Kelpieblut - Sally Ressler - E-Book

Kelpieblut E-Book

Sally Ressler

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Beschreibung

Cailen ist ein Kelpie, ein Monster der Flüsse. Dochals sein Freund nicht von der Jagd zurückkehrt, muss er die Sicherheit des Wassers verlassen. Er wechselt die Gestalt und folgt den Spuren seines Freundes in das Reich der Menschen. Während er versucht, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, gerät er zwischen die Fronten eines Krieges. Widerwillig muss er sich einem Krieger anschließen, um seine Suche fortsetzen zu können. Cailen wird gezwungen, seine alten Vorurteile zu überdenken. Um seinen Freund zu finden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als dem Menschen zu vertrauen. Doch ein Geheimnis darf er nicht teilen, denn wenn seine wahre Gestalt offenbart wird, ist sein Leben in Gefahr.

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Kelpieblut

Sally Ressler

Impressum

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2025

ISBN:

Lektorat/ Korrektorat: Chris Schilling

Covergestaltung: Hermann Schladt

Verlagsportal: www.novobooks.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig

Kapitel 1

Wassertropfen glitzerten in der Nachmittagssonne. Einen Moment lang hingen sie scheinbar schwerelos in der Luft, doch kurz darauf fielen sie wieder zurück in den Fluss. Es bildete sich ein feiner Nebel und das Wasser trieb weiter stromabwärts. Wenig später sprang es erneut nach oben und klatschte gegen kalten Stein. Tropfen rannen hinab und hinterließen dunkle Spuren. Die Steine waren rau, von Menschenhand zu Blöcken geschlagen, doch inzwischen von der Natur zurückerobert. Die alte Brücke war bereits vor vielen Jahren während der Herbststürme zusammengebrochen. Grüne Algen zeugten davon, dass seitdem keine Menschenhand sich an ihnen zu schaffen gemacht hatte.

Das Wasser, verwirbelt durch die Brücke, floss weiter. Kaum sichtbar teilte es sich. Kaum sichtbar und doch unnatürlich. Etwas bewegte sich unter der Oberfläche. Brauner Schlamm hatte das Wasser dunkel gefärbt und machte es unmöglich, in die Tiefe zu blicken. Binsen trieben nach oben, tanzten im Wasser und wurden doch nicht davongetragen. Den Binsen folgten Ohren, spitz und in alle Richtungen zuckend.

In der Ferne wurde das Klappern von Pferdehufen lauter. Die Ohren schnellten herum, richteten sich auf das neue Geräusch aus. Ein Kopf erhob sich langsam aus dem Wasser, noch halb verdeckt von den Binsen. Leere Augenhöhlen fixierten das Flussufer, genauer den Beginn der zerstörten Brücke. Das Hufgetrappel verstummte.

"Sie haben die Brücken wirklich verfallen lassen." Es war eine Männerstimme. Sie klang genervt.

"Ich habe es dir doch gesagt." Die Stimme war weiblich.

Der Schlamm schmatzte, als der Mann von seinem Pferd stieg. Er machte einen weiteren Schritt und die Absätze seiner metallverstärkten Stiefel knallten auf harten Stein.

"Lass es uns weiter südlich versuchen." Die Frau war nicht abgestiegen, hatte dem Klang ihrer Stimme nach ihr Pferd sogar gewendet.

Der Mann gab keine Antwort, lief Schritt für Schritt auf den Rand des Flusses zu. Das Wasser schien ruhig. Lediglich der aufmerksame Beobachter konnte kleine Wellen sehen, die über die Wasseroberfläche flussaufwärts liefen.

Das Wesen kam näher. Der pferdeähnliche Kopf hob sich noch ein Stück weiter aus dem Wasser und entblößte zwei Reihen weißer Zähne, breit wie Pflastersteine hinten und spitz wie Messer vorne. Der Mann am Wasser sank auf ein Knie. Eine Hand legte er auf den kalten Stein, die andere ruhte auf dem Schwertgriff an seiner Hüfte. Das Wesen im Wasser legte die Ohren an. Ganz langsam öffnete sich das Maul, Wasser strömte hinein und erzeugte einen kaum sichtbaren Strudel. Der Mann beugte sich nach vorne.

"Komm endlich." Es war die Frau, inzwischen schon einige Meter entfernt.

Der Mann richtete sich auf und seine Hand rutschte vom Schwertgriff. Als er sich umwandte, schlugen die Zähne im Wasser knirschend aufeinander. Der Mann hörte es nicht und ohne einen Blick zurück, schwang er sich auf den Rücken seines Pferdes.

Während die beiden Reiter sich vom Flussufer entfernten, tauchte der Körper des Wesens vollständig aus dem Wasser auf. Tropfen perlten von dem schwarzen Fell ab, als es die Vorderhufe das Ufer hinaufschob und den Oberkörper aus dem Fluss hievte. Man hätte es für ein übergroßes, stark verunstaltetes Pferd halten können, wäre da nicht der Fischschwanz, der durch das Wasser peitschte.

Es war ein Kelpie, der vor langer Zeit den Namen Cailen bekommen hatte. Wasser lief aus seinem Maul, während die leeren Augenhöhlen auf die immer kleiner werdenden Reiter fixiert waren. Erst als sie am Horizont verschwanden, bäumte sich der Kelpie auf und schlug mit seinem Schwanz auf die Wasseroberfläche. Eine Fontäne spritzte in die Höhe und benetzte die Überreste der alten Brücke vollständig mit Wasser.

Mit einem Knurren, das wie Donnergrollen über die Ebene fegte, ließ sich Cailen zurück in die Strömung sinken. Der Fluss umarmte ihn wie einen alten Freund, und Cailen atmete tief ein.

Schlamm und Wasser drangen in seine Nase. Am Grunde des Flusses schimmerten die Überreste von Knochen. Als Cailen über sie hinweg glitt, spürte er die Splitter an seinem Bauchfell, als wollten sie eine späte Rache ausüben. Aber der Fluss hatte sie rund geschliffen und mehr als ihn kitzeln konnten sie nicht. Ein Fisch schwamm an seiner Nase vorbei und Cailen konnte das warme Blut riechen. Die Fische wussten, dass ein Kelpie, der nicht komplett verzweifelt war, niemals Fisch fressen würde. Weitere Fische passierten Cailen, nur wenige Huflängen entfernt. Er war jedoch inzwischen verzweifelt genug. Knurrend schnappte er nach dem nächsten Fisch, aber als seine Zähne aufeinander krachten, befand sich nur Wasser zwischen ihnen. Die Strömung hatte sich beschleunigt und trieb die Fische aus seiner Reichweite. Der Fluss liebte alle Geschöpfe als seine Kinder gleich viel. Seinen Hunger unterdrückend, wandte sich Cailen an das Wasser.

"Zurück zu Torin", murmelte er. Heute würde kein Reisender mehr vorbeikommen. Eine Flutwelle rollte über den Gewässerboden und zog Cailen mit sich flussaufwärts. Vielleicht war Torin erfolgreicher bei der Jagd gewesen. Bei dem Gedanken an eine frische Mahlzeit stahl sich ein Grinsen auf Cailens Gesicht.

Die Reise im Wasser dauerte nicht lange, und kurze Zeit später kam die Strömung zum Erliegen. Am Gewässerboden stand ein weiterer Kelpie. Grüne Haare tanzten im Wasser auf und ab und leere Augenhöhlen starrten Cailen entgegen. Dieser schlug mit seinem Schwanz, bis seine Vorderhufe den Untergrund berührten. Sand wirbelte auf, während er versuchte, festen Halt zu bekommen. Der Fischschwanz wurde immer schwerer, teilte sich in zwei, und formte schließlich zwei Beine, die den vorderen glichen. Stumm standen die Kelpies sich gegenüber.

"Erfolglos?" Das Wort tanzte durch das Wasser, bis es an Cailens Ohren ankam.

Langsam neigte er den Kopf. "Zwei Reiter an der alten Brücke, aber sie haben nicht versucht, den Fluss zu überqueren."

Der andere Kelpie mit dem Namen Torin nickte. "Das Gleiche bei mir. Keine Wanderer, nicht einmal Angler am Ufer."

Cailens Magen bäumte sich auf, erinnerte ihn daran, dass es bereits mehrere Tage her war, dass er etwas gegessen hatte. An Torins angelegten Ohren konnte er erkennen, dass dieser die gleichen Gedanken hatte. Cailen trabte auf den anderen Kelpie zu und vergrub seine Nase in dem roten Nackenfell. Er spürte die Wärme und das Blut, das durch den Körper pulsierte.

"Lass uns schlafen und es morgen noch einmal versuchen", sagte er.

Torin gab keine Antwort. Stattdessen spürte Cailen eine Zunge, die über seine vom Wasser zerzausten Haare fuhr, bevor Torin einen Schritt zurück machte. Er wirkte ernst.

"Die Menschen sammeln sich weiter im Süden", sagte Torin.

Seufzend drehte sich Cailen im Kreis. „Ich weiß.“

Er sah zu, wie der Sand unter seinen Vorderhufen aufwirbelte, kurz im Wasser ausharrte und langsam wieder zurücksank. Mit einem zweiten Seufzer knickte er die Beine ein und ließ sich selbst zu Boden sinken. Das Wasser umspülte seinen Körper, seinen Kopf, als wolle es alle Sorgen hinfort reißen. Torin stand noch immer an Ort und Stelle, den Blick ausdruckslos nach vorne gerichtet. Als Cailen den Kopf hob, sahen sie sich kurz an, dann brach Torin den Kontakt.

"Ich werde nach Süden gehen", sagte er leise.

Cailen hatte das Gefühl, als würde eine eiskalte Welle über seinem Kopf zusammenbrechen. Schnell kam er wieder auf die Beine. "Auf keinen Fall! Dort sind zu viele Menschen auf einem Haufen. Es wäre Wahnsinn, dorthin zu gehen."

Torin betrachtete noch immer den Gewässerboden, machte keine Anstalten, Cailen anzuschauen.

Als er sprach, war seine Stimme jedoch fest. „Mag sein, aber es wäre auch Wahnsinn, hier zubleiben. Wir werden verhungern.“

Cailen trat auf seinen Freund zu, versuchte irgendwie seinen Blick einzufangen. „Wir werden nicht verhungern.“

Torin stieß sich vom Flussbett ab, bis er einige Meter über Cailen im Wasser stand. „Ich weiß, dass du nicht gehen willst, aber ich muss es tun. Solange wir im gleichen Element sind, werden wir einander fühlen.“

Cailen spürte, wie sich ein unsichtbares Band um sein Herz legte und aus einem Herzschlag zwei wurden. Er wandte sich ab und starrte in die Dunkelheit des Wassers. Über ihren Köpfen zogen sich die letzten Sonnenstrahlen zurück. Cailen spürte eine Berührung an seiner Flanke. Ob es der Trost des Wassers oder ein Abschiedsgruß Torins war, wollte er nicht wissen. Er konzentrierte sich auf den zweiten Herzschlag und spürte, wie die Entfernung größer und größer wurde, während sich Torin nach Süden entfernte.

Kapitel 2

Cailens Hufe sanken bei jedem Schritt mit einem schmatzenden Geräusch in den Matsch ein. Knurrend hob er ein Bein an, nur um dadurch die anderen drei noch tiefer in den Untergrund zu treiben. Links von ihm floss gurgelnd das Wasser, aber er selbst war von Luft umgeben und fühlte sich instabil und verletzlich.

Er beschloss, sich nicht weiterzubewegen und suchte mit Blicken den Ufersaum ab. Endlich sah er einen kleinen grünen Punkt inmitten des braunen Schlammes. Cailen atmete tief ein und der herbe Geruch der Heilpflanze fand den Weg in seine Nase. Zufrieden stapfte er darauf zu. Torin war noch nicht zurückgekehrt. Aber wenn er kam, ausgelaugt und frustriert von den breiten, stabilen Brücken und schlechten Jagdbedingungen im Süden, dann wäre Cailen da, um ihm zu helfen.

Cailen unterzog das Pflänzchen einer letzten Musterung. Er wollte sichergehen, dass es müde Muskeln entspannte und nicht etwa zu Magenkrämpfen führte.

Plötzlich hatte Cailen das Gefühl, als würde sein Herz aus seiner Brust gerissen werden. Er stieg auf die Hinterbeine, die Ohren eng an den Kopf angelegt, und stieß sich vom Boden ab. Seine Hufe rutschten auf dem Morast zur Seite und mehr stolpernd als springend rettete er sich ins Wasser.

Augenblicklich formte sich aus seinen Hinterbeinen ein Fischschwanz, während Cailen seine Vorderhufe in den Boden trieb. Als er ausatmete, stieg schwarzer Nebel auf und hüllte das Wasser in eine schützende Dunkelheit. Cailens Ohren zuckten umher, auf der Suche nach dem Angreifer, aber er hörte nur das gleichmäßige Rauschen der Strömung.

Es dauerte einen Moment, bis er bemerkte, dass sich keine Wunde an seinem Körper befand. Es war nicht sein eigener Schmerz, den er spürte. Nicht er war angegriffen worden, sondern Torin. Augenblicklich hörte Cailen auf, sich zu bewegen. Einen Atemzug lang strich das Wasser ungehindert über sein Fell, dann wusste er, wo Süden war. Noch während Cailen sich ausrichtete, schlug er mit seinem Schwanz auf und ab. Sofort beschleunigte sich die Strömung. Aber sie war immer noch langsam, zu langsam. Cailen klammerte sich an das unsichtbare Band, doch die Verbindung wurde schwächer und schwächer. Der zweite Herzschlag schien hinter einem dichten Nebel zu verschwinden.

Plötzlich kam die Strömung zum Erliegen. Statt ihn anzutreiben, richtete sich das Wasser gegen ihn. Cailen spürte, wie es an seiner Mähne zerrte und in Nase und Maul drang. Frustriert schlug er mit dem Schwanz, schrie dem Fluss zu, dass er Torin erreichen musste. Doch der Fluss hörte nicht zu. Eine kaum wahrnehmbare Bewegung ließ Cailen innehalten. Etwas trieb neben ihm im Wasser. Er wirbelte herum und grub seine Zähne hinein. Es war nicht breiter als ein Aal, aber fest und faserig. Es war ein Strick und als Cailen mit der Zunge über die raue Oberfläche fuhr, schmeckte er Mensch.

Aber da war noch etwas, etwas anderes. Wie in Zeitlupe öffnete Cailen das Maul und der Strick wurde vom Wasser weiter getragen. Cailens Blick war am Seegras nahe dem Ufer hängen geblieben. Es wog sich in der Strömung hin und her, scheinbar frei von allen Sorgen. Doch heute war das leuchtende Grün getrübt. Dunkle Schlieren hatten sich in den feinen Ästen verfangen. Dunkel und dickflüssig, das Blut eines Kelpie. Jemand hatte Torin gefangen. Cailen durchbrach mit dem Kopf die Wasseroberfläche, die Zähne entblößt. Tief in seinem Inneren wusste er bereits, dass er zu spät kam. Die Vegetation am Ufer war platt getreten und kein Feind war mehr zu sehen. Cailen presste seine Vorderhufe in den Uferschlamm. Die Schnauze stieß er in das feuchte Gras auf der Suche nach einem Geruch, irgendeinem Geruch. Doch entweder hatte der Wind die letzten Spuren bereits davongetragen, oder... Cailen schob sich weiter aus dem Fluss, um die Vegetation besser betrachten zu können. Keine Fußspuren, keine Hufspuren, alles war gleichmäßig zur Seite geknickt worden. Dies waren die Spuren eines Bootes. Mit einem Knurren stieß sich Cailen vom Ufer ab.

"Finde sie", sagte er.

Wenn die Wilderer dachten, sie könnten in Booten entkommen, hatten sie sich geirrt. Das Wasser säuselte ihm zu, bereit für eine Jagd. Cailen legte seine Ohren an und schlug mit dem Schwanz. Weit konnten sie noch nicht gekommen sein. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Schatten an der Wasseroberfläche auftauchten. Sie blockierten die Sonne und zwangen das Wasser, seine Richtung zu ändern.

Es waren große Schatten, gleichmäßig geformt, ohne einen Makel und so weit von der Natur entfernt, wie es nur der Mensch möglich machte. Die Strömung um Cailen herum kam zum Stillstand. Er wartete, bis das letzte Boot über seinem Kopf vorübergezogen war. Dann schoss er nach oben. Als Cailen die Wasseroberfläche durchbrach, sah er die drei Boote vor sich aufgereiht. Die Menschen starrten stur nach vorne, hatten das herannahende Unheil noch nicht bemerkt. Cailens Vorderhufe zertrümmerten den Rand des Bootes vor ihm. Holzsplitter flogen in alle Richtungen.

Mit einem lauten Knurren schnappte er nach dem ersten Menschen. Seine Zähne schlugen auf Metall und er hörte das Knirschen von Knochen. Noch bevor irgendjemand reagieren konnte, hatte Cailen den Menschen unter die Wasseroberfläche gezerrt. Wie ein schwerer Klumpen lag er in seinem Maul. Cailen hörte das gurgelnde Geräusch des Ertrinkens und die gedämpften Schreie über der Wasseroberfläche.

Mit Genugtuung presste er den Oberkiefer auf den Unterkiefer. Weiteres Knirschen, aber der Geschmack von Blut blieb aus. Kreisend bewegte Cailen seinen Kiefer hin und her, doch die Zähne schabten lediglich über die metallene Rüstung, ohne sie zu durchdringen. Ein Stück Metall verfing sich zwischen seinen Zähnen. Angewidert öffnete Cailen das Maul und sah zu, wie der Mensch durch sein eigenes Gewicht nach unten gezogen wurde.

Die Arme und Beine des Menschen zuckten noch, aber Cailen überließ es dem Wasser, die Aufgabe zu Ende zu führen. Er musste sich um etwas anderes kümmern.

Cailen richtete seinen Blick wieder nach oben. Die Ruder waren inzwischen aus dem Wasser gezogen worden, sodass die Boote der Strömung hilflos ausgeliefert waren. Cailen drehte sich im Kreis und schickte den ersten zwei Booten mit einem Schlag seiner Schwanzflosse eine Flutwelle entgegen. Als die Welle gegen die Unterseite schlug und die Boote zum Schwanken brachte, schoss er vor dem letzten Boot erneut aus dem Wasser heraus.

Die Vorderhufe landeten auf den Überresten des Bootrandes, aber als Cailen den Hals reckte, um den nächsten Menschen zu greifen, zuckte er zurück. Ein heißer Schmerz schoss durch seine Nase. Blut verklebte seine Nüstern und blockierte seinen Geruchssinn. Doch Cailen musste nicht riechen, um den Krieger mit der blutverschmierten Lanzenspitze zu erkennen. Die selbstbewusste Haltung des Menschen sank in sich zusammen, als Cailen den Helm ergriff und ihn kopfüber ins Wasser zerrte.

Cailen sah, wie der Krieger nach seinem Schwert griff, aber aufgrund des erhöhten Widerstands durch das Wasser waren seine Bewegungen unkoordiniert und zu langsam. In diesem Moment durchzuckte ein weiterer Schmerz Cailens Körper. Knurrend presste er die Zähne zusammen und wirbelte, den Menschen immer noch im Maul, herum. Eine zweite Lanzenspitze hatte sich in seinen Hinterleib gebohrt. Dann durchbrach noch ein Speer die Wasseroberfläche, und noch einer und noch einer. Cailen tauchte ab und spuckte den Menschen dem Flussgrund entgegen. Geschmeidig drehte er sich um sich selbst und ließ seine Schwanzflosse von unten gegen das Boot donnern. Holz zerbrach mit einem dumpfen Knirschen und mit Genugtuung hörte Cailen die Schreie der Menschen, als diese ins Wasser eintauchten und der blecherne Kokon, der einmal ihre Rüstung dargestellt hatte, sich in ein nasses Grab verwandelte. Er ignorierte die Krieger, die wild um sich traten, und steuerte die Überreste des Bootes an. Er schoss aus dem Wasser und sah sich zwanzig Pfeilspitzen gegenüber. Schnell warf er sich zur Seite. In einer großen Fontäne landete sein Körper auf der Wasseroberfläche, aber die Pfeile waren zu schnell und das Wasser bremste sie zu wenig. Ein Pfeil sauste knapp an seinem Ohr vorbei, ein weiterer bohrte sich in seinen Hals, dann in seinen Rücken. Cailen kam wenige Meter unter der Wasseroberfläche zum Stillstand. Das Wasser war dunkel, nicht durch Magie, sondern gefärbt von schwarzen Schlieren. Es war Blut, sein eigenes Blut. Menschen trieben unter ihm, verzweifelt paddelnd, aber das Wasser um sie herum war klar. Es waren nicht sie, die bluteten.

Kapitel 3