Kein Plan für die Liebe - Rachel Lacey - E-Book
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Kein Plan für die Liebe E-Book

Rachel Lacey

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Beschreibung

Manche Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden ...

Caras Leben folgt einer einfachen Regel: Binde dich an nichts und niemanden! Zwar hat sie vor acht Jahren ihre Krebserkrankung erfolgreich besiegt, doch erst nach zehn Jahren ohne Rückfall - so die Statistik - wird sie als vollkommen geheilt gelten. Genau so lange hat Cara sich eins geschworen: In ihrem Leben wird es nichts geben, was von Dauer ist - selbst die Hunde, die sie aus dem Tierheim aufnimmt, gibt sie kurze Zeit später an vertrauensvolle Herrchen weiter. Doch als sie ihren Nachbarn Matt mit dem sexy Dreitagebart kennenlernt, muss sie feststellen, dass in der Liebe manchmal eben nicht alles nach Plan verläuft ...

Herzerwärmende Liebesgeschichten voller Romantik und Humor - die Love to the rescue Reihe von Rachel Lacey:

Band 1: Kein Plan für die Liebe
Band 2: Auf vier Pfoten ins Glück

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 448

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

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Über dieses Buch

Caras Leben folgt einer einfachen Regel: Binde dich an nichts und niemanden! Zwar hat sie vor acht Jahren ihre Krebserkrankung erfolgreich besiegt, doch erst nach zehn Jahren ohne Rückfall – so die Statistik – wird sie als vollkommen geheilt gelten. Genau so lange hat Cara sich eins geschworen: In ihrem Leben wird es nichts geben, was von Dauer ist – selbst die Hunde, die sie aus dem Tierheim aufnimmt, gibt sie kurze Zeit später an vertrauensvolle Herrchen weiter. Doch als sie ihren Nachbarn Matt mit dem sexy Dreitagebart kennenlernt, muss sie feststellen, dass in der Liebe manchmal eben nicht alles nach Plan verläuft …

RACHEL LACEY

Kein Plan für die Liebe

Aus dem amerikanischen Englisch von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler

Zum Gedenken an meine Mom. Dieses Buch ist für dich.

1

Cara Medlen spürte das Knurren, ehe sie es hörte. Der Hund an ihrer Seite hatte alle Muskeln angespannt, und seine Erregung übertrug sich auf ihr Bein. Um ihn abzulenken, wackelte sie mit der Leine. »Ruhig, Casper! Auch wenn du es nicht weißt, aber heute ist dein Glückstag.«

Aus stumpfen Augen, eins braun, eins blau, schaute er zu ihr hoch. Über sein Gesicht lief eine gezackte Narbe. Rippen und Hüftknochen standen deutlich aus seinem räudigen weißen Fell hervor. Und, Mannomann, er stank nicht schlecht. Cara fand Boxer nicht generell hässlich, aber Casper … der hatte ein Gesicht, dass die Passanten rasch auf die andere Straßenseite wechselten.

Dieses Gesicht hatte sie sofort für ihn eingenommen.

»Welch ein Segen, dass Triangle Boxer Rescue ihn übernehmen kann«, sagte die Frau hinter dem Schreibtisch, eine Ehrenamtliche namens Helen. »Das Leben hier im Tierheim ist ihm nicht gut bekommen.«

Cara nickte und reichte Helen das unterschriebene Formular zurück. »Ich hatte schon mit Hunden wie Casper zu tun. Den haben wir in null Komma nichts so weit, dass er zur Adoption freigegeben werden kann.«

Aber die Warnung, die ihr die Hausbesitzervereinigung im Sommer erteilt hatte, lastete schwer auf ihren Schultern: Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Pflegehunde benehmen, sonst muss der Vorstand entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Die Tür zum Zwingertrakt öffnete sich, und sofort drang heiseres Gebell ins Büro. Casper blickte um sie herum auf den Mann, der durch die Tür hereinkam. Er legte die Ohren an, und seine Nacken- und Rückenhaare stellten sich auf.

Ja, mit diesem Hund würde es Probleme geben.

Cara verstellte ihm mit einem Schritt die Sicht. »Danke, Helen. Einen guten Rutsch!«

Schnell scheuchte sie Casper zur Eingangstür hinaus. Als er in die kalte Luft kam, zog er sofort den Schwanz ein, doch bald schon hob er die Schnauze und schnüffelte den süßen Duft der Freiheit. Er schlich auf die Büschel braunen Grases zu, die den Vorgarten zierten, und hob an einem Baum das Bein.

Als er fertig war, packte sie ihn auf die Rückbank ihres kleinen schwarzen Mazdas. Danach strich sie mit beiden Händen über ihr schwarzes Kleid, das durch die lange Autofahrt nach der Beerdigung zerknittert und jetzt auch noch von Caspers weißen Haaren übersät war. Das Herz wurde ihr schwer. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Beides verdrängte sie.

Trauern würde sie später. Erst musste sie Casper nach Hause bringen.

Sie setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. »Jetzt bist du offiziell aus dem Hundeknast befreit.«

Er schaute sie argwöhnisch an, drehte dann den Kopf zum Fenster und starrte hinaus. Sie fuhr auf die High Street und nahm die nächste Abfahrt zur Interstate 85 in Richtung Dogwood, ein Städtchen am Rand von Raleigh, North Carolina.

»Ab jetzt keine Mätzchen mehr, hörst du?«

Casper warf ihr aus seinen ungleichen Augen einen trübseligen Blick zu.

»Einer meiner Pfleglinge hat den Hund einer Nachbarin angeknurrt, und die hat sich gleich bei der Hausbesitzervereinigung beschwert. Deshalb musst du dich von deiner besten Seite zeigen.«

Er seufzte bühnenreif, streckte sich dann auf der Rückbank aus und schloss die Augen. Na, sie würde das als »Einverstanden« interpretieren. Um aber ganz sicherzugehen, würde sie ein paar Stunden Verhaltenstraining investieren. Die nächste Stunde der Fahrt zu Caras Reihenhaus verschlief Casper.

Die neueste Single von Taylor Swift dudelte fröhlich aus ihrer Handtasche. Sie holte ihr Handy heraus und schaute auf das Display. Merry Atwater.

»Hi, Merry.«

»Hi! Wollte mich nur mal erkundigen, wie es dir geht«, sagte Merry. »Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht.«

Cara umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie versuchte, den Anblick von Ginas bleichem Gesicht, wie sie so im Sarg lag, auszublenden. »Ganz gut. Es wird schon wieder.«

»Ach, Schätzchen, es tut mir so leid. Gib Bescheid, wenn ich irgendwas für dich tun kann. Hast du immer noch vor, heute Abend was zu unternehmen?«

»Ja, ich komme. Vielleicht ein bisschen später. Casper und ich müssen uns erst noch ein wenig besser kennenlernen.«

»Wie ist er denn?« Jetzt klang Merry ganz geschäftsmäßig. Als Gründerin von Triangle Boxer Rescue hatte sie ein ureigenes Interesse an jedem Hund, den sie retteten. Cara hatte keine Ahnung, wie sie ihre Tätigkeit als Rescue-Managerin und ihren eigentlichen Beruf als Kinderkrankenschwester zeitlich unter einen Hut brachte, aber irgendwie schaffte Merry es.

»Na ja, bis jetzt hat er zweimal geknurrt.« Lächelnd schaute Cara kurz nach hinten. Casper, den Kopf zwischen den Pfoten, beobachtete sie.

»Was war los? Das Tierheim hat nichts von aggressivem Verhalten erwähnt.«

Cara setzte den Blinker und verließ den Highway Richtung Fullers Church Road. »Ich glaube, es ist nur der Stress. Kein Grund zur Sorge. Wann soll ich ins Red Heels kommen?«

»Vorschlag: Ich komme zu dir und helfe dir, Casper an die neue Umgebung zu gewöhnen. Und wir können reden.«

»Großartig, Merry. Danke.«

»Alles klar. Dann bis sieben.«

Cara schob das Handy wieder in die Handtasche zurück. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auf eine Silvesterparty heute Abend eigentlich keine Lust, aber sie wollte keinesfalls allein zu Hause herumsitzen und Trübsal blasen. Nein, sie würde losziehen, und es würde ihr sogar Spaß machen, verdammt noch mal.

Das wäre ganz in Ginas Sinn.

Sie fuhr auf den Parkplatz von Crestwood Gardens, dem Viertel, in dem sie wohnte, und stellte den Mazda auf dem für sie reservierten Platz ab, direkt neben dem schwarzen Jeep Grand Cherokee ihres sexy Nachbarn. Besagter Nachbar stand in seinem Vorgarten und unterhielt sich mit einer munteren Brünetten in enger Jeans und tief ausgeschnittenem Sweater.

Cara spürte einen Stich von Eifersucht, was insofern lächerlich war, als sie nicht einmal seinen Namen kannte. Und wenn es nach ihr ging, würde sich daran auch nichts ändern. Sie stellte den Motor ab und ging dann rasch zur hinteren Wagentür. »Willkommen zu Hause, Casper.«

Mit eingezogenem Schwanz sprang der Hund aus dem Wagen. Es war für sie beide ein langer, anstrengender Tag gewesen. Höchste Zeit für ein wenig Ruhe.

Ein anderer ihrer Nachbarn – Chuck Soundso – kam vorbei und nickte Cara zu. Sie lächelte höflich zurück, behielt aber Casper im Auge. Der Hund schaute zu dem älteren Mann hoch, ihre Blicke trafen sich. Sofort stellten sich die Rückenhaare des Boxers auf, und er stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus. Chuck sah zu, dass er zu seinem Auto kam. Cara fluchte leise vor sich hin. Sie schob den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Haustür auf.

So viel zum Thema »Guter erster Eindruck bei den Nachbarn«.

Matt Dumont kratzte sich die Wange. Die Maklerin schoss ein letztes Foto von der Vorderseite seines Hauses. Flüchtig nahm er wahr, wie seine merkwürdige Nachbarin und ihr räudiger, kläglich ausschauender Hund, der gerade noch Chuck Sawyer angeknurrt hatte, im Haus verschwanden.

Es war nicht derselbe Köter, den er letzte Woche in ihrem Garten gesehen hatte.

Überhaupt: Soweit er feststellen konnte, spazierte eine wahre Hundemeute bei ihr ein und aus. Der Großteil der Tiere machte einen raubeinigen Eindruck, aber dieser da setzte dem Ganzen die Krone auf. Mit Hunderassen kannte sich Matt nicht sonderlich gut aus, aber für ihn sah diese Töle gefährlich wie ein Pitbull aus.

Langsam drängte sich ihm der Verdacht auf, nebenan gehe nicht alles mit rechten Dingen zu.

»Spätestens heute Abend ist Ihr Angebot online. Ihr Haus lässt sich gut präsentieren, deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir relativ schnell einen Käufer finden.« Stephanie Powell steckte den Fotoapparat ein und holte ein rot-weißes Zu-Verkaufen-Schild aus dem Kofferraum ihres Wagens.

Matt konzentrierte sich wieder auf näherliegende Dinge. »Was dagegen, wenn ich das übernehme?«

»Nur zu.« Sie hielt ihm das Schild hin.

Matt drückte es ächzend durch das Gras in die harte rote Lehmschicht darunter. Zumindest kam er hier in North Carolina Ende Dezember überhaupt noch in den Boden. An die eiskalten Winter in Boston würde er sich erst wieder gewöhnen müssen.

Aber dort konnte er wieder snowboarden. Ja, Snowboarden und Skifahren hatte er hier im Süden vermisst, dazu die selbst gemachten Fleischklöße seiner Mom. Er war bereit, nach Hause zurückzukehren.

Er stupste das Schild an und ruckelte es noch etwas tiefer in die Erde. So, das würde nicht mehr weglaufen. Zufrieden wandte er sich zu Stephanie um. »Alles erledigt, oder?«

Sie nickte. »Ich melde mich. Vielleicht können wir nächste Woche schon den einen oder anderen Besichtigungstermin vereinbaren.«

»Wunderbar, Stephanie. Danke.« Er schüttelte ihr die Hand und ging zur Haustür. Seine Gedanken wanderten erneut zu dieser Frau nebenan und ihrer merkwürdigen Hundesammlung.

Die meisten seiner Nachbarn kannte Matt, und er vertrug sich mit allen. Nur sie war ihm ein Rätsel. Er wusste nicht einmal ihren Namen. Vielleicht beschäftigte ihr Gesicht ihn deshalb so sehr in den langen Nächten, die er auf Beobachtungsposten verbrachte.

Sein Handy klingelte. Er zog es aus der Gesäßtasche. Felicity Prentiss. Scheiße!

»Mrs Prentiss«, sagte er zur Begrüßung, während er weiter auf seine Haustür zuging.

»Ich habe es mir anders überlegt.« Ihre Stimme klang nervös und angespannt.

Matt verkniff sich ein Stöhnen. Als er sie gestern kennengelernt hatte, war ihm gleich klar gewesen, dass sie seine Nerven strapazieren würde. Wahrscheinlich hätte er sie abweisen sollen, aber dieser Auftrag bedeutete eine Menge Stunden, die er ihr in Rechnung stellen konnte, eine Menge Geld, das ihm helfen würde, die Zeit zu überbrücken, bis er in Boston Fuß gefasst hatte.

Aber ehrlich gesagt, Felicity Prentiss war eine der ängstlichsten Klientinnen, für die er je gearbeitet hatte. Seit er ihren Auftrag gestern übernommen hatte, hatte sie ihn bereits fünfmal angerufen, entweder weil sie auf den neusten Stand gebracht werden wollte oder er sie beruhigen oder ihr gute Ratschläge geben sollte.

Die Frau brauchte jemanden, der ihr die Hand hielt. Aber sein Job war das nicht.

Offenbar auch nicht der ihres Manns, da sie Matts Dienste in Anspruch nahm, um Beweise seiner Untreue für ein Scheidungsverfahren zu liefern.

»Ich will ehrlich sein, Mrs Prentiss. Ich habe noch nie einen Fall gehabt, wo ein Ehepartner den anderen nicht betrogen hätte. Sie wollen Beweise, ich werde sie Ihnen liefern. Wenn Sie das Ganze abblasen möchten, sagen Sie es mir, bevor es kein Zurück mehr gibt.«

»Ich will es wissen … ich muss es wissen.« Ihre Stimme klang zittrig. »Aber was ist, wenn er Sie sieht? Er bringt mich um, wenn er herausfindet, dass ich ihn beschatten lasse.«

Matt zog die Haustür hinter sich zu und sperrte ab. »Er sieht mich nicht. Neigt ihr Mann zu Gewalttätigkeiten, Mrs Prentiss?«

»Nein.« Nach einer kurzen Pause hörte Matt einen Seufzer. »Er ist ein lieber und netter Kerl. Zumindest dachte ich das, bis ich ihn dabei ertappte, wie er mitten in der Nacht ins Haus schlich und nach dem Parfüm einer anderen roch.«

»Also gut. Lassen Sie mich meine Arbeit tun. Ich besorge alles, was Sie für eine Klage brauchen, ohne dass Ihr Mann auch nur das Geringste mitbekommt. Keine Bange.«

»Es ist nur … wegen Neujahr und so, ich bin einfach so weit, ein neues Leben anzufangen, wissen Sie?«

Das war ja mal ganz was Neues. Matt schaltete das Licht ein und ließ sich in den Ledersessel fallen. »Ja, ich weiß, und das können Sie auch. Da Sie den heutigen Abend mit ihm verbringen, beginne ich morgen mit der Observation. Länger als eine Woche dürfte es nicht dauern, höchstens zwei.«

Felicity Prentiss hatte vor, eine Klage wegen »Entfremdung ehelicher Zuneigung« einzureichen. Ein längst nicht mehr zeitgemäßes Gesetz in North Carolina ermöglichte es ihr, die Geliebte ihres Mannes zu verklagen. Die Scheidung von ihrem Schürzenjägergatten konnte sie allerdings erst einreichen, wenn sie die erforderlichen Beweise hatte.

Matt hatte vor, ihr die Beweise für die Klage und die Scheidung so schnell wie möglich zu verschaffen. Denn wenn dieser Fall abgeschlossen war, würde er nach Hause zurückkehren.

Er beendete das Telefonat und ging nach oben, um in seinem Büro diverse Hintergrundinformationen über das Ehepaar Prentiss zu recherchieren. Es lohnte sich immer, genau zu wissen, in wessen Keller man nach Leichen suchte, bevor man das große Teleobjektiv in Stellung brachte. Lautes Gebell lockte ihn zum Fenster im Flur, von dem aus er einen recht guten Blick in den Garten seiner Nachbarin hatte.

Jedenfalls war er gut genug, dass er sie jetzt mit dem weißen und einem größeren braunen Hund sah. Sie hatte sich umgezogen, und statt des schwarzen Kleids und der Pumps trug sie eine eisblaue Jacke und eine dunkle Jeans, die ihre wohlgeformte Figur betonte. Ihr Haar hatte die Farbe seiner Fantasien, irgendetwas zwischen blond und rot, ein grandioses Apricot, das ihre knapp schulterlangen weichen Wellen in der Sonne hell leuchten ließ.

Der weiße Hund fletschte die Zähne, der braune zögerte einen Moment, dann gingen die beiden knurrend und wie wilde Bestien nacheinander schnappend aufeinander los. Dabei gaben sie Geräusche von sich, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten.

Blut spritzte auf das Fell des weißen Hunds.

Heilige Muttergottes! Richtete seine bildhübsche Nachbarin etwa Kampfhunde ab?

Angewidert trat Matt vom Fenster zurück. Höchste Zeit, dass er sich mit ihr bekannt machte, denn wenn sie diese Hunde misshandelte, würde er keinesfalls wegschauen.

Die Hunde kämpften miteinander.

»He!« Cara klatschte in die Hände, schrie und machte so viel Lärm wie möglich. Casper verkroch sich hinter einem Busch, und Mojo trottete zu ihr herüber und schaute sie verlegen an.

Cara kniete sich neben ihn und suchte seinen Körper nach Wunden ab. Sie nahm zwar an, das Ganze habe mehr mit Bellen als mit Beißen zu tun gehabt, aber bei Mojos dunklem Fell war das schwer zu sagen, und an Casper hatte sie Blut gesehen. Während sie Mojo untersuchte, saß der mit heraushängender Zunge und wedelndem Schwanz da. Blut sickerte aus dem Zahnfleisch hinter seinem linken Schneidezahn. Mit ein wenig Glück stammte das Blut an Casper daher. Sie scheuchte Mojo ins Haus, dann lockte sie den verängstigten weißen Boxer hinter dem Busch hervor.

»Ganz ruhig, Casper.« Sie fuhr über das Blut in seinem Fell, und es blieb an ihren Fingern kleben. Er beobachtete sie aus diesen zermürbend ernsten, ungleichen Augen. Abgesehen von Mojos blutigem Schlabber hatte er nichts abbekommen.

Gott sei Dank! Mit wackligen Beinen und Herzklopfen setzte sich Cara zu Casper ins Gras. »Du bist gar nicht gut für meinen Adrenalinspiegel, weißt du das?«

Der Boxer würde sie einige Mühe kosten. Er war als Streuner ins Tierheim gekommen, und es würde dauern, bis er sich in einer Familie wieder wohlfühlen würde. Falls er dieses Gefühl denn überhaupt je gekannt hatte. Er war keineswegs bösartig, nur ängstlich und wehrhaft. Jetzt lag er neben Cara, den Kopf auf den Vorderpfoten, die müden Augen trübe.

Im Nachhinein gesehen war es ein Fehler gewesen, beiden Hunden gleichzeitig Leckerbissen anzubieten. Mojo hatte Caspers Hundekuchen beschnüffelt, und der hatte sein Eigentum verteidigt. Nicht ungewöhnlich für einen Hund wie Casper, der eine Weile auf sich allein gestellt gewesen war. Cara war ein Anfängerfehler unterlaufen. Sie war heute nicht recht bei der Sache, aber das war keine Entschuldigung.

Mojo heulte auf der anderen Seite der Tür. Casper verfolgte das Ganze entspannt.

Cara stand auf und ließ Mojo in den Garten, behielt die beiden Raufbolde aber fest im Blick. Mojo kam herausgetrottet, schnupperte an Caras Hand und marschierte dann auf der Suche nach einem Ball weiter. Kurz danach stand auch Casper auf und folgte ihm. Mojo drehte sich um, stemmte die Vorderpfoten auf den Boden und reckte den Schwanz in die Höhe. Auf diese Weise lud er Casper ein, mit ihm zu spielen.

Das kommt der Sache schon näher. Erleichtert seufzte Cara auf. Sie schob die Hände in die Taschen, weil ihr kalt war, und sah den beiden zu.

Mojo war ein lustig aussehender Hund mit braunen Streifen, die entlang des Rückens immer dunkler wurden und zum Schwanz hin schließlich schwarz waren. Er hatte einen kräftigen Körper, sein Schwanz war nicht kupiert und der Schädel massiger als der jedes reinrassigen Boxers. Kein Mensch wusste, welche Gene da zusammengefunden hatten, aber nach Färbung und Haltung zu urteilen, musste irgendwann ein Deutscher Schäferhund mitgemischt haben. Aber wer immer seine Vorfahren auch waren, er machte einfach Spaß. Er war der gelassenste, besterzogene Pflegehund, den sie je gehabt hatte.

Nachdem sie einige Minuten zugesehen hatte, wie Mojo vergeblich versuchte, Casper zum Spielen zu animieren, ging sie zum Haus zurück. Nur mit der dünnen Jacke war es ihr draußen zu kalt. Die Hunde sprangen ihr voraus und warteten an der Schiebetür auf sie.

»Zeig uns den Weg, Mojo«, sagte sie zu dem braunen Hund. Dessen Schwanz schlug gegen die Kunststoffverkleidung der Wand, als sie die Tür aufschob, dann lief er quer durch die Küche zu seiner Schüssel, als hätte die Hundefutterfee sie gefüllt, während sie sich draußen tummelten. »Bald. Erst muss sich Casper ein bisschen eingewöhnen.«

Trotz des ausgemergelten Eindrucks, den er machte, war Casper die drei Tage im Tierheim gut versorgt worden. Sie wollte vermeiden, dass ihm vom Fressen übel wurde, ehe sich sein nervöser Magen beruhigt hatte. Cara schaltete den Gaskamin ein und ging dann hinauf in den ersten Stock.

Mit eingekniffenem Schwanz folgt ihr Casper ins Schlafzimmer.

»Ich fürchte, es dauert noch ein Weilchen, bis wir es uns heute Abend hier gemütlich machen können. Es ist Silvester, und ich gehe aus. Aber ich wollte, dass du das Zimmer schon mal bei Tageslicht gesehen hast. Du kannst mit Mojo und mir in dem großen Bett schlafen.« Sie musterte sein dreckiges Fell, packte ein altes Tuch und breitete es über ihre pinkfarbene Steppdecke. Bevor sie heute Abend loszog, musste sie ihn dringend baden.

Sie redete weiter. Ihre ruhige Stimme und ihre gelassene Art würden dafür sorgen, dass sich Casper schneller wohlfühlte. Auch Mojo trug seinen Teil dazu bei. Sie setzte sich aufs Bett und klopfte einladend auf die Matratze. Mojo sprang hinauf und machte es sich bequem, während Casper ängstlich zu ihren Füßen hocken blieb. Sie kraulte ihn am Kinn, erzählte ihm so lange alles Mögliche über die Party, bis er schließlich mit einem schüchternen Wackeln seines Stummelschwanzes neben sie auf das Bett sprang.

»Braver Junge.« Sie legte sich auf den Rücken und schloss die Augen, zu jeder Seite ein Hund.

Was gab es Schöneres? Vielleicht sollte sie ein Nickerchen machen, bevor Merry eintraf. Ginas Beerdigung hatte sie doch sehr mitgenommen.

Als es an der Tür klingelte, bekam Casper einen hysterischen Bellanfall. Er schoss vom Bett und rannte im Zimmer hin und her. Auch Mojo hüpfte auf den Boden und rannte zum Flur. Sein Bellen mischte sich mit dem Caspers, als beide die Treppe hinunterjagten.

Cara schaute auf die Uhr, während sie den beiden nacheilte. Merry würde erst in zwei Stunden kommen. Wer immer das war, bewies ein miserables Timing.

Sie sprintete in die Küche und schnappte sich vom Tresen eine Handvoll Erdnussbutter-Hundekuchen.

»Komm, Casper!« Der Kuchen als Lockmittel funktionierte. Der Hund kroch in seine Box, schaute aber weiter argwöhnisch zur Tür. Sie belohnte ihn mit einigen Leckereien, legte dann eine dicke Decke über die Box und hoffte, die Dunkelheit werde helfen, ihn zu beruhigen.

Es läutete erneut. Caspers dröhnendes Gebell füllte den Raum, außerdem warf er sich mit voller Wucht gegen die Metallstangen. So viel zum Thema Beruhigung.

»Schschsch«, sagte Cara leise, dann rannte sie zur Tür. »Komme schon.«

Mojo wartete schwanzwedelnd und voller Vorfreude auf den Besucher im Flur.

Ohne vorher durch den Spion zu linsen, riss sie die Tür auf und blieb mit offenem Mund stehen, als sie sah, wer da vor ihr stand. Er passte gerade so durch den Türrahmen, groß und kräftig in abgetragenen Jeans und schwarzer Lederjacke. Sein dunkelbraunes Haar war aus der Stirn gekämmt. Er schaute sie aus braunen Augen an, die ihr ein leicht wohliges Kribbeln durch die Adern jagten.

»Matt Dumont. Ich wohne eins weiter.« Mit dem Kopf deutete er in Richtung des Hauses links von ihrem.

Cara nickte. Oh ja, sie wusste, wer er war, und sie hatte im ablaufenden Jahr alles getan, ihm aus dem Weg zu gehen. Tja, jetzt konnte sie dem Guten, den sie im Stillen nach einer Abkürzung, die sie gemeinsam mit ihrer Freundin seinerzeit im College für rattenscharfe Typen geprägt hatte, »RST« nannte, einen Namen zuordnen. Matt fiel definitiv in diese Kategorie, auch wenn sie keine Absicht hatte, daraus irgendetwas zu machen.

Sie blickte an sich hinab. Der blutige Sabber an ihrem Hemdärmel war ihr ebenso peinlich wie ihr Gekeuche, das sie ihren Bemühungen verdankte, einen unkooperativen, gut fünfzig Pfund schweren Hund in seiner Box zu verstauen. War ja klar. Wenn sie sich nach so langer Zeit offiziell kennenlernen mussten, dann zu einem Zeitpunkt, wo sie aussah wie ein Schwein.

Sie setzte ihr nettestes Lächeln auf, während Casper in der Küche wütend knurrte. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Cara Medlen.«

»Wird auch langsam Zeit, dass ich erfahre, wie Sie heißen, meinen Sie nicht?« Seine Mundwinkel zuckten leicht spöttisch. Aus der Nähe sah er noch besser aus, zumal wenn er sie so anstarrte, dass sie beinahe das Atmen vergaß.

»Ich denke schon.«

»Dann erzählen Sie mal, was es mit Ihren Hunden auf sich hat, Cara.«

Sie holte tief Luft. »Was soll es damit auf sich haben?«

Er kniff die Augen zusammen, und sein Tonfall wurde deutlich weniger freundlich. »Das will ich von Ihnen hören.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Was war nur mit ihren Nachbarn los? Diese Engstirnigkeit, was ihre Pflegehunde betraf! »Wir haben gegen kein Gesetz verstoßen, Mr Dumont, wenn es Ihnen also nichts ausmacht …«

Sie schickte sich an, die Haustür zu schließen, doch er trat einen Schritt vor und blockierte sie. »Doch, ich habe was dagegen.«

Cara spürte die Kraft seines Blicks jetzt bis in ihre korallenblau lackierten Zehennägel.

»Der weiße Hund … wird er irgendwie ärztlich behandelt?«

Er war ihr jetzt so nah, dass sie den Duft seines Aftershaves riechen konnte. Zu nah, aber sie wollte ihm nicht die Genugtuung verschaffen zurückzuweichen. Sie streckte den Rücken durch und wünschte sich ein paar Zentimeter an Körpergröße dazu, damit sie ihm in die Augen schauen könnte, ohne zu ihm hochblicken zu müssen. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Von meinem Flur im ersten Stock kann ich in Ihren Garten sehen.« Er neigte den Kopf auf die Seite. »Ich glaube, ich weiß, was sich bei Ihnen abspielt.«

Cara rümpfte die Nase. Was in aller Welt würde er ihr vorwerfen? Dass sie den Rasen in der falschen Richtung mähte? Mist, hatte er beobachtet, wie sie letzte Woche über Mojo gestolpert und in einen Hundehaufen gefallen war? Sie hatte sich noch im Garten die Jeans ausgezogen und war halb nackt ins Haus gerannt. Ihre Wangen brannten. »Vielleicht sollten Sie sich etwas präziser ausdrücken.«

Er schaute auf den Hund zu ihren Füßen. Mojo hatte die Ohren angelegt und drückte seine Schulter gegen Caras linkes Bein. In der Küche krachte es, als Casper in seiner Box zu toben anfing. »Richten Sie hier Kampfhunde ab, Ms Medlen?«

Sie konnte nicht anders; sie prustete lauthals los, so absurd war dieser Vorwurf. »Soll das ein Witz sein?«

Matts Augen funkelten sie wie zwei Laserstrahlen an. Ihm war es todernst. »Ist das ein Pitbull?«

»Ein Boxer. Danke der Nachfrage, aber vielleicht sollten Sie sich nächstes Mal lieber um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.«

Und mit diesen Worten knallte sie ihm die Tür vor der Nase zu.

2

Der Absatz von Caras brandneuem Vera-Wang-Pump versank tief in einem Batzen Kaugummi und blieb stecken. Das hatte sie nun davon, dass sie mit Designerschuhen protzen wollte.

»Igitt!« Sie hielt sich an Merrys Ellbogen fest und riss ihren Absatz los. Stirnrunzelnd inspizierte sie ihn.

Merry schaute sich den Schlamassel an und schüttelte den Kopf. »Erster Halt: Damentoilette. Das müssen wir sauber machen.«

»Ich hoffe, das Zeug geht runter. Ich hätte mich von dir nie überreden lassen sollen, diese Schuhe zu kaufen.« Sie an dem Tag zu tragen, an dem ihre Freundin bestattet worden war, kam ihr plötzlich leichtfertig vor.

»Aber sie funkeln so schön und sehen hinreißend aus. Und du gönnst dir doch sonst nie was Besonderes. Wäre es nicht toll, wenn wir heute Abend zwei scharfe Jungs auftreiben würden, mit denen wir das neue Jahr einläuten können?«

Vielleicht hatte Merry recht. Wann hatte Cara schon mal Gelegenheit, sich in Schale zu schmeißen? Na ja, wenn sie ehrlich war: seit letztem Silvester Fehlanzeige. Und was scharfe Jungs anbelangte, tja, da kam ihr Matt Dumont in den Sinn, aber den würde sie nicht um Mitternacht küssen. So viel stand fest. Sie schlurfte mit dem klebrigen Absatz über den Bürgersteig.

Egal, auch wenn der Tag wirklich lausig begonnen hatte, so war sie fest entschlossen, das Jahr mit einem positiven Erlebnis zu beenden. Das Red Heels war ihr Lieblingsrestaurant, und sie war bereit, sich den einen oder anderen Granatapfel-Martini hinter die Binde zu kippen. Oder auch drei.

Sie gingen hinein und wurden von dezent pinkfarbener Beleuchtung und bluesiger Musik empfangen.

»Ich sterbe vor Hunger.« Auf dem Weg zur Empfangsdame schaute sie sich nach den Buffettischen um.

Die Frau hinter dem Tresen blickte auf und sah sie bedauernd an. »Es tut mir so leid. Wir haben nur bis 21 Uhr Essen serviert. Wir hatten in der Küche ein Problem mit der Elektrik. Natürlich erstatten wir Ihnen den Eintrittspreis, egal ob Sie bleiben wollen oder nicht. Es gibt leichte Häppchen, und die Bar hat bis zwei Uhr früh geöffnet.«

Merry schob sich eine braune Haarsträhne hinters Ohr. »Schöner Mist.«

»Bedank dich bei Casper«, sagte Cara. Ihre Freundin und sie hatten die letzten Stunden mit dem Hund im Wohnzimmer gesessen, damit der sich an die neue Freiheit gewöhnen konnte.

Merry tippte sich mit dem Finger an die Lippen. »Wir könnten zu Finnegan’s rübergehen, uns einen Burger schnappen und dann rechtzeitig vor Mitternacht hierher zurückkommen.«

Cara nickte. »Einverstanden. Leichte Häppchen reichen einfach nicht.«

Sie machten kehrt und gingen wieder in die Nacht hinaus. Cara schlang die Arme um ihren Körper. Ihr Wollcaban war zwar warm, aber ihre Beine waren von den Knien abwärts nicht gegen den bitterkalten Wind geschützt.

Aus Finnegan’s Pub zwei Häuser weiter dröhnte Countrymusic nach draußen. Merry schob sich vor Cara durch die Tür und direkt in die Menschenmassen.

Sehnsüchtig starrte Cara auf die voll besetzten Tische, als sie sich zur Bar vorkämpften. »Es ist halb elf an Silvester, und wir wollen einen Burger? Hoffnungslos.«

»Notfalls nehmen wir sie einfach mit. Wenn wir keinen freien Platz finden, wo wir in Ruhe essen können, tragen wir sie zurück ins Red Heels. Wenn sie uns schon verhungern lassen, brauchen sie sich nicht zu beschweren, oder?« Wie üblich ließ sich Merry ihre gute Laune durch nichts vermiesen.

Sie drängelte sich an die Bar und bestellte zwei Cheeseburger mit Schinken und Pommes. Cara schlüpfte aus ihrem Caban und legte sich den Mantel über den Arm. Dann suchte sie einen freien Steh- oder besser noch Sitzplatz.

An der Bar ging nichts. Linker Hand befanden sich mehrere Billardtische. Alle besetzt. Und ziemlich lautstark dazu. Ihr Blick blieb an einem vertrauten Profil am ersten Tisch hängen. Der Mann trug ein langärmeliges marineblaues Henleyshirt. Das Hemd steckte in einer abgewetzten Jeans, die gut und gern dieselbe sein konnte wie am Nachmittag, als er vor ihrer Haustür aufgetaucht war.

Er beugte sich gerade nach vorne, um einen Stoß zu machen, was ihr einen guten Blick auf seinen wohlgeformten Hintern erlaubte. Ihr Blick verfinsterte sich.

»Merry.« Sie gab ihrer Freundin einen Stoß, um deren Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Das ist er.«

»Er? Wer?« Merry drehte sich von der Bar weg. Ihr Blick folgte dem Caras zu dem Billardtisch in der Ecke.

»Matt Dumont.«

»Der RST?«

»Genau. Der RST, der mich beschuldigt hat, Kampfhunde abzurichten.«

Merry kicherte. »Da wäre ich nur zu gern dabei gewesen.«

Sie sahen Matt eine Weile zu, der gerade eine rote Kugel in einer Mitteltasche versenkte.

»Mann, wenn der nicht scharf ist«, bemerkte Merry.

Was du nicht sagst. »Heute Nachmittag habe ich vor seinem Haus ein Schild gesehen, dass er verkaufen will. Ich schätze mal, lang ist der nicht mehr mein Problem.« Cara trat einen Schritt zurück und spürte, wie ihr Absatz auf dem glatten Holzboden kleben blieb. »Ich habe den Kaugummi am Schuh ganz vergessen. Bin gleich wieder da.«

Merry nickte. »Ich versuche inzwischen, ein paar Zentimeter an der Bar freizuschaufeln, damit wir unsere Burger essen können.«

Cara bahnte sich einen Weg nach hinten, wobei sie ständig von ausgelassenen Partygästen angerempelt wurde. Jemand verspritzte Bier über ihren rechten Fuß. Es war kalt und klebrig.

»Das darf doch wohl nicht wahr sein«, grummelte sie. Nie wieder würde sie mehr als vierzig Dollar für ein Paar Schuhe ausgeben.

»Sie wollen sich doch nicht hinten rausschleichen, oder?«, meldete sich hinter ihrem Rücken eine bekannte Stimme, und eine warme, männliche Hand fasste sie am Ellbogen und geleitete sie durch die Menge.

Cara schaute über die Schulter und direkt in Matts braune Augen. Sie versteifte sich. »Und riskieren, am Ende eine weitere erhellende Unterhaltung mit Ihnen zu verpassen? Nie und nimmer.«

»So? Zumindest gibt es hier keine Tür, die sie mir vor der Nase zuknallen können.« Er schaute sie mit einer derart irritierenden Intensität an, dass ihr dummes Herz höherschlug, als der Anlass hergab.

»So kann man sich täuschen.« Lächelnd betrat sie die Damentoilette und schloss die Tür hinter sich.

Matt glotzte die zweite Tür an, die Cara Medlen ihm an diesem Tag vor der Nase zugeschlagen hatte. Sie war auf eine Art süß, die ihn reizte und verwirrte. Er wünschte sich ernsthaft, sie mögen zu können. Er hatte sich das Ganze auch noch einmal durch den Kopf gehen lassen und schloss nun die Möglichkeit nicht mehr aus, dass er am Nachmittag voreilige Schlüsse gezogen haben könnte.

Als er sie beschuldigt hatte, Kampfhunde abzurichten, hatte sie ihm ins Gesicht gelacht, was für ihre Unschuld sprach. Andererseits war sie seinen Fragen gezielt ausgewichen, was seiner Erfahrung nach eher auf Schuld hindeutete. Wenn es für das, was er in ihrem Garten beobachtet hatte, eine plausible Erklärung gab, wieso hatte sie es ihm nicht einfach gesagt?

Fest entschlossen, das herauszufinden, pflanzte er sich mit verschränkten Armen im Gang gegenüber den Toilettentüren auf.

Ein paar Minuten vergingen, dann kam sie heraus. Als sie sah, dass er auf sie gewartet hatte, bekam sie große Augen. In dem hautengen grünen Kleid, das gut zu ihren erdbeerblonden Locken passte und viel glatte weiße Haut zeigte, sah sie sehr appetitlich aus. Sein Blick glitt nach unten zu ihren silberfarbenen High Heels.

Sexy.

»Ein bisschen overdressed für Finnegan’s, meinen Sie nicht auch?« Er grinste und lehnte sich lässig gegen die Wand. Missbilligend schaute sie ihn an.

»Kann schon sein, aber allzu lange bleibe ich nicht.« Sie versuchte sich an ihm vorbeizudrängen.

Matt stieß sich von der Wand ab und verstellte ihr den Weg. »So eilig?«

»Allerdings. Was dagegen?«

»Müssen Sie zu Ihrer Freundin zurück, oder haben Sie Angst, so allein mit mir?« Er trat auf sie zu, rückte ihr bewusst auf die Pelle. Sie roch angenehm. Nach Heckenkirsche. Ihre blauen Augen waren auf ihn gerichtet und weckten allerlei Gelüste in ihm.

Sie reckte das Kinn vor. »Angst? Wohl kaum.«

Matt maß fast eins neunzig und richtete sich jetzt zu voller Größe auf, um auf sie mit ihren geschätzten eins sechzig hinabschauen zu können. »Was ist das jetzt für eine Geschichte mit Ihren Hunden, Cara?«

Ihre Wangen liefen dunkelrot an, sodass ihre Sommersprossen hervortraten. »Was haben Sie bloß mit meinen Hunden? Wenn Sie sich solche Sorgen machen, rufen Sie beim Veterinäramt an.«

Sie drängte sich an ihm vorbei und marschierte zur Bar zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Matt sah ihr nach. Ihr Verhalten gefiel ihm nicht. Er hatte noch nie Auge in Auge einem Tierschänder gegenübergestanden. Vielleicht waren das heutzutage süß aussehende Mittelschichtsfrauen.

Wie auch immer, er würde es herausfinden. Wenn sie seine Fragen nicht beantworten wollte, würde er eben auf eigene Faust ermitteln.

Der Boden des Pubs erbebte von einem Countrysong über verschüttetes Bier und eine Frau in Cowboystiefeln. Seit fünf Jahren lebte er jetzt in Dogwood, aber von Countrymusic bekam er immer noch Ohrenbluten. Das war aber auch das Einzige, was gegen Finnegan’s sprach. Die Kneipe war immer gut besucht, man bekam heimisches Bier frisch vom Fass, und an den Billardtischen konnte er mit seinen Kumpels abhängen und sich von einem langen Tag erholen.

Keine üble Art, ins neue Jahr zu starten.

Ein letztes Mal schaute er zu Cara hinüber. Sie hatte sich mittlerweile zu ihrer Freundin durchgekämpft. Wenn Blicke töten könnten, hätte sein letztes Stündlein jetzt geschlagen. Er zuckte mit den Schultern und ging zu seinem Billardtisch zurück.

»Niedlich«, kommentierte Jack, als Matt die Spitze seines Queues einkreidete. »Wer ist sie?«

Jack war ein Kollege, deshalb wunderte es Matt auch nicht, dass sie ihm aufgefallen war. Sie wurden dafür bezahlt, jedes Detail zu bemerken.

»Meine Nachbarin.«

Jack grinste. »Sieht nicht so aus, als hielte sie viel von dir.«

»Nein.« Gewohnheitsmäßig kontrollierte Matt sein Handy. Er bezweifelte zwar, dass ihn ausgerechnet heute Abend ein Klient anrufen würde, aber in seinem Beruf wusste man nie.

Das Display zeigte zwei entgangene Anrufe von seiner Mutter. Jetzt war es nach elf. Wahrscheinlich saß sie gerade auf der Couch und wartete mit einer Tüte Popcorn und einem Glas Sekt darauf, dass sich am Times Square der Ball senkte.

Er trat in die eiskalte Nacht hinaus, wo er seine Mutter besser würde verstehen können, und rief sie an. »Hi, Mom.«

»Matthew, was treibst du heute Abend? Du arbeitest doch wohl nicht, oder?«, fragte Brenda Dumont.

»Nein. Ich spiele mit ein paar Freunden Billard.«

»Nur mit Freunden? Kein spezielles Mädchen, das du um Mitternacht küssen kannst?«

Er schüttelte den Kopf. »Dieses Jahr nicht, Mom.«

»Ich werde auch nicht jünger, das ist dir doch klar. Ich hätte gern Enkelkinder, bevor ich zu alt bin, um noch mit ihnen zu spielen.«

»Ja, so eilt es ja auch wieder nicht. Das Haus steht seit heute zum Verkauf.«

Sie seufzte. »Du tust gerade so, als stünde ich schon mit einem Bein im Grab.«

»Keiner deiner Körperteile befindet sich auch nur in der Nähe eines Grabs. Aber für mich ist es einfach an der Zeit, wieder nach Hause zu kommen. Außerdem weiß ich, dass es dir ganz recht ist, wenn Jason und ich gemeinsam eine Detektei aufziehen.«

Das war die Wahrheit. Im Großen und Ganzen. Seine Mutter hatte kürzlich einen Bypass bekommen, was Matt und seinen jüngeren Bruder Jason aufgeschreckt hatte. Vor allem ihn. Er hatte gute Gründe gehabt, Boston den Rücken zu kehren, aber das war längst Schnee von gestern.

Die Gelegenheit, mit seinem Bruder zusammenzuarbeiten, war einmalig. Jasons Fähigkeiten am Computer ergänzten sich hervorragend mit Matts Erfahrung als Privatdetektiv. Gemeinsam konnten sie eine solide Agentur auf die Beine stellen. Matt würde sich nur daran gewöhnen müssen, dass er dann nicht mehr alleiniger Geschäftsführer war. Seine Entscheidungen hatten Auswirkungen auf andere und umgekehrt. Das würde nicht einfach werden.

Lange war er als Einzelkämpfer unterwegs gewesen. Vielleicht zu lange.

Seine Mutter lachte. »Du kannst gern zu mir kommen, bis dein Haus verkauft ist.«

»Habe ich auch vor, Mom. Danke. Hör mal, ich friere mir hier den Hintern ab. Ich rufe dich am Wochenende wieder an, okay?«

»Gesundes neues Jahr, mein Junge.«

»Dir auch, Mom.«

Er drehte sich gerade rechtzeitig um, um mit Cara Medlen und ihrer Freundin zusammenzustoßen.

Cara seufzte erleichtert auf, als sie wieder im Red Heels mit seiner dezenten Beleuchtung und der bluesigen Musik waren. Vor dem Finnegan’s war sie nur knapp einer weiteren Auseinandersetzung mit Matt Dumont entronnen. Da er Bier offenbar Martinis vorzog, war die Gefahr wohl nicht allzu groß, ihm heute Abend erneut über den Weg zu laufen. Sie marschierte schnurstracks zur Bar, um ihren Granatapfel-Martini zu bekommen. Merry folgte ihr auf dem Fuß.

Mit dem Glas in der Hand prostete sie ihrer besten Freundin zu. »Auf das neue Jahr! Noch fünfundvierzig Minuten Zeit, zwei süße Jungs für den Mitternachtskuss zu finden.«

Merry blickte sich um. »Keine Junggesellen in Sicht, die infrage kommen würden. Aber ich weiß, wo ich einen Mann finde, der dich liebend gern um Mitternacht küssen würde.« Sie zwinkerte ihr zu.

»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«

»Nein? Du hast nicht das Geringste für Matt Dumont übrig? Bist du dir da ganz sicher?«

Cara ließ den Martini in ihrem Glas kreisen. »So ziemlich.«

»Warum hast du ihm dann nicht einfach gesagt, dass du für Triangle Boxer Rescue Pflegehunde betreust? Wieso lässt du ihn in dem Glauben, du würdest die Tiere misshandeln?«

Weil es so sicherer ist. »Weil es ihn nichts angeht.«

»Und was, wenn er nun das Veterinäramt verständigt?«

»Na und? Ich habe nichts verbrochen. Die werfen einen Blick in meine Unterlagen und verfluchen ihn dann, weil er ihre Zeit verplempert hat.«

Merry beugte sich über den Tresen und nahm einen großen Schluck von ihrem »Sex on the Beach«-Martini. »Bei allem, was ich bisher erlebt habe, bin ich froh, dass es noch Leute gibt, die den Mund aufmachen, wenn sie glauben, ein Hund könnte misshandelt werden.«

Cara leerte ihr Glas und drehte sich zur Bar, um den nächsten Drink zu bestellen.

Merry war noch nicht fertig. »Aber sag doch mal: Wie lange seid ihr beide jetzt Nachbarn? Und wieso hast du erst heute das erste Mal mit ihm geredet?«

»Ungefähr ein Jahr und keine Ahnung. Wahrscheinlich sind wir einfach nicht gesellig.«

»Vielleicht bist du ihm aber auch aus dem Weg gegangen, weil du ihn attraktiv findest. Könnte doch sein, oder?«

»Das habe ich dir doch schon gesagt. Es stimmt nicht.«

»Dann nennst du ihn bloß zum Spaß RST?«

Cara zuckte mit den Schultern. »Nur weil ich ihn für einen scharfen Typen halte, heißt das nicht automatisch, dass ich ihn attraktiv finde.«

»Und das hat nichts damit zu tun, dass deine Freundin, mit der du die Chemo durchgemacht hast, gerade gestorben ist?«

Cara starrte in die pinkfarbenen Tiefen ihres Drinks. »Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Ich fange ein neues Leben an, wenn ich in Sicherheit bin.«

»Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du vergraulst Matt absichtlich, weil es dir lieber ist, er ist sauer auf dich, als dass du eine Beziehung mit ihm riskieren würdest. Von den Hunden ganz zu schweigen.«

Cara wurde langsam zornig. »Von was für Hunden? Was soll das Ganze überhaupt?«

»Du weißt schon: Du bist unsere einzige Pflegerin, die keinen Hund ganz übernimmt. Behalte einen. Behalte Mojo – der ist ein Schatz.«

»Aber die Bestimmungen der Hausbesitzervereinigung erlauben nur zwei Haustiere, und da kümmere ich mich lieber um zwei pflegebedürftige Hunde. Auf die Art kann ich mehr Tiere retten.«

Merry verdrehte die Augen. »Aha. Aber gut, lassen wir das Thema. Es ist fast Mitternacht. Suchen wir uns endlich zwei Jungs zum Küssen.«

Cara schaute sich im Raum um. Es war viel los: Gruppen von Frauen, die vor Martinis saßen und lachten, Pärchen, die eng aneinanderklebten. Am anderen Ende der Bar erblickte sie zwei gut gekleidete Männer, die eindeutig ebenfalls ein Paar waren. »Könnte ein Problem werden.«

»Hmmm. Wahrscheinlich stünden unsere Aussichten besser, wenn wir im Finnegan’s geblieben wären.« Merry schaute auf ihr rosafarbenes Kleid, als wäre sie enttäuscht, dass nun kein Vertreter des anderen Geschlechts es bewundern würde. Vielleicht machte sie sich in ihrer Freizeit deshalb immer besonders zurecht, weil sie so viele Stunden des Tages in ihrer Schwesterntracht zubrachte.

Cara wünschte, sie hätte auch nur halb so viel Modebewusstsein wie ihre Freundin. »Fremde zu küssen wird eh maßlos überschätzt.«

Merry warf ihr einen Blick zu, der die gegensätzliche Meinung ausdrückte. »Na ja, ich habe immerhin eine Neuigkeit, die es wert ist, heute Nacht gefeiert zu werden. Erinnerst du dich? Ich habe dir doch von dem kleinen Mädchen erzählt, das an Thanksgiving in einen Autounfall verwickelt war.«

»Natürlich.« Das Kind hatte seitdem im Krankenhaus gelegen. Zwischendrin hatte man schon jede Hoffnung aufgegeben, dass es den Unfall überleben würde. Cara schüttelte es bei dem Gedanken.

»Sie ist heute entlassen worden.« Merry strahlte wie stets, wenn einer ihrer kleinen Patienten zu seiner Familie zurück durfte. Als Kinderkrankenschwester hatte sie es tagtäglich mit dem Kampf gegen den Tod zu tun. Heute hatte bei diesem Mädchen das Leben gewonnen.

Als der Countdown bis Mitternacht begann, setzten Cara und Merry ihre Partyhüte auf, bliesen in ihre Tröten und fielen in das Geschrei der Menge ein. »Gesundes neues Jahr!«

Merry stieß mit dem Sektglas an Caras. »Aufs neue Jahr!«

»Aufs neue Jahr!«

»Möge es uns Gesundheit, viele Adoptiveltern für unsere Pflegehunde und eine stürmische neue Liebesgeschichte für Cara bringen.«

Bis Merry ihren Trinkspruch beendete, hatte Cara bereits den Mund voll Sekt. Jetzt hätte sie sich fast verschluckt. »Wie bitte? Bloß nicht! Gesundheit und viele Adoptionen, das reicht völlig.«

Denn es war nichts als ein Zufall, dass an diesem Morgen Gina und nicht Cara in diesem Sarg gelegen hatte. Mit siebzehn hatten sie sich kennengelernt – als Krebspatientinnen im Duke Children’s Hospital – und waren all die Jahre seither in Kontakt geblieben. Cara war zu Ginas Hochzeit gefahren und zur Babyparty vor der Geburt ihres Kindes. Ein Teil von ihr hatte Gina um ihre Fähigkeit beneidet, ihr Leben ohne Angst weiterzuleben und es voll und ganz zu genießen. Letztes Jahr hatte Gina sie angerufen: Der Krebs war wieder da. Und jetzt war ihre Freundin tot.

Deshalb würde sich Cara noch einige Jahre gedulden, bis es hieß: Außer Gefahr. Erst dann würde sie ein neues Leben anfangen. Keine Sekunde früher.

3

Das Problem war nach Caras Auffassung, dass ihr letzter Kuss schon sehr lange zurücklag. Seit fast einem Jahr hatte sie keine Verabredung mehr gehabt. Und es war noch sehr viel länger her, dass sie am ganzen Körper dieses Prickeln gespürt hatte, so wie in jenem Moment, als Matt Dumont sie in Finnegan’s Pub an die Wand gedrängt hatte. Ihre Hormone hatten sich davon noch immer nicht ganz erholt.

Vielleicht sollte sie ihre Vorsicht aufgeben und die Reaktivierung ihres Liebeslebens auf die Liste der guten Vorsätze für das neue Jahr setzen. Knisternde Rendezvous, nicht die langweiligen Treffen, mit denen sie sich abgefunden hatte. Vielleicht sollte sie sich in einer Bar irgendeinen Kerl aussuchen und ihn einfach vernaschen.

Sicher, vielleicht fallen auch mal Ostern und Weihnachten auf einen Tag.

Caras Turnschuhe quietschten auf dem Linoleumboden, als sie auf die Metalltür zuging, die zu den Hundezwingern führte. Wie immer, wenn sie hierherkam, beschlich sie ein flaues Gefühl im Magen.

»Guten Morgen, Cara.« Darlenes fröhliche Stimme zauberte dennoch ein Lächeln auf Caras Gesicht.

»Guten Morgen, Darlene. Wie viele sind es heute?«

»Elf. Hier die Namen und Zwingernummern.« Sie riss einen kleinen Zettel von ihrem Notizblock und gab ihn Cara.

»Danke. Irgendeiner dabei, vor dem man sich in Acht nehmen sollte?«

»Nein, die sind in Ordnung. Duncan, der Spitz in 36, knurrt dich vermutlich an, aber er ist ein echter Schatz.«

»Na schön.« Cara nahm den Zettel, rückte die Kamera über der Schulter zurecht, stieß die Tür auf und ging zu den Zwingern. Sofort schlug ihr ohrenbetäubendes Gebell entgegen. Dutzende von Hunden schossen hoch, sprangen gegen die Metallstäbe ihrer Gehege und wetteiferten um ihre Aufmerksamkeit: laut, leise, hoch und tief.

Der Lärm tat ihr in der Seele weh, aber die Stillen bekümmerten sie mehr. Die Hunde, die sie stumm aus flehenden Augen anstarrten. Und schlimmer noch: Diejenigen, die sich überhaupt nicht für sie interessierten. Die einfach dalagen und die Wand anglotzten, weil sie zu deprimiert waren, um sich noch zu bewegen.

Cara hatte das Tierheim von Dogwood County oft besucht, wohl an die hundertmal, aber nie verließ sie es ohne Tränen in den Augen.

Sie schaute auf den Zettel in ihrer Hand. Ganz oben auf der Liste stand Nina in Zwinger 7.

Als sie den Hund erblickte, zog sich Caras Herz zusammen. Nina war ein Pitbull-Mischling mit gestreiftem Fell, ähnlich wie Mojo. Zu einem kleinen Ball zusammengerollt, lag sie in der Mitte des Zwingers. Verzweiflung hüllte sie ein wie ein Leichentuch.

Cara kauerte sich vor den Gitterstäben nieder. »Guten Morgen, Nina. Bisschen frische Luft gefällig?«

Die Hündin hob den Kopf und starrte Cara an. In ihren Augen flackerte Hoffnung auf.

Cara nahm von der gegenüberliegenden Wand eine schwarze Plastikleine, öffnete die Tür zu Ninas Zwinger und befestigte die Leine am Halsband. »Na komm, wir drehen draußen eine Runde.«

Sie führte Nina den Gang hinunter an den anderen Hunden vorbei. Viele bellten immer noch um ihre Aufmerksamkeit. Nina schlurfte vor sich hin, den Kopf gesenkt und den Schwanz eingezogen, als sie erkannte, dass sie nur nach hinten zum Übungsgelände gingen, nicht in die wahre Freiheit, die jenseits der Metalltür lag.

Die Schraubzwinge um Caras Herz zog sich noch enger zu. Wenn sie könnte, würde sie alle Hunde mit nach Hause nehmen. Ihr fielen Merrys Worte vom Silvesterabend wieder ein. Aber wie könnte sie rechtfertigen, einen Hund auf Dauer bei sich zu behalten, da sie viel mehr retten konnte, wenn sie sie nach einer Weile weiterreichte?

Sie machte die Leine los und sah zu, wie Nina auf dem mageren, trockenen Gras ihr Geschäft verrichtete. Cara ließ ihr ein paar Minuten Zeit, herumzugehen, die Gerüche der freien Natur zu beschnüffeln und frischen Wind durch ihr Fell wehen zu lassen.

Sie versuchte, Nina für einen Ball zu interessieren, dann für ein Spielseil, doch sie stand nur da und schaute die Bäume in der Ferne an. Diese Hündin verstand sehr gut, wo sie sich befand. Sie hatte sich keine fehlgeleitete Hoffnung, kein blindes Vertrauen darauf bewahrt, dass die nächstbeste Person, die durch die Tür spazierte, ihr ein neues Zuhause geben würde.

Cara nahm die Schutzkappe des Objektivs ab und schaltete die Kamera ein. Sie setzte sie an und justierte die Blende, um die spärlichen Grasbüschel hinter Nina abzumildern.

»Nina«, rief Cara, und die Hündin drehte den Kopf zu ihr. An diesem kalten Morgen hatten ihre Augen die Farbe heißen Mokkas.

Klick!

Sie knipste mehrere Bilder, dann kauerte sie sich hin und machte einige weitere. Schließlich holte sie aus der Tasche einige Erdnussbutterkekse, und Nina wedelte zurückhaltend mit dem Schwanz.

»Die sind für dich.« Cara warf ihr einen zu, den sich Nina im Flug schnappte und hinunterschluckte, ehe sie erwartungsvoll wieder zu Cara hinschaute.

Klick!

Cara wiederholte das Prozedere, dann versuchte sie erneut mit dem Ball ihr Glück. Nichts zu machen. Nina hockte sich demonstrativ gelangweilt auf den Boden.

»Willst du mich jagen? Du brauchst ein wenig Bewegung, ehe du wieder reinkommst, Mädchen.« Cara legte den Fotoapparat auf einen weißen Plastikstuhl, beugte sich vor und tätschelte den Boden unmittelbar vor Nina als Einladung zum Spiel. Dann lief sie zum anderen Ende der Anlage.

Nina beobachtete sie einen Moment lang, dann sprintete sie ihr hinterher. Sie flitzten hin und her, balgten sich und zogen sogar gut zehn Minuten lang an einem Seil. Als sie fertig waren, blieb Nina mit offenem Maul und heraushängender Zunge keuchend stehen.

Klick!

Cara verbrachte weitere fünf Minuten mit ihr, kraulte sie hinter den Ohren und liebkoste sie. Wenn sie so viel Zeit für alle aufbrächte, wäre sie den ganzen Vormittag beschäftigt. Aber wem wollte sie etwas vormachen? Sie hatte zweieinhalb Stunden, ehe sie Dylan abholen musste, den kleinen Jungen, um den sie sich kümmerte, und sie würde direkt vom Tierheim zu ihm fahren. Wie jeden Montag.

Nur widerwillig brachte sie Nina in den Zwinger zurück, dann schaute sie zum nächsten Namen auf der Liste. Es war ihr inoffizieller zweiter Job geworden, die neuen Hunde für ihre Webseite zu fotografieren. Der Fotografie, insbesondere der Tierfotografie, galt Caras Leidenschaft. Sie hatte ein Händchen dafür, die Persönlichkeit, das Wesen eines Tieres mit der Kamera zu erfassen.

Seit sie damit begonnen hatte, war die Zahl der Adoptionen um dreißig Prozent gestiegen. Für ein kleines County-Tierheim wie das Dogwood Shelter war das eine große Sache. Eine so große Sache, dass Cara jeden Montag opferte, um hier die Neuankömmlinge der vergangenen Woche abzulichten.

Am Mittwoch würde sie wieder herkommen, dann waren die Katzen an der Reihe.

Als sie die Liste abgearbeitet hatte – und sich von dem winzigen Spitz in Zwinger 36 hatte anknurren lassen –, blieb ihr gerade noch genug Zeit, sich zu waschen, ehe sie zum Kindergarten musste, um Dylan abzuholen.

»Cara, schön, dass ich dich noch erwische.« Marilyn Branch, die Leiterin des Tierheims, eilte auf Cara zu, als diese gerade aus der Toilette kam, wo sie sich die Hände gewaschen hatte.

»Hi, Marilyn. Was gibt’s?«

»Hast du kurz Zeit?«

»Klar.« Cara folgte ihr den Flur entlang in ihr Büro, das kaum größer als ein begehbarer Kleiderschrank war, in dem sich Fotos der vielen geretteten Tiere stapelten.

Marilyn drehte sich mit leuchtenden Augen zu ihr um. »Kannst du dich an Margo erinnern, den Mischling, dessen Bild wir beim Fotowettbewerb des Tierschutzverbands eingereicht haben?«

»Selbstverständlich.« Das Foto hatte sie an einem unglaublich heißen Sommertag aufgenommen. Margo war durch das Planschbecken gesprungen, den Schwanz hochgestellt und das Maul weit aufgerissen, um den Wasserstrahl aus dem Gartenschlauch aufzuschnappen, den eine weitere Ehrenamtliche bedient hatte.

»Du hast gewonnen.«

Cara fasste sich mit der Hand ans Herz. »Ist nicht wahr! Wirklich?«

»Wirklich! Wir kriegen einen Zuschuss von 10 000 Dollar für die Renovierung der Klinik, und dein Foto kommt als Titelbild auf die nächste Ausgabe der Verbandszeitschrift.«

»Wow, Marilyn! Das ist ja fantastisch!«

»Allerdings. Wir können dir gar nicht genug danken. Der Zuschuss für die Renovierung ist ein unfassbares Geschenk. Wir ernennen dich zur Ehrenamtlichen des Jahres und zeichnen dich bei unserer Starry Paws-Gala nächsten Monat aus. Notier dir schon mal den Termin.«

»Marilyn, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Danke.«

»Gern geschehen. Aber du musst jetzt los, sonst kommst du zu spät zu Dylan. Wir sehen uns am Mittwoch. Und noch mal … vielen Dank.« In den grauen Augen der älteren Frau standen Tränen.

Cara spürte einen Kloß im Hals. Mit dem Geld konnten sie dieses Jahr noch mehr Leben retten. Wow! Zur Starry Paws-Gala war sie schon in früheren Jahren eingeladen gewesen, hatte sich den Eintritt aber nie leisten können. Smoking und Abendkleid waren bei dieser wichtigen Benefiz-Veranstaltung zugunsten des Tierschutzes Pflicht. Immer noch lächelnd ging sie schwungvoll auf den Parkplatz zu, wo ihr kleines blaues Auto wartete.

Margos Foto – ihr Foto von Margo – auf der Titelseite der Verbandszeitschrift!

Wie in Trance fuhr sie zur Hopeful Kids Preschool an der Magnolia Street. Dylans Familie bezahlte ihr auch die Stunden, die er im Kindergarten verbrachte. Sie hatte quasi Bereitschaft für den Fall, dass irgendetwas passierte. Das ermöglichte es ihr, in dieser Zeit als Ehrenamtliche im Tierheim auszuhelfen, solange sie ihr Handy in Reichweite behielt, falls ein Anruf kam.

Sie hätte keine bessere Familie als Arbeitgeber finden können. Seit Dylan acht Wochen alt war, war sie sein Kindermädchen. Mit ihr war er die ersten Schritte gelaufen, sie hatte seine Windeln gewechselt und seine Wehwehchen gesund geküsst. Sie würde sich um ihn kümmern, bis er in die Grundschule kam.

Sie trat in das Gebäude, meldete ihn am Computer im Foyer ab und ging zu der mit Affen geschmückten Holztür zum Gruppenraum der Kinder. Die Erzieherin, Miss Angela, lächelte, als sie Cara erblickte, dann schickte sie ihren blonden Schützling zu ihr.

Dylan schaute hoch, die rosafarbenen Wangen zu einem überbreiten Grinsen verzogen.

»Cawa, Cawa!« Er rannte auf Cara zu, stolperte über seine eigenen Füße und landete schwungvoll auf dem bunten Teppich. Unbeeindruckt rappelte er sich wieder auf und lief weiter. »Schau, blauer Hund!«

Er hielt ein Bild hoch, in dessen Mitte ein großer blauer Klecks zu sehen war. Dylan strahlte vor Stolz.

»Wow, Dylan, das ist ja großartig. Ist das für Mommy und Daddy?« Cara kniete sich hin, um die Zeichnung besser betrachten zu können.

»M-mmh. Kuhlrank.«

»Genau. Wir fahren nach Hause und legen es auf den Kühlschrank, damit Mommy es gleich sieht, wenn sie kommt. Bist du so weit?«

Er nickte. Cara strich ihm eine Locke aus den Augen und stand auf.

»Bis Mittwoch!«, rief ihnen die Erzieherin nach. Dylan winkte ihr zu und folgte anschließend Cara durch das Foyer zum Parkplatz, wobei er ständig in einer Sprache vor sich hin brabbelte, die Cara, wäre sie nicht schon so lange sein Kindermädchen, jedenfalls nicht für Englisch gehalten hätte.

Sie verbrachte mit dem kleinen Jungen einen fröhlichen Nachmittag, ehe sie nach Hause fuhr. Ihr Plan für den Abend sah vor, dass sie sich erst eine Pizza warm machte und danach die Fotos vom Vormittag bearbeitete. Ach – und sie musste ihre Mutter anrufen. Diese hatte gestern und heute Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen und brachte es glatt fertig, unangekündigt vor Caras Wohnung aufzutauchen, wenn ihre Tochter nicht bald zurückrief.