Kleine Kassa - Martin Lechner - E-Book

Kleine Kassa E-Book

Martin Lechner

4,8

Beschreibung

Georg rennt - um sein Glück, seinen Verstand und sein Leben. Der Schlaueste ist Lehrling Georg Röhrs nicht. Doch er hat einen Traum: Liftboy in einem Hotel am Meer will er werden, mit seiner verschwundenen Jugendliebe Marlies den Nachtzug nehmen und aus der heimatlichen Enge fliehen. Als Georg über eine Leiche stolpert und unbeabsichtigt den Schwarzgeldkoffer seines Meisters entwendet, überstürzen sich die Ereignisse: An einem einzigen Wochenende verliert er Wohnung, Arbeit, Eltern, Freunde, Geld, Liebe und vielleicht ein Stückchen seines Verstandes - und doch steht am Ende dieser halsbrecherischen Jagd eine neue, ungeahnte Freiheit… Martin Lechner ist ein turbulentes, atemloses Romandebüt gelungen, das Provinzkomödie mit literarischer Virtuosität verbindet.

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Seitenzahl: 359

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Martin Lechner

Kleine Kassa

Roman

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

www.residenzverlag.at

© 2014 Residenz Verlagim Niederösterreichischen PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbHSt. Pölten – Salzburg – Wien

Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.Keine unerlaubte Vervielfältigung!

ISBN ePub:978-3-7017-4454-1

ISBN Printausgabe:978-3-7017-1622-7

Inhalt

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

I.

Auch wenn es falsch war, falsch, nichts als falsch, rannte er mit dem Koffer die Böschung hinab. Schon versank er in der Wiese. Er müsste sich bloß fallen lassen und kein Mensch mehr, weder von der Straße aus, noch vom Wald, der dort hinten aufragte, grün und schwarz, könnte ihn sehen. Still war es jetzt. Bis auf seine Schritte in den flüsternden Gräsern. Still und warm. Er öffnete das Jackett, prüfte das Hemd. Als würde er bluten, so dunkel waren die Flecken in den Achseln. Er fummelte die drei obersten Knöpfe auf, pustete sich auf die Brust, bis ihm schwindelig wurde. Am liebsten hätte er sich den klebrigen Lappen von der Haut gerissen. Er sah auf die Uhr. Nur dreißig Minuten noch? Er begann zu laufen, stieß die Knie durch die verbüschelten Gräser. Den Koffer zog er hinter sich her über trocken knisternde Wellen. Nach fünfzig Schritten blieb er stehen, beugte sich keuchend vornüber.

Als der Atem sich beruhigt hatte, leckte er sich über die Hand und strich den verwüsteten Scheitel wieder glatt. Wo sollte er hin? Er sah zurück. Hinter der Böschung ragte das Schild empor, die Bushaltestelle, auch das Plakat war noch zu sehen, die Werbung mit dem Mädchen und den vor lauter Sonne fast vollends verblichenen Hotels. Aber wo war die Straße? Er reckte sich, doch die Böschung versperrte den Blick. Kurz entschlossen stellte er den Koffer auf den Boden, die niedergezwungenen Gräser ragten in alle Himmelsrichtungen unter ihm hervor. Er setzte einen Fuß neben den Griff, stemmte sich behutsam in die Höhe, setzte den anderen daneben, und da erblickte er noch einmal den Asphalt, die Strecke nach Niedergellersen und zurück nach Linderstedt. Dunkel abgehoben gegen die Felder durchlief sie in Kurven das Land. Trotz der milchigen Wolken stach ihm das Licht in die Augen. Er spürte die Sicherheitsschlösser, die durch die Schuhsohlen drückten.

Plötzlich, kaum einen Kilometer entfernt, sah er einen Wagen. Totenstill kam er herangeschossen. Ein hellblauer Kleinbus, von dessen erhöhtem Sitz man einen besonders guten, besonders weiten Blick haben musste. Er packte den Koffer und rannte. Gräser, Halme, Blumen, rot und blau und gelb, wischten ihm durchs Gesicht. Weit nach vorn gebeugt, sodass nur sein Rücken noch zu sehen war und er mit Glück als Tier durchgehen würde, jagte er in Richtung Wald. Der Atem stampfte im Hals. Blitzartig sah er auf. Vielleicht hundert Meter noch, dann hätte der Wald ihn verschluckt. Doch als die Motorengeräusche, die zunächst nur schnurrend eingedrungen waren in das Geraschel seiner Flucht, anschwollen zu einem prasselnden Lärm, da warf er sich auf die Erde, lag flach, lag still, presste seine Lider zu. Bis wieder nur das Gras zu hören war, die Wiese mit all ihren wispernden, zirpenden Wiesengeräuschen, und sein Herz, das gegen den Koffer klopfte.

Beim Aufstehen zwang er sich, ja keinen Blick auf die Kleidung zu werfen, eventuelle Flecken, schmierige Erdbrocken, zerquetschte Schnecken, alles kalt zu ignorieren und weiterzulaufen, einfach weiter, den Blick stur auf den Wald geheftet, dessen Stämme, aus der Ferne zu einer Wand verschmolzen, nun langsam auseinanderrückten und seinen Blick hineinließen in einen riesenhaften, von staubigen Lichtbahnen schräg durchfahrenen Raum.

Noch einmal sah er zurück, betete, dass ein Wind die Spur der niedergetrampelten Gräser bald verwischt haben würde, dann betrat er den Wald. Kühl strömte die Luft über seinen nassgeschwitzten Oberkörper. Um sich zu wärmen, raffte er das Jackett zusammen und stiefelte weiter, so schnell er nur konnte. Da allerdings kaum abzuschätzen war, was unter den Blättern alles auf der Lauer lag, Scherben oder Äste oder Igel womöglich, versuchte er, möglichst achtsam aufzutreten. Hatte man sich nämlich den ersten Kratzer zugezogen, konnte man die schönsten Lederschuhe, einerlei, was für wild gewordene Summen man einmal dafür hingeblättert hatte, gleich aus dem Fenster werfen. Wie durch ein Wunder hatten sie den Galopp durch die Wiese unbeschadet überstanden. Doch trotz aller Achtsamkeit, mit der er seine Schritte setzte, war es nicht zu verhindern, dass er immer wieder jählings knöcheltief im Laub versank. Als er das dritte Mal stehen geblieben war, um sich die muffigen Lappen vom Schuh zu zupfen, bemerkte er, dass, bis auf sein eigenes Geraschel, nichts zu hören war. Dabei hatte er in der Wiese noch gehofft, dass seine Schritte hier zur Gänze untergehen würden in einer Art Brandungsrauschen, das durch die Wipfel rollt, im blätterwirbelnden Gehusche der Rehe, im Spechtsgeratter und so weiter und so fort, doch sobald er sich nicht mehr bewegte, wurde es still.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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