Kindheit ist keine Krankheit - Michael Hauch - E-Book

Kindheit ist keine Krankheit E-Book

Michael Hauch

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Beschreibung

***Ein Kinderarzt gegen Therapiewahn*** Dr. med. Michael Hauch, Kinder- und Jugendarzt mit langjähriger Praxiserfahrung, schlägt Alarm: Fragwürdige Diagnosen stellen für unsere Kinder eine akute Gefahr dar. ›Entwicklungsverzögert‹, ›hyperaktiv‹, ›sprachgestört‹: Kinder werden heute schnell als ›auffällig‹ bezeichnet und in Therapie gesteckt. Kinderarzt Michael Hauch wehrt sich gegen Erzieher, Lehrer und Eltern, die ihn mit ihren laienhaften Diagnosen zum Rezeptautomaten degradieren. Aus langjähriger Praxis-Erfahrung weiß er: Therapien und Medikamente sind in den meisten Fällen überflüssig, sie können sogar nachhaltig schaden. Dagegen möchte er die Eltern stärken, ihren Kindern zu vertrauen und ihnen die Chance zu geben, sich nach ihrem eigenen Entwicklungsplan entfalten zu dürfen. ›Vor 20 Jahren vertrauten Erzieher, Lehrer, Eltern und auch Ärzte noch darauf, dass jedes Kind sein eignes Tempo hatte. Heute gibt es von allen Seiten einen enormen Druck, wenn sich ein Kind nicht genau nach Schema entwickelt. Lassen Sie sich nicht verunsichern, sondern erfahren Sie, was für die Entwicklung Ihres Kindes wirklich wichtig ist.‹ Ein aufrüttelndes Plädoyer für eine glückliche Kindheit. Ein Buch für starke Eltern und eine vertrauensvolle Erziehung.

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Seitenzahl: 354

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Regine Hauch | Michael Hauch

Kindheit ist keine Krankheit

Wie wir unsere Kinder mit Tests und Therapien zu Patienten machen

FISCHER E-Books

Inhalt

Vorwort1 Ein ganz normaler Praxistag2 Von Masern zu Neuen MorbiditätenEpidemische HerausforderungenDie KIGGS-Studie3 Warum es schwerer geworden ist, Eltern zu seinFamilien als kleine WirtschaftsunternehmenBin ich eine gute Mutter?Abschied vom »Dorf«Balance und Ausgleich gibt’s nur im JoghurtHandystressFehlende LeichtigkeitVom Röcheln, Googeln und von Großmüttern»Irgendwas stimmt da nicht!«Hilfe, es schreit!Kinder verstehen ist ÜbungssacheBeziehungsaufbau4 Warum es schwerer geworden ist, ein Kind zu seinFürsorgliche BewachungAlles ist gefährlichHeilsame LangeweileProjekt KindDas zugeschüttete KindDigitale Medien als BabysitterKleine Sofakartoffeln»Sag mir, wo Du wohnst und ich sag Dir, was Du wiegst.«5 Im Kindergarten und in der Schule – zwischen Erwartung und WirklichkeitFrühkindliche Bildung – und am Ende Therapie?Kitas und Schulen müssen mehr leisten als früherTalentschuppen KitaWeniger ist mehrSelektionsmaschine GrundschuleSchneller lernenLeistungsdruck schon in den ersten KlassenWie die Lust am Lernen verfliegt6 Das muss Ihr Kind können – muss es wirklich?Kinder sind keine TreibhaustomatenJedes Kind folgt seinem eigenen EntwicklungsplanKein Kind wie das andere – Inter-individuelle Unterschiede in der EntwicklungSprache sehr gut, Turnen mangelhaftAuf die Qualität kommt es an7 Jungen – Eine Klasse für sichJungen sind anders …AktiverFurchtloserLangsamerJungen spielen anders… Mädchen aber auchSchule ist nichts für JungenWie Eltern, Kita und Schule helfen könnten8 TestsWer testet die Tests?Zu altGrobes RasterTunnelblickKein Test für die TestsIs my Baby all right?Sprachtest oder Stresstest»Zu Hause kannst du das doch immer!«Tester sind auch nur MenschenFehlerquelle AuswertungTests haben Nebenwirkungen9 Viel oder wenig – ADHS ist Dimensions- und DefinitionssacheZu wenig BewegungMaikinderSchnelle DiagnoseFalsche Behandlung10 Das GiesskannenprinzipStatistiken der Krankenkassen: Löchrig wie SchwämmeTherapien für GesundeFünf Milliarden sind kein PappenstielHuhn oder Ei?11 Von Therapien und KontrollenKeine Pferde und DelphineDer ICD – die Eintrittskarte ins GesundheitssystemWarum aus einer leichten Störung schnell eine schwere wirdWas Therapien mit dem Arzteinkommen zu tun habenGrenzen und Regresse12 Warum es so schwer ist, Nein zu Therapien zu sagenDie Kunst der Medizin: So viel NICHTS tun wie möglichDie Angst vor dem BehandlungsfehlerTherapeuten am Tropf der ÄrzteDer verbaute Weg in die PädagogikIrgendwie will ich doch helfen13 Wem helfen Therapien?Blackbox TherapieKein Beweis für Nutzen und NachhaltigkeitWarum dennoch Therapie?Ohne Eltern geht es nichtLob der PauseWas nicht ist, kann durch Therapien nicht werdenGute Therapien sind BeziehungstherapienEltern-Kind-BeziehungKind-Therapeuten-BeziehungDas Märchen vom VersäumenWie der Markt einmal mit dem Mythos vom Versäumen aufräumte14 Wenn Therapien schadenWenn Hilfe aus einem kleinen Problem ein großes macht»Das muss jetzt sein!« – Eltern-Kind-Beziehung unter der TherapieWie Therapien die Eltern-Kind-Beziehung ändernNicht jede Therapie ist richtigAus der Praxis ins www15 Wann ist Therapie sinnvoll?Wem hilft Logopädie – Und wem nicht?»Das Kind spricht nicht!«Das Kind kann sich nicht mit anderen verständigenDas Kind kann sprechen, tut es aber nichtDas Kind lispeltWie Eltern die Sprachentwicklung fördern und die Therapie unterstützen könnenWem hilft Ergotherapie – und wem nicht?Im Vorschul- und GrundschulalterWann ist Ergotherapie nicht sinnvoll?Wem hilft Physiotherapie? – Und wem nicht?Im SäuglingsalterMit zwei JahrenAb dem späten Kitaalter und im Grundschulalter16 Wie lernt ein Kind?Lernen beginnt schon vor der GeburtBewegen lernenLicht und TöneGehirnentwicklung: Das Wegenetz im KopfJede Menge los im GehirnNeugier macht highSchauen, entdecken, Erfahrungen machenNeues just in timeÜben ist der SchlüsselKann jedes Kind Abitur machen?Was Kindern hilft zu lernenDen Weg frei machen, aber nicht planierenWeniger ist mehrVon Menschen lernenVon Dingen lernen»Was, wo, wer, warum?«Durch eigene Erfahrungen Selbstorganisation lernen17 Hausaufgaben für alleWas können Kinder- und Jugendärzte tun?Aus- und Weiterbildung verbessernVorsorge optimierenMehr SpezialistenElternschulungenWas muss sich in den Kitas ändernViele Kinder, zu wenig ErzieherinnenWas Kinder in der Kita lernen solltenHausaufgaben für die GrundschuleBeobachten ist wichtigSich öffnen für das LebenWas können Therapeuten tun?GemeinsamKinder- und Jugendärzte gemeinsam mit LogopädenDas Kinderbulletin als WächterDie Versäulung der Hilfesysteme durchbrechenFrühe HilfenWas Eltern tun könnenWarum nichtperfekte Eltern die besseren Eltern sindDie Welt zeigenAn das Kind glaubenWichtig ist: jetzt!DanksagungLiteratur

Vorwort

Wenn Menschen Eltern werden, ändert sich fast ihr ganzes bisheriges Leben, vor allem ändern sich die Eltern selbst. Viele, die mit ihrem Kind kurz nach der Geburt zu den ersten Vorsorgeuntersuchungen in meine Praxis kommen, sagen mir staunend: »Wir hätten nie geglaubt, dass man einen Menschen so bedingungslos lieben kann.« Oft berichten sie aber auch im gleichen Atemzug von ihrer Erschöpfung, von Unsicherheit und Versagensangst.

Bedingungslose Liebe und riesengroßes Glück auf der einen Seite, Unsicherheit, Erschöpfung und Versagensangst auf der anderen Seite prägen meist auch die nächsten Jahre, in denen ich die Kinder und Eltern genauer kennenlerne.

Sie kommen zu Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, sie kommen, weil die Kinder Bauchschmerzen haben, die Nase läuft oder der Kopf weh tut, weil sie Fieber haben oder rote Flecken auf der Haut. Akute Probleme solcher Art sind meist schnell besprochen und geheilt.

Immer öfter kommen Eltern aber mit ganz anderen Sorgen. Ihr Kind könne – je nach Alter – noch nicht sitzen oder krabbeln, es habe Schwierigkeiten, Kontakt mit anderen Kindern aufzunehmen, es ziehe sich zurück, es sei aggressiv, es könne nicht richtig sprechen, es sei unkonzentriert, es sei ungeschickt, es halte beim Malen den Stift nicht richtig. »Das ist doch irgendwie nicht normal, da muss man doch was tun«, sagen die Eltern dann und fordern eine Therapieverordnung von mir: »Ich will ja nur, dass da mal jemand drauf guckt. Nicht, dass wir was versäumen.«

Eltern haben Angst, einen vermeintlichen Rückstand ihres Kindes nicht rechtzeitig zu bemerken oder nicht ernst genug zu nehmen. Sie fürchten dann, dass diese Fehlentwicklung das ganze Leben ihres Kindes negativ beeinflussen könnte. Chöre von Freundinnen, Erzieherinnen und Lehrerinnen verstärken diese Unsicherheit und Sorge.

»Wie?! Dein Kind kann seinen Kopf noch nicht heben? Das ist doch nicht normal!«

»Normalerweise können alle in dem Alter schon Zweiwortsätze sprechen.«

»Warum kann es denn noch immer nicht laufen?«

»Guck mal, wie es den Löffel hält! So verkrampft!«

Diese Liste könnte ich seitenweise fortsetzen.

Als mein Beitrag »Lasst die Kinder in Ruhe!« im Frühjahr 2014 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) erschien, bekam ich stapelweise Post. Eltern schrieben mir von ihren Erlebnissen in Spielgruppen, auf Spielplätzen, in Elterncafés, vor allem aber in Kitas und Grundschulen. Sie berichteten mir, wie andere Eltern, Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen ihre Kinder, die sie selbst völlig normal finden, als krank oder gestört bezeichneten und Katastrophenszenarien ausmalten, wenn nicht bald eine Therapie folgte. Es waren traurige und zornige Briefe. Bis heute kommen immer neue hinzu. Von Eltern und Großeltern, die mir von ihrer Verunsicherung durch übereifrige Pädagogen berichten, von Therapeuten, die klagen, wie schwer es ihnen falle, Kinder Stunde um Stunde, wochen- und monatelang zu therapieren und gleichzeitig zu wissen, dass die Therapie nichts bewirkt, weil zu Hause alles beim Alten bleibt. Ärzte schreiben mir, wie sehr es sie anstrenge, die verunsicherten Eltern zu beruhigen, ihnen die unnötigen Therapien auszureden und ihnen zu zeigen, wie sie ihre Kinder im Alltag fördern können. Wie oft sie schon erlebt haben, dass sich trotz langer Gespräche nichts in den Familien ändere, und wie sehr sie das frustriere. Einige schreiben, dass sie schon lange nicht mehr die Zeit und Energie haben, Eltern so zu beraten, dass sie Vertrauen in ihre Kinder fassen und sichere Bindungen zu ihnen aufbauen. Sie klagen, dass es im alltäglichen Praxisbetrieb schlicht zu teuer sei, stundenlang mit Eltern zu reden. Dann lieber eine Verordnung aufschreiben. Irgendetwas muss man ja auch tun, um den Familien zu helfen. Und schaden wird es schon nicht.

Aber was ist, wenn die angebliche oder vermeintliche Störung des Kindes keine wirkliche Störung ist?

Wenn die Therapie nichts bewirkt, weil sie das falsche Mittel ist? Wenn sie dem Kind nachhaltig signalisiert, dass es sich aus eigener Kraft nicht entwickeln kann?

Wenn Therapien also schaden?

Wenn wir aus gesunden Kindern kranke Kinder machen, weil wir nicht an unsere Kinder glauben – und auch nicht an uns selbst als gute Eltern?

Kindheit ist keine Krankheit. Viel zu wenig wird darüber nachgedacht, was die Folgen für die Familien sind, wenn Eltern beginnen, mit der Lupe nach Schwächen bei ihren Kindern zu suchen, wenn sie ihre Intuition, ihr Vertrauen in das Kind und ihre erzieherische Kompetenz verkümmern lassen, wenn pädagogische Probleme mit einer medizinischen Diagnose belegt werden und das Kind pathologisiert wird, wenn die Eltern die Verantwortung für ihr Kind an Spezialisten delegieren. Kaum jemand denkt darüber nach, was aus der Eltern-Kind-Beziehung wird, wenn Eltern und Kind Nachmittage lang mit dem Auto durch die Stadt kurven, um Therapeuten aufzusuchen, anstatt gemeinsam zu spielen oder zu lesen. Wenn dem Kind vor lauter Therapie- und Förderwut der Weg verbaut wird, altersgemäße eigene Erfahrungen zu machen, die es braucht, um sich nach seinem eigenen Entwicklungsplan entwickeln zu können.

Woher kommt überhaupt diese Angst der Eltern, dass ihr Kind nicht normal ist? Hat es etwas damit zu tun, dass Eltern ihr Kind heute als Projekt betrachten, das ihnen um jeden Preis gelingen muss? Ist die Beziehung zwischen Eltern und Kindern so gestört, dass Eltern die Sorge um ihr Kind lieber an Ärzte und Therapeuten delegieren, anstatt auf ihre eigene Intuition zu vertrauen, mit anderen Worten: ihrem Herzen zu folgen? Ist es der lange Arm der Arbeitgeber, der bis in die Familien, Kitas und Schulen reicht und dafür sorgt, dass Kinder für das Turbo-Abi und das Berufsleben möglichst früh optimiert werden – auch wenn dabei die Kindheit auf der Strecke bleibt?

Hat es etwas mit der utopischen Sicht auf Gesundheit zu tun? Vor vielen Jahren definierte die WHO Gesundheit einmal als »völliges körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden«. Ein solcher Zustand ist unerreichbar, das haben die WHO-Experten sicherlich gewusst. Aber wir tun bis heute so, als sei die Definition realistisch, als sei sie ein Ziel, das wir erreichen könnten. In Wirklichkeit war und ist diese Definition ein absurdes Heilsversprechen, das die Menschen unglücklich macht und sie in dem Glauben bestärkt, man müsse nur genug Vorbeugung und Therapie betreiben, um das utopische Ziel des völligen Wohlbefindens zu erreichen. »Selbst schuld«, wem dies nicht gelingt. Selbst schuld auch, wenn das Kind nicht so wird, wie man es sich einmal gewünscht hat, wie Kita und Schule es fordern und der Arbeitsmarkt es später braucht.

Erzieher, Lehrer, Therapeuten und Mediziner erarbeiten ständig neue Tests und diagnostische Verfahren, mit denen sie bei Kindern auch noch einzelne kleinste Defizite bemerken können. Jede noch so banale Auffälligkeit unserer Kinder sehen wir als riesengroßes Problem und machen daraus einen medizinischen Fall. Aus einem Mädchen, das mit zwei Jahren noch keine Zwei- oder Dreiwortsätze spricht und nicht mindestens fünfzig Wörter deutlich artikuliert, wird eine Patientin mit Sprachentwicklungsstörung, aus einem wilden Jungen, der im Kindergarten manchmal andere Kinder umrennt, wird ein Patient mit sensorischer Integrationsstörung oder späterer ADHS-Patient. Wer in der ersten Klasse nicht schnell genug mit Zahlen umgehen kann, hat eine Dyskalkulie. Wohlgemerkt: Sprachentwicklungsstörungen, ADHS, Dyskalkulie und viele andere Entwicklungsstörungen gibt es, aber nicht jedes Verhalten, das den geregelten Betrieb in der Kita, Schule oder auch zu Hause aufhält oder stört, ist eine therapiebedürftige Entwicklungsverzögerung oder -störung. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Aberkennung der Gesundheit bei eigentlich gesunden Kindern diesen selbst und ihren Eltern gleichermaßen schadet und den wirklich kranken und behinderten Kindern die Therapiemöglichkeiten nimmt; denn so eine Therapie kostet viel Geld – Geld, das im Gesundheitssystem an anderer Stelle weitaus sinnvoller eingesetzt werden könnte. Wir erleben also hier den tausendfachen Missbrauch von Kindern und den Missbrauch von Medizin.

Dieses Buch will nicht belehren. Ich habe es geschrieben, weil ich durch meine tägliche Arbeit als Kinder- und Jugendarzt sehe, dass etwas falsch läuft in unserem Gesundheitssystem, in Kitas, Schulen und auch in den Familien. Wir schaden unseren Kindern, wenn wir mit Hilfe des Gesundheitssystems versuchen, jede kleinste Eigenheit unserer Kinder wegzuhobeln, sie zu tunen wie Motoren – dies in der irrigen Annahme, dass sie damit den wachsenden Ansprüchen der Gesellschaft genügen. Das Gegenteil ist wahr. Wir stören damit ihren eigenen Entwicklungsplan.

Es ist Zeit, zu erkennen, wie haltlos der Glaube ist, einzig Therapien könnten helfen, die Entwicklung von Kindern zu begradigen und zu beschleunigen. Wir müssen beginnen, vom Kind her zu denken, zu überlegen, wie wir ihm helfen können, mit all seinen Außergewöhnlichkeiten ein erfülltes Leben zu leben. Wir müssen darüber nachdenken, was dafür wirklich wichtig ist. Wir werden dann erkennen, dass weniger mehr ist, dass wir gar nicht so viel erziehen müssen. Aber dazu braucht es Mut und Vertrauen. Zu uns selbst, zu unseren Kindern und zum Leben. Mit Mut und Vertrauen im Gepäck werden wir eine gelassenere und glücklichere Beziehung zu unseren Kindern finden und erkennen, dass Kindheit keine Krankheit ist.

1Ein ganz normaler Praxistag

Morgens um 10 Uhr in meiner Praxis. Seit zwei Stunden arbeiten wir. Das heißt, wir hätten gerne gearbeitet. Aber Julie und Melinda, die ersten beiden Patientinnen, die zur Vorsorge angemeldet waren, sind nicht erschienen. Familie S. mit Julie ohne eine Erklärung, Frau K., die Mutter von Melinda, rief fünf Minuten nach der vereinbarten Zeit an und berichtete, dass die vier Monate alte Melinda die ganze Nacht geschrien habe, nun sei Melinda eingeschlafen – endlich. Sie bringe es nicht über das Herz, Melinda jetzt zu wecken. Jetzt geht die Tür auf und Frau W. erscheint mit Anton.

Anton

Seit Antons Geburt vor zehn Monaten kommt Frau W. alle paar Tage in meine Praxis, weil sie sich Sorgen um Anton macht. Mal hat er einen kleinen Hautausschlag, mal eine verstopfte Nase oder ein bisschen Fieber. Vor allem aber schreit er. Anton schreit »andauernd«, »stundenlang«, und natürlich jeden Abend, bevor er einschläft und »während der Nacht fünf- bis sechsmal«.

»Der würde ja nicht so schreien, wenn er nichts hätte«, sagt Antons Mutter verzweifelt. Von anderen Müttern weiß Frau W., dass Antons Schreien »irgendwas Medizinisches« sein muss.

Als Anton ein paar Wochen alt war, vermutete Frau W. hinter Antons Schreien die berühmten Dreimonatskoliken. Würde das arme Kind sonst die Beine so krampfhaft an den Leib ziehen? Vor ein paar Monaten, da stillte sie Anton noch, glaubte Frau W. eine Verstopfung bei Anton feststellen zu können. Anton hatte nur alle zwei Tage Stuhlgang, einmal sogar eine ganze Woche lang gar nicht. Und dann presste er immer so kräftig beim Stuhlgang – der Beweis. Und dann die Milchallergie. Anton trank immer nur ganz kurz von der Brust, dann wendete er sich ab. Instinktiver Widerwille vor der allergieauslösenden Milch.

Beim nächsten Besuch in meiner Praxis kam Frau W. mit einer gänzlich neuen Vermutung. Antons Halswirbelsäule sei blockiert. Sie habe gehört, dass dies zu langandauernden Schreiattacken führen könnte, auch nachts. Gerade nachts.

Ich untersuche Anton jedes Mal und versuche Frau W. zu beruhigen.

Antons Halswirbelsäule war nicht blockiert. So wenig wie Anton Verstopfung, eine Muttermilchallergie oder Dreimonatskoliken hatte. Anton ist einfach nur wie alle Kinder in diesem Alter ein kleines Genie. Er kann Gedanken lesen. Er merkt, dass seine Mutter unsicher ist. Die Unsicherheit der Mutter verunsichert wiederum Anton. Er fühlt sich nicht geborgen. Deshalb schreit er. Und seine Mutter wird immer unsicherer. Sie wünscht sich nur noch, dass Anton einmal nicht mehr schreit. Dass er ruhig ist und schläft. Und dass er endlich auch die Mutter schlafen lässt.

Manche Babys schreien mehr als andere, sie reagieren empfindlicher als andere auf jede Irritation, sie haben noch nicht gelernt »abzuschalten« und begegnen der Reizüberflutung durch Schreien. Dies ist auch der Grund dafür, dass Babys an hektischen Tagen mehr schreien. Sie müssen erst lernen, sich selbst zu beruhigen. Regulationsstörung nennen das Experten. Kinder mit Regulationsstörungen sind weniger pflegeleicht als andere, sie brauchen einen besonders festen äußeren Rahmen mit festen Alltagsritualen und festen Schlafenszeiten und -gewohnheiten. Dann lernen sie mit der Zeit, sich sicher zu fühlen. Frau W. hat es inzwischen geschafft, Anton zu festen Zeiten ins Bett zu legen, immer mit den gleichen Abläufen, wie wir es besprochen haben.

In den letzten Wochen ist Antons Schreien seltener geworden. Vor allem nachts. Anton hat gelernt, seinen Schlaf so zu organisieren, dass er nicht mehr jede Nacht ein halbes Dutzend Mal aufwacht und schreit.

Heute geht es deshalb auch mal nicht um Antons Schreien. Frau W. hat eine andere Frage: Alle gleichaltrigen Kinder, die sie kennt, können schon sitzen oder krabbeln. Manche laufen sogar. Nur Anton nicht. Die Patentante rate dringend zu Krankengymnastik. Während Frau W. mit mir spricht, dreht sich Anton auf den Bauch und robbt über die Untersuchungsliege, um mein Stethoskop zu untersuchen. Dabei ist er wieselflink. Auf meine Frage hin versichert mir die Mutter, dass Anton sich sogar in den Stand ziehen kann, wenn er sich dabei an einem Stuhlbein oder seinem Kinderbettchen festhalten kann. Ich versuche Frau W. zu überzeugen, dass Anton völlig gesund ist, dass er bald krabbeln und laufen wird.

»Aber vielleicht ist eine Therapie doch besser, dann brauche ich ihn nicht den ganzen Tag herumzutragen, mir tut schon der Rücken weh«, wendet Frau W. ein.

»Dann tragen Sie ihn doch nicht herum. Legen Sie Anton auf eine Krabbeldecke. Sie werden staunen, wie schnell er dann krabbelt und läuft.«

Frau W. schüttelt den Kopf. »Nein, lieber das Rezept.« Sie habe schon mit der Krankengymnastin gesprochen, heute Nachmittag sei bereits die erste Sitzung.

Jakob

Als Nächstes betritt Frau T. mit Jakob die Praxis. Jakob ist dreieinhalb und geht seit einem halben Jahr in die Kita. Beim letzten Elternabend hat die Erzieherin Frau T. angesprochen: Jakob spreche zu wenig und zu undeutlich. Die Erzieherinnen könnten ihn nicht verstehen. Er brauche dringend Logopädie. Es gebe da eine Therapeutin, die habe schon mehreren Kindern in der Kita geholfen. Bitte schön, hier auch gleich ein Flyer der Praxis.

Frau T. ist verunsichert. Jakob spricht zwar tatsächlich nur wenig und undeutlich, aber er ist ein aufgeweckter Junge, der zu Hause gerne mit seinen Playmobil-Rittern spielt und sich vorlesen lässt. Auf dem Spielplatz und im Kindergarten hat er viele Freunde. Mit diesen Freunden kommuniziert er mühelos. Sie verstehen, was er mit seinen Gesten, mit seiner Mimik und den wenigen Lauten und Wörtern ausdrücken will. Frau T. berichtet, dass ihr Mann, Jakobs Vater, ebenfalls erst sehr spät sprechen gelernt habe. Frau T. will aber auch keinen Fehler machen, sie will auf keinen Fall, dass Jakob wegen Sprachschwierigkeiten den Anschluss an seine Altersgenossen verpasst und am Ende sogar noch in der Schule scheitert. Also vielleicht doch zur Sicherheit eine Therapie?

Ich untersuche Jakob noch einmal gründlich. Er hört gut.

»Jakob, zeigst du mir bitte mal ein Tier auf dieser Seite?«

Jakob zeigt im Wimmelbuch auf einen Hund.

»Siehst du auch Menschen auf der Seite?«

Jakobs Finger wandert zu der Figur neben dem Hund.

»Und eine Pflanze?«

Erwachsene können sich vielleicht nicht vorstellen, was Jakob gerade leistet. Er versteht meine Aufforderung und kann Kategorien bilden, also zwischen Mensch und Tier und Pflanze unterscheiden. Jakob weiß, dass ein Hund ein Tier ist, und er ordnet Blumen und Bäume dem Oberbegriff Pflanze zu.

Ich erkläre der Mutter, dass manche Kinder mit drei Jahren noch nicht oder nur sehr wenig sprechen. Sie sind sogenannte Late Talker, späte Sprecher. Sie verstehen viel, ihr passiver Wortschatz ist groß, aber ihr aktiver Wortschatz ist klein, sie sprechen in unvollständigen Sätzen. Aber sie kommunizieren. Late Talker wie Jakob wissen sehr gut, wie sie ihren Eltern, Geschwistern oder Freunden auch ohne Worte mitteilen, was sie bewegt, was sie haben möchten oder was sie nicht mögen. Sie horten Wörter, und eines Tages sprechen sie zur Überraschung der Erwachsenen. Geradezu explosionsartig vermehrt sich dann ihr aktiver Wortschatz, und sie sprechen die ersten verständlichen kurzen Sätze. Frau T. wirkt erleichtert. Denn eigentlich war sie sich ebenfalls sicher, dass ihr Sohn völlig normal entwickelt ist.

Laura

An diesem Morgen, kurz vor Ende der Vormittagssprechstunde, kommt auch Laura. Ihre Mutter hat mich um ein längeres Gespräch gebeten, weil sie sich große Sorgen um ihre Tochter macht. Laura geht in die erste Klasse der Grundschule. Ihrer Lehrerin ist sie aufgefallen, weil sie nicht mit der Schere umgehen kann. Außerdem sei Laura auch »verträumt« und passe im Unterricht oft nicht auf, wahrscheinlich habe sie ADS, eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität. Auch hier soll es eine Therapie richten, eine Ergotherapie, damit Laura demnächst besser Papierfiguren ausschneiden kann, eventuell sei auch eine Psychotherapie angebracht. Ein Mädchen aus Lauras Klasse bekomme Medikamente gegen die Aufmerksamkeitsstörung, erzählt die Mutter besorgt. Gehirndoping wolle sie natürlich nicht für ihre Tochter. Laura soll kein »Drogi« werden. Aber Therapie ist vielleicht eine gute Idee.

Ich bin einigermaßen fassungslos und frage nach: Psychotherapie, weil Laura manchmal lustlos ist, weil sie träumt und Papierfiguren nicht penibel ausschneiden mag oder kann?

Die Mutter hat Lauras Hefte mitgebracht und zeigt sie mir. Ich sehe säuberlich geschriebene Wörter, sorgfältig gemalte, phantasievolle Zeichnungen. Ich frage Laura, ob sie Freundinnen und Freunde hat; denn Freunde zu haben ist zwar kein ganz eindeutiges Indiz, aber ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, kein ADS zu haben. »Ich habe eine beste Freundin und mehrere, mit denen ich gerne zusammen bin«, sagt Laura. Auch die Mutter bestätigt, dass ihre Tochter von den Klassenkameradinnen gut aufgenommen wird. Wir verabreden, dass ich als Nächstes mit der Lehrerin sprechen werde; dann überlegen wir weiter, wie wir Laura helfen können.

Anton, Jakob und Laura sind keine Einzelfälle. Jeden Tag diskutiere ich mit Eltern über die Entwicklung ihrer Kinder, über Fortschritte und den aktuellen Stand und über Sinn und Unsinn von medizinischen Therapien für ihre Kinder. Die Eltern machen sich Sorgen, weil ihr Kind nicht richtig spricht, sich beim Basteln ungeschickt anstellt, weil es sich nicht konzentrieren kann, träumt oder weil es nicht auf einem Bein hüpfen kann. Bei manchen Kindern sind diese Sorgen durchaus berechtigt. Ihr Gehirn hat große Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen und zu verarbeiten, ihre motorische Entwicklung macht keine Fortschritte mehr, oder sie sind hochgradig unkonzentriert. Therapien und Förderung können diesen Kindern dann helfen.

Die meisten Kinder, die mir vorgestellt werden, sind jedoch zum Glück völlig gesund. Aber ihre Eltern sind verunsichert. Seltener, weil sie selber denken, dass mit ihrem Kind etwas nicht in Ordnung ist. In den meisten Fällen haben Freunde, Verwandte, Erzieherinnen oder Grundschullehrerinnen den Makel festgestellt. Gerne wird dann dieser Makel, der oft genug nur ein winziger Makel ist oder als solcher überhaupt nicht existiert, mit einer »medizinischen Diagnose« belegt: Sprachverzögerung, Entwicklungsstörung, Störung der Grob- und Feinmotorik, Koordinationsstörung, Teilleistungsstörung, Störung der kognitiven Kompetenz, Aufmerksamkeitsstörung. Allein diese Begriffe versetzen die Eltern dann meist schon in Alarmstimmung.

Was sich so medizinisch anhört, muss von der Medizin beseitigt werden. Die Lösung des Problems liegt nach den Vorstellungen der Eltern, Erzieherinnen oder Grundschullehrerinnen dann so gut wie immer in einer medizinischen Therapie. Und die soll ich dann verordnen. Und schon ist das altersgerecht entwickelte Kind ein medizinischer Fall.

Der Markt der Therapien ist riesengroß. Da gibt es die »Klassiker«, die die Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen finanzieren: Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie. Weil sie für die Eltern nichts oder kaum etwas kosten und weil sie als seriös und wirksam gelten, werden sie am häufigsten verlangt. Im Laufe meiner langen Berufstätigkeit habe ich erlebt, wie daneben viele andere Therapien Mode wurden und dann wieder in der Versenkung verschwanden: Bachblüten, Schüssler Salze, Bioresonanztherapie, Tomatis-Therapie, Petö-Therapie, Craniosakraltherapie, Delphintherapie etc. Zurzeit wünschen sich die Eltern vor allem Osteopathie für ihre Säuglinge. Denn einige Krankenkassen übernehmen die Kosten der Behandlung, und die Osteopathen machen mächtig Werbung für ihr Angebot. Die Hebammen helfen ihnen dabei. Bisher hat niemand wissenschaftlich belegen können, bei welchen Störungen Osteopathie wirkt und wo sie schadet. Viele Osteopathen haben sich an ein paar Wochenenden »qualifiziert«, einige sind Heilpraktiker, andere Physiotherapeuten, andere Ärzte. Anders als für Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten gibt es außer in Hessen für Osteopathen keine jahrelange einheitliche staatlich anerkannte Ausbildung.

Ein großer Teil meiner Arbeit besteht heute darin, Eltern zu beruhigen: »Ihr Kind ist nicht krank, es braucht Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung. Es braucht Beziehung statt Aktionismus, Gelassenheit statt Therapie, es braucht Freiraum, um sich zu entwickeln: weniger ist mehr!«

Es dauert lange, die Eltern zu überzeugen, dass sie selbst die Experten für ihr Kind sind und dass sie ihr Kind mit Therapien in Ruhe lassen mögen. Zu groß sind die Sorgen, die sich die Eltern um ihre Kinder machen. Zu groß ist der Druck, unter dem sie stehen. Sie interessieren sich bewundernswert intensiv für ihre Kinder, sie opfern ihre Zeit, sie organisieren ihren Alltag, richten ihre Kinderzimmer liebevoll und kindersicher ein, kümmern sich um die Betreuung, fahren sie zum Tennis und zum Geigenunterricht, achten auf gesunde Ernährung und 1000 andere Dinge. Sie haben gelesen und gelernt, dass Härte und Druck in der Erziehung nichts zu suchen haben. Sie wollen alles richtig machen, damit ihre Kinder glücklich und gesund aufwachsen. Und dass sie Abitur machen! Denn ohne Abitur kein gelingendes Leben.

Der unbedingte Wille, alles richtig zu machen, hat nicht dazu geführt, dass die Eltern ihrer Intuition vertrauen und gelassen die Entwicklung ihres Kindes begleiten und es unterstützen. Er hat dazu geführt, dass sie sich von Freunden, Erzieherinnen, Lehrerinnen und Ratgeberbüchern den Blick auf ihr Kind vorschreiben lassen und es in der Folge nach Fehlern absuchen, die sie dann reparieren lassen wollen wie einen defekten Scheibenwischer am Auto. Sicher, es gibt auch die Kinder, um die wir uns berechtigte Sorgen machen müssen. Kinder, deren Sprache oder Motorik etwa plötzlich stagniert oder sich sogar zurückentwickelt. In diesen Fällen müssen weitergehende Untersuchungen und eventuell Therapien sein. Aber diese Fälle sind zum Glück eher selten. Die weitaus meisten Kinder, die angeblich dringend Therapien brauchen, sind Kinder wie Anton, Jakob und Laura.

Jana und Dennis

Und dann sind da Eltern wie Frau M., Mutter von Jana und Dennis. Seit langem ist Frau M. völlig überfordert mit der Last der Erziehung der dreijährigen Zwillinge, einer komplizierten Beziehung zu dem Vater der Kinder, der die Familie verlassen hat, und der Hetze zwischen zwei Minijobs. Natürlich liebt auch Frau M. ihre Kinder, aber ihre Lebensumstände machen es ihr schwer, ihre Liebe in Fürsorge und Beziehung umzuwandeln. Zusammen mit den Kindern Bilderbücher anschauen, ihnen vorlesen, mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen oder sogar mal etwas Besonderes zu unternehmen wie einen Ausflug in den Zoo, für all das fehlt Frau M. die Energie. »Für so was habe ich nicht auch noch Zeit«, sagt sie oft. Wenn Frau M. ihren Kindern etwas Gutes tun will, kauft sie ihnen Süßigkeiten, Spielzeug oder eine DVD.

Jana und Dennis waren eigentlich für 14 Uhr angemeldet. Inzwischen ist es fast 15 Uhr. Frau M. lässt regelmäßig Untersuchungstermine ohne Absage verstreichen, deshalb freuen wir uns, dass sie es heute bis zu uns geschafft hat – wenn auch mit großer Verspätung und wie immer außer Atem.

Jana und Dennis sind beide organisch gesund, aber im letzten Jahr sind sie kugelrund geworden. Sie geben nur einzelne schwer identifizierbare Worte, selten Zweiwortsätze von sich. Am liebsten stoßen sie einfach nur kurze unverständliche Silben oder Wortfetzen aus, wenn sie miteinander spielen. Kein Wunder: Jana und Dennis sitzen täglich viele Stunden vor dem Fernseher und schauen sich Trickfilme an. Sie sprechen Comic. Jetzt, im Untersuchungszimmer, zielen sie mit unsichtbaren Maschinengewehren aufeinander. »Takatakatakatak«, schreit Dennis. Ich warte höflich, bis die beiden ihre Luft-MGs zur Seite gelegt haben, dann zeige ich den Zwillingen ein Bauernhofsteckspiel mit Tieren und kleinen Figuren.

»Wisst ihr, was das ist?«

Jana und Dennis schauen verlegen auf die kleine schwarzweiß gefleckte Plastikkuh in meiner Hand.

»Von welchem Tier kommt denn die Milch?«, frage ich weiter.

»Tuh!«, sagt Jana schließlich. Vergeblich versucht sie, die kleine Kuh in die richtige Vertiefung in dem Spiel zu stecken.

Auch hier soll es nach dem Willen der Erzieherinnen im Kindergarten eine medizinische Therapie richten. Am besten sogar zwei: Logopädie und Ergotherapie, denn Jana und Dennis sind nicht nur mit dem einfachen Bauernhofsteckspiel überfordert, sie können auch nicht wie andere Kinder in ihrem Alter die Regeln einfacher Gesellschaftsspiele verstehen und befolgen. Und einen Buntstift können sie auch nicht halten. Wie auch, wenn es zu Hause weder Spiele noch Stifte und Papier, noch irgendeine Form von Anregung gibt?

Ich versuche gemeinsam mit Frau M. zu überlegen, wo sie Hilfe und Unterstützung für ihre Familie und Entlastung für sich selbst finden, wie sie ihren Alltag anders gestalten, wie sie zwischen all ihren Sorgen und ihren Jobs Zeit finden könnte, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Wie sie gemeinsam mit ihnen kochen oder ihnen Bücher vorlesen und wie sie einen Turnverein für die Zwillinge finden könnte. Frau M. bleibt skeptisch: »Für all so Sachen habe ich nicht auch noch Zeit!« Sie wünscht sich Therapie für die Zwillinge. Am besten gleich im Kindergarten, das sei das Beste, dann müsse sie nicht auch noch durch die Stadt fahren und in der Praxis rumsitzen und warten. Ihr Exmann habe schließlich auch gesagt, dass die Kinder gestört seien und dass sie sich endlich mal um eine Therapie für die beiden kümmern solle.

Ich erkläre Frau M. noch einmal, dass ich in der Therapie keinen Sinne sehe, solange sich nichts im Alltag der Kinder ändert. Ich schlage ihr vor, dass ich erst einmal mit den Erzieherinnen sprechen werde und dann sie und den Exmann zu einem Gespräch in die Praxis bitten und wir gemeinsam nach besseren Wegen für die Kinder suchen werden.

2Von Masern zu Neuen Morbiditäten

Ich betreibe meine Praxis seit fast 25 Jahren. Als ich begann, kümmerten wir Kinderärzte uns hauptsächlich um akute Krankheiten. Mütter brachten ihre Kinder, wenn die Nase lief, der Hals kratzte, wenn ihnen der Bauch weh tat oder wenn sie Fieber und Ausschlag hatten. Oder wenn sie geimpft werden sollten. Kinder mit chronischen Krankheiten wie etwa Asthma, Rheuma oder mit Behinderungen wurden, so gut es ging, versorgt, aber die Medizin hatte noch nicht wirklich gute Antworten für ihre Probleme. Es gab kaum einheitliche Therapiepläne und Leitlinien zur Behandlung. Erst allmählich begann sich die Medizin dafür zu interessieren, wie sie die Lebensqualität dieser Kinder verbessern könnte, wie man zum Beispiel einen Morbus Chron, also eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, behandeln könnte oder ein kindliches Rheuma. Da ich lange an einer Universitätsklinik High-Tech-Medizin und Kinderneurologie betrieben hatte, schickten die Krankenhäuser mir viele ihrer behinderten und chronisch kranken Kinder zur Weiterbehandlung. Viele dieser Kinder brauchten von früh auf Therapien, um ihren Alltag zu bewältigen: Krankengymnastik, Ergo- und Logotherapie. Mit den Eltern sprach ich darüber, wie sie ihren Alltag mit dem Kind gestalten könnten, welcher Kindergarten, welche spezielle Schule gut für es wären, wo die Eltern Spezialambulanzen oder Rehakliniken finden könnten, welche Alltags-Unterstützung und Hilfsmittel die Eltern für ihr Kind beantragen könnten, und später, wie ihr Kind im Kindergarten und der Schule mitkam, welche Fortschritte das Kind in der Therapie machte und wie es Alltagsaufgaben wie essen, anziehen oder zur Toilette gehen bewältigte. Ich sprach mit den Eltern darüber, welche Stärken ihr Kind hatte, ob es in seiner Freizeit gerne mit Legosteinen oder Playmobilfiguren spielte, ob es gerne bastelte, radelte, schwamm oder auch las. Wie wir ihm helfen könnten, einen möglichst normalen Alltag mit Familie und Freunden zu leben.

Was dagegen meine nicht behinderten akut kranken Patienten im Kindergarten und in der Schule trieben, ob sie den Stift beim Malen richtig hielten, ob sie deutlich und grammatikalisch richtig Deutsch sprachen, sich allein die Schuhe zubinden konnten, ob sie Hausaufgaben sorgfältig machten oder den Unterricht schwänzten, wie sie ihre Freizeit verbrachten, erfuhr ich nur selten. Die Eltern thematisierten diese Probleme nicht oder höchstens nebenbei beim Kinderarzt.

Es gab Kinder aus problematischen Familien, von denen ich wusste, dass Erzieherinnen und Lehrer ihre liebe Mühe mit ihnen hatten. In der Arztpraxis spielten diese pädagogischen und sozialen Schwierigkeiten aber kaum eine Rolle. Die Eltern sprachen nicht mit mir darüber, von Erzieherinnen und Lehrerinnen hörte ich nichts. Mein Hauptaugenmerk richtete sich daher darauf, dass diese Kinder wenigstens geimpft und bei Infekten gut versorgt wurden. Im Großen und Ganzen waren es auch nur wenige auffällige Kinder, obwohl meine Praxis in einem sozial buntgemischten Stadtteil liegt.

Mit der Zeit aber änderte sich meine Arbeit. Immer öfter kamen nun Anrufe von Erzieherinnen und Lehrerinnen, die mit mir über auffällige Kinder sprechen wollten, immer öfter waren Entwicklungsstörungen auch Thema in den Gesprächen mit den Eltern. Mütter klagten, dass ihr Kind nicht malen oder basteln wollte, weil es ihm schwerfiel, mit Schere oder Pinsel umzugehen, dass es beim Rechnen über die Kästchen im Heft hinausschreibe, Buchstaben umdrehe, dass es beim Sport nicht mitkomme und die Hausaufgaben nicht alleine machen könne. Noch nannte niemand diese Auffälligkeiten Krankheit. Dies sollte sich aber bald ändern.

Epidemische Herausforderungen

In den 1990er Jahren hörten wir aus den USA, dass die American Academy of Pediatrics (AAP), also die wissenschaftliche Vereinigung der amerikanischen Kinderärzte, dazu aufrief, sich den neuen »epidemischen« Herausforderungen zu stellen. Damit meinten unsere nordamerikanischen Kollegen die Zunahme von chronischen Krankheiten und AIDS, vor allem aber auch Entwicklungs- und Verhaltensstörungen: Lernstörungen, Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörungen, Gewaltbereitschaft, emotionale Verwahrlosung, Alkohol- und Drogenkonsum.

Auch die deutschen Kinderärzte merkten jetzt zunehmend, dass sich bei ihren Patienten etwas änderte. In den Gesprächen mit den Eltern ging es immer weniger um die körperlichen Beschwerden der Kinder und immer häufiger um die Störungen von Fähigkeiten, wie richtig zu essen, zu laufen und zu hüpfen, Lieder oder Gedichte auswendig zu lernen, sauber zu schreiben. Die Eltern klagten darüber, dass die Kinder aggressiv seien oder verträumt, dass sie sich ihren Anweisungen und denen der Erzieherinnen und Lehrerinnen widersetzten, dass sie mit Gleichaltrigen Probleme hätten. Und bald hatten die Störungen auch ihren Namen: Neue Morbiditäten oder Neue Kinderkrankheiten. Neu waren die Störungen natürlich nicht. Neu war nur, dass sie sich augenscheinlich wie eine Epidemie verbreiteten und dass sie überhaupt als Krankheiten gesehen wurden und bald zunehmend die Arbeit der Kinder- und Jugendärzte bestimmten. Das Kind war nicht mehr etwa unerzogen, minderbegabt oder sozial vernachlässigt. Es war ab jetzt krank. Und für Krankheiten ist der Arzt zuständig.

Mit den Neuen Morbiditäten entstand eine paradoxe Situation, die bis heute anhält: Schaut man sich die Statistiken an, sind die Kinder in Deutschland so gesund wie noch nie. Die meisten überleben ihre Geburt und haben damit schon einmal geschafft, was vor ihnen jahrtausendelang Kindern nicht vergönnt war und selbst heute noch in vielen Gegenden in der Welt nicht die Regel ist. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts starb fast jedes vierte Kind in Deutschland gleich in den ersten Lebenswochen. Dank des medizinischen Fortschritts konnte die Säuglingssterblichkeit drastisch verringert werden. Heute sterben nur noch drei von tausend Säuglingen. Die Säuglings- und Neugeborenensterblichkeit in Deutschland gehört damit zu den geringsten weltweit. Eine aktuelle Studie, die die Krankenhausversorgung von Säuglingen in zehn europäischen Regionen verglich, räumt Deutschland sogar den Spitzenplatz ein.

Ärzte können heute schon im Mutterleib sehen, wie es Kindern geht. Sie können Kinder mit angeborenen Behinderungen, wie etwa Herzfehlern, schon vor der Geburt operieren, sie können, wenn sie sich nicht recht entwickeln, Medikamente geben, die sie schneller reifen lassen, und sie gleich nach der Geburt in Brutkästen legen, die wie kleine Intensivstationen funktionieren. Medikamente und Maschinen unterstützen oder übernehmen dort die Arbeit der Organe.

Anders als noch ihre Urgroß- und Ururgroßeltern wird die heutige Generation vom ersten Atemzug an medizinisch überwacht und betreut. Viele Krankheiten, die noch vor wenigen Jahrzehnten zu lebenslangen Behinderungen geführt haben, wie zum Beispiel Neugeboreneninfektionen, können heute mit Medikamenten behandelt werden, Kinderchirurgen operieren selbst komplizierteste Nieren- oder Darmfehlbildungen. Vor allem »Kinderkrankheiten« wie Masern, die Gehirnhautentzündungen und andere schreckliche Nebenwirkungen haben, können heute mit einem einfachen Pieks verhindert werden. Sie haben ihren Schrecken verloren – so sehr, dass manche Eltern in dem Irrtum leben, dass Impfungen nicht mehr nötig seien. Auch Kinderlähmung, Diphtherie und Tuberkulose, noch bis in die 1960er Jahre klassische Kinderkrankheiten, gibt es bei uns fast gar nicht mehr. Selbst Krankheiten wie Krebs, die noch vor fünfzig Jahren einem Todesurteil gleichkamen, überstehen die meisten Kinder heute.

Dass die Kinder körperlich so gesund sind wie noch nie, dass die Lebenserwartung der Menschen mit jedem neuen Jahrgang steigt, ist nicht nur dem medizinischen Fortschritt zu verdanken. Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen die Lebensverhältnisse, in denen die Kinder aufwachsen. Die der meisten Kinder sind gut. Sie leben in einem der sichersten und reichsten Länder der Welt, sie müssen keinen Hunger leiden, in lichtlosen Hinterhöfen spielen und davon Rachitis und andere Mangelkrankheiten bekommen. Die meisten Kinder leben in zumindest passablen Wohnungen, die überwiegende Anzahl der Kinder hat sogar ein eigenes Zimmer. Und entgegen anderslautenden Schlagzeilen müssen sie auch nicht auf einen der Elternteile verzichten, denn sehr häufig leben Mama und Papa eben doch zusammen oder schaffen es wenigstens, sich gemeinsam um ihre Kinder zu kümmern. Viel tun die Kinder auch selbst dafür, dass sie gesund aufwachsen. Umfragen zeigen, dass die meisten sportlich aktiv sind und oft draußen spielen.

Auf der anderen Seite sind da die Neuen Krankheiten, die sich immer weiter ausbreiten. Sie entstehen nicht durch genetische Vererbung, sie verbreiten sich nicht durch Viren oder Bakterien, sie sind auch nicht die Folge von Unfällen, sondern entstehen durch die sozialen und familiären Verhältnisse, in denen Kinder aufwachsen.

Dass arme Menschen ein größeres Risiko haben, krank zu werden, als wohlhabende, ist nichts Neues. Nicht nur in Entwicklungsländern, auch im reichen Westeuropa und in den USA werden arme Kinder deutlich häufiger krank als ihre reichen Altersgenossen. Untersuchungen aus Großbritannien haben zum Beispiel gezeigt, dass die Säuglings- und Kindersterblichkeit bei Kindern der untersten Sozialschicht etwa doppelt so hoch ist wie bei denjenigen der obersten Sozialschicht. Auch leiden arme Kinder doppelt so häufig an körperlichen Krankheiten wie Kinder aus reichem Hause.

Bei den Neuen Krankheiten ist dieser Zusammenhang noch weitaus größer. Wo Familien unter hohem Druck durch wenig Geld leben, wo Eltern nicht die Energie oder Kompetenz haben, eine Bindung zu ihren Kindern aufzubauen, ihnen Sicherheit und Geborgenheit, Aufsicht und emotionale Unterstützung zu geben, wo die Eltern es nicht schaffen, gemeinsam mit ihren Kindern zu spielen, zu singen, ihnen vorzulesen, ihnen einen geregelten, berechenbaren Alltag zu bieten, überall da können sich Kinder nicht gesund entwickeln. Ihre geistigen Fähigkeiten verkümmern, noch bevor sie sich entfalten können. Die Kinder bleiben in ihrer Entwicklung zurück. Ihre Sprachentwicklung leidet. Sie können nicht stillsitzen, außer vor dem Fernseher, sie können sich auf kein Spiel konzentrieren und auf kein Gespräch, sie sind nicht in der Lage, mit Lego zu bauen, sondern werfen mit den Steinen nur um sich. Wenn ich die Kinder bitte, ein Bild für die Oma zu malen, sind sie ratlos, weil sie es noch nie gemacht haben. Sie haben Probleme, einfache Anweisungen wie »Bitte zieh deine Schuhe aus und setze dich auf die Untersuchungsliege« zu befolgen.

Ich erlebe jeden Tag in meiner Praxis Kinder, die körperlich völlig normal zur Welt gekommen sind, aber nach ein paar Jahren in ihrer Entwicklung zurückbleiben, weil ihre psychischen Grundbedürfnisse nicht gestillt werden und weil es an Anregung und Förderung mangelt. Zwar nehmen auch in sozial bessergestellten Familien, wo es weder an Geld noch an Bildung mangelt, die Neuen Krankheiten zu. Auch dort fällt es Eltern zunehmend schwer, ihren Kindern Bindung und Sicherheit zu vermitteln und zugleich ihre Autonomie und Eigenständigkeit zu fördern. Doch in sozial schwierigen Verhältnissen ist das Risiko, dass Eltern die seelischen Grundbedürfnisse ihrer Kinder nicht stillen können, ungleich größer. Welche Bedingungen hier eine besonders unheilvolle Rolle spielen, hat eine Gruppe von Psychologen in Mannheim untersucht.

Seit über 20 Jahren begleiten sie eine Gruppe von 384 Kindern, die mit unterschiedlichen Risiken ins Leben gestartet sind: Eltern ohne abgeschlossene Berufsausbildung, beengte Wohnverhältnisse, fehlende Väter oder die Ehe der Eltern unharmonisch, die Eltern psychisch krank oder sehr jung.

Insgesamt elf Kriterien, die für Kinder ein psychosoziales Entwicklungshindernis bedeuten können, trugen die Mannheimer Forscher zusammen. Und sie fanden heraus: Erwischt ein Kind mehr als zwei dieser Risiken, war das Kind zum Beispiel unerwünscht, wurde es in eine Ein-Eltern-Familie geboren und hat die Mutter keine Arbeit oder ist ihr Bildungsniveau besonders niedrig, steigt für das Kind das Risiko der Vernachlässigung und somit von Entwicklungsstörungen.

Die KIGGS-Studie

Studien wie die Mannheimer Untersuchung können Zusammenhänge exemplarisch herausarbeiten, aber sie sagen noch nichts darüber aus, wie viele Kinder unter Vernachlässigung und Entwicklungsstörungen leiden. Wie weit verbreitet die Neuen Kinderkrankheiten in Deutschland sind, wusste daher jahrelang niemand ganz genau. Wissenschaftler, niedergelassene Kinder- und Jugendärzte, Erzieher, Lehrer und Therapeuten – jeder für sich beobachtete nur, dass sie zunahmen. Schließlich merkte auch die Politik, dass sich hier ein Riesenproblem wie eine dunkle, undurchsichtige Gewitterwolke zusammenbraute, über das man viel zu wenig wusste. Es war höchste Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. So beauftragte die Bundesregierung das Robert-Koch-Institut (RKI), die Gesundheit der Kinder in Deutschland genauer unter die Lupe zu nehmen: Das war die Geburtsstunde des großen Kinder- und Jugendgesundheitsreports (KIGGS).

Bundesweit sollten Wissenschaftler Daten und Informationen sammeln zur Gesundheit der Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren. Ein riesiger Datenpool sollte dadurch entstehen. Mit Hilfe dieses Datenpools wollte man die Gesundheitspolitik für die nachwachsenden Generationen entwickeln.

So etwas macht man nicht mal so nebenbei. So etwas muss gut vorbereitet werden. Was wollen wir überhaupt wissen? Welche Themen sind besonders wichtig? Was können wir mit beschränktem Budget überhaupt herausfinden? Wo und wen fragen wir genau? Wie führen wir unsere Untersuchungen praktisch durch? Wie müssen wir fragen, damit Eltern und Kinder, also die Studienteilnehmer, uns überhaupt verstehen? Ist es ethisch vertretbar, gesunden Kindern Blut abzunehmen für eine Studie? Allein über solchen und anderen Vorbereitungsfragen grübelten die Experten des Robert-Koch-Instituts länger als sechs Jahre.

Im Mai 2003 ging es dann endlich los. Drei Jahre lang, bis zum Mai 2006, nahmen 17641 Jungen und Mädchen an 167 Orten der Bundesrepublik an der Studie teil. Sie wurden befragt und untersucht und lieferten gemeinsam mit den Angaben ihrer Eltern einen einzigartigen Pool von Informationen. So entstand nach und nach ein genaues und umfassendes Bild vom Gesundheitszustand und der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in unserem Land.

Zwischen 2009 und 2012 befragten die RKI