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Der Wilde Westen wartet nicht – und Kit Carson auch nicht. Tauchen Sie ein in ein Abenteuer voller Mut, Gerechtigkeit und tödlicher Duelle – mit einem Mann, der zur Legende wurde.
Klappentext: Ein Saloon am Rand der Zivilisation. Eine Bande gnadenloser Revolvermänner. Und ein alter Freund in höchster Gefahr. Als Kit Carson in Taos eingreift, trifft er nicht nur auf einen alten Feind – sondern auch auf einen verlorenen Sohn, der sich dem falschen Mann angeschlossen hat. Die Jagd führt tief in das Herz eines rauen Landes, wo jeder Schritt tödlich sein kann und jeder Fehler ein Grab bedeutet. Wird Carson Gerechtigkeit walten lassen – oder wird ihn seine Vergangenheit einholen?
Was dieses Buch besonders macht: „Kit Carson greift ein“ ist der furiose Auftakt zur Reihe Kit Carson – Legende des Westens – ein Western mit echtem Charakter. Sprachlich präzise, atmosphärisch dicht und voll handfester Action. Autor Leslie West (bürgerlich Ludwig Webel) bringt nicht nur jahrzehntelange Erfahrung als Übersetzer und Texter mit, sondern auch ein sicheres Gespür für Spannung, Figuren und Dramaturgie. Der gebürtige Münchner übertrug bereits über drei Dutzend Comic-Alben sowie das Ehapa Comic-Lexikon ins Deutsche und arbeitet seit vielen Jahren bei München Tourismus. Sein erzählerisches Talent bringt die glühende Hitze, die raue Landschaft und den Pulverdampf des Wilden Westens direkt zu Ihnen nach Hause.
Greifen Sie jetzt zu und erleben Sie den Beginn einer epischen Westernreihe, die den Staub aufwirbelt – und im Gedächtnis bleibt. Warten Sie nicht – steigen Sie in den Sattel. Kit Carson reitet schon los.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Leslie West
Kit Carson greift ein
Kit Carson – Legende des Westens
Band 1
EK-2 Publishing
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Die Sonne brannte mit einer nicht zu überbietenden Heftigkeit auf die kahlen Felsen herab.
Der Stein, hinter dem der hochgewachsene Mann Deckung gesucht hatte, war nach Jahrzehnten der Errosion zerfurcht und genauso heiß wie der Boden, der seine Hitze durch die Stiefelsohlen des Lauernden schickte und ihn abwechselnd leise fluchen und stöhnen ließ.
Längst war der Schatten des Felsens zu klein geworden, um noch Schutz zu bieten. Erneut verfluchte der Mann das Geschick, das ihn hierhergeführt hatte.
Er war ein alter Fuchs, und er war einer der größten Westmänner, die dieses Land hervorgebracht hatte. Seinem markanten Gesicht sah man seine fünfzig Jahre an, auch dass es von vielen Erfahrungen und Abenteuern gezeichnet war. So viele Abenteuer, dass diese wohl für das Leben mehrerer Männer gereicht hätten.
Wieder ließ er seinen Blick über das schier endlose Felsengelände gleiten, in der Hoffnung, dass sein Gegner bald die Geduld verlieren und ein verräterisches Zeichen von sich geben würde.
Es gab wohl niemanden, dem diese bizarre Gesteinslandschaft nicht an die Nerven gegangen wäre.
Der Bryce Canyon lag im südlichen Teil des Staates Utah, der vor etwa neun Jahren seinen Namen erhalten hatte, nachdem einige Jahre zuvor die ersten Mormonen unter der Führung von Brigham Young die Ausläufer der Wasatch Rockies erreicht und am Great Salt Lake Valley die Hauptstadt des künftigen Bundesstaates gegründet hatten – Salt Lake City. Auch diese Stadt lag nördlich des Canyons.
Seinen Namen hatte er von Ebenezer Bryce bekommen, dem ersten Siedler der Gegend, der zu dieser Landschaft eine ebenso trockene wie treffende Bemerkung gemacht hatte:
»Wenn du hier eine verirrte Kuh suchen musst, dann lass dich lieber gleich begraben.«
Es gab wohl kaum jemanden, der auf den Gedanken gekommen wäre, im Bryce Canyon Kühe zu züchten, aber der Pionier hatte damit ziemlich anschaulich die Unübersichtlichkeit des Geländes wiedergegeben.
In der Tat war der Bryce Canyon ebenso trocken und karg wie faszinierend. Im wechselnden Lichtspiel des Tagesverlaufs leuchteten die abenteuerlichen Sandsteingebilde in allen Farben. Grotten, Höhlen, Felskegel, Burg- und Kathedralen ähnliche Formationen schimmerten in fahlem Gelb, mattem Purpur, kräftigem Orange und grellem Zinnoberrot. Der Canyonabschnitt, in dem sich der Mann nun versteckte, wurde wegen der Gestalt seiner Felsensäulen und seiner Eintönigkeit „Stille Stadt“ genannt.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte der Mann dieses großartige Schauspiel, das die Natur in über sechzig Millionen Jahren geschaffen hatte, sicher genossen. Im Moment aber zählte nur der Gegner. In der flirrenden Hitze war es schwierig, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Die verwirrenden Farbspiele erschwerten das Erkennen von Bewegung und erhöhten damit noch die Gefahr. Die vollen blonden Haare des Mannes, die etwas über den Kragen der fransenverzierten WapitiLederjacke reichten, waren wie der übrige Körper mit einer Staubschicht überzogen.
In diesem sich gnadenlos hinziehenden Duell durfte es nur einen Sieger geben, das wusste er. Die Jagd auf Paul Carrack hatte ihn viel Zeit und Kraft gekostet, und ein anderer hätte schon längst aufgegeben. Dieser Bandit aber musste gestellt werden, bevor er noch mehr Leute ins Unglück stürzen konnte.
Die Sonne hatte inzwischen den Zenit überschritten, und der Mann mit der Fransenjacke wusste, dass er in seiner Konzentration nicht nachlassen durfte. Carrack hatte mit einer baldigen Rückkehr gerechnet und deshalb nur wenig Wasser und Proviant mitgenommen. Früher oder später würde er gezwungen sein aus der Deckung herauszukommen. Sein Verfolger dagegen hatte genug Wasservorräte bei sich, um es auch noch einen weiteren Tag auszuhalten.
Dennoch hätte er es gern vermieden, dass sich der Kampf noch bis zur Abenddämmerung hinzog. Erstens würde auch Judd Calhoun Durst bekommen. Er hatte ihn gefesselt und geknebelt zurückgelassen; zweitens würden die länger werdenden Schatten und das Zwielicht jedes Anschleichen zu einem Selbstmordunternehmen machen.
Am Saumpfad gegenüber, den er pausenlos beobachtete, bewegte sich etwas. Der blonde Mann brachte sein PatersonGewehr in Anschlag.
Der Weg dort drüben war nur selten mehr als drei Yards breit. Zur einen Seite fiel die Felswand fast senkrecht in die Tiefe, zur anderen ragte sie fast ebenso steil empor. Es gab nur diese Stelle, an der man den Pfad verlassen konnte, und sie hatte der Mann im Visier.
Jetzt sah es fast so aus, als wollte der Bandit doch versuchen, die Steilwand hochzuklettern, die der blonde Mann von hier aus nicht einsehen konnte. Er hatte die Bewegung an der Wand nur ganz kurz sehen können.
Kit Carson fluchte über den schlechten Sichtwinkel. Er musste etwas tun.
Behutsam stand er auf und schlich geduckt nach links aus der Deckung. In sechs bis acht Yards Entfernung lag ein weiterer Felsbrocken. Von dort aus würde die Steilwand etwas besser einzusehen sein. Dafür bot er nicht genug Deckung, um sich ganz dahinter zu verbergen, und der ehemalige Scout hatte Carrack überraschen wollen.
Kit war kaum hinter dem Felsen hervorgekommen, als die ersten Kugeln heran peitschten. Eine davon schlug ihm ein Loch in die Jacke aus WapitiLeder. Sofort warf er sich auf den Boden, riss das Gewehr hoch und schoss auf die Stelle, an der das Mündungsfeuer aufgeblitzt hatte.
Carrack begann sich einzuschießen, und Kit musste sich so flach auf den heißen Steinboden pressen, wie es nur ging. Einige der Kugeln sausten keine Handbreit über ihn hinweg.
Er sah jetzt ein, dass er einen Fehler gemacht hatte, aber er würde ihn nicht wiederholen. Zunächst aber musste er aus diesem Schlamassel heraus.
Als Carracks Gewehr aussetzte, wusste Kit sofort, was los war. Er schnellte hoch und jagte hinter seine alte Deckung zurück.
Noch bevor er sie erreicht hatte, begann Carrack mit dem Colt zu feuern, aber für den Revolver war diese Entfernung zu groß. Kit verbarg sich wieder im Felsschatten und unterließ es, zurückzuschießen.
Allmählich kehrte wieder die Überlegung zurück. Sein Hass auf den Verbrecher hatte ihn unvorsichtig werden lassen, sein Stellungswechsel war völlig überflüssig gewesen und hatte sogar geschadet. Carrack war nun gewarnt.
Dennoch – der Bandit saß in der Falle. Die Zeit arbeitete für Kit. Er würde sich kein zweites Mal hinreißen lassen.
Auch Carrack hatte sein Feuer inzwischen wieder eingestellt. Es war erneut so ruhig wie vor wenigen Minuten.
Die Zeit verging. Unendlich langsam kroch die Sonne am Himmel dahin.
Ohne in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen, ließ Kit in der Totenstille der Felsenlandschaft seine Gedanken bis zu dem Punkt zurück schweifen, an dem alles begonnen hatte. Vor etwa zwei Wochen, als Paul Carrack zu seinem Gegner geworden war. Als sie sich in Taos zum ersten Mal begegnet waren.
Kit erinnerte sich …
*
Taos war in mancherlei Hinsicht eine bemerkenswerte Stadt.
Sie lag und liegt bis heute in der prachtvollen Gebirgslandschaft der SangredeCristoMountains am Rio Grande, etwa sechzig Meilen nördlich von Santa Fé. Ihre unvergleichliche Einbettung in eine magische Landschaft lockte bereits in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts viele Künstler an.
Zurzeit Kit Carsons bot Taos noch ein anderes Bild. Die Adobegebäude, aus denen sie bestand, lagen in einer Weise beieinander, als hätte ein Gigant eine Handvoll riesiger Steine wahllos auf eine nicht allzu große Fläche hingestreut. Braun und glanzlos bildeten sie eine Siedlung, in der ein bunteres Völkergemisch herrschte als in den meisten anderen amerikanischen Städten.
Kit genoss ihren Anblick von oben. Er war ins Gebirge hochgestiegen und blickte auf die weite Ebene hinab, die sich hinter der Stadt ausdehnte.
Taos gehörte zum Staat New Mexico, der erst nach dem Mexikanischen Krieg in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre amerikanisch geworden war.
Neben den Amerikanern – den „Gringos“ – gab es hier sehr viele Mexikaner, dazu kamen Indianer und Mischlinge, denn im Nordosten, etwa zweieinhalb Meilen entfernt, lag das Taos Pueblo. Es bestand ebenfalls aus Adobegebäuden, allerdings meist vier- und fünfstöckigen, die insgesamt sieben Indianerstämme beherbergten, darunter die Day People, die Knife People, die Water People und die Big Earring People. Ihr Anführer wurde Cacique genannt und war der oberste Häuptling.
Kit hatte viel mit ihm zu tun. Er arbeitete nämlich seit einiger Zeit als Indianeragent in Taos und hatte sich dort niedergelassen.
Als Christopher Houston Carson war er am Heiligen Abend des Jahres 1809 im Madison County in Kentucky geboren worden, aber niemand nannte ihn anders als „Kit“. In seinem ersten Lebensjahr zogen die Eltern nach Missouri, und dort wuchs er auch heran. Nach einer Lehre als Sattler ging er bereits 1826 als Trapper, Jäger und Scout in den Westen. Berühmt wurde der Frontier Man allerdings erst, als er in den vierziger Jahren John Charles Frémonts Expedition über den Arkansas River, die Colorado Rockies und durch die NevadaWüste nach Westen führte.
Nachdem Kit Carson etwas später noch als Scout eine Expedition nach Kalifornien geleitet hatte, war er bereits Legende geworden. Er galt auch als guter Indianerkenner und sprach einige ihrer Dialekte. Den Mexikanischen Krieg hatte der wagemutige Mann als Armeescout erlebt. Danach allerdings kam Kit Carson zu der Einsicht, dass es nicht schaden würde, sich um die Indianer in New Mexico zu kümmern. Kit Carson war Scout geworden, weil er den Westen, dieses freie, unendliche und herrliche Land liebte. Die Siedlertrecks, denen er den Weg gezeigt hatte, trugen allerdings dazu bei, dass dieses wilde Land nach und nach erschlossen wurde.
Kit war damals etwas über vierzig Jahre alt gewesen. Er vermochte die künftige Entwicklung einigermaßen realistisch einzuschätzen, und er stellte fest, dass der Wilde Westen dabei war, gezähmt zu werden.
So bemühte er sich deshalb nun lieber um dessen Ureinwohner, unter denen er viele Freunde hatte, und hatte sich in Taos als Indianeragent niedergelassen.
Heute wollte er noch ins Pueblo, aber vorher zog es ihn hinauf ins Gebirge. Vielleicht lief ihm ein saftiger Braten über den Weg. Es war kurz nach Mittag gewesen, als er aufgebrochen war. Seinen Gehilfen Hermosino hatte er noch angewiesen, das Büro um fünf Uhr zu schließen, falls kein dringendes Anliegen mehr eintraf.
Zwischen den Felswänden herrschte eine angenehme Stille, aber man empfand dies nur so lange so, bis man wusste, dass sich seit einiger Zeit ein Puma in den Bergen herumtrieb. Er hatte schon etliche Tiere gerissen, und selbst die wenigen kleinen Schafherden, die von den indianischen Hirten des Taos Pueblo von Weide zu Weide getrieben wurden, waren nicht verschont geblieben. Es musste sich um einen abgebrühten Burschen handeln, noch dazu um einen außerordentlich schnellen. Seine Raubzüge lagen zeitlich oft nahe zusammen, fanden aber an weit voneinander entfernten Orten statt. Bergpumas waren inzwischen eine Seltenheit geworden.
Auch den Heiligen See der Pueblo- Indianer konnte er von hier oben erkennen, wenigstens so lange, bis er höher stieg. Die Indianer von Taos waren ein sehr religiöses Volk.
Der Scout hatte wenig Hoffnung, dass ausgerechnet ihm dieser Puma über den Weg laufen würde. Er hielt lieber nach Bergziegen und Antilopen Ausschau.
Längst hatte er die Sonne im Rücken, als er sich einer engen, verwinkelten Schlucht näherte. Plötzlich hörte er ein wildes Fauchen und das Poltern von Steinen. Kit spurtete sofort los, das PatersonGewehr im Anschlag.
Als er um einen Felsen bog, stieß sein Fuß gegen etwas Weiches. Erschrocken sprang er zurück.
Diese Raubkatze würde nie wieder auf die Jagd gehen. Der Pfeil steckte genau im Herz, die gebrochenen Augen starrten blicklos in den Himmel. Auch im Tod ging von dem Tier noch etwas Gefährliches, Bedrohliches aus.
Woher aber war das Zischen und Knurren gekommen, das nur ein Raubtier wie der Puma hatte ausstoßen können?
Kit jagte weiter und sah hinter einer der nächsten Biegungen eine verzweifelte Auseinandersetzung.
Eine zweite Raubkatze hatte sich auf einen Indianer gestürzt. Der Angriff musste so überraschend gekommen sein, dass der rote Mann keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, sein Messer zu ziehen. Die beiden Gegner wälzten sich auf dem harten Boden. Verzweifelt versuchte der Indianer immer wieder, die Pranken des Pumas abzuwehren, der blitzschnelle, wilde Schläge anbrachte und wütend fauchte.
Kit riss das Gewehr hoch, ließ es aber sofort wieder sinken. Mensch und Tier bewegten sich zu schnell, um einen sicheren Schuss anbringen zu können.
»Vergiss es, Seidenfell«, knurrte der Scout. »Für den Winter braucht Old Ezekiel Calhoun noch was Warmes um die Füße.«
Er zog sein Messer und sprang zu den Kämpfenden.
In Sekundenschnelle wog er sein Vorgehen ab. Auch wenn er den Puma sofort erwischte, konnte dieser vielleicht noch einen tödlichen Prankenschlag anbringen. Die Kleidung des Indianers war schon an vielen Stellen zerrissen.
Als Kit herankam, fuhr die Raubkatze herum und sprang jäh auf ihn los, mit aufgerissenen Fängen, die auf die Kehle des früheren Trappers zielten.
Kit jedoch behielt die Nerven. Mit dem rechten Unterarm riss er den Kopf des Pumas nach hinten, als dieser nahe genug heran war, und mit der linken Hand jagte er ihm den Dolch Ins Herz. Er sprang sofort zurück, als die Raubkatze im Todeskampf noch fürchterlich um sich schlug. Dann war alles vorbei.
»Immer auf die alten Männer«, meinte der Scout zwischen zwei Atemzügen. »Wie sieht es aus, Schneller Falke? Hat er dich schlimm erwischt?«
Der Indianer schüttelte den Kopf. Das Stirnband, das die schulterlangen schwarzen Haare bändigte, war von Blut getränkt.
»Ich danke dir, Vihhiu Nis«, sagte er im Dialekt der PuebloIndianer. »Du hast mir das Leben gerettet.«
Kit winkte ab.
»Ich habe nur einem tapferen jungen Krieger geholfen. Es gehört viel Mut und List dazu, den Puma zu jagen. Und ich fühle mich geschmeichelt, dass sich mein indianischer Ehrenname bis hierher herumgesprochen hat.«
Das Bronzegesicht des Indianers bekam einen noch dunkleren Ton.
»Ich habe das Weibchen erwischt«, entgegnete er. »Aber niemand konnte ahnen, dass wir es mit zwei Tieren zu tun hatten.«
»Das erklärt einiges«, stimmte der Indianeragent zu. »Kannst du allein gehen?«
Der junge Krieger bejahte sofort. Dann zogen sie die beiden toten Pumas zusammen.
»Das Fell des Männchens gehört dir«, sagte Schneller Falke. »Am besten, wir decken sie mit Steinen zu. Ich werde später mit einem Pferd wiederkommen und sie häuten. Du bekommst dein Fell, sobald ich es fertig habe.«
»Eine Menge Arbeit«, meinte Kit. »Willst du dir das wirklich antun?«
»Sein Fell ist weniger wert als meines.«
Sie sahen sich an und lächelten. Kit musste zugeben, dass ihm dieser junge Mann vom Stamm der DayPeople bisher von allen PuebloIndianern, die er kennengelernt hatte, von Anfang an am sympathischsten gewesen war. Schneller Falke war ebenso tapfer wie zurückhaltend.
Dem jungen Indianer ging es ähnlich. Er hatte sofort Zutrauen zu dem hochgewachsenen blonden Mann gefasst, obwohl er zuvor kaum Kontakt zu den Weißen gehabt hatte.
»Gehen wir ins Pueblo zurück«, schlug Kit vor. »Ich muss mit Gefiederter Pfeil sprechen, dem Caciquen. In diesem Jahr ist eure erste Ernte sehr schlecht ausgefallen. Mit der Jagd allein ist dieses Problem nicht zu beheben, und die Schafe könnt ihr auch nicht alle schlachten. Ihr braucht ja auch etwas anderes als nur Fleisch.«
»Es ginge schon«, gab der junge Krieger zurück. »Aber wir brauchen auch Nahrung für die Kranken und Kleinkinder. Es wäre gut, wenn du uns helfen könntest.«
Kit schlug ihm auf die Schulter. »Ich werde es versuchen. Den Großen Vater in Washington brauchen wir dazu nicht. Santa Fé dürfte genügen.«
Sie unterhielten sich auf dem ganzen Weg zum Pueblo. Als sie dort angekommen waren, suchte Kit sofort den Caciquen auf. Gefiederter Pfeil schilderte ihm die ärgsten Nöte des Pueblos, und der Scout hörte aufmerksam zu, um alles im Gedächtnis zu behalten.
Als er aufbrach, war es fast schon Zeit für das Abendessen, und bis dahin wollte er zurück in Taos sein. Gefiederter Pfeil stellte ihm eines der gedrungenen Indianerponies zur Verfügung, und Kit ritt nach Südwesten, in die Stadt zurück.
*
Die Uhr im Büro zeigte zehn Minuten vor Fünf. Hermosino, Kit Carsons Gehilfe, war nun sicher, dass niemand mehr die Dienste seines Chefs beanspruchen würde.
Zudem verspürte er bereits wieder das feierabendliche Ziehen im Schlund. Er war ein sehr geselliger Mensch und redete viel und gern. Daher wollte er seine Stimmbänder auch nie der Gefahr aussetzen, auszutrocknen.
Außerdem traf er sich gern mit seinen Freunden, dem Schmied Moses Rennington, dessen Vorfahren aus Afrika gekommen waren, und Old Ezekiel Calhoun. Letzterer fristete seinen Lebensabend damit, den Saloon an der großen Plaza von Taos zu reinigen, meistens vormittags, manchmal auch öfter am Tag. Er bereitete sich auf seine staubige Arbeit gern mit einigen Gläsern Whiskey vor, der für ihn frei zugänglich war. Moses Rennington dagegen, der bei seiner Tätigkeit, die meiste Flüssigkeit verlor, pflegte diesen Verlust abends durch eine nicht zu gering bemessene Menge Bier auszugleichen.
Für Hermosino gab es an diesem Tag keinen Grund, nicht in den Saloon zu gehen. Hätte er geahnt, was auf ihn zukommen würde, so hätte er zumindest gezögert, den abendlichen Trunk einzunehmen. Wenn er auch noch gewusst hätte, dass sein starker Freund Moses Rennington heute nicht kommen würde, dann wäre er ganz sicher nicht hingegangen.
So aber nahm das Unheil seinen Lauf.
Hermosino war der Sohn eines Mexikaners und einer PuebloIndianerin. Damals wurden Mischlinge von der Allgemeinheit oft verachtet oder gar misshandelt.
Kit Carsons Gehilfe jedoch hatte wenig Probleme. Abgesehen davon, dass in Taos viele Völker vertreten waren und es somit kaum Leute gab, die andere Rassen verachteten, war Hermosino ein etwas fülliger und behäbiger, aber sehr umgänglicher und netter Zeitgenosse, mit dem sich die meisten sehr gut verstanden.
Manchmal bekam er von Kit Carson einen Extralohn, und dann spendierte er nicht selten eine Runde im Saloon. Reich konnte und wollte er ohnehin nicht werden.
Dieser Abend aber sollte etwas anders als gewöhnlich verlaufen.
Der Saloon an der Plaza gehörte seit über zwanzig Jahren dem Mexikaner Sancho Pertinez. Obwohl die Geschäfte nicht immer berauschend gingen – er brannte seinen Whiskey mit großem Aufwand selbst – strahlte der etwas korpulent gewordene Wirt stets Zufriedenheit aus und stieß auch gern einmal mit seinen Stammgästen an. Zu ihnen gehörte auch der vierköpfige Stammtisch, bestehend aus Kit Carson, Hermosino, Moses Rennington und Old Ezekiel Calhoun.
Ezekiel saß gerade mit Pablito Segrelles zusammen. Seinem Gesichtsausdruck nach schien er gerade wieder – was allerdings nie ganz ernst gemeint war – über seine „missratenen Großneffen“ Arnos, Tom und Brett Justin herzuziehen, die mit ihren Nachkommen in New Mexico, Texas und in den Appalachen lebten. Als Methusalem aller Calhouns konnte Old Ezekiel auf Ereignisse zurückblicken, die noch im vergangenen Jahrhundert stattgefunden hatten, und auf lange Jahre als Mountain Man. Aber irgendwann hatte selbst seine körperliche Verfassung nachgelassen. Und so war er nach Taos gekommen, wo das Leben für ihn weniger anstrengend war.
Heute war auch das Gesicht des Salooners allerdings nicht mehr besonders fröhlich.
Die sechs Gringos, die vor einigen Stunden nach Taos gekommen waren, hatten wenig Zeit verstreichen lassen, um sich mit Whiskey vollzupumpen. Nur der jüngste von ihnen, ein schmaler dunkelhaariger Bursche, hielt sich sowohl beim Trinken als auch im Benehmen einigermaßen zurück.
Die goldbraune Flüssigkeit wurde nicht etwa in aller Stille hinuntergegossen. Die Kerle ließen es sich nicht nehmen, die anwesenden Gäste anzupöbeln, von denen sich einige ohnehin schon klugerweise verzogen hatten. Der Rest hoffte wohl, dass die Gringos schon bald so voll sein würden, dass sie die Müdigkeit übermannen würde.
Im Augenblick sah es allerdings noch nicht so aus.
Einer der sechs Fremden hatte die Beine auf den runden Tisch gelegt, an dem er saß, und seinen Stuhl an die Wand im Rücken zurückgelehnt. Er putzte sich gerade die Fingernägel mit einem riesigen Bowiemesser. Dabei schien er sich ganz auf seine Beschäftigung zu konzentrieren. Einige der anderen Gäste schielten manchmal zu ihm herüber und tuschelten. Sie wussten nicht, dass er sie schon eine ganze Weile aus den Augenwinkeln beobachtete.
Plötzlich zischte das schwere Messer durch die Luft. Es riss einem der Gäste den hohen TenGallonHut vom Kopf und nagelte ihn an die Saloonwand. Daran sah man, dass eine gehörige Portion Kraft hinter dem Wurf gesteckt hatte.
Im Saloon wurde es still.
»So, und jetzt hätte ich das Ding gerne wieder, Gents.«
Der lässig im Stuhl sitzende Messerwerfer war ein junger Bursche, dessen Jacke und Hose mit vielen Silberknöpfen verziert waren. Der halblaute Ton, in dem er seine Forderung geäußert hatte, hatte gefährlich geklungen. Der Mann, dessen Hut an die Wand geheftet worden war, blieb wie gebannt sitzen.
»Ich kann es mir auch aus der Wand schießen«, fuhr der Bursche fort. »Macht dir hoffentlich nichts aus, dass dein Kopf in der Schussrichtung liegt.«
Der Gast wurde bleich. Langsam und unsicher stand er auf, ängstlich darauf bedacht, keine Bewegung zu machen, die der andere falsch auslegen konnte. Er zog Hut und Messer aus der Wand und ging zögernd auf den Tisch zu, an dem der Messerwerfer saß. Als er ihm das Bowiemesser mit dem Griff nach vom entgegenstreckte, zitterte seine Hand.
»Sehen Sie, Mister, geht doch.« Fast behutsam griff der Bursche nach dem Messer und lächelte dem Mann ins Gesicht.
Der andere fühlte sich immer unbehaglicher. In der Absicht, auf seinen Platz zurückzukehren, drehte er sich um und ging los. Im nächsten Augenblick krachte er auf den Boden. Ein Kumpan des Messerwerfers hatte ihm von hinten einen brutalen Fußtritt verpasst.
Auch dieser Bursche wirkte bereits auf den ersten Blick gefährlich: dunkelhaarig, schmale Hüften, breite Schultern, Spreizschritt. Man sah ihm den Revolverschwinger schon von weitem an. Er musterte den Liegenden verächtlich und wandte sich seinem Kumpan zu.
»Du bist diesen Greasern gegenüber zu höflich, Frank.«
»Aber nein, Walt«, gab der Messerheld mit sanfter Stimme zurück. »Ich will doch nur, dass mich die Leute mögen.«
Sein blanker Hohn in der Stimme war nicht zu überhören. Der Revolverschwinger grinste.
Indes hatte sich der Getretene erhoben und war wieder still auf seinen alten Platz zurückgegangen. Er fürchtete wohl, noch mehr Arger zu bekommen, wenn er jetzt versuchen würde, sich davonzumachen.
So war es wieder ruhig, als Hermosino den Saloon betrat und sich nach seinen Freunden umsah.
Der Gehilfe Kit Carsons hatte kaum die beiden Flügeltüren des Saloons hinter sich gelassen, als er schon spürte, dass etwas in der Luft lag. Mitten im Saloon stockte er, wagte nicht mehr weiterzugehen.
»Ein Greaser«, bemerkte Finn Tucker, ein schmaler Bursche mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck.
»Ein fetter Greaser«, ergänzte der Coltmann Walt Redfield.
Er hatte ein Glas so voll mit Whiskey gegossen, dass über die Hälfte des Inhalts herausspritzte, als er es über den Tresen dem Mann entgegenschlittern ließ, der noch gefährlicher als er selbst aussah. Er schien der Boss der Gang zu sein.
Zunächst wollte er das Glas abfangen. Dann aber warf er einen zweiten Blick auf den überrascht und ängstlich dastehenden Hermosino und ließ es ins Leere rutschen.
»Ein BastardGreaser«, knurrte der Anführer in den erneut still gewordenen Saloon hinein. »Eine Mischung aus Tortillafresser und Rothaut. Oh, wie ich diese verdammte Brut hasse.«
Sein Anblick genügte jedem, um sich in acht zu nehmen. Er war überdurchschnittlich groß, vielleicht sechs Fuß und zwei Inches. Hager, sehnig, muskulös. Ein Doppelgurt hielt zwei tiefgeschnallte Revolver. Die grauen Augen in dem braungebrannten Gesicht waren schmal und von eisiger Kälte.
»Du wirst uns jetzt etwas vortanzen, Bastard«, sagte er.
Hermosino verstand nicht. Hilfesuchend blickte er sich um. Moses Rennington, den schwarzen Schmied, entdeckte er an keinem der Tische, auch nicht am Stammtisch. Der alte Ezekiel Caihoun war da und saß mit einem kleinen Mann zusammen, der Pablito Segrelles hieß. Der alte Saloonreiniger schien es nicht zu wagen, in Hermosinos Richtung zu blicken.
»Du scheinst nicht gut zu hören, Bastard. Vielleicht muss ich dir erst ein bisschen Beine machen, wie?«
Das letzte Wort schien noch in der Luft zu hängen, als zwei Kugeln so dicht vor Hermosino in den Boden einschlugen, dass er erschrocken aufsprang.
»Das war schon besser. Und jetzt noch ein bisschen höher, Bastard!«
Die drei folgenden Kugeln landeten so knapp vor Hermosinos Füßen, dass er diesmal wirklich noch höher in die Luft sprang. Die anderen Kerle der Bande lachten hämisch.
»Jetzt kannst du 's wohl schon allein. Hopp, sage ich. Spring, Bastard. Tanze!«
Hermosino dachte schwitzend an eine Tanzweise. Er zitterte jetzt, summte aber im Geist eine Melodie und begann zu tanzen.
»Das wird noch, Bastard. Jetzt leg ein paar Takte zu, los!«
Hermosino schwitzte jetzt bei seinen Bewegungen noch mehr und bekam dunkle Flecken auf seinem roten Hemd. Dennoch erhöhte er das Tempo und behielt es bei.
Hugh OKelly, ein vierschrötiger Bursche, dessen Wiege in Irland gestanden hatte, gehörte ebenfalls zur Bande und hatte das Gefühl, dass jetzt seine Zeit gekommen war. Walt Redfields Trick hatte ihm gefallen.
OKelly schlich lautlos von hinten an Hermosino heran. Keiner dachte daran, dem unglücklichen Gehilfen Kit Carsons ein Zeichen zu geben.
Als Hermosino wieder mit beiden Beinen in der Luft war, geschah es. Der Ire schwang sein Bein so gegen Hermosinos Füße, dass sie ihm weggerissen wurden und er mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug.
Die Bande lachte grölend. Das war ein Spaß nach ihrem Geschmack.
Nur dem schmalgesichtigen dunkelhaarigen Jungen, der auch zu ihnen gehörte, war anzumerken, dass ihm das Verhalten seiner Kumpane nicht sonderlich gefiel.
»Jetzt wird uns noch beweisen, dass er eine Flasche Whiskey auf einen Zug austrinken kann!«, schrie der betrunkene Walt Redfield und riss den unglücklichen Hermosino wieder auf die Beine. Unter dem dröhnenden Gelächter der anderen griff er mit der freien Hand nach einer vollen Whiskeyflasche und hielt sie Hermosino vor die Augen.
»Wetten, dass?«, brüllte Redfield in den Saloon und spuckte dabei dem Gehilfen Kit Carsons ins Gesicht. »Wetten, dass?«
»Ich halte!«, klang es schneidend durch den Saloon.
Die Worte waren nicht besonders laut gesprochen worden, nur so laut, dass sie das Gelächter der Kerle gerade noch durchdrangen.
Augenblicklich wurde es still. Alle Anwesenden, auch die betrunkenen Randalierer, wandten sich dem Salooneingang zu. Von dort waren die Worte gekommen.
»Señor Carson!«, stieß Hermosino erleichtert hervor.
Die Blicke aller Männer fielen auf einen hochgewachsenen Mann mit vollem blonden Haar, leicht widerspenstig und nach hinten gekämmt. Es fiel bis auf den Kragen der Jacke aus WapitiLeder, die an den Ärmeln, auf der Brust und auf dem Rücken mit langen Fransen verziert war. Die Jacke war offen, doch so anliegend geschnitten, dass sich auch jetzt die breiten Schultern und die schmalen Hüften deutlich abzeichneten. Die Beine steckten in schmalen Hosen, die in fein gearbeiteten Stiefeln mit hohem Schaft aus gewöhnlichem Hirschleder steckte.
Im schmalen, braungebrannten Gesicht stach ein sauber gestutzter blonder Schnurrbart hervor, und darunter ein ebenfalls sehr sorgfältig gepflegter, kaum daumenbreiter Spitzbart.
Am faszinierendsten waren zweifellos die stahlblauen Augen. Sie strahlten hypnotische Kraft aus und schienen blitzschnell und doch intensiv jedes einzelne Gesicht der Radaubrüder zu mustern. Auch die Randalierer starrten den neuen Gegner an, und was sie sahen, gefiel ihnen nicht.
»Nun?«, fragte Kit.
Wie unabsichtlich schlugen seine nervigen Hände die Jackenschöße nach hinten, wodurch auch der Revolver an der rechten Seite freigelegt wurde.
Der Boss der Bande hatte wohl die Absicht gefasst, sich nicht beeindrucken zu lassen. Er erwiderte den Blick, der ihn traf, und versuchte, seine Worte möglichst hochmütig klingen zu lassen.
»Ein Bastardfreund, wie ich sehe.«
»Richtig« kam die gelassene Erwiderung vom Eingang. »Aber lieber ein Bastardfreund als ein feiger Kojote, der eine Handvoll Kumpane braucht, um genug Mut zu haben, einen einzelnen Mann zu bedrohen.«
Der Anführer zuckte zusammen, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. So hatte noch niemand mit ihm zu sprechen gewagt.
Das Gesicht des Bosses drückte zunächst noch grenzenloses Erstaunen aus, das sich dann übergangslos in blanke Wut verwandelte. Er griff zum Revolver, hatte ihn aber noch nicht einmal ganz aus dem Halfter, als ihm die Mündung eines Colt Navy 36 entgegen starrte. Es schien, als wäre dem blonden Mann die Waffe von selbst in die Hand gesprungen.
Der Colt Navy war erst vor wenigen Jahren für Zivilisten produziert worden. Vorher hatte er ausschließlich in der Marine Verwendung gefunden.
Kit ging langsam zum Tresen vor. Den Messerwerfer, der sich nicht gerührt hatte, schien er gar nicht zu beachten, als er an ihm vorbeiging und dann drei Schritte vor dem Anführer stehenblieb.
»Üben ist ‘ne verdammt langweilige Sache, ich weiß. Aber wenn du jemals gut mit dem Colt sein willst, hast du ‘s bitter nötig. Wer bist du überhaupt?«
Der Anführer hatte sich wieder halbwegs gefangen.
»Du solltest dir den Namen Carrack merken, schneller Mann. Paul Carrack. Er hat noch nicht zum letzten Mal in deinen Ohren geklungen.«
Dem Boss hatte der Name, den Hermosino ausgestoßen hatte, offensichtlich nichts gesagt. Vielleicht lag es daran, dass Kit sich noch nicht allzu lange als Indianeragent in Taos niedergelassen hatte. Im Westen dauerte es manchmal einige Zeit, bis sich etwas herumgesprochen hatte.
In diesem Augenblick geschah etwas, womit anscheinend niemand gerechnet hatte.
Frank Friedman, der Messerwerfer, fühlte sich unbeobachtet, zog hinter dem Indianeragenten lautlos sein Bowieknife und holte zum Wurf aus. Von da an überstürzten sich die Ereignisse.
Kit hatte nicht nur am Aufleuchten der Augen seines Gegenübers bemerkt, dass irgendetwas los war. Auch sein sechster Sinn warnte ihn.
Und Hermosino, der aus seiner vorübergehenden Starre erwacht war, reagierte ebenfalls. Er sprang auf den Messerwerfer zu, blieb aber unglücklicherweise an einem Stuhlbein hängen. Damit ging er an diesem Abend zum zweiten Mal zu Boden.
Die Sekundenbruchteile, die Friedman abgelenkt worden war, genügten Kit für einen sauberen Schuss. Mit einem gedankenschnellen Sidestep war er herumgefahren. Sein Colt Navy peitschte auf und schlug dem Burschen das Messer aus der Hand.
Paul Carrack wollte anscheinend beweisen, warum er der Anführer der harten Sechs geworden war, aber er hatte den Revolver erst halb aus dem Halfter, als ihn ein halblautes Zischen Kits warnte. Der Scout war blitzschnell in seine Ausgangsposition zurückgekehrt. Zähneknirschend ließ Carrack den Revolver wieder los.
Aber auch Finn Tucker, der Bursche mit dem verschlagenen Gesichtsausdruck, hatte seine Chance erkannt. Während Kit herumgewirbelt war, war er hinter den Tresen gesprungen und richtete nun seinen Colt von hinten auf den Indianeragenten.
Und wiederum geschah etwas Unerwartetes. Niemand hatte auf den alten Ezekiel Calhoun geachtet, der sich bitter schämte, weil er seinem Freund Hermosino nicht geholfen hatte. Ezekiel Calhoun hatte sich in aller Stille das Gewehr von Pablito Segrelles geschnappt, der vorher auf der Jagd gewesen war. Da der alte Saloonreiniger Finn Tucker schräg gegenübergesessen war, hatte er dessen Aktion bemerkt und richtete nun das Gewehr auf Tucker.
Im letzten Augenblick bemerkte dieser die Gefahr, und sein Colt fuhr von Kit zu Ezekiel Calhoun herum.
Die beiden Schüsse bildeten fast einen einzigen Knall, aber Ezekiel Calhoun hatte besser gezielt. Während ihm die Kugel Tuckers weit oben in der Schulter traf, landete seine eigene Kugel mitten im Herz des Banditen.
Der dunkelhaarige junge Bursche, der sich bisher zurückgehalten hatte, sah nun wohl die Zeit gekommen, um seinen Kumpanen zu helfen. Seine Hand zuckte zum Revolver.
Ein lautes Klicken eines gespannten Hahns an der Seite seines Schädels brachte ihn sofort wieder zur Besinnung. Langsam drehte er den Kopf – und fand eine doppelläufige Schrotflinte auf sich gerichtet, hinter der das Gesicht des Salooners einen grimmigen Ausdruck angenommen hatte.
Der alte Sancho Pertinez hatte in diesen rauen Zeiten seine Lieblingswaffe stets in Griffweite. Die Wirkung einer Schrotflinte konnte fürchterlich sein, aber bisher hatte er es noch nie nötig gehabt, sie im Saloon abzufeuern. Und nur die engsten Stammgäste wussten, dass sie nicht mit Schrotkugeln geladen war. Sancho, der alte Fuchs, hatte eine ganz spezielle Eigenmischung erfunden, von der man nur wusste, dass sie unter anderem auch Pfefferkörner und grob zerstoßene Salzklumpen enthielt.
Kit sah, dass die Burschen nun voll unter Kontrolle waren.
»Kümmere dich um Ezekiel «, bat er seinen Gehilfen.
Hermosino zog den alten Saloonreiniger so sanft wie möglich auf den Stuhl zurück, von dem er gefallen war. Er sah sofort, dass es sich um einen glatten Durchschuss handelte. Freilich konnte sich Old Ezekiel Calhoun damit eine gewisse Zeit nicht um den geliebten Saloon kümmern, aber außer zwei Narben würde bei guter Pflege wohl nichts bleiben. Und Hermosino war entschlossen, seinem Freund während der Genesung beizustehen.
Kit musterte die Banditen erneut der Reihe nach, ohne den Lauf des Colts zu senken. Schließlich blieb sein Blick auf dem Jüngsten haften, den der Salooner immer noch in Schach hielt.
»Judd Calhoun«, sagte er leise. »Dein Vater würde sich wohl kaum freuen, wenn er wüsste, was für eine feine Gesellschaft du dir ausgesucht hast.«
Der Junge war bei diesen Worten bis unter die Haarwurzeln rot geworden. Dennoch erwiderte er trotzig:
»Ich kann mir meine Freunde selbst aussuchen, Mister Carson. Mein Vater soll sich um seinen eigenen Mist kümmern.«
Zorn flammte in Kits Augen auf, erlosch aber gleich wieder. Dennoch vermochte der Junge seinem Blick nicht länger standzuhalten. Er senkte den Kopf.
Old Ezekiel war aufgeschreckt, als er Judds Namen vernommen hatte.
»Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht einer von Amos’ vorlauten Bengeln ist!«, stieß er hervor.
»Old Ezekiel!«, rief Judd Calhoun mit sichtlicher Überraschung, als er seinen Urgroßonkel erkannte. »Das schwarze Schaf der Familie! Nie im Leben ordentlich gearbeitet, seit mehreren Menschenleben im Osten und Westen herumzigeunert … alle Calhouns schaudern, wenn sie nur deinen Namen hören! Und ausgerechnet du willst mir jetzt Vorhaltungen machen?«
Kit Carson wandte sich indes dem Boss der Bande zu.
»Nun zu dir, Mann mit den großen Stiefeln. Gibt ‘s noch was zu sagen? Wenn nicht, dann schnapp dir deine Apostel und verschwinde von hier.«
Carrack war nicht imstande, diese demütigende Niederlage zu verdauen.
»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Carson«, sagte er. »Du glaubst vielleicht, du hast schon gewonnen, weil du im Moment besser dastehst. Ich würde mich an deiner Stelle in Acht nehmen.«
Der Indianeragent hatte bei diesen Worten die Stirn gerunzelt.
»Überschätze dich nur nicht, Carrack. Ich habe viele Männer deines Kalibers gekannt, die überzeugt waren, dass sie zu den ganz Guten gehörten, und ich habe viele dieser Namen später auf Grabsteinen gelesen. Für den Moment brauchst du dir jedoch nur darüber im Klaren sein, dass du ganz schnell zu verschwinden hast. Sancho, Hermosino, begleitet diese Kojoten zur Tür!«
Die beiden Angesprochenen machten mit ihren Waffen unmissverständliche Gesten, und der Banditentrupp setzte sich langsam in Bewegung.
Judd Calhoun bildete den Schluss. Während Sancho und Hermosino darauf achteten, dass keiner der Burschen einen Trick versuchte, hielt Kit den dunkelhaarigen Burschen aber im Saloon zurück.
»Auf ein Wort, Judd. Wir haben miteinander zu reden.«
»Wüsste nicht, was«, gab der Junge unwillig zurück. »Lassen Sie mich zu meinen Freunden.«
»Du wirst dir jetzt anhören, was ich zu sagen habe, Junge. Oder möchtest du dich gleich mit mir anlegen, um zu zeigen, was für ein Mann du bist?«
»Na schön, reden Sie. Ob ich zuhöre, ist wohl ‘ne andere Sache.«
Die anderen Banditen waren inzwischen schon draußen. Kit nahm den widerstrebenden Jungen am Arm und zog ihn an einen freien Tisch.
»Ich fange erst gar nicht damit an, dass ich es gut mit dir meine, das wäre überflüssiges Geschwätz. Aber ich möchte wissen, was dich dazu gebracht hat, einem Kerl wie Carrack hinterherzulaufen. Ich bin nämlich sicher, sein Gesicht schon einmal gesehen zu haben, und es kann kein erfreulicher Anlass gewesen sein.«
Der Junge schwieg, und Kit setzte dort an, wo er den Grund vermutete.
»Er ist kein solcher Paragraphenhengst wie dein Vater. Er hält dich nicht so an der Kandare. Ist es das?«
Einen Sekundenbruchteil glomm Überraschung in Judds Augen auf, und er nickte. Von einem Freund seines Vaters hatte er eine derartige Stellungnahme wohl nicht erwartet.
»Da kann schon was dran sein, Mister Carson. Sie kennen meinen Vater seit vielen Jahren. Pa ist genauso stur und streng wie mein älterer Bruder Jess, in den er deshalb immer besonders vernarrt war. Ich konnte einfach nicht so hart sein, und daher hat er mich immer gedemütigt. Jess konnte alles besser, er lernte schneller reiten und schießen, er war besser in der Schule, er wollte von Anfang an Offizier bei den Rangers in Santa Fé werden, wie mein Vater es war, und er ließ sich bereitwillig dieselbe engstirnige Gerechtigkeitssucht einimpfen, die mein Vater bis heute zur Schau trägt. Für ihn war es nicht vorstellbar, dass einer seiner Söhne diesen engstirnigen Glauben an Recht und Gesetz nicht mit derselben Sturheit wie er vertreten würde. Woran, glauben Sie denn, ist meine Mutter gestorben? Das Herz, haben die Ärzte gesagt. Mein Vater hat nie eins besessen! Vor seiner unbeugsamen Härte blieb am wenigsten die Familie verschont. Wir hatten darunter manchmal noch stärker zu leiden als die Kompanien meines Vaters, denn wir waren ihm ja dauernd ausgeliefert, wir gehörten ihm ganz, und er verträgt nicht den geringsten Widerspruch. Jess ist er, und darum ist er der Stolz meines Vaters. Disziplin und Härte, nur das zählt. Pa hat auch Mutter zugrunde gerichtet. Sie war zu zart für diesen Starrkopf. Was ihm nicht widerstehen kann, zerbricht er einfach.«
Es schien, als würde aus dem Jungen alles herausbrechen wollen, was sich jahrelang angestaut hatte, aber Kit unterbrach ihn.
»Moment mal. Dein Vater war nicht immer so streng, und das weißt du auch. Dein Pa und ich, wir haben zusammen im Mexikanischen Krieg gekämpft. Hast du gesehen, was dort alles geschehen ist? Auf beiden Seiten gab es Gräueltaten, gegen die die heutigen Schießereien ein Nichts sind. Hast du je erlebt, wozu ein entfesselter Mob in der Lage ist, egal, wofür er kämpft? Dein Vater und ich haben es gesehen.«
Judd lachte wild auf.
»Der entfesselte Mob, ha! Warum war er denn entfesselt? Die Leute wurden immer brutal unterdrückt, einmal durch die Regierung, einmal durch die Armee, und wehe, man verlor die Kontrolle. Wer aus dieser Kandare ausbricht, kann ja nur Hass kennen. Und hinter dieser ganzen scheinheiligen Fassade aus Recht und Moral, die nur dazu da ist, um die Leute für dumm zu verkaufen und auszunutzen, steht mein Vater. Voll und ganz.«
Kit wusste, dass nicht alles falsch war, was der Junge sagte, aber es würde schwierig sein, ihm das verständlich auseinanderzusetzen. Dazu war er noch nicht alt genug.
»Dies ist ein wildes Land, Judd«, versuchte es der Scout. »Wenn du den Menschen keine Zügel anlegst, fallen sie übereinander her. Wo es kein Gesetz gibt, herrscht nackte Gewalt. Glaubst du vielleicht, du findest bei den Banditen das, was du dir unter Freiheit vorstellst? Wovon lebt ihr denn? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Carrack sein Geld mit ehrlicher Arbeit verdienen kann. Wenn du ihm noch länger folgst, wirst auch du bald ein Gehetzter sein. Weißt du, was das bedeutet? Nicht frei, sondern vogelfrei zu sein?«
»Sie sind ein verdammter Prediger. Und Sie kennen Paul Carrack nicht wirklich. Das, was hier passiert ist, war für ihn nur Spaß, und er hätte sicher niemandem Schaden zugefügt. Er ist ein bisschen wild, ja, aber mit ihm leben wir unser eigenes Leben.«
»So kommt es dir im Moment vor, aber was macht ihr, wenn Carracks Erträge aus früheren Fischzügen zur Neige gehen und ihr wieder Geld braucht? Ich nehme nicht an, dass ihr dann zu einem Rancher geht, um das Geld mit ehrlicher Cowboyarbeit zu verdienen.«
»Carrack hat genug Geld, und was danach kommt, kann ich dann selbst entscheiden. Ich will nicht wie mein Vater werden, Mister Carson, aber das verstehen Sie wohl ebenso wenig wie er.«
Bevor Kit ihn zurückhalten konnte, war Judd aufgesprungen und nach draußen gerannt. Er gesellte sich zu seinen Freunden, die immer noch in Schach gehalten wurden, und musterte Hermosino und Sancho Pertinez mit einem verächtlichen Blick.
»Seid ihr fertig mit eurer Aussprache?«, fragte Carrack spöttisch. »Hat er dir eine Moralpredigt gehalten?«
Judd nickte.
»Er ist wie mein Vater. Mir kommt jedes Mal die Galle hoch, wenn ich mir so ein Geschwätz anhören muss.«
Carrack grinste zufrieden. Er war sicher, dass er den Jungen noch voll auf seine Seite bringen würde. Und solange er ihm nützlich sein konnte, sprach nichts dagegen.
»Wir reiten, Leute!«, befahl er. »Diese Figuren werden wohl nichts dagegen haben.«
»Verschwindet nur«, gab der alte Sancho Pertinez zur Antwort. »Kojoten wie euch haben wir schon genug hier.«
Carrack warf ihm einen hasserfüllten Blick zu, sagte aber nichts. Die sechs Männer stiegen auf ihre Pferde und folgten der DonFernandoStreet nach Westen. Bald hatten sie die Stadtgrenze hinter sich.
Auch Kit Carson war zu seinen Freunden auf die Straße gegangen. Dann sah Sancho den Arzt der Stadt herankommen, den alten Doc Lothwood, und hinter ihm Padre Castillo. Sie gingen zu dritt in den Saloon.
Während der Salooner sich wieder um seine Gäste kümmerte, bat Padre Castillo zwei Männer, die Leiche Finn Tuckers zum Totengräber zu bringen. Der Doc untersuchte Old Ezekiel Calhoun.
»Glauben Sie, dass sie wiederkommen, Señor Carson?«, fragte Hermosino draußen seinen Boss.
Der Indianeragent schüttelte den Kopf.
»So schnell sicher nicht. Ich mache mir eher um den Jungen Sorgen. Amos Calhoun, sein Vater, ist auch nicht mehr der Jüngste. Vor zwei Jahren haben sie ihn als Lieutenant Colonel pensioniert, und er ist in Santa Fé geblieben, bis sie ihn wegen der Indianerunruhen vor kurzem wieder in den aktiven Dienst zurückgeholt haben. Wenn er erfährt, was mit dem Jungen los ist, bin ich nicht sicher, ob er das noch verkraften wird. Ich weiß, was für ein Starrkopf er ist, aber ich weiß auch, wie er an seinen Söhnen hängt – an beiden.«
Sie gingen hinein und setzten sich wieder an den Stammtisch.
*
Die folgende Woche verging ohne besondere Ereignisse. Kit hatte sich mit Santa Fé in Verbindung gesetzt und der zuständigen Behörde die Nahrungsmittelknappheit der Pueblo- Indianer mit eindringlichen Worten geschildert. Er hoffte, die Leute dort würden begreifen, dass schnelle Hilfe dringend benötigt wurde, und dass sie nicht im üblichen Tempo des Amtswegs reagieren würden.
Kit war schon in Taos gewesen, als er noch keine achtzehn Jahre alt gewesen war. Er war mit einem Treck gekommen, den ein Captain namens Charles Bent hierhergeführt hatte, der später nichts Geringeres als Gouverneur von New Mexico geworden war.
Diese Reise war praktisch sein Einstand im Wilden Westen gewesen. Nie vorher hatte er seine Fähigkeiten auf einem Trail erproben müssen.
Später war er noch oft nach Taos zurückgekehrt, weil ihm die Stadt gefiel. Nicht nur hier, sondern auch in der näheren Umgebung hatte er sich mit der Sprache und den Sitten der hiesigen Indianer vertraut gemacht, sich gleichzeitig aber auch viele Freunde unter den Weißen und Mexikanern geschaffen. Einige von ihnen waren Viehzüchter, die ihre riesigen Weideländer in der Nähe des Rio Grande hatten, der einige Meilen westlich von Taos vorbeifloss. Auch sie hatte er in den vergangenen Tagen aufgesucht und ihnen die Lage der Indianer beschrieben. Bei fast allen war er sofort auf Hilfsbereitschaft gestoßen. Einige hatten Kühe zum Pueblo bringen lassen, andere halfen mit Lebensmittellieferungen.
Kit war abwechselnd allein und mit anderen Indianern in den SangredeCristoMountains auf die Jagd gegangen. Er hatte einige prächtige PronghornAntilopen geschossen. Die Indianer verstanden es, dieses Fleisch sehr schmackhaft zuzubereiten, indem sie es vorher einige Tage lang in einer Tunke beizen ließen.
Schneller Falke war auch einige Male dabei gewesen. Kit hatte das für ihn bestimmte Pumafell längst erhalten. Der junge Krieger hatte sich bei der Bearbeitung sehr viel Mühe gegeben.