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Zart, queer und ehrlich – eine Light Novel über Nähe, Sprache und den Mut, sichtbar zu werden. Als Rei neu in die Klasse kommt, knallt sie wie ein Kontrastfilter in Yukis stilles Leben. Visual-Kei, freche Sprüche, rote Kontaktlinsen – und trotzdem spürt Yuki sofort: da ist mehr. Während Matheformeln durch die Stunden dröhnen und Rooftops zu Zufluchtsorten werden, wachsen zwischen Zeichnungen, Social-Media-Posts und Sprachkursen Fäden, die mehr verbinden als nur Freundschaft. KIZUNA – Skytree Spark erzählt von zwei Jugendlichen in Tokio, die sich langsam aneinander herantasten, mit Unsicherheiten ringen, einander stützen – und beginnen, gemeinsam zu träumen: von Düsseldorf, von einem Leben ohne Maske, von einem echten "Wir". Zwischen LINE-Nachrichten, TikTok-Clips und Rooftop-Stille entfaltet sich eine queere Coming-of-Age-Geschichte über erste Nähe, Sprachverwirrung – und das Gefühl, genau jetzt nicht mehr weglaufen zu wollen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
KIZUNA – Band 1 Skytree Spark
Kapitel 1 – Rooftop Reverie
1.1 – Neuer Anfang, alte Schatten Montag, 10. März, 07:42 Uhr - Taitō, Tokio
Drei Umzugskartons. Ein Rucksack. Und eine Kiste voller Dinge, die ich eigentlich wegwerfen wollte, aber dann doch nicht konnte.
Mein Vater hat das Sorgerecht. Er hat die Wohnung besorgt. Meinte: „Nähe zur Schule, du bist ja vernünftig, das klappt schon.“
Jetzt wohne ich hier. Sechzehn. Allein. Offiziell nicht – aber praktisch schon.
Ich hab den Schlüssel. Ich koche selbst. Ich wach alleine auf. Man gewöhnt sich an alles.
In der Ecke: mein alter Laptop, 1–2 Hoodies von ihr – immer noch mit dem Geruch von Zimt und Ölfarbe, ein paar Briefe mit Eselsohren und halben Sätzen, die nie beantwortet wurden.
Nicht gelesen. Nicht vergessen.
Ich setz mich auf den Boden. Keine Musik. Kein WLAN. Nur diese leere Stille, in der ich manchmal fast atmen kann.
1.2 – Erste Begegnung 10:15 Uhr – Klassenzimmer, Schule
Ich drück die Klassenzimmertür auf. Alle Köpfe drehen sich. Der Lehrer schaut hoch, kurz überfordert. Dann reißt er sich zusammen.
„Ah – du musst Rei sein. Willkommen. Aus Shibuya, richtig?“ Ich nicke. Einmal. Kein Lächeln.
„Rei ist neu. Und... ich glaube, das nennt man Visual-Kei?“ Ein paar kichern. Einer ruft halblaut: „Wie aus’m Anime.“ Ich grinse. Breit. Übertrieben. „Tja, nicht jeder Tag hat das Glück, mit Stil überrollt zu werden.“ Ein paar lachen. Einer murmelt: „Oha.“ Der Lehrer tut so, als hätte er’s nicht gehört.
„Da vorne links ist noch was frei. Neben Yuki.“ Ich seh rüber. Kapuze. Stiller Blick. Fensterseite. Die Art Blick, die sich nicht aufdrängt – aber bleibt.
Ich geh los. Mein Stiefelabsatz klackt. Ich lass ihn extra klacken. Die Leute schauen. Sollen sie. Ich bin kein Geheimnis. Ich bin der Spoiler.
Ich setz mich. Tasche ab, Stift raus, Heft auf. Ich schau nicht rüber. Noch nicht. Aber ich spür sie. Diese Stille, die nicht leer ist. Nur... unbewegt.
Ich blätter kurz. Dann zeichne ich. Ohne Ziel. Erst eine Schulter. Dann ein Kragen. Haare, die ins Gesicht fallen. Die Linie vom Hals bis zur Hand. Locker. Aber innerlich angespannt.
Da ist was dran. Was Unausgesprochenes. Wie jemand, der was sagen will – aber nicht heute.
Ich male weiter. Leise. Bis der Gong kommt. Heft zu. Weiter geht’s. Keine Bedeutung. Noch nicht.
1.3 – Stille mit Nachklang 11:35 Uhr – Pause
Ich steh an der Mauer hinterm Schulgebäude. Die anderen lärmen irgendwo auf dem Hof. Ich brauch keine Geräusche. Nur Nikotin. Und Ruhe.
Kippe zwischen den Fingern. Nicht angezündet. Reicht schon.
„Du darfst hier eigentlich nicht rauchen.“
Die Stimme kommt von links. Ich dreh mich nicht sofort. Aber ich weiß, wer da steht.
Yuki. Kapuze wieder tief. Hände in den Ärmeln versteckt. Blick auf meine Schuhe. „Ich rauch ja nicht. Ich halt nur fest, was mich abfuckt.“
Sie sagt nichts. Aber sie bleibt. Ich nehm die Zigarette runter, spiel mit dem Filter. „Magst du’s lieber leise?“ Sie nickt.
„Dann passt das ja. Ich mag Leute, die nicht gleich alles zutexten.“ Stille. Kein unangenehmes Schweigen. Nur dieses: Wir müssen nicht reden, damit es echt ist.
Sie lehnt sich an die Wand. Guckt nicht direkt zu mir. Aber sie geht auch nicht. Ich schieb den Filter in die Jackentasche. Seufze leise.
„Ich weiß, ich komm rüber wie ‘ne Emo-Göre auf Koffein, aber hey – besser als rumsitzen wie ein IKEA-Stuhl ohne Aufbauanleitung.“ Sie hebt den Kopf minimal. Ich glaub, ich hab sie erwischt. Ich zwinkere. Kurz. Nicht kitschig.
Ich sag nichts mehr. Nach ein paar Minuten geht sie. Langsam. Ohne ein Wort. Aber ich hab das Gefühl, sie hat mich gehört. Und das ist mehr, als ich erwartet hatte.
1.4 – Was bleibt 16:03 Uhr – Yukis Zimmer, Altbau, 3. Stock
Mein Zimmer ist klein. Altbau. Schräges Fenster. Die Vorhänge sind zu, obwohl es draußen noch hell ist. Ich liege nur auf dem Bett, Skizzenbuch auf dem Bauch. Die Seiten atmen still.
Ich hab noch nicht gezeichnet. Nur geblättert. Rei ist irgendwo zwischen Seite 6 und 7. Ihre Haare sind schwer zu zeichnen. Zu leicht irgendwie. Immer in Bewegung. Ich krieg das mit dem Schatten am Kinn nicht hin. Vielleicht, weil ich zu viel hingucke. Oder zu wenig.
Ich blättere zurück zur allerersten Skizze. Die, wo sie noch nicht wusste, dass ich sie sehe. Der Ausdruck war anders. Freier. Ich streiche mit dem Finger über die Linien. Nicht fest. Nur so, als wollte ich hören, ob sie noch da ist.
Ich weiß nicht, wie Leute das machen – sich einfach zeigen. Sagen, was sie fühlen. Oder überhaupt wissen, was das ist.
Rei ist laut, aber nicht hohl. Sie ist da. Ganz da. Und wenn sie redet, dann weiß man, dass sie sich nicht entschuldigt. Ich beneide sie ein bisschen. Oder vielleicht ist es mehr als das. Ich weiß es nicht. Noch nicht.
Ich schiebe das Skizzenbuch unter mein Kissen. Nicht, weil es peinlich ist – sondern weil ich nicht weiß, was es mir sagen will.
Draußen klappert eine Mülltonne. Meine Mutter ruft irgendwas aus der Küche. Ich antworte nicht. Vielleicht zeichne ich später weiter. Oder nie wieder. Oder morgen. Wenn ich sie wieder sehe.
Kapitel 2 – Schatten und Skizzen 2.1 – Unter meinem Kissen Dienstag, 11. März, ab 07:29 Uhr - Reis Wohnung
Der Wasserkocher pfeift schrill, als wollte er mir sagen, dass ich zu spät dran bin. Bin ich aber nicht. Ich steh nur zu lang rum, barfuß in der Küche, Hoodie über’m Schlafshirt, Zahnputzbecher in der Hand. Ich hab Yuki gezeichnet. Nicht mit Absicht. Nicht geplant. Einfach so. Beim Umblättern, beim Kringelziehen, beim Warten auf irgendwas. Und da war sie. Kapuze. Blick. Diese Art zu sitzen, als würde sie verschwinden, wenn man's nicht merkt. Ich hab das Blatt nicht weggeschmissen. Nur gefaltet. Jetzt liegt’s unter meinem Kissen. Ich schling den Hoodie enger, nehm den letzten Schluck Tee und schmeiß mich in Jeans, Shirt, Stiefel. Spiegelcheck? Kurz. Lidschatten sitzt. Augenringe sind kein Makel, sondern Aussage. Ich hau die Tür zu und lauf los.
2.2 – Am Fahrradständer 08:04 Uhr – Schulhof Der Wasserkocher pfeift schrill, als wollte er mir sagen, dass ich zu spät dran bin. Bin ich aber nicht. Ich steh nur zu lang rum, barfuß in der Küche, Hoodie über’m Schlafshirt, Zahnputzbecher in der Hand. Ich hab Yuki gezeichnet. Nicht mit Absicht. Nicht geplant. Einfach so. Beim Umblättern, beim Kringelziehen, beim Warten auf irgendwas. Und da war sie. Kapuze. Blick. Diese Art zu sitzen, als würde sie verschwinden, wenn man's nicht merkt. Ich hab das Blatt nicht weggeschmissen. Nur gefaltet. Jetzt liegt’s unter meinem Kissen. Ich schling den Hoodie enger, nehm den letzten Schluck Tee und schmeiß mich in Jeans, Shirt, Stiefel. Spiegelcheck? Kurz. Lidschatten sitzt. Augenringe sind kein Makel, sondern Aussage. Ich hau die Tür zu und lauf los.
2.3 – Aufgabe 4 08:28 Uhr – Klassenzimmer Ich schieb meine Tasche unter den Tisch, Stuhl quer, Beine ausgestreckt. Yuki kommt ein paar Sekunden später. Setzt sich wieder neben mich. Keine Begrüßung – aber sie wirkt nicht abweisend. Nur... vorsichtig. Hinter mir tuschelt jemand. Zwei Typen aus der Fensterreihe. „Ey, die Neue chillt echt mit der Grauen Maus.“ „Na, vielleicht steht sie ja auf stumm.“ Ich dreh mich nicht um. Ich schnapp nur mein Mäppchen, klapp’s auf – und sag laut genug: „Besser stumm als stumpf.“ Kurzes Schweigen. Dann verlegenes Husten. Yuki sagt nichts. Aber ich seh aus dem Augenwinkel, dass ihr Mundwinkel zuckt.
2.4 – Fast erwischt 09:12 Uhr – während des Unterrichts
Mein Handy summt im Rucksack. Dreimal. Pause. Ich check’s kurz unter’m Tisch. Insta. Zwei neue Follower. Ein Kommentar auf mein letztes Reel. „Holy shit, bist du die von Tōkyō Visual?!” „Wie krass, du gehst jetzt hier zur Schule??“ Ich zieh eine Braue hoch. Aha. Also hat’s jemand gefunden. Yuki bemerkt es. Flüstert leise: „Bist du… bekannt oder so?“ Ich lehne mich leicht zu ihr. „Kommt drauf an, was du unter ‘bekannt’ verstehst. Ich geh nicht bei Rot über die Straße, weil ich Angst vor Paparazzi hab, aber… sagen wir, ein paar Leute finden gut, was ich mach.“ Sie nickt. Kein Neid. Nur Interesse.
2.5 – Flurfunk 09:26 Uhr – Schulflur Ich lehn an der Wand bei den Getränkeautomaten. Versuche, unsichtbar zu sein. Wie immer. Aber heute klappt’s nicht. Zwei Mädchen aus meiner Klasse kommen vorbei. Eine von ihnen – Himari, glaub ich – grinst so, als hätte sie was gefunden, das sie spannend findet. „Hey, Yuki. Du sitzt doch jetzt neben der Neuen, oder? Der mit dem Silber am Auge und dem Style wie aus 'nem Bandposter.“ Ich nicke. Kurz. Mehr will ich nicht. „Also die ist ja voll... krass. So ‘n Auftritt macht sonst niemand hier.“ Die andere sagt: „Meinst du, die steht auf Mädchen? Oder... auf dich vielleicht?“ Sie lacht. Nur halb fies. Halb neugierig. Ich sag nichts. Schlucke einfach. Ein Teil von mir will weg. Der andere will wissen, ob sie das ernst meint. Aber ich bleibe still. Weiche aus. Wie immer.