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Die Gründlichkeit und Faszination einer Heilmethode
Mit der Homöopathie begann eine neue Epoche der Medizingeschichte, denn mit ihr beruht die Therapie auf dem Fundament unumstößlicher Gesetze und Prinzipien. Da diese auch heute noch gültig sind, hat sie den »Test der Zeit« bestanden und wird auch in der Zukunft dort, wo sie angezeigt ist, Kranke heilen.
Das literarische Vermächtnis der Homöopathen, die seit ihrer Gründung 1796 durch Dr. Samuel Hahnemann die Homöopathie praktizieren und unzählige literarische Beiträge dazu geschrieben haben, ist unerschöpflich. Mit dieser Artikelsammlung präsentiert die seit Jahrzehnten mit der Thematik vertraute Journalistin und Heilpraktikerin Katja Schütt dem interessierten Leser eine beeindruckende Auswahl an Artikeln, die einen Einblick in die Entstehung, die geschichtliche Entwicklung, die Grundprinzipien und die Anwendung der Homöopathie geben sowie die Herausforderungen beleuchten, denen sie sich von Beginn an stellen musste.
Ausgewählt wurden dazu 22 Artikel von »alten Meistern«, genauer gesagt von Homöopathen aus den Gründerjahren, die über einen enormen praktischen Erfahrungsschatz verfügten und die Homöopathie oftmals in einer Tiefe durchdrangen, die heutzutage ihresgleichen sucht. Die Artikel zeigen, wie sich die Heilkunst der Homöopathie auf der Grundlage von Erfahrungen entwickelt hat, und verdeutlichen das fundierte medizinische Wissen der Homöopathen sowie ihr unermüdliches Engagement für die Verbreitung ihrer Lehre. Wer dieses Buch unbefangen liest, der wird die außerordentliche Bedeutung von Samuel Hahnemanns Werk nicht verkennen.
Aus dem Inhalt:
Lernen Sie eine der effektivsten und sanftesten Heilmethoden der Welt kennen. Klassiker und Schätze der Homöopathie ist das Standardwerk für alle, die die tiefe Weisheit der Homöopathie entdecken oder vertiefen möchten. Erleben Sie die Heilkraft der Homöopathie auf eine völlig neue Weise.
Dieses Buch ist nicht nur ein zeitloses Nachschlagewerk, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Anleitung für geistesoffene Neulinge sowie erfahrene Praktiker.
Die ganze Kraft der Homöopathie in Ihren Händen!
7 gute Gründe, warum Sie dieses Buch lesen sollten:
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Dieses Buch ist den zukünftigen Generationen gewidmet.
Meine Reise zur Homöopathie begann in der frühen Kindheit. Mit allen sechs Familienmitgliedern, den Kindern, Eltern und Großeltern, fuhren wir regelmäßig zu Dr. Baumann nach Schwerin, einem der wenigen praktizierenden Homöopathen in der ehemaligen DDR. Tief im Gedächtnis geblieben ist mir eine Patientin, die im Rollstuhl saß und im Laufe seiner Behandlung wieder gehen konnte. Jahre später fügten sich dieser Erfahrung ein intensives Studium der Homöopathie mit Postgraduierten-Abschluss, Anwendungserfahrungen und meine Tätigkeit als Autorin und Übersetzerin homöopathischer Fachliteratur an. Das breite Spektrum an wertvollen Erfahrungen und Begegnungen mit der Homöopathie und Praktizierenden weltweit hat mich zur Zusammenstellung dieses Buches veranlasst.
Eitles, was die Zeit geboren, Geht auch in der Zeit verloren, Weggeweht wie leichte Spreu. Doch was wir als reinen Segen, In die Zeiten niederlegen, Das gebiert sich ewig neu. 1
Mit der Homöopathie begann eine neue Epoche in der Medizingeschichte. Ihr Grundprinzip der Heilung nach dem Ähnlichkeitsprinzip beruht auf Naturgesetzlichkeit – alle wahren Heilungen erfolgen im Einklang mit diesem Heilprinzip, das so alt ist wie die Schöpfung. Das Wesentliche und Weitreichende, was Samuel Hahnemann tat, war, dass er dieses Heilprinzip therapeutisch anwendbar machte:
Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll! 2
Seit ihrer Gründung im Jahr 1796 wird die Homöopathie von Tausenden weltweit praktiziert, und viele Hunderttausende Menschen können bezeugen, dass die Homöopathie ihnen sehr geholfen hat. Da ihre Gesetze und Prinzipien auch heute noch gültig sind, hat sie den »Test der Zeit« bestanden und wird auch in der Zukunft dort, wo sie angezeigt ist, Kranke heilen.
Seit Anbeginn wurde die Homöopathie von ihren Gegnern heftig kritisiert und denunziert. Nicht, weil sie alt oder ihre Lehre nicht nachvollziehbar wäre. Die erbittertsten Gegner zählte die Homöopathie von jeher unter jenen, die aus Unkenntnis und Voreingenommenheit die Lehre Samuel Hahnemanns aburteilten. Um zu einem informierten Urteil über die Homöopathie zu gelangen, muss man sie jedoch studieren, begreifen und anwenden; sie gewinnt umso mehr, je näher man sie kennt.
Mit diesem zeitlosen Buch möchte ich dem interessierten, geistesoffenen Leser eine Auswahl an Artikeln zur Homöopathie präsentieren, die einen Einblick in Entstehung, geschichtliche Entwicklung, Grundprinzipien und Anwendung der Homöopathie geben und auch die Herausforderungen aufzeigen, denen sie sich von Anbeginn zu stellen hatte.
Die Beiträge zeigen, wie sich die Heilkunst der Homöopathie auf der Grundlage von Erfahrungen entwickelt hat, und dass sie auf dem Fundament unumstößlicher Gesetze und Prinzipien errichtet wurde. Ausgewählt wurden dazu Artikel »alter Meister«, genauer gesagt von Homöopathen aus den Gründerjahren der Homöopathie, da diese um einen enormen praktischen Erfahrungsschatz verfügten und die Homöopathie oftmals in einer Tiefe durchdrungen hatten, die heutzutage ihresgleichen sucht. Zitate der Autoren verdeutlichen in kurzer, prägnanter Form Weisheiten und Kernaussagen zur Homöopathie. Sie werden abgerundet durch die wichtigsten biografischen Stationen aus den bewegenden Lebensgeschichten ihrer Verfasser, die ihr fundiertes medizinisches Wissen und ihr unermüdliches Engagement für die Verbreitung der Homöopathie verdeutlichen. Für alle von ihnen stellte die Praxis der Homöopathie das Menschsein im tiefsten Sinne dar. Die Gedichte sind Ausdruck der Liebe zur Homöopathie und der Hingabe an ihren Gründer Samuel Hahnemann.
Das literarische Vermächtnis der Homöopathen, die seit ihrer Gründung 1796 praktizierten und unzählige Beiträge zur Homöopathie geschrieben haben, ist unerschöpflich. Wer diese Zeitzeugnisse unbefangen liest, der wird die Gründlichkeit dieser Heilmethode und die außerordentliche Bedeutung des Werkes Samuel Hahnemanns nicht verkennen.
Möge dieses Buch ein kleiner Tropfen sein, der das Wasser der öffentlichen Meinung durch Reflexion und Analyse der Argumente zum Fließen bringt und sich durch ständige Zunahme seiner Kraft zu einem unaufhaltsamen Strom entwickelt. Mit der Erkenntnis des Lesers, dass die Lehre der Homöopathie wertvoll und plausibel ist, erfüllt sich mein Anliegen. Sapere aude, incipe!3
Bedanken möchte ich mich beim Team des Kopp Verlages, der Europäischen Bibliothek für Homöopathie in Köthen, der National Library of Australia in Canberra und den vielen anderen Onlinemedien, die die Originaldokumente verfügbar gemacht und so die Veröffentlichung dieses Buches ermöglicht haben.
Katja Schütt
Wilhelm Stens (1861)
»Der Homöopathie«
Im Ähnlichen ist das Gesetz gefunden, wodurch die Welt aus wirrem Wust geboren. Die Elemente, welche wild gegohren, hat dies Gesetz zum schönsten Sein verbunden.
Und täglich fährt es fort, sich zu bekunden, in jeder Heilung, trotz der tausend Thoren, die sich zu dessen Untergang verschworen, wie viele durch dasselbe auch gefunden.
Wir aber bauen fort auf diesem Grunde, den Hahnemann gelegt mit Riesengeiste, mit ew’ger Wahrheit treu und fest im Bunde.
Das Vorurteil, auch selber das beeis’te, zerschmilzt vor’m Strahle dieser Himmelskunde, wenn Jeder strebt, dass Tüchtiges er leiste.
ChristianFriedrich Samuel Hahnemann (1755–1843) war ein deutscher Arzt und gilt als Begründer der Homöopathie. Der Homöopath und Historiker Thomas Lindsley Bradford leitete seine Biografie Hahnemanns mit folgendem Satz ein:
Es gibt eine Kraft im Menschen, die ihn dazu treibt, an einer bestimmten Aufgabe zu arbeiten, an dem Bild, dem Buch, der Sache der Nation oder der Menschheit … und die ihn dazu drängt, sein Schicksal zu erfüllen. Nur zu bestimmten Zeiten in der Weltgeschichte wird ein solcher Mensch geboren, der von Kindheit an das heilige Feuer in seinem Herzen entzündet. Die Ergebnisse dieser seltenen Geburtsgeschenke an die Welt markieren Epochen in ihrer Geschichte, und durch sie kommt die Menschheit der Erfüllung des Ziels des Schöpfers einen Schritt näher. Ein solcher Mann war Hahnemann. 4
Die bemerkenswerte Lebensgeschichte dieses unermüdlichen Kämpfers für die Homöopathie soll hier in Kürze erzählt werden.
Christian Friedrich Samuel Hahnemann wurde am 10. April 1755 in Meißen geboren und erhielt seine Taufe am 13. April 1755. Er war das dritte Kind von Christian Gottfried Hahnemann und seiner zweiten Frau, Johanna Christiane Spieß. Seine Eltern waren einfache, gottesfürchtige Leute. Der Vater war an der berühmten Porzellanmanufaktur in Meißen als Kunstmaler tätig. Da 1756 der Siebenjährige Krieg begann und das gesamte Porzellan zur Kriegsfinanzierung beschlagnahmt wurde, wuchs Samuel in finanziell bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war ein belesener Mann und Anhänger der politischen Philosophie Rousseaus, sodass er seinen Sohn zum selbstständigen Denken erzog. »Handeln und Seyn ohne zu scheinen, war seine merkwürdigste Lehre, die mehr aus seinem Beispiele, als aus seinen Worten auf mich Eindruck machte … Wo etwas Gutes zu thun war, da war er, oft unbemerkt, mit Leib und Seele. Sollt ich ihm nicht folgen?«, 5 schrieb Samuel Hahnemann über ihn. Die hohen moralischen und ethischen Werte des Vaters bestimmten lebenslang die Geistesausrichtung Samuel Hahnemanns. Die Eltern hatten Samuel Lesen und Schreiben beigebracht; seine weitere Schulbildung erhielt er an der städtischen Lateinschule. Hier zeichnete er sich vor allen seinen Mitschülern aus und gewann durch sein Wissen und seine Bescheidenheit die Gunst seines Lehrers und Rektors Magister Müller. Nach seinem Schulabschluss ermöglichte Müller es Samuel Hahnemann, ihm an die fürstliche Landesschule Sankt Afra zu Meißen zu folgen. Hahnemann wurde 1770 als Famulus von Müller in die Fürstenschule aufgenommen und konnte diese unentgeltlich besuchen. Auch hier zeichnete sich Hahnemann durch unermüdlichen Fleiß aus und genoss aufgrund seines ungewöhnlichen Wissens eine Sonderstellung. Trotz seiner anfänglichen gesundheitlichen Schwächlichkeit zeigte Hahnemann eine außergewöhnliche Intelligenz und ein hohes Maß an Begabung. Er lernte wissbegierig und beherrschte bald die alten Sprachen, sodass er bereits mit 12 Jahren älteren Schülern Sprachunterricht in Griechisch erteilen konnte. Die Bibliothek der Fürstenschule bot Hahnemann eine Vielzahl an Schätzen, die seine Sprachbegabung förderten. Früh zeigte sich schon sein Interesse für die Naturwissenschaften mit einer Vorliebe für Physik und Naturgeschichte. Müller liebte Hahnemann wie einen Sohn und gestattete ihm großzügige Freiheiten beim Lernen. 6 Hahnemann diente seinem Mentor als Haushaltskraft, half im Unterricht und bei Korrekturen und disputierte fachlich-sprachliche Probleme mit ihm. 1775 erhielt Samuel Hahnemann sein Reifezeugnis von Sankt Afra; seine Abschlussarbeit schrieb er Über den wundervollen Bauder menschlichen Hand. In seinem Abgangszeugnis ist über ihn zu lesen:
Viel Fleiß auf seine Bildung verwandte, solange er auf der Kurfürstlichen Schule St. Afra verweilte, Christian Friedrich Samuel Hahnemann aus Meißen, ein begabter und strebsamer Jüngling. Die Einführung in die Religion und in die Wissenschaft hatte er auf dem Franciskaneum genossen. Zu uns nach St. Afra ist er im Jahre 70 unseres Jahrhunderts überführt worden. Solange er die öffentlichen Vorlesungen besuchte, haben wir an ihm beharrliche Ausdauer, ungewöhnliche Aufmerksamkeit und Fleiß beobachtet. Die Früchte, die, wie wir wünschten, alle ernten möchten, die uns zuhören, wenn wir die Sprachen des Altertums erklären, hat er die ganze Zeit hindurch, während er als Schüler bei uns verweilte, geerntet. Denn er hat eine gründliche Kenntnis der Sprachen, wie der lateinischen und der griechischen erreicht, so daß er vermag, die alten Schriftsteller in ihrer geschmackvollen Art wissenschaftlicher Darstellung genau zu verstehen und zu erklären. Zu diesem Lobe seiner wissenschaftlichen Fähigkeit gesellt sich wahrhafte Redlichkeit und Anmut seines Wesens. Er hat dadurch nicht nur unser, sondern auch anderer Wohlgefallen erregt. Die Tüchtigkeit und Gelehrsamkeit dieses jungen Mannes bezeugen wir allen, die Sittlichkeit und artiges Wesen an der Jugend gehörig schätzen. Wir haben mit gutem Gewissen dies geschrieben am 19. April 1775. 7
Aufgrund fehlender finanzieller Mittel wollte der Vater, dass Samuel Hahnemann einen Handwerksberuf erlernt und schickte ihn in die Lehre zu einem Leipziger Materialwarenhändler. Dem jungen Mann gefiel diese jedoch ganz und gar nicht, sodass er die Ausbildung bald abbrach. Seine verständnisvolle Mutter versteckte ihn sogar einige Tage lang, um ihn vor dem Missfallen des Vaters zu schützen, bis dieser wieder milder gestimmt war.
1775 ging Hahnemann nach Leipzig, um Medizin zu studieren und war auch hier durch die Fürsprache der Professoren vom Schulgeld befreit. Da er neben den alten Sprachen auch Französisch und Englisch beherrschte, konnte er sich seinen Lebensunterhalt durch Übersetzungen und Sprachunterricht verdienen. Am Tag besuchte er die Vorlesungen, und bei Nacht widmete er sich seiner Übersetzungstätigkeit. Er lebte asketisch und hielt sich durch frische Luft und körperliche Bewegung fit.
Die Leipziger Universität war zu seiner Zeit eine namhafte und gut besuchte Einrichtung, bot jedoch keine Möglichkeit einer praktischen medizinischen Ausbildung. Daher ging Hahnemann im Frühling 1777 nach Wien an die Universität, der damals berühmtesten medizinischen Lehrstätte im Deutschen Reich, um sich im dortigen Krankenhaus praktisch ausbilden zu lassen. Hier lernte er den kaiserlichen Leibarzt Joseph von Quarin kennen, der ihm die Ausbildung kostenlos gewährte. Im Spital der barmherzigen Brüder sah Hahnemann bei Joseph von Quarin die ersten Sektionen und begleitete ihn bei Hausbesuchen. Auch bei Joseph von Quarin genoss Hahnemann eine Sonderstellung und wurde von ihm bevorzugt behandelt. Hahnemann meinte über ihn:
Dem Leibarzt von Quarin verdanke ich, was Arzt an mir genannt werden kann. Seine Liebe, ich möchte sagen, seine Freundschaft hatte ich, und ich war der Einzige meiner Zeit, den er zu seinen Privatkranken mit sich nahm. Er zeichnete mich aus, liebte und lehrte mich, als wenn ich der Einzige und Erste seiner Schüler in Wien und mehr noch gewesen wäre, und alles dieß, ohne je Vergeltung von mir erwarten zu können! 8
Da Hahnemanns Ersparnisse trotz bescheidener Lebensweise bald aufgebraucht waren, ging er auf Vermittlung von Jospeh von Quarin im Oktober 1777 nach Hermannstadt in Siebenbürgen, um beim Statthalter Baron Samuel von Brückenthal dessen Bibliothek und Münzsammlung zu verwalten und als Hausarzt tätig zu sein. Er studierte unermüdlich in der Bibliothek, lernte weitere Sprachen und wurde in die Freimaurerloge »St. Andreas zu den drei Seeblättern im Orient zu Hermannstadt« aufgenommen. Zugleich widmete er sich der ärztlichen Stadtpraxis und machte sich mit der Sprache und den Sitten des Landes vertraut. Waren Hahnemanns junge Jahre voller Entbehrung, so war dies die erste sorgenfreie Zeit in seinem Leben, die ohne Armut gekennzeichnet war.
Nachdem Hahnemann genügend Geld gespart hatte, kehrte er im August 1779 nach Deutschland zurück, um an der als bezahlbar bekannten Universität in Erlangen Vorlesungen zu besuchen und seine Dissertation mit dem Titel Conspectus adfectuumspasmodi-corum aetiologicus et therapeuticus, Betrachtung zur Ätiologie und Therapieder krampfartigen Erkrankungen zu schreiben.
Nach Erhalt des Doktortitels ließ sich Samuel Hahnemann zuversichtlich in Hettstedt nieder, um seine Laufbahn als praktischer Arzt zu beginnen. Doch seinen intellektuellen Bedürfnissen konnte der kleine Ort nicht gerecht werden, sodass er 1781 nach Dessau ging. Hier war er in der Mohrenapotheke chemisch und pharmazeutisch tätig und lernte die Stieftochter des Inhabers, Johanna Henriette Leopoldine Küchler, kennen. Sie heirateten 1782. 48 gemeinsame Ehejahre und elf Kinder sollten ihnen beschieden sein. In Dessau nutze Hahnemann seine freie Zeit, um sich mit Chemie zu beschäftigen und kleine Reisen zum Erwerb von Kenntnissen der Berg- und Hüttenkunde zu unternehmen.
1781 übernahm Samuel Hahnemann in Gommern bei Magdeburg die Physikatstelle, praktizierte und gründete seinen eigenen Hausstand. Hier erblickte das erste gemeinsame Kind des Paares die Welt. Da es Hahnemann jedoch nicht möglich war, dort eine auskömmliche Praxis zu führen, zogen er und die Familie 1784 nach Dresden, wo er für ein Jahr die ärztliche Vertretung des kränklichen Physikus Samuel August Wagner übernahm und gerichtsmedizinische Kenntnisse erwarb. Wagner war für Samuel Hahnemann ein Muster unbestechlicher Rechtschaffenheit und würdigte ihn mit seiner innigen Freundschaft. 9
Während dieser Zeit verfasste Hahnemann zahlreiche Aufsätze für Crells Chemische Annalen. 1786 beschrieb er den von ihm entwickelten gerichtsmedizinischen Arsennachweis in seinem Buch Über dieArsenikvergiftung, ihre Hülfe undgerichtliche Ausmittelung. Neben diesem Werk brachten ihm auch seine chemischen Entdeckungen und Schriften wie die Hahnemannsche Weinprobe und Darstellung eines Mercurial Präparates sehr viel Ruhm. Das nach seiner Art zubereitete Mercurius solubilis Hahnemannii wurde als lösliches und mildes Quecksilberpräparat in fast alle Pharmakopöen aufgenommen.
Da Hahnemann in Dresden nicht die von ihm erhoffte Stelle erhielt, zog er bald in das preisgünstigere Lockwitz. Aber auch hier gelang es ihm nicht, eine auskömmliche Praxis zu führen. Die Suche nach einem geeigneten Wirkungsort bescherte ihm rastlose Wanderjahre. Jedoch erwarb er an jedem Ort, an dem er sich niederließ, ein Haus für sich und seine Familie, um sich geborgen zu fühlen.
1789 ging es nach Leipzig, dem zu Hahnemanns Zeit geistigen und kulturellen Mittelpunkt Deutschlands. Er setzte seine schriftstellerischen Tätigkeiten fort und schrieb eine größere Arbeit mit dem Titel Unterricht fürWundärzte über die Venerischen Krankheiten. Noch zu jener Zeit wurden die beiden Geschlechtskrankheiten Gonorrhö und Syphilis nicht unterschieden. Hahnemann trennte die Symptomatik sorgfältig und schlug Mercurius Solubilis Hahnemanni als Heilmittel gegen die Syphilis vor. In seinem späteren Werk zu den chronischen Krankheiten schreibt er beiden Krankheiten lebenslange Symptome zu und warnt vor einer unterdrückenden Behandlung ihrer Erstmanifestationen. Die Lebenskraft, die in der Lehre der Homöopathie eine herausragende Rolle spielt, sei selbst bei einer robusten Konstitution unfähig, chronische Krankheiten zu beseitigen, meinte Hahnemann.
Samuel Hahnemann wurde immer unzufriedener mit den Ergebnissen seiner praktischen Arzttätigkeit, die ihm keine wirksame Heilkunst anzubieten vermochte. Die damalige Arzneimittellehre lieferte nur Unvollkommenes und Willkürliches. Die Behandlungen halfen nicht und schadeten den Patienten mehr als die eigentliche Krankheit. Hahnemann gab die ärztliche Praxis vollständig auf und widmete sich der Übersetzertätigkeit und Schriftstellerei, durch die er seine Familie ernährte. Er galt als respektierter Übersetzer für wissenschaftliche und medizinische Texte und versah seine Übertragungen oft mit zusätzlichen Fußnoten und Anmerkungen seiner Ansichten.
1790 starb Hahnemanns Mutter. Im selben Jahr übersetzte er das zweibändige englische Werk ATreatise of the Materia Medica von William Cullen und las dabei auch dessen Begründung zur Heilwirkung der Chinarinde bei Wechselfieber. Hahnemanns kritischer Geist konnte Cullens Deutungsversuchen nicht zustimmen. Er entschloss sich zu Selbstversuchen, um herauszufinden, worauf die Heilwirkung wirklich beruht. Bei seiner ersten Arzneimittelprüfung mit der Chinarinde beobachtete Samuel Hahnemann an sich Symptome, die denen des Sumpfwechselfiebers ähnlich sind und schlussfolgerte daraus auf das allgemeingültige therapeutische Heilprinzip Ähnliches wird durchÄhnliches10 geheilt. Dies stand dem zu seiner Zeit vorherrschenden allopathischen 11 Verfahren konträr gegenüber. Hahnemann führte weitere Arzneiversuche an sich selbst, Verwandten und anderen Ärzten durch, um die dynamischen Wirkkräfte der Arzneimittel zu erfahren, seine Erkenntnisse zu bestätigen und den Grundstein für eine zuverlässige Arzneimittellehre zu legen. Um seine Entdeckungen in die Praxis umsetzen zu können, begann er wieder, Kranke zu behandeln.
Da das Leben in Leipzig zu teuer war, zog Hahnemann 1791 in den Vorort Stötteritz. Auch hier führte die Familie mit nun bereits vier Kindern einen Armeleutehaushalt. Neben der Übersetzertätigkeit verfasste Hahnemann eigene Abhandlungen über Chemie, Hygiene und Medizin. Er galt als einer der besten Chemiker unter den Ärzten seiner Zeit, seine Arbeiten waren in der Fachwelt anerkannt. Dennoch blieb sein Einkommen spärlich.
1792 zog Hahnemann nach Georgenthal, um an der dortigen »Genesungsanstalt für irrsinnige Personen aus vermögenden Häusern« Patienten zu behandeln. Unerschrocken kritisierte er die medizinischen Irrwege der damaligen Zeit und forderte eine menschenwürdige Behandlung für Geisteskranke. Er behandelte den wahnsinnig gewordenen Kanzleirat Klockenbring auf menschlich-fürsorgliche Weise und ohne die zu der Zeit üblichen körperlichen Züchtigungen. Seine Heilung sorgte für großes Aufsehen, dennoch musste die Anstalt aufgrund von Patientenmangel wieder schließen.
1793 verließ Hahnemann Georgenthal und zog mit seiner Familie nach Molchleben. Rastlos zog es ihn weiter nach Bad Pyrmont, Göttingen, Braunschweig und Wolfenbüttel. Bis 1799 lebte er in Königslutter, wo sich während einer Scharlachepidemie das homöopathische Mittel Belladonna als Heil- und Schutzmittel erwies. Hahnemann schrieb darüber in seinem 1801 veröffentlichten Buch Heilung und Verhütung des Scharlach-Fiebers.
1796, nach 6 Jahren des Experimentierens und Analysierens, veröffentlichte Samuel Hahnemann erstmals sein neues Heilprinzip in Hufelands Journal der praktischen Arzneikunde, fand aber keinen Anklang. Zu dieser Zeit war er noch milde gegen andersdenkende Ärzte gestimmt und sich bewusst, dass sie alle nach einem gemeinschaftlichen Ziel streben, das nicht leicht zu erreichen ist. 12 In den Jahren 1793 bis 1799 gab er das zweibändige Apothekerlexikon heraus, welches jahrzehntelang das Standardwerk deutscher Apotheker war und ihm einen bedeutenden Ruf auf dem Gebiet der Pharmazie einbrachte. Schon zu dieser Zeit mehrten sich die Anfeindungen gegen seine Person, insbesondere weil er seine Arzneimittel selbst zubereitete und verabreichte.
1796 veröffentlichte Samuel Hahnemann sein erstes homöopathisches Werk mit dem Titel Versuch über ein neues Prinzip zurAuffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanz nebst einigen Blicken auf diebisherigen. Spott ernteten vor allem die in der Homöopathie eingesetzten kleinen Gaben. Hahnemann hatte durch sein Experimentieren herausgefunden, dass das Verdünnen der Arzneimittel einerseits die schädlichen Nebenwirkungen vermeidet, das Verfahren des Potenzierens andererseits aber die verborgenen Arzneikräfte entwickelt und die Heilkraft der Arzneimittel verstärkt.
Das Jahr 1796 gilt somit als Gründungsjahr der Homöopathie.
Von Anbeginn versuchten die Anhänger der orthodoxen Medizin die neu aufstrebende Heilmethode zu denunzieren und das Ansehen ihrer vermeintlich rationellen Lehre aufrechtzuerhalten. Es erschienen viele Schmähschriften, doch »die großen Geister seiner Zeit und die achtbarsten Elemente der Wissenschaft, die sein hervorragendes Talent zu beachten wussten, sprachen sich nur in würdiger Weise über seine großen Leistungen aus«, wie Christoph Wilhelm Hufeland, »ein glänzender Stern am medizinischen Himmel seiner Zeit«, urteilte, und der Hahnemann als einen »unserer ausgezeichnetsten, geistvollen und originellen Ärzte« schätzte. 13 Hufeland hatte selbst positive Erfahrungen mit der Anwendung der Homöopathie gemacht und befand es für unwürdig, ihr mit Spott und Verachtung zu begegnen, statt sie einer genauen Prüfung zu unterziehen. 14
Hahnemann zog mit seiner Familie auch weiterhin von Ort zu Ort und blieb an keinem länger als ein paar Monate oder ein Jahr. Im Sommer 1799 ging es nach Hamburg und kurz nach seiner Ankunft weiter in die Vorstadt Altona. Auf seiner Reise verunglückte der Wagen; einige seiner Familienmitglieder zogen sich Verletzungen zu, und ein Sohn starb tragischerweise bei dem Unfall. In Hamburg konnte Hahnemann seine Arzneimittel selbst herstellen. Hahnemann jedoch fühlte sich als Gelehrter in der großen Handelsstadt fremd, und so führte es ihn weiter nach Mölln und Machern, dann zurück in sein geliebtes Sachsen, nach Eilenburg. Aber die Gesundheitsbehörden machten es ihm auch hier schwer. Die Familie zog weiter nach Wittenberg, bis sie 1804 wieder nach Dessau, in die Heimatstadt von Hahnemanns Frau, zurückkehrte. Armut und Entbehrungen, Verfolgung und Denunziationen waren ihnen überallhin gefolgt. Doch eine innere Kraft trieb Hahnemann an, weiter nach einer wirksamen Heilmethode zu forschen.
Samuel Hahnemanns Familie war mittlerweile erheblich angewachsen; zehn Kinder mussten inzwischen ernährt werden. Sie lebten auch weiterhin ein anspruchsloses Leben. Hahnemann half seiner Frau im Haushalt, unterrichtete die Kinder selbst, beriet Patienten und forschte unermüdlich weiter. Die Übersetzertätigkeit half ihm, den Lebensunterhalt zu verdienen und seine Ideen von einer wirksamen Heilmethode zu entwickeln.
1804 ließ Hahnemann sich in Torgau nieder, erwarb ein Haus mit Garten und verfasste eine Reihe wesentlicher Schriften. 1805 erschien sein kleines Werk Aeskulap auf der Waagschale, eine Kritik an der vorherrschenden Medizin. In dem ebenfalls 1805 veröffentlichten Werk Fragmenta de viribus medicamentorumpositivis sive in corpore sano observatis beschreibt Hahnemann die Details von 27 geprüften Arzneimitteln in Latein. Dieses Buch bildete die Grundlage seiner 1811 veröffentlichten ersten Auflage der Reinen Arzneimittellehre.
1805 erschien auch die erste Gesamtdarstellung des neuen Heilprinzips in seinem Buch Heilkunde der Erfahrung, dem Vorläufer des 1810 veröffentlichten Organons der rationellen Heilkunde, welches ab der 2. Auflage Organonder Heilkunst hieß und in insgesamt sechs Auflagen herausgegeben wurde. Gemäß seinen zunehmenden Kenntnissen und Erfahrungen wurde es von Hahnemann immer wieder überarbeitet und erweitert. Es enthält eine umfassende Darstellung seiner Entdeckungen und Ansichten über die Heilung von Kranken und demonstriert, dass die übliche Medizin auf größter Unsicherheit und Empirie beruht. Hahnemann legte den Missstand der damaligen Heilkunde offen und bemängelte die oft lebensgefährlichen Behandlungsmethoden seiner Zeit. Mit unerbittlicher Kritik richtete er sich an seine Gegner, die aus Unkenntnis seine neue Heilkunst aburteilten und forderte sie auf, die Plausibilität der Homöopathie anhand der im Organon niedergelegten Prinzipien zu überprüfen. 15
Das Organon begeisterte und beunruhigte die Ärzte, es zog gleichermaßen Anerkennung wie Ablehnung nach sich. Die Schulmedizin sah sich in ihrer Existenz bedroht, viele Ärzte nannten Hahnemann einen Scharlatan, die Apotheker fürchteten um ihre Existenz. Samuel Hahnemann forschte und arbeitete unbeirrt weiter – die Kluft zur Schulmedizin wurde immer größer.
Napoleons Kriegswirren vertrieben die Familie nach 7 Jahren aus Torgau, sodass Hahnemann 1811 wieder in Leipzig sesshaft wurde. Hier fand er eine auskömmliche ärztliche und schriftstellerische Tätigkeit und blieb für 10 Jahre.
Seinen Wunsch, eine eigene Lehranstalt für junge Doktoren zu errichten, um sie in der Homöopathie zu unterrichten, konnte er jedoch nicht verwirklichen, sodass er sich 1812 entschloss, seine neue Heilmethode an der Universität Leipzig zu lehren. Zu diesem Zweck schrieb Samuel Hahnemann seine Dissertation mit dem Titel Dissertatio historicomedica de Heleborismo veterum. Nach erfolgter Habilitation unterrichtete er an der Leipziger Universität. Anfangs hielt er sich zurück und beschränkte sich auf das zu lehrende historisch-medizinische Gebiet und nahm die Studentenschar mit seinen umfangreichen medizingeschichtlichen und sprachgeschichtlichen Kenntnissen für sich ein. Um seine neue Heillehre bekannt zu machen, begann er parallel dazu auch die Homöopathie und das Organon zu lehren, stieß dabei aber auf nur geringes Interesse. Stattdessen blieben mehr und mehr Studenten seinen Vorlesungen fern. Die wenigen interessierten Zuhörer wurden zu seinen treuesten Anhängern und Wegbegleitern und prüften in der von Hahnemann gebildeten Arbeitsgemeinschaft unzählige Arzneimittel. Während seines Aufenthalts in Leipzig erschien die zweite verbesserte Auflage des Organons sowie sein zweites großes Werk, die sechsbändige Reine Arzneimittellehre, in welcher er die Ergebnisse der Arzneimittelprüfungen dokumentiert, und das nach wie vor als zuverlässiges Fundament der homöopathischen Arzneimittellehre gilt.
1813 fanden bei Leipzig die entscheidenden Befreiungskriege der Völkerschlacht statt, bei denen im Oktober über eine halbe Millionen Soldaten Napoleons und seiner alliierten Gegner um die Herrschaft über Europa kämpften. Während der Kämpfe brach der Typhus aus; Verwundete und Seuchenkranke überfluteten die Stadt. Hahnemann hatte keinen Sinn für Politik und führte seine Arbeit unbeirrt fort. Er behandelte 181 an Typhus erkrankte Patienten, von denen nur einer verstarb. Seine Verschreibungen bewiesen die Wirksamkeit der Homöopathie und trugen ihm die Anerkennung der Militärbehörden ein. Aber Hahnemann verwendete dazu selbst hergestellte Arzneimittel, was in Leipzig verboten war. 1815 verklagten ihn die Apotheker der Stadt, woraufhin die Regierung ihm die Selbstabgabe von Arzneimitteln verbot und damit seine praktische homöopathische Tätigkeit unmöglich machte.
Aufgrund der fehlenden Gunst der Studenten und der Unmöglichkeit, seine eigenen Arzneien herzustellen, sah sich Hahnemann gezwungen, Leipzig zu verlassen. Doch wie so oft in seinem Leben fand er auch diesmal Unterstützung. Der Herzog Ferdinand Friedrich zu Anhalt-Köthen, ein Verehrer der neuen Heilmethode, gewährte ihm in seiner Residenz die Niederlassungserlaubnis und das Dispensierrecht, sodass Hahnemann mit seiner Familie 1821 nach Köthen übersiedelte, wo er sich ein eigenes Haus kaufte. In Köthen fand er nach all den unsteten Wanderjahren endlich eine dauerhafte Bleibe, in der die Familie glücklich lebte. Ernst von Brunnow, der von Hahnemann behandelt wurde und die Familie persönlich kannte, berichtete vom Leben Hahnemanns:
Die Mitglieder der Familie, die Patienten und die akademischen Zuhörer lebten und webten nur für eine Idee – die Homöopathik, für welche Jeder nach seiner Art zu wirken strebte. 16
Hahnemann war in seiner Praxis vielbeschäftigt und führte endlich ein auskömmliches Leben. Patienten aus allen Teilen Deutschlands und dem Ausland konsultierten ihn. Er wurde zum Hofrat ernannt und führte seine Tätigkeit ungeachtet seines fortgeschrittenen Alters fort.
Mit seiner Familie führte Samuel Hahnemann ein bescheidenes Leben. Nur das Tabakrauchen war ihm während seiner Zeit des langen nächtlichen Studierens zur Gewohnheit geworden. Hahnemann hatte die Natur zeitlebens verehrt. In Leipzig pflegte er täglich spazieren zu gehen, und in Köthen erholte er sich beim Aufenthalt in seinem Garten. Hahnemanns Frau Henriette war sehr musikalisch, und auch er liebte die Musik. Abends bot sie ihm oft eine geschätzte Erholung in seinem Hause. Sein Leben lang hing er in tiefer Verbundenheit an seiner Familie. In ihrem Kreise fühlte er sich wohl, alles, was sie betraf, bewegte ihn tief. Die Sorge um seine Kinder und die ständig drohenden Krankheiten ließen ihn unermüdlich an der Entwicklung seiner Heilmethode arbeiten. Wenn es um Religion ging, hielt Hahnemann sich von allen Dogmenglauben fern. 17 Im Kreise seiner engsten Freunde liebte er es, zu scherzen, war frohgemut und mitteilsam.
Samuel Hahnemann protokollierte sämtliche Krankengeschichten und therapeutischen Verordnungen für seine Patienten in umfangreichen Krankenjournalen. Während eines Zeitraumes von 12 Jahren entwickelte er seine Theorie der chronischen Miasmen und veröffentlichte diese 1828 in seinem Buch Die chronischenKrankheiten, ihre eigentümliche Natur und homöopathische Heilung. In diesem beschreibt er die zugrunde liegenden Ursachen wahrer chronischer Krankheiten als Psora, Sykosis und Syphilis. Die Miasmentheorie wurde sehr kontrovers aufgenommen und führte auch innerhalb der Homöopathie zu Konflikten und Auseinandersetzungen.
Inzwischen hatte sich Hahnemanns Heilmethode immer weiter ausgebreitet, und seine Schriften wurden in viele Sprachen übersetzt. Bei seinem 50-jährigen Doktorjubiläum am 10. August 1829 wurde die Gründung des »Zentralvereins homöopathischer Ärzte« und die Errichtung einer homöopathischen Heilanstalt angedacht. Zur Jubiläumsfeier kamen seine Anhänger aus allen Teilen des Landes. Die »Homöopathische Heil- und Lehranstalt zu Leipzig« wurde im Januar 1833 eröffnet und musste sich durch private Mittel finanzieren. Geldmangel und andere Streitigkeiten führten später zur Umwandlung in eine Poliklinik.
Am 31. März 1830 verstarb Samuel Hahnemanns Frau Henriette. Seine beiden jüngsten Töchter, die Zwillinge Charlotte und Luise, führten fortan den Haushalt und kümmerten sich um den Vater. Hahnemann empfing weiterhin Patienten und arbeitete an seinen Schriften. Trotz des hohen Alters war er körperlich und geistig fit, wenn auch ruhiger geworden. Bis 1835 lebte er in Köthen, schrieb Artikel und aktualisierte bisherige Werke, wie das Organon und die Reine Arzneimittellehre. Insbesondere die Heilungen während der großen Epidemien hatten ihm viel Anerkennung eingebracht. Während der Choleraepidemie in Europa, die zwischen 1831 und 1832 unzählige Todesopfer forderte, unterwies Hahnemann die angsterfüllten Menschen in Quarantäne- und Hygienevorschriften und empfahl eine Auswahl homöopathischer Arzneimittel. Kampfer (Camphora) war das hauptsächlich angezeigte Mittel. An den König von Preußen schrieb er einen offenen Brief, um für die homöopathische Behandlung zu werben und darauf hinzuweisen, dass die Ärzte der Schulmedizin die epidemisch Erkrankten nicht heilen können. 18
Am 7. Oktober 1834 kam die attraktive 35-jährige Pariser Malerin und Aristokratin Marie Mélanie d’Hervilly Gohier nach Köthen, um sich von Hahnemann behandeln zu lassen. Die beiden fühlten eine tiefe Verbundenheit füreinander, und im Januar 1835 heirateten sie. Samuel Hahnemann zog mit seiner Frau nach Paris, in die No. 1 Rue de Milan, wo sie fortan lebten und arbeiteten. Zur Zeit ihrer Ankunft gab es in Frankreich bereits über 130 Homöopathen, davon 72 in Paris, sodass Hahnemann eine wohlwollende Aufnahme fand. 19 Nach seinem eintönigen, kleinbürgerlichen Leben in Köthen begann in Frankreich eine neue, arbeitsreiche Zeit mit Hausbesuchen, was ihm und der Homöopathie viel Anerkennung verschaffte. Aufgrund seiner Bekanntheit erhielt er die ärztliche Praxiserlaubnis und wurde von seiner Frau, die sich gelehrig das Homöopathiewissen angeeignet hatte, unterstützt. Durch Mélanies gesellschaftliche Verbindungen erhielt er Zugang zu den vornehmen gesellschaftlichen Kreisen, und Hahnemann konnte sich vieler Lebensgenüsse erfreuen, die ihm bis dahin völlig fremd geblieben waren. Das Paar besuchte das Theater, die Oper und öffentliche Empfänge. Von seiner Frau Mélanie wurde Samuel Hahnemann liebevoll umsorgt, ihr gegenüber zeigte er eine tiefe Zuneigung. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit verfasste er die sechste Auflage des Organons, welches er 1842 fertigstellte, das aber von Richard Haehl erst 1921 veröffentlicht wurde.
Während seiner Zeit in Paris heilte Hahnemann die erst 4-jährige, im Sterben liegende Tochter des berühmten französischen Schriftstellers Ernest Legouvé. Aufgrund dieser Heilung wurde Hahnemann von vielen »als eine beinahe mythische Person angesehen und nicht als ein Wesen aus echtem Fleisch und Blut« 20 .
Verschiedene homöopathische Gesellschaften und Vereinigungen auf der ganzen Welt verliehen Samuel Hahnemann Ehrentitel. Unter anderem wurde er Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Churfürstlich Mayntzischen Akademie Nützlicher Wissenschaften und der Königlichen Ökonomischen Gesellschaft zu Leipzig. In Leipzig, Paris, Washington und anderen Städten wurden ihm zu Ehren Denkmäler errichtet. 1841 wurde Samuel Hahnemann in Anerkennung seiner ausgezeichneten Verdienste zum Ehrenbürger der Stadt Meißen ernannt.
Hahnemanns Leben war ein steter Kampf für die Homöopathie, gegen Intoleranz, Vorurteile und Schmähungen. Aber nicht nur aus der Außenwelt schlugen ihm unaufhörlich Ablehnung, Hohn und Spott entgegen, auch in den Reihen der Homöopathie kam es zu Zerwürfnis und Streit. Hahnemann duldete keine Abweichungen von seiner Lehre und akzeptierte nur Schüler, die die reine Homöopathie gemäß seinen Prinzipien praktizierten. Abweichler von seiner reinen Lehre der Homöopathie bezeichnete er als Halb- oder Bastard-Homöopathen.
Unermüdlich arbeitete er an der Entwicklung seiner Heilkunst, überzeugt davon, dass Gott bei all den vorhandenen Leiden auch eine Möglichkeit geschaffen haben müsse, diese zu lindern. Zur Ausübung der Heilkunde meinte Hahnemann:
Soviel warne ich im Voraus, dass Indolenz, Gemächlichkeit und Starrsinn vom Dienste am Altare der Wahrheit ausschließt, und nur Unbefangenheit und unermüdeter Eifer zur heiligsten aller menschlichen Arbeiten fähigt, zur Ausübung der wahren Heilkunde. Der Heilkünstler in diesem Geiste aber schließt sich unmittelbar an die Gottheit, an den Weltenschöpfer an, dessen Beifall sein Herz dreimahl beseligt. 21
Obwohl Hahnemann in den Anfangsjahren seines Lebens kränklich und wenig robust war, hatte ihn später nie eine ernsthafte Krankheit befallen. Erst zum Ende des Lebens klagte er über einen Bronchialkatarrh und verstarb am 2. Juli 1843 nach 6-wöchigem Krankenlager. Anfangs behandelte er sich selbst, später zog er andere Homöopathen zu Hilfe. 9 Jahre blieb seine Frau Mélanie an seiner Seite. In seiner Todesstunde sagte sie zu ihm:
Warum mußt Du, der Du so viele Leiden gelindert hast, in diesen letzten Momenten so viel erdulden? Das ist unbegreiflich! Die Vorsehung hätte Dir einen schmerzlosen Tod zuerkennen sollen!
Samuel erwiderte:
Warum hätte ich so ausgezeichnet werden sollen? Jeder von uns muß den Pflichten nachkommen, die Gott ihm auferlegt hat. Niemand hat ein eigenes Verdienst. Gott schuldet mir nichts; ich schulde ihm Alles! 22
Mélanie bestattete ihren Mann auf dem Friedhof Montmartre. Später wurden seine Überreste auf den größten Pariser Friedhof, den Cimetière du Père-Lachaise, umgebettet. Samuel Hahnemanns Grabstein trägt auf seinen persönlichen Wunsch hin die Inschrift:
»Non inutilis vixi« – »Ich habe nicht umsonst gelebt.«
Die Nachwelt hinterlässt Samuel Hahnemann ein Werk von außerordentlicher Bedeutung. Mit seiner auf Gesetzen und Prinzipien beruhenden Heilmethode begann eine neue Ära der Medizin, welche die Grundfesten der alten Heilkunst erschütterte. Die Homöopathie wurde bereits zu Hahnemanns Lebzeiten von vielen Ärzten und auch Laienhomöopathen praktiziert und fand aufgrund ihrer Behandlungserfolge weltweite Akzeptanz und Verbreitung.
Seinen Mitstreitern gab Samuel Hahnemann folgenden Rat mit auf den Weg:
Indem ich die Herren Mitglieder der Gesellschaft zu jener unerlässlichen Verdopplung des Studiums ermahne, gebe ich Ihnen zu bedenken, eben sowohl, wie Ihnen Allen, meine Herren, dass, wenn es sich von einer Kunst handelt, das Leben zu retten, es ein Verbrechen ist deren Erlernung zu vernachlässigen. 23
Samuel Hahnemann (1755–1843)
»Geist der homöopathischen Heil-Lehre« 24
Es ist unmöglich, das innere Wesen der Krankheiten und was im Verborgenen durch sie im Körper verändert ist, zu errathen, und thöricht, auf solche hypothetische Vermuthungen und Annahmen deren Cur bauen zu wollen; es ist unmöglich, die Heilkräfte der Arzneien nach chemischen Hypothesen oder nach Geruch, Farbe oder Geschmack zu errathen, und thöricht, nach solchen hypothetischen Vermuthungen und Annahmen diese (beim Mißbrauch so schädlichen) Substanzen zur Cur einer Krankheit anwenden zu wollen. Und wäre ein solches Verfahren auch noch so gebräuchlich gewesen und noch so allgemein eingeführt, auch wohl seit Jahrtausenden das einzig beliebte, so bliebe es dennoch ein widersinniges und verderbliches Verfahren, nach leeren Vermuthungen sich das Krankhafte im Innern des Körpers zu erdichten und es mit eben so erdichteten Kräften der Arzneien zu bestreiten.
Erkennbar, deutlich erkennbar muß das unsern Sinnen offen da liegen, was an jeder Krankheit hinwegzunehmen sey, um sie in Gesundheit zu verwandeln, und deutlich wahrnehmbar muß jede Arznei aussprechen, was sie zuverlässig heilen könne, ehe sie gegen Krankheit angewendet werde, wenn die Arzneikunst aufhören soll, ein leichtfertiges Würfelspiel um Menschenleben zu seyn, und anfangen soll, die gewisse Retterin aus Krankheiten zu werden.
Ich werde zeigen, was sich an Krankheiten unläugbar Heilbares uns darbietet und wie die heilenden Kräfte der Arzneien deutlich wahrzunehmen und zum Heilzwecke anzuwenden sind.
Was Leben sey, ist bloß aus dessen Aeußerungen und Erscheinungen empirisch erkennbar, durch metaphysische Speculationen aber, a priori, durchaus nicht zu erdenken (construiren); was Leben an sich und in seinem inneren Wesen sey, läßt sich nie von Sterblichen einsehen, noch durch Vermuthungen erreichen.
Das Leben des Menschen, so wie sein zwiefacher Zustand (Gesundheit und Krankheit) läßt sich nach keinen, bei Erklärung anderer Gegenstände gebräuchlichen Grundsätzen erklären, läßt sich mit Nichts in der Welt vergleichen, als mit sich selbst; nicht mit einem Räderwerke, nicht mit einer hydraulischen Maschine, nicht mit chemischen Processen, nicht mit Gas-Zersetzungen und Erzeugungen, nicht mit einer galvanischen Batterie, mit nichts Unlebendigem. Das Menschenleben geht in keiner Rücksicht nach rein physischen Gesetzen vor sich, die nur in unorganischen Substanzen walten. Die materiellen Stoffe, aus denen der menschliche Organismus zusammengesetzt ist, folgen in dieser lebenden Verbindung nicht mehr den Gesetzen, denen die materiellen Stoffe in leblosem Zustande unterworfen sind, sondern folgen bloß den der Vitalität eignen Gesetzen; sie sind nun selbst beseelt und belebt, so wie das Ganze beseelt und belebt ist. Hier herrscht eine namenlose, allgewaltige Grundkraft, die allen Hang der Bestandteile des Körpers, den Gesetzen des Druckes, des Stoßes, der Kraft der Trägheit, der Gärung, der Fäulniß u.s.w. folgen zu wollen, aufhebt und sie bloß unter jenen wunderbaren Gesetzen des Lebens leitet und beherrscht, das ist, sie in dem zur Erhaltung des lebenden Ganzen gehörigen Zustande von Empfindung und Thätigkeit, in einem fast geistig dynamischen Zustande erhält.
Da also der Zustand des Organism‘s und sein Befinden bloß von dem Befinden des ihn belebenden Lebens abhängt, so folgt, daß das veränderte Befinden, was wir Krankheit nennen, ebenfalls ein nicht nach chemischen, physischen oder mechanischen Hinsichten, sondern ursprünglich bloß in seinen lebendigen Gefühlen und Thätigkeiten veränderter, das ist, ein dynamisch veränderter Zustand des Menschen, eine abgeänderte Existenz seyn müsse, durch welche dann ferner die materiellen Bestandtheile des Körpers in ihren Eigenschaften abgeändert werden, wie es der krankhaft abgeänderte Zustand des lebendigen Ganzen in jedem einzelnen Falle erheischt.
Auch ist der Einfluß der krankhaften Schädlichkeiten, welche größtentheils von außen her die verschiedenen Siechthume in uns erregen, gewöhnlich so unsichtbar und so immateriell 25 , daß sie unmöglich unmittelbar weder die Form und Materie der Bestandtheile unseres Körpers mechanisch zu verrücken oder umzuformen, noch eine schädliche scharfe Flüssigkeit in unsere Adern zu gießen vermögen, wodurch die Masse unserer Säfte chemisch verändert und verderbt werden könnte: – eine unstatthafte, durch nichts zu erweisende, crasse Vorstellung mechanischer Köpfe. Die Krankheit erregenden Ursachen wirken vielmehr mittels ihrer virtuellen Eigenschaft auf den Zustand unsers Lebens (auf unser Befinden) auf eine bloß dynamische, dem Geistigen sehr ähnliche Weise, und indem sie zunächst die Organe der höhern Ordnung und der Lebenskraft umstimmen, entsteht durch dieß abgeänderte Seyn, durch diese dynamische Veränderung des lebendigen Ganzen ein abgeändertes Gefühl (Uebelbehagen, Schmerzen) und eine abgeänderte Thätigkeit (innormale Functionen) der einzelnen und gesammten Organe, wodurch dann nothwendig auch Aenderung der Säfte in unsern Gefäßen und Absonderung innormaler Stoffe secundär entstehen muß, als unausbleibliche Folge des abgeänderten, vom gesunden nun abweichenden Lebenscharakters.
Diese innormalen Stoffe, die sich in Krankheiten hervorthun, sind demnach nur Producte der Krankheit selbst, die sich, solange das Siechthum den gegenwärtigen Charakter behält, nothwendig absondern müssen, und so einen Theil der Krankheitszeichen (Symptome) bilden; sie sind bloß Effecte und folglich Aeußerungen des vorhandenen innern Uebelbefindens, und wirken (ob sie gleich oft Ansteckungszunder für andere, gesunde Personen enthalten) auf den kranken Körper, der sie hervorbrachte, durchaus nicht als Krankheit erzeugende oder unterhaltende Stoffe, das ist, nicht als materielle Krankheitsursachen zurück 26 , so wenig sich ein Mensch mit dem Gifte aus seinem eigenen Schanker oder mit der Trippermaterie aus seiner eigenen Harnröhre zu derselben Zeit an andern Theilen seines Körpers anstecken, oder sein Uebel damit verstärken, und eben so wenig, als eine Viper sich mit ihrem eignen Gifte einen tödtlichen oder gefährlichen Biß beibringen kann.
Hieraus ist einleuchtend, daß die Krankheiten des Menschen, von der dynamischen und virtuellen Influenz krankhafter Schädlichkeiten erzeugt, ursprünglich bloß dynamische (fast nur auf geistige Weise bewirkte) Verstimmungen des Lebenscharakters unsers Organism‘s seyn können.
Man sieht leicht, daß diese dynamischen Verstimmungen des Lebenscharakters unsers Organism‘s, die wir Krankheiten nennen, da sie nichts Anderes, als abgeänderte Gefühle und Thätigkeiten sind, sich auch durch nichts, als durch ein Aggregat von Symptomen auszusprechen vermögen, und bloß als ein solches unserm Wahrnehmungsvermögen erkennbar sind.
Da nun bei einem für Menschenleben so bedenklichen Geschäfte, als das Curiren ist, Nichts, als ein deutlich von unserm Wahrnehmungsvermögen erkennbarer Zustand des kranken Körpers als Heilobject angenommen werden und unsre Schritte leiten darf (Vermuthungen und unerweisliche Hypothesen hier zum Führer zu wählen, würde gefährliche Thorheit, ja Frevel und Attentat gegen die Menschheit seyn); so folgt, daß, da die Krankheiten, als dynamische Verstimmungen des Lebenscharakters, sich einzig in Abänderungen der Gefühle und Thätigkeiten unsers Organism‘s, das ist, einzig durch ein Aggregat wahrnehmbarer Symptome aussprechen, auch dieses nur allein das Heilobject in jedem Krankheitsfalle seyn könne. Denn alle Krankheitszeichen hinweggenommen, bleibt nichts, als Gesundheit übrig.
Weil nun die Krankheiten bloße dynamische Verstimmungen unsers Befindens und Lebenscharakters sind, so können sie auch von Menschen unmöglich anders vernichtet werden, als mittels Potenzen und Kräfte, welche gleichfalls dynamische Umstimmungen des menschlichen Befindens hervorzubringen im Stande sind, das ist, die Krankheiten werden durch Arzneien virtuell und dynamisch geheilt. 27
Diese, uns zu Gebote stehenden wirksamen Substanzen und Kräfte (Arzneien) bewirken die Heilung der Krankheiten durch dieselbe dynamische Veränderungskraft des gegenwärtigen Befindens, durch dieselbe Umstimmungskraft des Lebenscharakters unsers Organism‘s in Gefühlen und Thätigkeiten, durch welche sie auch den gesunden Menschen afficiren, ihn dynamisch verändern und gewisse krankhafte Symptome bei ihm hervorbringen können, deren Kenntniß, wie wir sehen werden, uns die zuverlässigste Hinweisung giebt auf die Krankheitszustände, welche von jeder besondern Arznei am gewissesten geheilt werden können. Daher kann nichts in der Welt Heilung vollbringen, keine Substanz, keine Kraft den menschlichen Organism dergestalt verändern, daß die Krankheit von ihm weiche, als eine, das Befinden des Menschen überhaupt (dynamisch) umstimmende, folglich auch das gesunde Befinden krankhaft umändernde Potenz 28 .
Auf der andern Seite gibt es aber auch kein Agens, keine Kraft in der Natur, die den gesunden Menschen krankhaft zu afficiren vermag, welche nicht zugleich das Vermögen besäße, gewisse Krankheitszustände zu heilen.
Da nun die Krankheit-Heilung, so wie die krankhafte Afficirung der Gesunden bei allen Arzneien unzertrennlich beisammen angetroffen wird, und beide Thätigkeiten offenbar aus einer und derselben Quelle entspringen, nämlich aus ihrer Kraft, Menschenbefinden dynamisch umzustimmen, sie daher auch unmöglich nach einem andern inwohnenden Naturgesetze bei Kranken, als bei Gesunden wirken können; so folgt, dass es dieselbe Kraft der Arznei seyn muss, welche in Kranken die Krankheit heilt, als welche in Gesunden krankhafte Symptome zuwege bringt 29 .
Wir werden daher auch finden, daß die Heilpotenz der Arzneien und was eine jede in Krankheiten leisten könne, auf keine andre Art in der Welt sich so sicher und deutlich ausspricht und nie reiner und vollständiger zu unserer Kenntniß gelangen kann, als durch die krankhaften Phänomene und Symptome (Arten künstlicher Krankheiten), die die Arzneien bei gesunden Menschen hervorbringen. Denn haben wir nur erst die von den verschiedenen Arzneien an gesunden Menschen erregten eigenthümlichen (künstlichen) Krankheitssymptome aufgezeichnet vor uns liegen, so dürfen wir bloß reine Versuche entscheiden lassen, von welchen Arzneisymptomen gewisse Krankheitssymptome stets schnell und dauerhaft geheilt und aufgehoben werden, um jedesmal im Voraus zu wissen, welche unter allen den nach ihren eigenthümlichen Symptomen gekannten und ausgeprüften, verschiedenen Arzneien in dem jedesmaligen Krankheitsfalle das gewisseste Heilmittel sey 30 .
Fragen wir dann die Erfahrung, welche (von den Arzneien beobachteten) künstlichen Krankheits-Elemente gegen gewisse, natürliche Krankheitszustände hülfreich anzuwenden sind; fragen wir sie:
ob von solchen Arzneien, welche im gesunden Körper ein andersartiges (allöopathisches) Uebelbefinden erzeugen können, als die zu heilende Krankheit darbietet,
oder ob von denjenigen, welche einen, dem zu heilenden Krankheitsfalle entgegengesetzten (enantiopathischen, antipathischen) Zustand des Befindens im gesunden Menschen zu erregen vermögen,
oder ob von denjenigen Arzneien, welche einen ähnlichen (homöopathischen) Zustand, als die vorhandene natürliche Krankheit ist, erzeugen können (denn nur diese drei Anwendungsarten sind möglich), die Umstimmung in Gesundheit (Heilung) am gewissesten und dauerhaftesten zu erwarten sey, so spricht die Erfahrung ganz ohne Zweideutigkeit sich für letzteres aus.
Doch schon an sich ist es einleuchtend, daß heterogen und allöopathisch wirkende Arzneien, mit Neigung, andersartige Symptomen im gesunden Menschen hervorzubringen, als die zu heilende Krankheit in sich faßt, selbst der Natur der Sache nach hier unmöglich passen und hülfreich seyn können, sondern schief wirken müssen, weil sonst jede Krankheit durch jede beliebige, auch noch so abweichende Arznei schnell, sicher und dauerhaft gehoben werden müsste; welches, da jede Arznei eine von der der übrigen abweichende Wirkung besitzt, und jede Krankheit eine von der andern abweichende Verstimmung des menschlichen Befindens nach ewigen Naturgesetzen erzeugt, einen innern Widerspruch (contradictionem in adjecto) in sich fassen und schon aus sich selbst die Unmöglichkeit eines guten Erfolgs darlegen würde, indem jede gegebene Veränderung nur von der ihr geeigneten Ursache bewirkt werden kann, aber nicht per quamlibet causam. Und so bestätigt sich‘s auch in der Erfahrung täglich, dass die vulgäre Praxis durch Verordnung ihres Allerlei‘s an ungekannten Arzneien in vielfach gemischten Recepten in Krankheiten zwar mancherlei bewirkt, doch am wenigsten Heilung.
Die zweite Art, Krankheiten mit Arzneien zu behandeln, ist die Anwendung einer, die vorhandene Verstimmung des Befindens (Krankheit, oder vorzüglichstes Krankheitssymptom) enantiopathisch, antipathisch oder entgegengesetzt umstimmende Potenz (palliativ angewendete Arznei). Eine solche Anwendung kann, wie man ebenfalls leicht einsieht, deshalb keine dauerhafte Heilung der Krankheit bewirken, weil bald darauf das Uebel wiederkommen muß, und zwar in stärkerem Maße. Der Vorgang ist dieser. Nach einer bewundernswürdigen Einrichtung der Schöpfung verhalten sich die organisirten lebenden Wesen nicht nach den Gesetzen der unorganisirten (todten) physischen Natur, sie nehmen die Einwirkung der Außendinge nicht, wie diese, leidend auf, geben nicht, wie diese, den äußern Eindrücken folgsam nach, sondern streben, das Gegentheil von dieser Einwirkung entgegen zu setzen 31 . Der lebende menschliche Körper läßt sich zwar anfänglich von der Einwirkung physischer Potenzen verändern; aber diese Veränderung ist bei ihm nicht, wie bei unorganischen Wesen, bleibend und dauernd (- wie sie doch nothwendig seyn müßte, wenn die der Krankheit entgegengesetzt wirkende Arzneipotenz einen bleibenden Effect, eine dauerhafte Hülfe hervorbringen sollte-): vielmehr strebt der menschliche lebende Organism, das gerade Gegentheil von der ihm von außen her zuerst beigebrachten Affection durch Antagonismus zu erzeugen 32 –, so wie z. B. eine lange genug in Eiswasser gehaltene Hand nach dem Herausziehen (nicht etwa kalt bleibt, oder etwa bloß die Temperatur der umgebenden Luft, wie eine steinerne [todte] Kugel thun würde, annimmt, oder allenfalls die Wärme des übrigen Körpers beibehält, nein!), je kälter das Wasser des Handbades war, und je länger es auf die gesunde Haut der Hand einwirkte, sich hintennach desto mehr entzündet und heiß wird.
Es kann also nicht fehlen, daß eine, den Symptomen der Krankheit entgegengesetzt wirkende Arznei nur auf eine sehr kurze Zeit 33 das vorhandene Krankheitssymptom umstimmt, bald aber dem im lebenden Körper vorwaltenden Antagonismus weichen muß, welcher das Gegentheil, nämlich einen, dem durch das Palliativ hervorgebrachten, kurzdauernden, schmeichelhaften Zustande des Befindens entgegengesetzten Zustand (den mit dem ursprünglichen Uebel übereinstimmenden Zustand) entstehen läßt, der ein wahrer Zusatz zu dem nun wiederkehrenden, ungetilgten, anfänglichen Uebel ist, also die ursprüngliche Krankheit in erhöhetem Grade. Und so verschlimmert sich das Uebel jederzeit gewiß, nachdem das Palliativ – die entgegengesetzt und enantiopathisch wirkende Arznei ausgewirkt hat 34 .
In chronischen Krankheiten, – dem wahren Prüfsteine ächter Heilkunst, – zeigt sich die Schädlichkeit der entgegengesetzt wirkenden (Palliativ-) Mittel oft in hohem Grade, da sie bei ihrer Wiederholung, wenn sie auch nur ihren täuschenden Effect, (einen schnell vorübergehenden Schein von Wohlbefinden) zuwege bringen sollen, in größerer und immer größerer, das Leben oft in Gefahr setzender Gabe gereicht werden müssen, die auch nicht selten wirklich tödtet 35 .
Es bleibt also nur eine dritte Art der Anwendung der Arzneien übrig zur wahren Hülfe, nämlich, wenn man jedesmal eine solche anwendet, welche (homöopathisch) eine dem gegenwärtigen Krankheitsfalle ähnliche, am besten, sehr ähnliche, künstliche, krankhafte Affection im Organism zu erregen für sich geneigt ist.
Daß diese Art von Arzneigebrauch die vollkommenste, die einzig beste Methode gebe und geben müsse, kann, wie schon durch unzählige Erfahrungen, auch der meiner Lehre ergebenen Aerzte und in der alltäglichen Erfahrung 36 bestätigt worden ist, so auch durch Gründe leicht bewiesen werden.
Es wird daher nicht schwer seyn, einzusehen, nach welchen Naturgesetzen die einzig zweckmäßige Heilung der Krankheiten, die homöopathische, erfolgt und erfolgen muß.
Das erste hier unverkennbare Naturgesetz ist: die Afficirbarkeit des lebenden Organismus durch natürliche Krankheiten ist ohne Vergleich geringer, als die durch Arzneien.
Es wirken täglich und stündlich ein Menge Krankheiterregungs-Ursachen auf uns ein, aber sie vermögen unser Befindens-Gleichgewicht nicht aufzuheben, die Gesunden nicht krank zu machen; die Thätigkeit der Lebenserhaltungskraft in uns pflegt den meisten zu widerstehen, der Mensch bleibt gesund. Nur wenn diese äußern Schädlichkeiten zu einem heftigen Grade gesteigert auf uns eindringen, und wir uns ihnen allzu sehr bloßstellen, erkranken wir, doch auch dann nur bedeutend, wenn unser Organism gerade jetzt eine vorzüglich angreifbare, schwache Seite (Disposition) hat, die ihn aufgelegter macht, von der gegenwärtigen (einfachen oder zusammengesetzten) Krankheitsursache afficirt und in seinem Befinden verstimmt zu werden.
Besäßen die feindlichen, theils psychischen, theils physischen Potenzen in der Natur, die man krankhafte Schädlichkeiten nennt, eine unbedingte Kraft, das menschliche Befinden zu verstimmen, so würden sie, da sie überall verbreitet sind, Niemand gesund lassen; Jedermann müsste krank seyn, und wir würden nicht einmal eine Idee von Gesundheit haben. Da aber, im Ganzen genommen, Krankheiten nur Ausnahmen im Befinden der Menschen sind, und ein Zusammentreffen so vieler und mancherlei Umstände und Bedingungen theils von Seiten der Krankheitspotenzen, theils von Seiten des in Krankheit umzustimmenden Menschen erfordert wird, ehe eine Krankheit durch ihre Erregungsursachen entsteht, so folgt, daß der Mensch von dergleichen Schädlichkeiten so wenig afficirbar ist, daß sie ihn nie unbedingt krank machen können, und daß der menschliche Organism wenigstens nur unter einer besondern Disposition von ihnen zur Krankheit verstimmt zu werden fähig sey.
Ganz anders aber verhält es sich mit den künstlichen dynamischen Potenzen, die wir Arzneien nennen. Jede wahre Arznei wirkt nämlich zu jeder Zeit, unter allen Umständen, auf jeden lebenden, beseelten Körper und erregt in ihm die ihr eigenthümlichen Symptome (selbst deutlich in die Sinne fallend, wenn die Gabe groß genug war), so daß offenbar jeder lebende menschliche Organism jederzeit und durchaus von der Arzneikrankheit behaftet und gleichsam angesteckt werden muß, welches, wie bekannt, mit den natürlichen Krankheiten gar nicht der Fall ist 37 .
Aus allen Erfahrungen gehet unläugbar hervor, daß der menschliche Körper bei weitem aufgelegter und geneigter ist, sich von den arzneilichen Potenzen afficiren und sein Befinden umstimmen zu lassen, als von den krankhaften Schädlichkeiten und Ansteckungsmiasmen, oder, welches dasselbe sagt, daß die arzneilichen Potenzen eine absolute, die krankhaften Affektionen aber nur eine sehr bedingte, von erstern überwiegbare Kraft besitzen, das menschliche Befinden umzustimmen.
Hieraus geht nun zwar schon die Möglichkeit der Krankheitsheilungen durch Arzneien überhaupt hervor (das ist, man sieht, daß im kranken Organism die Krankheitsaffection verwischt werden könne, wenn ihm die angemessenste Umstimmung durch Arznei zu Theil würde); aber es muß, wenn die Heilung zur Wirklichkeit kommen soll, auch das zweite Naturgesetz in Erfüllung treten, nämlich eine stärkere dynamische Affection löscht die schwächere im lebenden Organism dauerhaft aus, wenn erstere der letzteren an Art ähnlich ist; denn die dynamische, von der Arznei zu erwartende Umstimmung des Befindens darf, wie ich glaube bewiesen zu haben, von der Krankheits-Verstimmung weder andersartig abweichend oder allöopathisch seyn, damit nicht, wie in der gemeinen Praxis, eine noch größere Zerrüttung entstehe, noch darf sie derselben entgegengesetzt seyn, damit nicht eine bloß palliative Schein-Erleichterung mit nachgängiger, unausbleiblicher Verschlimmerung des ursprünglichen Uebels erfolge, sondern die Arznei muss die Tendenz besitzen, eine der Krankheit ähnliche Stimmung des Befindens für sich hervorzubringen (ähnliche Symptome im gesunden Körper erregen zu können) durch Beobachtungen erwiesen haben, wenn sie ein dauerhaft hülfreiches Heilmittel seyn soll.
Da nun die dynamischen Affectionen des Organisms (von Krankheit oder Arznei) nur durch Aeußerungen veränderter Thätigkeit und veränderten Gefühls erkennbar werden, und also auch die Aehnlichkeit seiner dynamischen Affectionen gegen einander sich bloß durch Symptomen-Aehnlichkeit aussprechen kann, der Organismus aber (als bei weitem umstimmbarer durch Arznei, denn durch Krankheit) der Affection von Arznei mehr nachgeben, das ist, sich mehr von ihr bestimmen und umstimmen lassen muß, als von der ähnlichen Affection der Krankheit, so folgt ohne Widerrede, daß er von der Krankheits-Affection frei werden müsse, wenn man eine Arznei auf ihn wirken läßt, welche, in ihrer Natur von der Krankheit verschieden 38 , an Symptomen-Aehnlichkeit ihr möglichst nahe kommt, das heißt, homöopathisch ist: in dem der Organism, als lebende, geschlossene Einheit, nicht zwei ähnliche dynamische Affectionen zugleich annehmen kann, ohne daß die schwächere der stärkern ähnlichen weichen müßte, folglich, da er geeigneter ist, von der einen (Arzneiaffection) stärker ergriffen zu werden, die andere, ähnliche, schwächere (Krankheitsaffection) nothwendig fahren lassen muß, von welcher er dann geheilt ist.
Man wähne ja nicht, daß der lebende Organism, wenn ihm bei seiner Krankheit zur Cur eine neue, ähnliche Affection durch eine Gabe homöopathischer Arznei mitgetheilt wird, hierdurch stärker, also mit einem Zusatze zu seinen Leiden belastet würde, etwa wie eine Bleiplatte, schon von einem eisernen Gewichte gedrückt, durch einen hinzugefügten Stein noch stärker gequetscht, oder ein durch Friction erhitztes Stück Kupfer durch Aufgießung noch heißern Wassers noch heißer werden muß. Nein, nicht leidend, nicht nach den physischen Gesetzen der todten Natur verhält sich unser lebender Organism; mit Lebens-Antagonism wirkt er zurück, um als geschlossenes, lebendes Ganze seiner Krankheits-Verstimmung sich zu begeben und in sich auslöschen zu lassen, wenn eine ähnlichartige stärkere, durch homöopathische Arznei in ihm erzeugt, sich seiner bemächtigt.
Ein solcher geistig zurückwirkender ist unser lebendiger, menschlicher Organism, welcher mit selbstthätiger Kraft eine schwächere Mißstimmung (Krankheit) von sich ausschließt, sobald die stärkere Potenz der homöopathischen Arznei ihn in eine andere, aber sehr ähnliche Affection setzet, oder mit andern Worten, welcher, wegen Einheit seines Lebens, nicht von zweien ähnlichen, allgemeinen Verstimmungen zugleich leiden kann, sondern die vorhergegangene dynamische Affection (Krankheit) fahren lassen muß, sobald eine, ihn umzustimmen fähigere, zweite dynamische Potenz (Arznei) auf ihn wirkt, welche in ihrer Afficirung des Befindens (ihren Symptomen) große Aehnlichkeit mit ersterer hat. Etwas Aehnliches geschieht beim menschlichen Gemüthe 39 .
So wie aber der menschliche Organism schon in gesunden Tagen afficirbarer von Arznei, als von Krankheit ist, wie ich oben dargethan habe, so ist er, erkranket, ohne Vergleich afficirbarer von homöopathischer Arznei, als von jeder andern (etwa allöopathischen oder enantiopathischen), und zwar im höchsten Grade afficirbar, da er, schon von der Krankheit zu gewissen Symptomen gestimmt und aufgeregt, nun aufgelegter seyn muß, zu ähnlichen Symptomen (durch die homöopathische Arznei) umgestimmt zu werden (- so wie ähnliche eigne Seelen-Leiden das Gemüth gegen ähnliche Leidensgeschichten ungemein empfindlich machen-); es müssen daher auch nur die kleinsten Gaben derselben zur Heilung, das ist, zur Umstimmung des kranken Organismus in die ähnliche Arzneikrankheit, nöthig und nützlich seyn, auch schon deßhalb nicht größer nöthig, weil die geistige Kraft der Arznei hier nicht durch Quantität, sondern durch Potenzialität und Qualität (dynamische Angemessenheit, Homöopathie) ihren Zweck erreicht, – und nicht größer nützlich, sondern schädlich, weil die größere Gabe, während sie auf der einen Seite die dynamische Ueberstimmung der Krankheits-Affection nicht gewisser, als die angemessenste kleinste bewirkt, dagegen aber auf der andern Seite eine vervielfachte Arzneikrankheit an die Stelle setzt, die immer ein Uebel ist, obgleich ein in bestimmter Frist vorübergehendes.
Kräftig wird daher der Organism von der Potenz eines Arzneistoffes selbst in sehr kleiner Gabe ergriffen und eingenommen, welcher das Total der Symptomen der Krankheit durch sein Bestreben, ähnliche Symptome zu erzeugen, aufwiegen und verlöschen kann; er wird, wie gesagt, in demselben Zeitpunkte von der Krankheits-Affection frei, als die Arznei-Affection sich seiner bemächtigt, von welcher umgestimmt zu werden, er ungleich fähiger ist.
Erhalten nun die Arzneipotenzen für sich, auch in größerer Gabe, den gesunden Organism nur einige bestimmte Tage über in Affection, so läßt sich denken, daß eine kleine, und in acuten Uebeln sehr kleine Gabe derselben (wie sie erwiesener Maßen bei homöopathischer Heilung seyn muss) den Körper nur kurze Zeit, bei den kleinsten Gaben aber in acuter Krankheit nur einige Stunden über afficiren könne, da dann die an die Stelle der Krankheit getretene Arznei-Affection unvermerkt und sehr bald in reine Gesundheit übergeht.
Anders, als nach diesen ihren, hier vor Augen liegenden Gesetzen scheint die Natur der lebenden Organismen bei dauerhafter Heilung der Krankheiten durch Arzneien nicht zu wirken, und so wirkt sie in der That, so zu sagen, nach mathematischer Gewißheit. Es gibt keinen Fall dynamischer Krankheit in der Welt (den Todeskampf und, wenn es hierher gehört, das hohe Alter und die Zerstörung eines unentbehrlichen Eingeweides oder Gliedes ausgenommen), deren Symptome unter den positiven Wirkungen einer Arznei in großer Aehnlichkeit angetroffen werden, welche nicht durch diese Arznei schnell und dauerhaft geheilt würde. Der kranke Mensch kann auf keine leichtere, schnellere, sicherere, zuverlässigere und dauerhaftere Weise unter allen denkbaren Curarten 40 , als durch homöopathische Arznei in kleinen Gaben von seiner Krankheit frei werden.
Wiedergegeben im Original aus: Reine Arzneimittellehre, von Samuel Hahnemann. Zweiter Theil. Dritte, vermehrte Auflage. Dresden und Leipzig, in der Arnoldischen Buchhandlung, 1833, S. 1–26.
Zitate von Samuel Hahnemann
Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen. 41
Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll! 42
Hiernach ist die Homöopathik eine ganz einfache, sich stets in ihren Grundsätzen so wie in ihrem Verfahren gleichbleibende Heilkunst. Wie die Lehre auf der sie beruht, erscheint sie, wohl begriffen, in sich völlig abgeschlossen und dadurch allein hülfreich. Gleiche Reinheit in der Lehre wie in der Ausübung, sollten sich von selbst verstehn und jede Rückverirrung in den verderblichen Schlendrian der alten Schule, (deren Gegensatz sie, wie die Nacht der Gegensatz des Tages ist) völlig aufhören, sich mit dem ehrwürdigen Namen Homöopathik zu brüsten. 43
Ist es denn unserm, als so reich an aufgeklärten und denkenden Köpfen gerühmten Zeitalter so ganz unmöglich, dynamische Kraft als etwas Unkörperliches zu denken, da man doch täglich Erscheinungen sieht, die sich nicht auf andere Weise erklären lassen! Wenn du etwas Ekelhaftes ansiehst, und es hebt sich in Dir zum Erbrechen, war da etwa ein materielles Brechmittel in deinen Magen gekommen, was ihn zu dieser antiperistaltischen Bewegung zwang? War es nicht einzig die dynamische Wirkung des ekeln Anblicks auf Deine Einbildungskraft allein? Und, wenn du Deinen Arm aufhebst, geschieht es etwa durch ein materielles, sichtbares Werkzeug? Einen Hebel? Ist es nicht einzig die geistartige, dynamische Kraft Deines Willens, die ihn hebt? 44
Sieht der Arzt deutlich ein, was an Krankheiten, das ist, was an jedem einzelnen Krankheitsfalle insbesondere zu heilen ist (Krankheits-Erkenntniß, Indication), sieht er deutlich ein, was an den Arzneien, das ist, an jeder Arznei insbesondere, das Heilende ist (Kenntniß der Arzneikräfte), und weiß er nach deutlichen Gründen das Heilende der Arzneien dem, was er an dem Kranken unbezweifelt Krankhaftes erkannt hat, so anzupassen, daß Genesung erfolgen muß, anzupassen sowohl in Hinsicht der Angemessenheit der für den Fall nach ihrer Wirkungsart geeignetsten Arznei (Wahl des Heilmittels, Indicat), als auch in Hinsicht der genau erforderlichen Zubereitung und Menge derselben (rechte Gabe) und der gehörigen Wiederholungszeit der Gabe: – kennt er endlich die Hindernisse der Genesung in jedem Falle und weiß sie hinwegzuräumen, damit die Herstellung von Dauer sei: so versteht er zweckmäßig und gründlich zu handeln und ist ein ächter Heilkünstler. 45
Stuart Close (1860–1929) war ein amerikanischer Homöopath. Er wurde am 24. November 1860 in Oakfield, Wisconsin, geboren. Seine englischen Vorfahren emigrierten 1608 in die USA, wo er auf einer Farm zur Welt kam und als das älteste von drei Kindern aufwuchs. Seine Bildung erhielt er – neben dem Landschulbesuch – vor allem durch selbstständiges Lesen und Studieren. Close liebte Bücher.
Seine erste Begegnung mit der Homöopathie hatte Stuart Close bereits im Alter von 7 Jahren, als er an blutigem Durchfall, extremer Unruhe und Tenesmus litt. Da eigene Behandlungsversuche der Familie erfolglos blieben, konsultierte sein Vater einen homöopathischen Arzt, Dr. T. J. Patchen. Dieser setzte Stuarts Leiden mit Aconitum und Merc corr. schnell ein Ende. Von der Zeit an ließ sich die Familie nur noch homöopathisch behandeln.
Bis zu seinem 14. Lebensjahr blieb Stuart Close auf der Farm des Vaters. 1875 zog die Familie nach Kalifornien, wo sie sich nach einem kurzen Aufenthalt in San Francisco in der Kleinstadt Napa City niederließ. Stuart blieb jedoch in San Francisco, wo er sich Geld durch verschiedene Tätigkeiten verdiente und kontinuierlich weiterbildete. Das Stadtleben bereicherte seine Erfahrungen, im Positiven wie Negativen. Nach 6 Monaten hatte er genug, kehrte zu seiner Familie nach Napa zurück und half dort einem Bauern bei der Heuernte. Hier hatte er 1876 ein Schlüsselerlebnis, das zum Wendepunkt in seinem Leben werden sollte. Eines Morgens wurde er plötzlich schwer krank und verlor das Bewusstsein. Dr. J. P. Dinsmore, ein älterer homöopathischer Arzt, diagnostizierte eine Cerebro-Spinal-Meningitis im Anfangsstadium und behandelte Stuart homöopathisch. Er wurde schnell gesund und konnte nach zwei Wochen wieder arbeiten. Tief beeindruckt von der Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung beschloss der junge Mann, Medizin zu studieren und homöopathisch zu praktizieren, sollte sich je dazu die Möglichkeit ergeben. Auch wenn es einige Jahre dauern sollte, verlor er sein Ziel nie aus den Augen.
1879 arbeitete Stuart Close in einem Anwaltsbüro und begann, sich mit den Rechtswissenschaften zu befassen, die ihn allerdings nicht so sehr interessierten wie die Homöopathie. Durch den Vater des Anwaltes, der ein bekannter allopathischer Arzt in San Francisco war, kam er mit anderen Medizinern in Kontakt und beschäftigte sich immer weniger mit der Juristerei. Stuart eröffnete ein eigenes Geschäft und arbeitete für den führenden Arzt und Chirurgen der Stadt, wodurch er in direkten Kontakt mit Patienten kam. Immer mehr zog es ihn zur Medizin. Sein Freund, Dr. Dinsmore, der ihn einst geheilt und stets dazu ermutigt hatte, diesen Weg einzuschlagen, wurde, nachdem er Stuarts Mutter geheiratet hatte, sein Lehrer und Unterstützer. Er gab seinem Stiefsohn Hahnemanns Organon zu lesen, was Stuart faszinierte und inspirierte. Dinsmore diskutierte mit seinem Schüler die Paragrafen, und als Stuart das Buch durchgearbeitet hatte, war dieser völlig vom Geist der Homöopathie durchdrungen. Er begleitete seinen Stiefvater bei Patientenbesuchen und konnte so erste Praxiserfahrungen sammeln. Er las Gray’s Anatomy und erwarb sich Kenntnisse der homöopathischen Arzneimittellehre. Mit Erhalt eines Stipendiums entschied Stuart sich, sein Geschäft zu verkaufen und an der University of the Pacific, San Francisco, Medizin zu studieren. Während des Studiums las er weiterhin Bücher zum Thema Homöopathie und pflegte Freundschaften zu anderen Homöopathen. Er las, wann immer er Zeit dazu hatte. Die Autoren der homöopathischen Werke betrachtete er, wie auch seinen Lehrmeister Dr. Dinsmore, als seine »Vorbilder, Philosophen und Freunde« 46 .