Kerl sein. -  - E-Book

Kerl sein. E-Book

4,8

Beschreibung

Ein "echter" Kerl sein - wohl eine der häufigsten Erwartungen, mit denen sich Jungen konfrontiert sehen. Und sicherlich auch eine Wunschvorstellung bei vielen von ihnen. Bloß: Was ist überhaupt ein Kerl, ein "echter" zumal? Ein cooler Checker, der weiß, wo's langgeht? Ein kerniger Typ, der Eier hat? Einer, der kräftig austeilen, aber auch ordentlich einstecken kann? Jemand, der sich durchsetzt - wenn's sein muss: um jeden Preis? Oder verhält es sich ganz anders? Muss man(n) ein Frauenversteher sein? Sind Gefühl und Härte gefragt? Jugendszenen halten Angebote, manchmal auch Kopiervorlagen für Männlichkeitsvorstellungen und -praxen bereit. Straßenkulturen, rechte Szenen, Autonome , aber auch Emos, Transgender und weitere Jugend- und Populärkulturen bieten Antworten auf Fragen wie die oben genannten. In welcher Gestalt sie dies jeweils tun und für wen sie Attraktivität entfalten, beschreiben und analysieren die Beiträge dieses Buches.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 446

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
14
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



KERL SEIN.

Originalausgabe

© 2014 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin;

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage Juni 2014

E-Books, Privatkunden und Mailorder:

www.shop.jugendkulturen.de

Layout: Marcel Mendler

Umschlaggestaltung: Maximilian Bornmann und

Dorothée Schwartzmann, sehen und ernten e. V

www.sehenundernten.org

Lektorat: Helen Bauerfeind

ISBN:

978-3-943774-36-8 print

978-3-943774-37-5 pdf

978-3-943774-38-2 epub

Unsere Bücher kann man auch abonnieren:

www.shop.jugendkulturen.de

Klaus Farin, Kurt Möller (Hrsg.):

KERL SEIN.

KULTURELLE SZENEN UND PRAKTIKEN VON JUNGEN.

Inhalt

1EINFÜHRUNG

Lothar Böhnisch

Cliquen machen Männer.

Jungen im Kontext von Cliquen und Jugend(sub)kulturen

2IN THE GHETTO?

Klaus Farin

Straßenkultur

Matze Jung, Christian Schmidt

„Nur ein Junge von der Straße“:

Männlichkeiten in der HipHop-Kultur

3NUR SPORT?

Florian Neuscheler

„Ultras! No Fans“:

Mannhaftigkeit in der Ultraszene

Renato Liermann

Männliche Körperkulturen:

Bodybuilding und Fitness

4WELCHE SEXUALITÄT?

Jörg Nitschke

Jugend und Pornografie:

Herausforderungen für die sexualpädagogische Arbeit mit Jungen

Jonathan-Rafael Balling, Marco Kammholz, Jakob Reineke

Männlichkeiten jenseits der Norm:

Von Tunten, Dragkingz, Butches und trans*

5NIX ALS GEWALT?

Claus-Dieter Schulz, Uwe Wendt, Sabine Lohmüller

WoW, Star Wars & Co

— elektronische Spielkulturen

Thomas Mücke

„Verantwortung übernehmen — Abschied von Hass und Gewalt“:

Coaching für ideologisierte jugendliche Gewaltstraftäter

6POLITIK ODER MEHR?

Sebastian Haunss

Wie male ich einen Autonomen?

Männlichkeitsbilder auf Plakaten der autonomen Bewegung

Nils Schuhmacher

Zwischen „Toughness“ und „Bodywork“:

Inszenierungen von rechten Männlichkeiten

7MULTIKULTI?

Götz Nordbruch

Jungskulturen junger Muslime:

Zwischen Koran und Alltagserfahrungen

Steffen Zdun

Kulturelle Praktiken männlicher Russlanddeutscher

8SCHWUL, BI, ANDROGYN?

Jörg Freitag, Ralf Mahlich

Wie männlich sind Clubkultur und Partyszene?

Peter Rüttgers

Emos:

Dünne Jungs in Mädchenhosen?

Marcel Eulenbach, Dominik Wagner

Visual Kei, Manga, Anime und Cosplay:

Japanische Populärkultur in Deutschland und ihre Rezeption durch Jungen und junge Männer

9NUR FUN?

Philipp Lorig

Drogenfrei, aber Mann dabei

— Straight Edge zwischen Selbstermächtigung und Remaskulinisierung

Cord Dette

„nothing but a beatdown”

Von echten Kerlen, ganz viel Härte und dem Versuch, sich als Mann zu finden

10UND DIE BILANZ?

Kurt Möller

Jugendkulturen als Jungenkulturen

Zentrale Kennzeichen und Entwicklungen

Anmerkungen

1

EINFÜHRUNG

Lothar Böhnisch

CLIQUEN MACHEN MÄNNER.

JUNGEN IM KONTEXT VON CLIQUEN UND JUGEND(SUB)KULTUREN

Gleichaltrigengruppen — Peers — sind aus psychoanalytischer, soziologischer und pädagogischer Gesamtsicht alterstypische Medien der Regulation, mit denen Triebdynamik kanalisiert, soziale Differenzierung entwickelt, Rollen erprobt und Übergangssituationen bewältigt werden. In ihnen symbolisieren sich die Ablösung von der Herkunftsfamilie (das Nicht-mehr) und der unstrukturierte und deshalb normdiffuse Übergang in das spätere Erwachsenenalter (das von sich weggeschobene Noch-nicht) gleichermaßen.1 In den Peers wird aber nicht nur Jugend ausgelebt, sondern auch — damit verbunden — Geschlechtsidentität (weiter)entwickelt und inszeniert. Dies hat bei Jungen eine weitreichendere Bedeutung als bei Mädchen. Denn hier sind sie nach einer langen von Frauen dominierten und abhängigen Kindheitsperiode „endlich“ und nun kulturell selbständig „unter Männern“. Jungenfreundschaften über Cliquen sind nicht nur jugendkulturelle Experimentierräume, sondern auch Orte der Suche nach männlicher Identität.2

Die Dynamik von Idolisierung und Abwertung

Das Aufwachsen von Jungen in unserer Gesellschaft ist durch die Suche nach männlicher Geschlechtsidentität im Bindungs-/Ablösungsverhältnis zur Mutter und in dem — mit ihm konkurrierenden und zugleich suchenden — Verlangen nach dem „männlichen“ Vater (oder einer vergleichbaren männlichen Bezugsperson) bestimmt. Dies unterscheidet sie in der frühen kindlichen Phase von den Mädchen, die sich auf der Suche nach Geschlechtsidentität nicht von der Mutter lösen müssen und bei denen der Geschlechtskonflikt erst in der Pubertät in der Dramatik der Ablösung von der Mutter Gestalt gewinnt. Für den Jungen aber beginnt der Ablösungsprozess von der Mutter schon im frühkindlichen Alter von drei bis fünf Jahren zu einer Zeit, in der sich das autobiografische Gedächtnis entwickelt hat und der Junge erkennen kann, dass er körperlich nicht der Mutter, sondern dem Vater oder anderen männlichen Bezugspersonen gleicht. Für den Jungen ist es aber meist schwer, über den Vater — oder eine ähnlich nahe männliche Bezugsperson — die Alltagsidentifikation zu bekommen, die er braucht, um in ein ganzheitliches, Stärken und Schwächen gleichermaßen verkörperndes Mann-Sein hineinwachsen zu können. Die Väter sind ja meist unter der Woche außer Haus. Die alltägliche Beziehungsarbeit obliegt so der Mutter, die sich dem Jungen in ihren Stärken und Schwächen zeigt. Die Schwächen des Vaters und seine alltäglichen Nöte des Mannseins, des Ausgesetzt-Seins und der Verletzungen im Beruf werden dagegen für den Jungen kaum sichtbar. Das heißt nicht, dass die Väter nicht engagiert sind. Aber die meisten sind nur am Wochenende verfügbar, und dann machen sie mit den Kindern „etwas los“; der Vater bringt die Events. So wird auch in unseren Vorstudien zur repräsentativen Südtiroler Männerstudie deutlich, dass der Großteil der Väter zeitlich enorm an die Arbeit gebunden ist und dass sie es oft bedauern, z. B. keine längere Elternzeit nehmen zu können. Der Junge erhält aufgrund dessen oft ein einseitiges Vaterbild, das durch die ’starken’ Männerbilder, die er mit zunehmendem Alter über die Medien wahrnimmt, noch verfestigt wird. Dies führt bei ihm zwangsläufig zur Idolisierung des Mannseins und zur Abwertung des Gefühlsmäßigen, Schwachen, „Weiblichen“, da er ja die eigenen weiblichen Gefühlsanteile, die er seit der frühkindlichen Verschmelzung mit der Mutter in sich trägt, immer weniger ausleben kann. Neuere Väterstudien zeigen zwar, dass sich eine höhere Beziehungsund damit alltägliche Vorbildqualität entwickelt, wenn Väter zeitlich und emotional intensiver in der familialen Sphäre der Söhne auftauchen. Freilich hat sich dabei noch nicht viel Grundlegendes an der Struktur väterlicher Familienarbeit geändert. Dazu bräuchte es auch gesellschaftliche Vorgaben der Anerkennung und Förderung männlicher Hausarbeit. Gerade die Feminisierung der Erwerbsarbeit lässt in diesem Zusammenhang ambivalente Folgen erwarten. Indem das Normalarbeitsverhältnis erodiert, prekäre Arbeitsverhältnisse auch die Männer stärker erreichen, werden sich viele erst an die traditionelle Erwerbsarbeit klammern, wenn die alternativen Bereiche der Hausarbeit keine anerkannte Männerrolle versprechen. Deshalb ist es schon in der Kindheit für den Jungen wichtig, eine Mutter zu erleben, die sowohl dem Vater als auch dem Jungen gegenüber anerkannte Selbständigkeit über die Familie hinaus verkörpert und damit signalisiert, dass sie dem Jungen auch soziale Rollenbilder anbieten kann. Ist die Mutter dagegen eher abhängig und von daher mit schwachem Selbstwertgefühl ausgestattet, kann sich bei ihr die unbewusste Tendenz verstärken, den Sohn als männlich stark erleben zu wollen. Die Mutter bleibt also weiterhin eine zentrale Figur im Prozess der Entwicklung von Männlichkeit. Gleichzeitig hängt es aber vor allem vom Vater bzw. der vom Jungen gesuchten männlichen Bezugsperson ab, inwieweit er sich gegenüber dem Jungen so öffnen kann, dass dieser erfährt und spürt, dass zum Mannwerden nicht nur Inszenierung von Stärke, sondern auch Erleben und Durchleben von Schwächen gehören.

Wie sich im Kindesalter das Mannwerden je unterschiedlich biografisch entwickelt, hängt aber nicht nur von der jeweiligen Mutter-Vater-Konstellation ab, sondern auch von den ersten gesellschaftlichen Erfahrungen, die Jungen in ihrer Umwelt machen. Diese Erweiterung ist wichtig, da es ja keineswegs an den Eltern allein liegt, in welches Geschlechterrollenverhalten Kinder hineinwachsen, und manche Eltern sich wundern, warum ihre Kinder, trotz elterlicher Versuche einer geschlechtsemanzipativen Erziehung, traditionelle Geschlechterrollenstereotype übernehmen. Hier spielen die früh von den Kindern konsumierten Medien und deren Geschlechterbilder schon eine wichtige Rolle. Schließlich fällt ins Gewicht, dass die Jungen im Kindergarten und in der Grundschule kaum auf männliche Erzieher/Kindergärtner oder Lehrer treffen und somit auch wieder Vorbilder des Mannseins fehlen. Dies ist die Kehrseite des — hier nur bedingten — Vorteils, dass sie dort weibliche Zuwendung erfahren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!