Kindheits- und Jugendprobleme  als Herausforderung für alternative Konzepte in Erziehung und Bildung - Karl-Heinz Ignatz Kerscher - E-Book

Kindheits- und Jugendprobleme als Herausforderung für alternative Konzepte in Erziehung und Bildung E-Book

Karl-Heinz Ignatz Kerscher

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Beschreibung

Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, , Sprache: Deutsch, Abstract: Kinder und Jugendliche in Deutschland können sich glücklich schätzen. Sie wachsen auf in einem der zehn wohlhabendsten Ländern der Erde in einer Situation der sozialen Sicherheit und im Frieden. Es ist zwar nicht alles vollkommen, aber krasse Ausbeutung, Sklaverei und völlige Chancenlosigkeit sind überwunden. Die Emanzipation und Gleichstellung der Mädchen und Frauen ist weiter fortgeschritten als in den überwiegenden, ärmeren und rückständigeren Ländern der Erde. Die Möglichkeiten der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Talente sind größer als in der Mehrzahl aller Staaten des Erdballs. Die soziale Durchlässigkeit ist nicht absolut, aber doch besser als in Jahrtausenden zuvor. Und dennoch ist ein Teil der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland nicht glücklich. Zahlreiche Kindheits- und Jugendprobleme schmälern die Freude am Leben. Im vorliegenden Buch sollen im ersten Kapitel exemplarisch einige der weit verbreiteten Kindheits- und Jugendprobleme ausführlicher beleuchtet werden. Identitätsfindungsschwierigkeiten weiblicher und männlicher Jugendlicher, Schulangst, Schulabsentismus und Schülersuizid, Drogenmissbrauch und Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom werden erörtert. Im zweiten Kapitel wird die Frage aufgeworfen, inwieweit alternative Konzepte der Erziehung und Bildung zur Persönlichkeitsstabilisierung der heranwachsenden Kinder und Jugendlichen beitragen könnten. Unter anderem werden die pädagogischen Konzeptionen MONTESSORIs, STEINERs, NEILLs, KORCZAKs und FREIREs erörtert. Einige Auswirkungen der Reformpädagogischen Bewegung sind bis in die Gegenwart erhalten: Offener Unterricht, Wochenplan, Freiarbeit, Handlungsorientierter Unterricht, Projektmethode, Epochen- Unterricht, Berichtszeugnisse, Bewegte Schule, Jahrgangs-übergreifende Lerngruppen, Umwelt-Erziehung, Wald-Pädagogik, Zirkus-Pädagogik, Tierschutz-Erziehung, Internationale Schulen, Internationale Schülerbegegnungen, UNESCO-Modellschulen. Das vorliegende Buch enthält ein drittes Kapitel, in dem exemplarisch einige ausgewählte neuartige Konzepte der erziehungswissenschaftlich relevanten Psychologie sowie zukunftsweisende Gedanken der Erziehung und Bildung formuliert werden. Multiple Intelligenzen und Werte-Erziehung, Indigo-Kinder und Positive Erziehung stehen unter anderem im Fokus der Erörterungen. Zum Abschluss der Ausführungen werden mögliche Themen für ein zukunftsweisendes Curriculum in der Erzieher- und Lehrer-Ausbildung aufgelistet.

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Inhaltsverzeichnis
Kapitel
1.1 Weibliche Sozialisationsprobleme
1.4 Mobbing in der Schule
1.5 ADHS - moderne Zappelphilippe
1.6 Drogenmissbrauch
2.1 Die Kunsterziehungsbewegung
2.3 Das Lichtschulheim Lüneburger Land
2.4 Maria MONTESSORIs Pädagogik
2.6 Alexander S. NEILLs Summerhill-Schule
3.1 Die Indigo-Kinder
3.2 Multiple Intelligenzen
3.3 Konfliktlösung durch Mediation
3.4 Werte-Erziehung
3.5 Positive Erziehung
3.6 Bildung für die Zukunft
Ausblick :

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Einleitung

Kinder und Jugendliche in Deutschland können sich glücklich schätzen. Sie wachsen auf in einem der zehn wohlhabendsten Ländern der Erde in einer freiheitlich-demokratischen Zivilgesellschaft, einer fortgeschrittenen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, in einer Situation der sozialen Sicherheit und im Frieden. Es ist zwar nicht alles vollkommen, aber krasse Ausbeutung, Sklaverei und völlige Chancenlosigkeit sind überwunden. Die Emanzipation und Gleichstellung der Mädchen und Frauen ist weiter fortgeschritten als in den überwiegenden, ärmeren und rückständigeren Ländern der Erde. Die Möglichkeiten der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Talente sind größer als in der Mehrzahl aller Staaten des Erdballs. Die soziale Durchlässigkeit ist nicht absolut, aber doch besser als in Jahrtausenden zuvor.

Und dennoch ist ein größerer Teil der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland nicht glücklich. Zahlreiche Kindheits- und Jugendprobleme schmälern die Freude am Leben. Schulschwierigkeiten, wie psychische Störungen, Schulangst, Schulabsentismus,

Schülerselbstmord, Leistungs- oder Teilleistungs-Störungen oder Prüfungsängste sind weit verbreitet. Individuelle Gründe mögen Minderwertigkeitsgefühle, Schüchternheit oder mangelndes Selbstwertgefühl sein. Schulische Gründe können in Mobbing durch die lieben Mitschüler, Identifikationsschwierigkeiten mit der Lehrperson, Leistungsdruck oder entmutigenden Zensuren, ja sogar im Selektionssystem des Schulwesens und in mangelnder Förderung, quasi einer strukturellen Gewalt (GALTUNG) gesucht werden.

Durch eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, eine Dyskalkulie, ein ADHS, ein Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom oder sogar eine verkannte Hochbegabung, ein unentdecktes Indigo-Phänomen weicht die ursprüngliche Freude an der Einschulung oft schnell einer krassen Ernüchterung.

Behinderte Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund und von Armut betroffene Kinder haben ihre besonderen Schwierigkeiten.

Schülerinnen im jugendlichen Alter leiden an Identitätsfindungsstörungen wie Pubertäts-Magersucht, Fettsucht oder Ess-Brechsucht durch Schlankheitswahn, Schönheitsideal und Attraktivitätsklischees.

Die Identitätsfindungsschwierigkeiten der Knaben und männlicher Jugendlicher äußert sich zu oft in Aggression, Gewalt und Jugendkriminalität. Die Maskulinitäts-Klischees in den Massenmedien machen es zarten Jungen schwer, zu ihrer Sensibilität zu stehen.

Die Gefahr des Missbrauchs legaler Drogen, wie Alkohol und Nikotin, aber auch illegaler Drogen, wie Haschisch, Kokain und Extasy, wird im Jugendalter durch den sozialen Druck der Gleichaltrigengruppe gefördert.

Subkulturen der Jugendlichen bieten Zugehörigkeit und einen sozialen Uterus, bergen jedoch auch Gefahren der Desintergration. Skin-Heads, Grufties, Gothics bis hin zu religiösen Santanssekten und rechtsextremistischen Kameradschaften finden leicht begeisterbare Anhänger unter Schülern. Im vorliegenden Text sollen im ersten Kapitel exemplarisch einige der oben genannten Kindheits-und Jugendprobleme ausführlicher erörtert werden.

Im zweiten Kapitel wird die Frage erörtert, inwieweit alternative Konzepte der Erziehung und

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Bildung zur Persönlichkeitsstabilisierung der heranwachsenden Kinder und Jugendlichen beitragen könnten.

Als reformpädagogische Bewegung bezeichnet man Reformen innerhalb der Pädagogik zwischen ca. 1900 und 1933, zum Teil bis in Gegenwart und Zukunft reichend. Es handelte sich um eine internationale Bewegung der fortgeschrittenen westlichen Industrieländer. Sie wurde vom damaligen Zeitgeist, von sozialen Strömungen wie der Französischen Revolution, der Arbeiterbewegung (Karl MARX), der Frauenbewegung, der Jugendbewegung und der Lebensreform beeinflusst.

Als Vordenker sind Jean-Jacques ROUSSEAU, Johann-Heinrich PESTALOZZI, CONDORCET, Paul de LAGARDE, Julius LANGBEHN („Rembrandt“) und Friedrich NIETZSCHE zu nennen. Charakteristika bestehen in der Ablehnung der Zuchtschule, von Zwang und Prügelstrafe. Beispiele für die damlas exzessiv verbreitete Prügelstrafe finden sich bei Lloyd de MAUSE: „Hört ihr die Kinder weinen?“ Gemeinsamkeiten der refpormpädagogischen Richtungen bestehen in der Ablehnung der Buchschule und der Wissens-Eintrichterung, der Ablehnung blasser Theorie, und der Praxisferne. Pädagogik solle vom Kinde ausgehen (Ellen KEY). Die Richtungen der Reformbestrebungen führten zur Landerziehungsheim-Bewegung, Arbeitsschul-Bewegung, Kunsterziehungs-Bewegung, zu Modellschulen, zur Erwachsenenbildung in Arbeiter- Bildungsvereine, Volkshochschulen, Ländlichen Heimvolkshochschulen. Prominenteste Vertreter der Landerziehungsheimbewegung waren Hermann LIETZ, Paul GEHEEB, Gustav WYNEKEN und Kurt HAHN.

An Internationalen Pädagogen sind John DEWEY („learning by doing“) und KILPATRICK ( Projektmethode) in den USA, Alexander S. NEILL (Repressionsarme Erziehung in Summerhill) in Groß-Britannien, Maria MONTESSORI aus Italien, Celestin FREINET in Frankreich, Janusz KORCZAK („Rechte des Kindes“) in Polen und MAKARENKO (Revolutionspädagogik) in der Sowjet-Union Russland zu nennen.

Nach dem II. Weltkrieg erlangten Paulo FREIRE (Alphabetisierung und Pädagogik der Unterdrückten in Brasilien) und Chris GRISCOM mit ihrem Konzept des Spirituellen Globalem Lernen in der Nizhoni-Schule in Neu-Mexiko Aufmerksamkeit. Einflussreiche Pädagogen in Deutschland waren Wilhelm LIEBKNECHT (Arbeiterbildung), Siegfried BERNFELD (Jüdisch- sozialistische Pädagogik), Otto Felix KANITZ (Sozialistische Pädagogik), Otto RÜHLE (Proletarische Erziehung), Helene LANGE (Mädchenbildung), August AICHHORN (Psychoanalytische Pädagogik ), Georg KERSCHENSTEINER (Berufsschulwesen), Peter PETERSEN (Jena-Plan- Schule), Hugo GAUDIG, Berthold OTTO (Modell-Schulen), Rudolf STEINER (Waldorf- Pädagogik aus Österreich, Deutschland und der Schweiz) , Kurt HAHN (Erlebnis-Pädagogik) aus Deutschland und England.

Einige Auswirkungen der Reformpädagogischen Bewegung sind bis in die Gegenwart erhalten: Offener Unterricht, Wochenplan, Freiarbeit, Handlungsorientierter Unterricht, Projektmethode, Epochen- Unterricht, Berichtszeugnisse, Bewegte Schule, Jahrgangsübergreifende Lerngruppen, Umwelt-Erziehung, Wald-Pädagogik, Zirkus-Pädagogik, Reit-Pädagogik, Tierschutz-Erziehung, tiergestützte Pädagogik, Internationale Schulen, Internationale Schülerbegegnungen, UNESCO-Modellschulen.

Das vorliegende Buch enthält ein drittes Kapitel, in dem exemplarisch einige ausgewählte neuartige Konzepte der erziehungswissenschaftlich relevanten Psychologie und Spiritualität sowie zukunftsweisende Gedanken der Erziehung und Bildung formuliert werden. Multiple Intelligenzen,

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Werte-Erziehung und Indigo-Kinder stehen unter anderem im Fokus der Erörterungen. Zum Abschluss der Ausführungen werden mögliche Themen für ein zukunftsweisendes Curriculum in der Erzieher- und Lehrer-Ausbildung aufgelistet.

Mein Dank gilt den engagierten Studierenden der Leuphana Universität zu Lüneburg. Dieses Buch wäre ohne ihr in Seminaren, Vorlesungen, schriftlichen Referaten, Examensarbeiten und mündlichen Prüfungsthemen bekundetes Interesse nicht entstanden. Ich wünsche meinen ehemaligen Studenten und Studentinnen Kraft, Ausdauer und Optimismus bei der Erziehungs- und Bildungsarbeit.

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1. Kindheits- und Jugendprobleme

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1.1 Weibliche Sozialisationsprobleme

Die Identitätsfindungsschwierigkeiten jugendlicher Mädchen äußern sich in intrapsychischen Konflikten, die autoplastisch, introvertiert, sich gegen die eigne Person richten. Depressionen, Selbstschädigungen und Essstörungen sind die häufigsten Formen abweichenden Verhaltens bei weiblichen Jugendlichen. Beispiehaft sei hier die „Anorexia nervosa“(griech), Appetitlosigkeit angeführt. Die Magersucht gibt sich durch eine starke Abnahme des Körpergewichts aufgrund extremer Ablehnung der Nahrungsaufnahme zu erkennen. Es kann von einer Selbstaushungerung durch Unterdrückung von Appetit und Hungergefühlen gesprochen werden. Familiendynamische Einzelfallstudien untersuchen die familiären Einflüsse bei der Entstehung dieser Krankheit.Vorgetäuschte Harmonie oder Pseudo-Harmonie innerhalb der Familie lässt der weiblichen Heranwachsenden wenig Möglichkeit zur Abgrenzung. Es wird nicht über Gefühle und Gedanken gesprochen. Der Familienstil ist geprägt durch Leistungsorientierung, Ordnung und Perfektionismus. Die weiblichen Kinder unterliegen einem hohen Erwartungsdruck und versuchen, den Ansprüchen der Eltern gerecht zu werden. Oft lebt die Mutter die Wichtigkeit des Schlank-Seins vor und kritisiert die Figur des eigenen Kindes. Obwohl äußerlich alles intakt scheint, fehlt es an „Nestwärme“ an emotionaler Wärme und Verständnis.

Neben den familiären Einflussgrößen spielen auch soziokulturelle Faktoren eine große Rolle. Individuelle Vorstellungen einer Kultur und Epoche, was als schön und erstrebenswert gilt, können sehr unterschiedlich ausfallen. Man denke an die fülligen weiblichen Gestalten des Malers RUBENS. Westliche Überschussgesellschaften und deren Medien suggerieren jedoch seit 1960 zunehmend das Bild einer schlanken und sportlichen Frau als erstrebenswertes Ideal. Frauen werden von vielen Männern nach dem Aussehen beurteilt. Mit dem Begriff Schlankheit werden Begriffe wie Intelligenz, Erfolg oder Gesundheit assoziiert. Es scheint eine Forderung der Gesellschaft, ab der Pubertät das Kindsein abzulegen und sich schnell auf die Rolle als Frau einzustellen. Die Krankheit wird bei Magersüchtigen und anderen Essgestörten als ein Ausweg aus der geforderten Angepasstheit an die geschlechtsspezifische Rollenverteilung der Gesellschaft gesucht. Es besteht bei diesen jungen Menschen ein starker Wunsch, von allen geliebt zu werden. Sie erhalten aus ihrer Bedürftigkeit heraus zu wenig Bestätigung und Aufmerksamkeit vom sozialen Umfeld.

Geschlechtsspezifische Aspekte

Weibliche Geschlechtsrollenstereotype üben trotz allen Gleichstellungsbemühungen im letzten Viertel des Zwanzigsten Jahrhunderts immer noch eine gewichtigen Einfluss während er weiblichen Sozialisation aus. Immer noch werden Mädchen und Frauen als: - passiv,

- eher selbstschädigend als aggressiv, - angepasst, - unauffällig und - legal eingeschätzt.

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Typische Mädchen sind demnach: - zärtlicher, - dankbarer, - hübsch und niedlich, - (früh) hilfsbereit, - spät selbständig und - häuslicher.

Frauen flüchten in psychische Störungen, um nicht aufzufallen. Problemlösungen erfolgen individuell und isoliert. Psychomotorische Störbilder weiblich devianten Verhaltens sind überwiegend intraversiv, introvertiert, internalisiert, also nach innen gekehrt. Typische psychische Störungen sind Anorexia nervosa, die Magersucht, und die Bulimia nervosa, die Ess-Brech-Sucht. Die Magersucht ist eine Erkrankung, die durch massive Angst vor Gewichtszunahme oder Fettleibigkeit gekennzeichnet ist. Die Magersucht äußert sich in Essunlust und übermäßigem Bewegungsdrang, was zu extremem Gewichtsverlust führt. Angst und ständige übermäßige Sorge um Gewicht und Figur führen bei der Bulimie zu Episoden, bei denen die betroffene Person in kurzer Zeit sehr viel isst und sich der Nahrung anschließend durch absichtliches Erbrechen, Abführmittel oder Fasten wieder entledigt oder mit starker körperlicher Anstrengung versucht, das Gewicht zu verringern.

Essstörungen sind Erkrankungen, bei denen es aufgrund von „krank machenden“ seelischen Belastungen zu körperlichen Schäden kommt. Hat während der letzten 20 Jahre an Häufigkeit zugenommen. Ursache v. a. das Schönheitsideal Dünnsein. Essstörungen werden entweder als Sucht oder als psychosomatische Erkrankung eingeordnet.

Engerer Sinn: Essgewohnheiten, die gesundheits- bzw. lebensgefährdend sind. Weiterer Sinn: Permanentes auf sein Gewicht achten, indem man nicht isst, wann, was und soviel man will und regelmäßig Diäten macht, um abzunehmen. Versuch, die Nahrungsaufnahme und damit den Körper zu manipulieren. Vordergründiges Ziel: Gewichtsabnahme bzw. -kontrolle „Esssucht“ stellt eine begriffliche Nähe zu anderen Süchten her.

Aber: Essstörungen sind etwas anderes als so genannte „stoffgebundene Süchte“ wie Drogensucht oder Alkoholabhängigkeit. Einige Verhaltensweisen Essgestörter können jedoch suchtartigen Charakter annehmen: Kontrollverlust, Wiederholungszwang, soziale Isolation. Häufig treten Essstörungen gleichzeitig mit anderen körperlichen Folgeerkrankungen oder psychischen Begleiterkrankungen und Abhängigkeiten auf, wie z.B. Bluthockdruck, Diabetes mellitus, Depressionen, Ängsten, Medikamentenmissbrauch, Alkoholabhängigkeit. Essstörungen können auch in Kombination mit einer Selbstverletzungsproblematik wie z.B. Schneiden mit Messern, Klingen oder Scherben, Zufügen von Brandwunden, Beißen, Haare ausreißen usw. auftreten.

Essstörungen scheinen Lösungsversuche für tiefer liegende seelische Probleme, Ausweg, Flucht oder Ersatz für verdrängte Gefühle und Bedürfnisse, stummen Protest oder Ablehnung zu sein.

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Befriedigung durch Essen bzw. Hungern ergibt scheinbar eine schnelle Erleichterung, Erleben von Sicherheit und Selbständigkeit. Kurzzeitbefriedigung: Betroffene brauchen Wiederholungen. Eigendynamik der Essstörung. Betroffene verlieren die Kontrolle über das wahllose In- sich-Hineinstopfen großer Nahrungsmengen oder über die Verweigerung von Nahrungsaufnahme. Ergebnis: Sie fühlen sich ausgeliefert.

Bei den Essstörungen unterscheidet man drei verschiedene Krankheitsbilder: die Anorexia nervosa (Magersucht), die Bulimia Nervosa (Ess- und Brechsucht), sowie die Adipositas (Fettsucht)

Essstörungen galten früher als „typisch weibliche“ Erkrankung. Heute erkranken auch Jungen und Männer. Häufiger sind jedoch immer noch Mädchen und Frauen in ihrem Essverhalten gestört. Essstörungen treten über die gesamte Altersspanne auf. Im Jugendalter, vor allem in der Pubertät, besteht eine größere Gefahr, eine Essstörung zu entwickeln. Vor allem im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Es gibt auch Ersterkrankungen vor dem 10. und nach dem 25. Lebensjahr. Im Durchschnitt erkranken die Patienten an Bulimie zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr. Etwa 5 Millionen Männer und mehrheitlich Frauen in Deutschland leiden an Essstörungen. Diäten können Vorläufer, und auch "Einstiegsdroge" für ein gestörtes Essverhalten oder eine Essstörung sein. Neben Diäten versuchen viele Menschen durch exzessiven Sport, Hungern,einseitige, eingeschränkte Ernährung (restriktives Essverhalten), die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und den Missbrauch von Medikamenten, wie beispielsweise Appetitzügler, Abführmittel und Entwässerungsmittel, zu ihrem Wunschgewicht zu gelangen. Auch chirurgische Eingriffe wie z. B. Fettabsaugen werden immer häufiger von jungen Frauen in Betracht gezogen, trotz gesundheitlicher Risiken. 8% der 6-17-jährigen Mädchen wiegen zu wenig.

50% aller Mädchen unter 15 Jahren halten sich zu dick, bei Normal- oder Untergewicht. 90% der weiblichen Teenager wollen abnehmen. 66% aller 11-19-jährigen Jungen und Mädchen möchten dünner sein. 73% der Frauen finden ein Gewicht unterhalb des Normalgewichts am attraktivsten.

Magersucht, Anorexia nervosa

“Hungern gab mir Halt und Sicherheit. Hungern half mir, meine Angst vor dem Leben zu bewältigen, meine Angst vor dem Selbständigwerden, der Verantwortung, dem Aufgeben meines Kindseins, meine Angst vor dem Erwachsenwerden. Hungern half mir, die Rolle des hilflosen, bedauernswerten Kindes aufrechtzuerhalten.” reflektiert eine Betroffene. ”Asketischer Typ”: Gewichtsreduzierung durch Hungern.

”Hyperorektischer Typ”: Gewichtsreduzierung durch Hungern, Essen von kalorienarmen Speisen, Einnahme von Abführmitteln. Herbeiführen von Erbrechen ähnlich wie bei der Bulimie: Erbrechen infolge eines Heißhungeranfalls.

Magersucht- Symptome: Gewichtsverlust und intensive Furcht vor einer Gewichtszunahme.

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Störung in der Art und Weise, wie das eigene Körpergewicht oder die eigene Figur erlebt wird. Übermäßiger Einfluss von Körpergewicht oder Figur auf die Bewertung der eigenen Person oder Leugnung des Ernstes des gegenwärtigen niedrigen Körpergewichts. Äußeres Erscheinungsbild: auffallend dünn. Magersüchtige sind oftmals hoch sensibel für die Bedürfnisse anderer. Sie können sich verbal gut mit Freunden, Bekannten und Verwandten auseinander setzen. Der Zugang zu ihrer eigenen Gefühlswelt ist ihnen jedoch sehr schwer möglich.

Typisch für Magersucht ist die Abwehr der Introspektion. Fehlender Kontakt zum eigenen Körper und dessen Bedürfnissen. Der Körper wird als Feind erlebt und bekämpft. Ständiges Wiegen und sich zu dick fühlen herrschen vor. Der Kopf kontrolliert und steuert. Die Kontrolle vermittelt das Gefühl, autonom und selbständig zu sein. Manchmal übertriebene Sparsamkeit und extremer Reinlichkeitssinn, Ablehnung jeglicher lustbetonter Betätigung, eine ausgesprochen spartanische Lebensweise. Rückzugsverhalten. Schwarzweißdenken und depressive Verstimmungen. Ritualisiertes Essverhalten. Extrem langsames Essen, extrem heiß oder kalt essen. Verzehr von Baby- oder Kindernahrung, breiiger Kost. Bevorzugung von kalorienarmen Nahrungsmitteln und Getränken, meist sehr einseitige Nahrungsauswahl. Essen vortäuschen, kauen und ausspucken. Kochen, backen, Rezepte sammeln und andere zum Essen animieren. Vieles im Stehen machen. Sich Kälte aussetzen. Exzessiv Sport treiben. Tragen von schweren Taschen/Rucksäcken. Die Betroffenen verweigern sich über lange Zeit, sich ihre Krankheit einzugestehen.

10-15% aller Magersüchtigen sterben an ihrer Magersucht! Es besteht die Gefahr, dass die Magersucht chronisch wird.

Bereits jede dritte Schülerin (zwischen 12 bis 20 Jahren) leidet an Frühformen von Essstörungen, bei 14% dieser Altersgruppe besteht bereits ein sehr hohes Risiko für die Entwicklung einer Magersucht.

Etwa 5 Millionen Menschen , davon die allermeisten weiblichen Geschlechts, in Deutschland leiden an Essstörungen.

3,7 Millionen davon haben gefährliches Untergewicht. 100 000 Menschen, insbesondere Frauen, leiden demnach an Magersucht. Die Zahl der Magersüchtigen verdreifachte sich in den letzten zehn Jahren. 30% der Magersüchtigen sind chronisch krank. 30% der Magersüchtigen sind nach einer Behandlung geheilt. 30% der Magersüchtigen erfahren eine Spontanheilung. 10% aller Magersüchtigen sterben an ihrer Magersucht.

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Folgeschäden:

Absinken des Stoffwechsels, des Pulses, des Blutdrucks und der Körpertemperatur. (-> Müdigkeit, Frieren und Verstopfung). Hormonelle Veränderungen (Trockene Haut, brüchige Haare, Ausbleiben der Menstruation, Veränderung der Körperbehaarung, Osteoporose (Verringerung der Knochendichte). Mangel an lebensnotwendigen Elektrolyten (Kochsalz, Magnesium oder Kalium) durch Fasten und den Gebrauch von harntreibenden Medikamenten oder Abführmitteln. Verschiebungen des Säuregehaltes im Blut (Kaliummangel + Säuremangel führen zu schweren Herzrhythmusstörungen). Verkrampfungen und eine schnelle Ermüdbarkeit der Muskulatur. Anstieg des Harnsäurespiegels durch zu wenig Flüssigkeitsaufnahme -> Nierenstörungen. Langjähriger Kaliummangel kann die Nierenfunktion dauerhaft schädigen. Durchblutungsstörungen mit Kältegefühlen an den Händen und Füßen, bis hin zu Erfrierungen. Veränderungen der Sexualhormone treten schon nach einer Gewichtsabnahme von wenigen Kilogramm ein und können zu Unregelmäßigkeiten des Zyklus und zu einer Einschränkung der Fruchtbarkeit führen (unerfüllter Kinderwunsch).

Psychische Folgen:

Ständiger zwanghafter Vergleich mit anderen Menschen. Starkes Kontrollbedürfnis. Schuldgefühle, wenn etwas schmeckt. Angst vor eigenen Bedürfnissen. Selbsthass, Geiz, Zwanghaftes Verhalten (Waschen/Putzen), Sozialer Rückzug , Depressive Verstimmungen. Teilweise selbstverletzendes Verhalten. Abnahme der Konzentrationsfähigkeit.

Adipositas, Fettsucht, Übergewicht

Fettsucht ist ein körperlicher Zustand, bei dem im Fettgewebe unter der Haut und in anderen Organen zu viel Fett eingelagert ist.

Übergewicht entsteht, wenn dem Körper ständig mehr Nährstoffe zugeführt werden, als er verbraucht. Diese werden dann in Form von Fett deponiert.

Die optimalen Körperfettanteile bei Männer liegen zwischen 11-17% und bei Frauen zwischen 19 und 22%. Werte unter 3% bei Männern und unter 11% bei Frauen sind genauso ungesund, wie Fettanteile über 30%. Tabelle BMI (Body Measurement Index) - Werte Normalgewicht 20,0 - 24,9 Übergewicht 25,0 - 29,9 Adipositas Grad I 30,0 - 34,9 Adipositas Grad II 35,0 - 39,9 Adipositas Grad III > 40

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Formel BMI:

„Gewicht in Kilogramm (Kg) / Körpergröße (m2)“

Ca. 10% der Fettsüchtigen (hauptsächlich Frauen) zeigen das Syndrom nächtlichen Essens (nighteating syndrom).

Bei ca. 5% der Fettsüchtigen findet sich das Syndrom der Fressorgien (binge eating). Sie leiden unter einem gestörtem Sättigungsgefühl.

Zusatzerkrankungen:

Hoher Blutdruck, Erhöhung der Blutfette, Schlafstörungen, Arthrose der großen Gelenke, Schlaganfall, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemnot, Diabetes, Gallensteine. Das Risiko Krebs zu bekommen steigt und ist höher als bei Alkohol- und Tabakgenuss. Fettsucht kann das Leben verkürzen und zu einem vorzeitigem Tod führen.

Selbstbild: Fettsüchtige empfinden ihre Körper als ekelerregend. Sie haben das Gefühl, von anderen mit Feindseligkeit und Verachtung betrachtet zu werden.

Grund: extreme Unsicherheit, geringes Selbstvertrauen und gestörtes Sozialverhalten, soziale Isolation.

Psychosomatische Ursachen (z.B. Depressionen, Einsamkeit).

Krankheitsbedingte Fettsucht wird durch eine Unterfunktion bestimmter Hormondrüsen erzeugt. Dies gilt für ca. 10% der Fettleibigen.

Genetische Ursachen: Erbanlagen können zu einer vermehrten Nahrungsaufnahme, zu einem verminderten Energieumsatz oder einer bevorzugten Energiespeicherung in Form von Fett führen.

Behandlungsmethoden

Mehr körperliche Bewegung (z.B. in einer Gruppe). Ernährungsumstellung mit Hilfe eines Ernährungsberaters. Emotionale Unterstützung. Stärkung des Selbstwertgefühls.

Operationsmethoden: Magenverkleinerung: Durch den kleineren Magen stellt sich schnell ein Sättigungsgefühl ein.

Magenballon: Der Ballon füllt den Magen partiell. Der Fettleibige verspürt ein Gefühl der Sättigung. Der Ballon kann bis zu sechs Monaten im Magen verbleiben. Magenschrittmacher: Es werden elektrische Impulse in den Magen sendet. Dieser elektrische Stimulus beeinflusst die Wirkung der Muskeln des Magens. Beim Essen empfinden der Fettleibige

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schneller ein Gefühl der Sättigung. Fettsucht eine Wohlstandskrankheit?

Der zunehmende Wohlstand hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Essgewohnheiten: unausgewogene Ernährung, fettreiche Fast- Food- Snacks, zu üppige Portionen, sowie stark gesüßte Erfrischungsgetränke.

Früher war es für den Körper überlebensnotwendig, Energiereserven in Form von Fettdepots zu haben, um die Zeiten der Nahrungsknappheit zu überstehen.

Die Anteile von Fett in Lebensmitteln sind in den letzten 30 Jahren von 20% auf 43% gestiegen.

Bulimie, Ess-Brech-Sucht

Bulimia nervosa , griech. “bulimos“ - Ochsenhunger. einzelne Berichte bereits in der Antike. RUSSEL (1979) - Eigenschaften wissenschaftlich beschrieben. Zuwachs in der letzten 20 Jahren. hohe Dunkelziffer. 2-4 % bei den 18 bis 35jährigen Frauen. 95% aller Erkrankten sind weiblich.

Alter bei Erkrankungsbeginn etwas höher als bei Anorexia nervosa. auch Folge der Magersucht. Symptome:

wiederholte Attacken von Heißhunger gefolgt von selbst herbeigeführtem Erbrechen. Fressattacken: Nahrungsmittel, die sonst tabu sind, bis zu 50.000 Kalorien pro Attacke. Frequenz der Attacken: 1-2 pro Woche bis 20 pro Tag. heimlich; tiefes Schamgefühl. Mundraub, Schulden,

auch Erbrechen einer normalen Mahlzeit. andere Mittel: Abführmittel, Appetitzügler etc. ständige Beschäftigung mit Essen. Unter - oder Übergewicht schlankes Körperideal