Klein Stuart - E.B. White - E-Book

Klein Stuart E-Book

E.B. White

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Beschreibung

Er ist clever und einfach unvergeßlich. Dabei ist er nur zehn Zentimeter groß. Klein Stuart ­ eine Maus mit Charakter. Klein wie er ist, hilft er der Familie Little bei häuslichen Problemen wie einem verstopften Abflußrohr. Tapfer übersteht er seine Begegnungen mit dem Hauskater Schneeball und kann sich auf ungewöhnliche Weise in einer Segelregatta behaupten. Als er dann eines Tages einen Ausflug macht, geschehen ungeheuerliche Dinge... "

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E.B. White

Klein Stuart

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Familie

Aus dem Amerikanischen von Ute Haffmans

Mit Zeichnungen von Garth Williams

Diogenes

1Im Abflussrohr

Als Mrs. Frederick C. Littles zweiter Sohn geboren war, sah jedermann, dass er nicht viel größer war als eine Maus. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, glich das Baby auch sonst in jeder Weise einer Maus. Es war ungefähr zwei Zoll groß, hatte eine spitze Nase, einen langen Schwanz, einen Schnurrbart und das scheue, gefällige Wesen einer Maus. Und schon wenige Tage nach seiner Geburt zeigte es sich, dass der Junge nicht nur wie eine Maus aussah, sondern sich auch ganz nach Mäuseart benahm. Er trug einen grauen Hut und einen kleinen Spazierstock. Mr. und Mrs. Little nannten ihn Klein Stuart, und Mr. Little bastelte aus vier Wäscheklammern und einer Zigarettenschachtel ein winziges Bettchen für ihn.

Anders als andere Babys konnte Klein Stuart sofort nach der Geburt laufen. Im Alter von einer Woche war er schon imstande, an der Lampenschnur hoch auf Lampen zu klettern. Mrs. Little musste feststellen, dass alle Babysachen, die sie vorbereitet hatte, für Klein Stuart nicht passten, und so schneiderte sie für ihn einen hübschen, blauen Wollanzug mit aufgesetzten Taschen für Taschentuch, Geld und Schlüssel. Jeden Morgen vor dem Anziehen ging Mrs. Little in sein Zimmer und wog ihn auf einer Briefwaage. Bei seiner Geburt wog Klein Stuart nicht mehr als ein einfacher Brief, aber seine Eltern dachten nicht daran, ihn wegzuschicken. Aber als er nach einem Monat nur wenige Gramm zugenommen hatte, machte sich seine Mutter solche Sorgen, dass sie einen Arzt kommen ließ.

Der Arzt war von Klein Stuart ganz entzückt und stellte fest, dass es für eine amerikanische Familie doch recht außergewöhnlich war, eine Maus als Kind zu haben. Er maß Klein Stuarts Körpertemperatur, und es stellte sich heraus, dass er genau dieselbe Temperatur hatte wie andere Mäuse auch. Dann untersuchte er noch seine Lunge und sein Herz und schaute ihm mit einer Taschenlampe ganz ernsthaft in die Ohren. (Nicht jeder Doktor bringt es fertig, einer Maus in die Ohren zu sehen, ohne dabei zu lachen!) Aber alles schien in bester Ordnung, und Mrs. Little war über das gute Ergebnis der Untersuchung entzückt. »Füttern Sie ihn nur gut«, empfahl der Doktor fröhlich beim Weggehen.

Die Wohnung der Familie Little lag in der Nähe eines großen Parks in New York City. Die Morgensonne schien durch die Fenster auf der Ostseite, und alle Mitglieder der Familie standen gewöhnlich früh auf. Klein Stuart war für seine Eltern und seinen älteren Bruder Georg eine große Hilfe, denn wegen seiner Größe konnte er Dinge tun, die eben nur eine Maus tun kann, und er tat sie mit großer Begeisterung. Und als Mrs. Little eines Tages, nachdem ihr Mann ein Bad genommen hatte, die Badewanne putzte, glitt ihr ein Ring vom Finger, und sie sah voller Entsetzen, dass er ins Abflussrohr rollte.

»Um Gottes willen, wie soll ich den denn da wieder rauskriegen?«, rief sie, den Tränen nahe.

»Ich an deiner Stelle«, schlug Georg vor, »würde eine Haarnadel zu einem Angelhaken umbiegen, sie an eine Schnur binden und versuchen, den Ring damit herauszuangeln.« Mrs. Little suchte also ein Stück Schnur und eine Haarnadel und versuchte ungefähr eine halbe Stunde lang, den Ring damit herauszufischen. Aber es war völlig finster im Abflussrohr, und der Haken blieb immer irgendwo hängen, bevor er überhaupt an die Stelle kam, wo der Ring lag.

»Na, klappt’s?«, erkundigte sich Mr. Little, als er ins Badezimmer kam.

»Nein, überhaupt nicht«, antwortete Mrs. Little. »Der Ring ist so tief unten, dass ich ihn nicht erreiche.«

»Vielleicht könnte ihn ja Klein Stuart herausholen?«, schlug Mr. Little vor. »Na, wie wär’s denn, Klein Stuart, hättest du nicht Lust, es zu versuchen?«

»Oh, ja, gerne«, antwortete Klein Stuart. »Aber ich ziehe mir wohl lieber vorher eine alte Hose an, denn da unten ist es sicher ziemlich nass.«

»Das ist es ganz bestimmt«, bemerkte Georg ein wenig verärgert darüber, dass seine Idee mit dem Angelhaken nicht funktioniert hatte. Klein Stuart zog sich also eine alte Hose an und machte sich fertig, in das Abflussrohr zu klettern, um den Ring herauszuholen. Sicherheitshalber nahm er die Schnur mit. Das eine Ende behielt sein Vater in der Hand. »Sobald ich dreimal an der Schnur ziehe, zieh mich herauf«, sagte er. Und während sein Vater in der Badewanne kniete, glitt Klein Stuart leichtfüßig hinunter in das Abflussrohr und war bald nicht mehr zu sehen. Nach etwa einer Minute wurde dreimal heftig an der Schnur gezogen. Mr. Little zog sie vorsichtig heraus, und an ihrem Ende hing Klein Stuart mit dem Ring um den Hals. »Oh, mein tapferer kleiner Junge«, sagte Mrs. Little stolz und küsste ihn dankbar.

»Wie sah es denn dort unten aus?«, erkundigte sich Mr. Little, der immer gerne Neues über ihm noch unbekannte Orte erfahren wollte.

»Gar nicht so schlecht«, antwortete Klein Stuart.

In Wirklichkeit war er im Abflussrohr jedoch ganz schön dreckig geworden, und er musste gleich ein Bad nehmen und sich ein wenig mit Mutters Parfüm einsprühen, bevor er sich wieder ganz wohl fühlte. Aber die ganze Familie war sich einig, dass er seinen Auftrag zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt hatte.

2Häusliche Probleme

Auch beim Tischtennis wurde Klein Stuart bald unentbehrlich. Die Familie Little liebte dieses Spiel sehr, aber die Bälle rollten dauernd unter Stühle, Sofas und Heizkörper, und irgendein Spieler kroch immer auf dem Boden herum, um die Bälle zu suchen. Bald übernahm Klein Stuart das Bällesuchen, und es sah richtig eindrucksvoll aus, wenn er unter dem heißen Heizkörper hervorkam und im Schweiße seines Angesichts einen Pingpongball vor sich her rollte. Der Ball war nämlich fast so groß wie Klein Stuart selbst, und er musste sich mit seinem ganzen Gewicht dagegenstemmen, um ihn zu rollen.

Im Wohnzimmer der Familie Little stand ein großes Klavier, das aber den einen Fehler hatte, dass ein Hammer immer irgendwo hängen blieb, weshalb man nicht richtig darauf spielen konnte. Mrs. Little gab dem feuchten Wetter die Schuld, aber das war bestimmt nicht die Ursache, denn der Hammer blieb schon seit vier Jahren hängen, und in dieser Zeit war das Wetter oft sehr schön und trocken gewesen. Wie dem auch sei, die Taste blieb hängen und ärgerte jeden, der Klavier spielen wollte. Ganz besonders ärgerte sich Georg, wenn die Taste mitten in einem forschen Flohwalzer hängen blieb. So war er es auch, der die Idee hatte, Klein Stuart ins Klavier zu setzen, damit er im rechten Augenblick das Hämmerchen anschlug. Das war nun gar keine leichte Arbeit für Klein Stuart, da er sehr auf der Hut sein musste, damit ihm kein Hämmerchen auf den Kopf schlug. Aber Klein Stuart liebte auch diese Aufgabe, denn es war ganz aufregend, bei dem schrecklichen Lärm im Klavier hin und her zu laufen. Nach einem längeren Aufenthalt kam er manchmal völlig taub heraus, wie nach einer langen Reise in einem Flugzeug, und es dauerte oft eine ganze Weile, bis er wieder richtig hören konnte.

Mr. und Mrs. Little sprachen häufig über Klein Stuart, wenn er nicht dabei war, denn sie hatten sich noch immer nicht ganz von dem Schock erholt, eine Maus in der Familie zu haben. Er war ja so winzig und brachte für die Familie doch eine ganze Menge Probleme. Mr. Little hielt es für richtig, in der Familie das Thema ›Mäuse‹ zu vermeiden, und Mrs. Little musste sogar alle Lieder, in denen von Mäusen die Rede war, aus dem Kinderliederbuch herausreißen.

»Ich möchte nicht, dass Klein Stuart irgendwelche Komplexe kriegt«, sagte Mr. Little. »Ich könnte es wirklich nicht ertragen, wenn mein Sohn in der Furcht aufwachsen würde, dass ihm eine Bauersfrau eines Tages mit einem scharfen Messer den Schwanz abschneidet. Von solchen Dingen bekommen Kinder häufig Alpträume.«

»In der Tat«, fuhr Mrs. Little fort, »und ich glaube, wir sollten uns auch über das Weihnachtslied Es war in der Heiligen Nacht, und alles war ruhig im Haus, nichts regte sich, nicht einmal eine Maus Gedanken machen. Klein Stuart wäre sicher ziemlich verwirrt, das Wort Maus in so einem verniedlichenden Zusammenhang zu hören.«

»Wie recht du wieder hast«, sagte ihr Mann. »Aber irgendetwas müssen wir ja singen, wenn wir zu dieser Zeile kommen. Wir können ja nicht einfach singen Es war in der Heiligen Nacht, nichts regte sich. Da merkt ja jeder gleich, dass da irgendetwas fehlt. Wir müssen schon irgendein anderes Wort finden, das sich auf Haus reimt.«

»Wie wär’s denn mit Laus?«, meinte Mrs. Little.

»Oder vielleicht Kauz«, schlug Georg vor, der der Unterhaltung von der anderen Seite des Zimmers gefolgt war.

Aber da sich das nicht so recht reimte, beschloss man, dass Laus doch das richtige Wort war, und kurz vor Weihnachten radierte Mrs. Little sorgfältig das Wort Maus aus dem Liederbuch und ersetzte es durch das Wort Laus, und so dachte Klein Stuart sein Leben lang, das Lied hieße so:

Es war in der Heiligen Nacht, und alles war ruhig im Haus,

und nichts regte sich, nicht einmal eine Laus.

Die größte Sorge aber bereitete Mr. Little das Mauseloch in der Speisekammer. Es stammte noch aus der Zeit, in der die Familie Little noch nicht in dem Haus wohnte, und niemand hatte bisher daran gedacht, es zuzustopfen. Mr. Little war überhaupt nicht sicher, ob er Klein Stuarts Gefühle einem Mauseloch gegenüber richtig einschätzen konnte. Auch hatte er keine Ahnung, wo das Loch hinführte, aber der Gedanke, Klein Stuart könne eines Tages in Versuchung kommen, dort hineinzukriechen, quälte ihn sehr.

»Er gleicht ja wirklich in vielem einer Maus«, sagte Mr. Little zu seiner Frau. »Und ich habe noch keine Maus gesehen, die nicht gerne in ein Loch geschlüpft wäre.«

3Morgentoilette

Klein Stuart war Frühaufsteher, er stand meistens als Erster von der Familie auf. Er liebte es, morgens der Erste zu sein, er genoss die ruhigen Zimmer mit den still auf ihren Regalen stehenden Büchern, während das erste blasse Tageslicht und der frische Duft des jungen Tages durch die Fenster kamen. Im Winter war es oft noch stockfinster, wenn er aus seinem Zigarettenschachtelbett stieg, in seinem Nachthemd dastand und seine Morgengymnastik machte. (Klein Stuart machte jeden Morgen zehn Rumpfbeugen, um in Form zu bleiben. Er hatte das bei seinem Bruder Georg gesehen, der ihm erklärt hatte, dass diese Übung besonders die Bauchmuskulatur stärke.)

Nach der Gymnastik schlüpfte Klein Stuart in seinen hübschen wollenen Bademantel, band den Gürtel fest um seinen Bauch und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Völlig unhörbar glitt er durch die lange, dunkle Diele am Schlafzimmer seiner Eltern, der Besenkammer, Georgs Zimmer und am Treppenabsatz entlang, bis er zum Badezimmer kam.

Natürlich war es dort noch dunkel, aber Klein Stuarts Vater hatte vorsorglich eine lange Schnur an den Lichtschalter gebunden, die bis zum Boden reichte. Wenn Klein Stuart sich mit seinem ganzen Körpergewicht dranhängte, gelang es ihm so gerade, das Licht anzumachen. Wenn er dort so mit seinem Bademantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte, an der Schnur hing, sah er aus wie ein kleiner Kirchendiener, der die Glocken läutet.