauen im Modelformat interessierte. Trisha hatte seine oberflächliche Art und die dummen Sprüche noch nie gemocht, konnte aber nicht verhindern, dass er mitkam. Sie fand ihn wenig anziehend mit seiner spindeldürren Figur und den schwarz gefärbten Haaren, die für Trisha immer ein Ticken zu dunkel waren.

»Also dann, viel Erfolg!« Dorn verabschiedete sich und verließ den Raum durch die Stahltür, durch die er sie hineingeführt hatte. Trisha meinte auf seinem Gesicht ein fieses Grinsen erkannt zu haben. Vermutlich genoss er es, zu beobachten, wie sie sich die Zähne ausbissen. Sie nahm an, dass es dutzende von Teilnehmern gab, die alle hofften, den Gewinn zu ergattern, auch wenn sie bisher niemanden gesehen hatte.

»Sagst du mir nochmal deinen Namen?«, richtete sich Trisha an die junge Frau neben Tobias.

»Clarissa.«

»Sorry, schlechtes Namensgedächtnis.«

»Kein Ding.« Clarissa lächelte schüchtern.

Trisha meinte sie schon mal irgendwo gesehen zu haben, konnte sich aber nicht erinnern, wo. Im Gegensatz zu den anderen, die sie, mit Ausnahme von Aurelie, seit der fünften Klasse kannte, war Clarissa neu. Tobias schien tatsächlich ein Auge auf sie geworfen zu haben.

»Kommt, Schwätzchen könnt ihr später halten.« Max klatschte in die Hände. »Ihr fangt beim Regal an, ich versuch mal, die Holzkiste zu öffnen!«

»Seit wann bist du hier der Boss?«, kam prompt von Tobias.

»Seitdem ihr nur hier rumsteht und tratscht.«

Trisha ignorierte die freundschaftliche Kabbelei und wandte sich den Farbdosen zu, während Clarissa die Schubladen daneben durchwühlte.

»Ist das Blut?« Aurelie betrachtete angewidert einen dunklen Fleck, der auf der Steinwand zu erkennen war.

»Klar, bestimmt haben die extra für das Spiel ein Lamm geschlachtet.« Tobias lachte höhnisch.

»Haha, sehr witzig.« Aurelie warf ihm einen finsteren Blick zu.

Trisha berührte eine der Farbdosen, die bestialisch stanken und deren Behälter klebrig war.

»Wonach suchen wir denn?«, fragte Aurelie, die bisher nicht viel zur Unterstützung beigetragen hatte.

»Nach einer Zahlenkombination, die wir in das Codefeld eingeben können«, erklärte Trisha.

»Ich glaube, wir brauchen erstmal den Schlüssel, um die Truhe hier zu öffnen.« Max versuchte das Vorhängeschloss mit seiner Muskelkraft aufzubrechen, was ihm aber nicht gelang. »Liegt da irgendwo einer?«

»Du siehst doch, dass wir schon suchen«, gab Trisha zurück.

»Ich sehe, dass Aurelie planlos herumsteht.«

»Ich hab kein Netz.« Aurelie hielt ihr Smartphone in Richtung Decke.

»Du sollst nach Hinweisen suchen. Auf deinem Handy findest du sicher keine!«

»Ja, ist ja gut.« Genervt steckte sie es wieder weg.

Trishas Blick wanderte zu dem Balken, der inzwischen auf neunundachtzig Prozent gesunken war. Viel Zeit blieb nicht.

»Wie wär's, wenn ihr mal in den Farbbehälter guckt und nicht nur darunter?« Max war aufgesprungen und kam zu dem Regal.

»Bitte, ich überlasse dir gerne den Vortritt.« Trisha machte einen Schritt zurück. Max bestimmende Art ging ihr manchmal ganz schön auf den Leim.

»Tobias, mach du's!« Max deutete auf ihn.

»Ich fass ganz sicher nicht in diese schmierige Brühe hinein. Außerdem sind es acht Stück und wir haben keine Ahnung, in welchem der Behälter sich das Ding befindet. Falls überhaupt.«

»Wie wär's, wir nehmen den Eimer und schütten den Inhalt hinein?«, schaltete sich Clarissa ein. »Dann sehen wir bestimmt, wenn ein Schlüssel herausfällt.«

»Gute Idee.« Motiviert nahm Trisha den Eimer, ein Behälter aus Metall, entgegen und begann den Inhalt der ersten Farbdose hinein zu füllen. Max und die anderen beobachteten das Geschehen neugierig. Der erste Behälter enthielt eine gelbliche Flüssigkeit.

»Puh, das Zeug stinkt.« Max hielt sich mit dem Ärmel seines Shirts die Nase zu.

»Irgendwas entdeckt?« Aurelie beugte sich vor.

»Gelber Schleim«, meinte Tobias und griff zum nächsten Farbeimer. »Vielleicht haben wir mit dem mehr Glück.«