Klimakrise und Gesundheit -  - E-Book

Klimakrise und Gesundheit E-Book

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Beschreibung

Die Klimakrise läuft allen Verleugnungen und aller Ignoranz zum Trotz auf eine ökologische, ökonomische und soziale Katastrophe zu. Bestandsaufnahmen aus Klimaforschung, Geografie, Psychologie, Psychoanalyse und Medizin stellen die Frage, welche Folgen dies für die Gesundheit der Menschen schon hat und zunehmend haben wird. Besonderes Interesse gilt dabei den wachsenden Ängsten, ihren Ursachen und ihren Konsequenzen für Einzelne, für das gesellschaftliche Zusammenleben und für die Generationenverhältnisse. Die Beiträge machen deutlich: Auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Klimakrise auf Leib und Seele und ihre Bewältigung wird sich erweisen, ob die Menschheit ausreichend Intelligenz und Entschlusskraft aufbringen kann, um ihren Fortbestand zu sichern.

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Martin Scherer / Josef Berghold / Helmwart Hierdeis (Hg.)

Klimakriseund Gesundheit

Zu den Risiken einer menschengemachten Dynamik für Leib und Seele

Mit einem Geleitwort von Martin Herrmann

Mit 2 Abbildungen und 2 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2022 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe

(Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)

Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Franziska Scherer, Seenot Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-647-99456-7

Inhalt

Geleitwort von Martin Herrmann

Vorwort der Herausgeber

Irena Kaspar-Ott und Elke Hertig

Der Klimawandel: Wo wir stehen und was uns erwartet

Alina Herrmann

Menschliche Gesundheit in der Klimakrise: Betroffenheit, Verantwortung und Chancen

Michael Schonnebeck

Prätraumatisch, postapokalyptisch: Evolutionspsychologische Dynamik der Klima-Großkrise

Fabian Chmielewski

Endspiel – Die Klimakrise als existenzielle Grenzsituation

Delaram Habibi-Kohlen

Klimakrise und die Angst vor der Natur, die wir nicht sind

Christoph Nikendei

Warum das OffenSICHTliche unSICHTbar bleibt. Ein Modell zur konflikt- und strukturdynamischen Betrachtung einer globalen Katastrophe

Hans-Geert Metzger

Jeder für sich? Generationale Konflikte am Beispiel der Klimakrise und der Pandemie Covid-19

Felix Peter und Dagmar Petermann

Kinder und Jugendliche als Risikogruppe in der Klimakrise. Umwelt- und Klimaveränderungen in der Interaktion mit sensiblen Entwicklungsphasen

Volker Harbeck

Emotionale Reaktionen junger Menschen auf die drohende Klimakatastrophe. Erfahrungen mit einem Vertrauenskreis

Josef Berghold

Die Klimakrise im Irrgarten unserer »perversen Kultur«

Die Herausgeber, Autorinnen und Autoren

Geleitwort

»Humanity is waging war on nature. This is senseless and suicidal. The consequences of our recklessness are already apparent in human suffering, towering economic losses and the accelerating erosion of life on earth.«António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen(Februar 20211)

21. Juli 2021. Ich schreibe dieses Geleitwort unter dem Eindruck der Bilder und Schilderungen der Starkwetterextremereignisse in Deutschland und Europa, der Extremhitzewellen im Westen Nordamerikas und des Tornados in Tschechien vor wenigen Wochen, der Überflutungen in China, wo Menschen in U-Bahnen ertranken. Das sind Ereignisse, die unser Ziel, die Klimakrise als größte Bedrohung für Gesundheit in unserem Jahrhundert und als akuten medizinischen planetaren Notstand ins Bewusstsein zu rücken, endgültig zur Allgemeinerfahrung gemacht haben. Umso unverständlicher das späte Erwachen unseres Gesundheitssektors. Bis auf wenige Nischen hat er bis 2019 tief geschlafen, und auch Klimawissenschaft, Klimapolitik und Klimabewegung haben die Auswirkungen auf die Gesundheit weitgehend vernachlässigt. Das ändert sich gerade, auch dank zahlreicher aktueller Veröffentlichungen zum Thema.

Sie machen deutlich, dass die Klimakrise nur eine Facette einer viel umfassenderen Krise ist, der Überschreitung planetarer Grenzen. Diese Multi-Ökosystemkrise ist Ergebnis unserer Wirtschafts- und Lebensweise und erfordert eine schnelle und umfassende »große Transformation«. Neben der Verringerung von Risiken kann ein rasches Umsteuern auf allen Ebenen gerade für die Gesundheit schnelle Verbesserungen bringen. Denn jenseits aller ökologischen Fragestellungen ist unser Lebensstil wesentlich an der Entstehung fast aller nicht übertragbaren Krankheiten (Non-Communicable-Diseases, NCDs) beteiligt. Zugespitzt formuliert: Unser Essen (zu viel und das Falsche), der Mangel an Bewegung und die zunehmende Beschleunigung bringen uns um.

Daher ist es wichtig, dass wir bei der Fokussierung auf transformatives Handeln nicht allein die planetare Gesundheitskrise im Blick haben, sondern alle anderen großen Transformationsthemen für den Gesundheitssektor: übertragbare und nicht übertragbare Erkrankungen, Pflegenotstand, demografische Entwicklung, Digitalisierung, Luft- und Wasserverschmutzung, Raubbau an Waldflächen, Versiegelung von Böden. Wir müssen den Mut zu großen Visionen haben. Nur wenn wir die Komplexität der großen Aufgaben anerkennen, können wir Transformationspfade und Projekte auf den verschiedenen Ebenen entwickeln und umsetzen. Dafür braucht es ein Miteinander von bottom-up und top-down, von lokalen, regionalen, nationalen wie auch globalen Pfaden und Projekten. Häufig gibt es bereits technische Lösungen, doch fraglich ist, ob wir die soziale Dimension der Transformation genügend ernst nehmen.

Genau hier setzt dieses Buch an. Die Beiträge setzen sich mit den vielfältigen sozialen, philosophischen, psychologischen und psychoanalytischen Fragen auseinander, die mit der Klimakrise und ihren Gesundheitsfolgen zusammenhängen. In jedem einzelnen Beitrag wie auch im Zusammenspiel zeigen sich ihre Vielschichtigkeit und die Einzigartigkeit der Bedrohung, die wir vor uns haben. Das Buch lädt zum Nach- und Weiterdenken ein und macht deutlich, wie die Überbetonung der technischen Herausforderungen und der naturwissenschaftlichen Vermessung der Problemlage zu kurz greifen. Wir sind alle gefragt, unser Welt- und Selbstverständnis, unsere Werte und unsere Handlungsprioritäten in der heutigen Zuspitzung zu erneuern. In dieser Zusammenstellung leistet das Buch für den gerade beginnenden Diskurs im deutschen Sprachraum einen wichtigen Beitrag.

Dr. med. Martin Herrmann

Mitgründer und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG).

1https://wedocs.unep.org/xmlui/bitstream/handle/20.500.11822/34948/MPN.pdf.

Vorwort der Herausgeber

»We have now choice but to join the voices of those who are calling for urgent action and declarea climate and ecological emergency to avert a healthand mental health catastrophe.« Adrian James (RCPsych Online News, 2021)

Wir Herausgeber sind mit unserer Beteiligung an der wissenschaftlichen Debatte zum Thema »Klimakrise und Gesundheit« einerseits Partei, andererseits intendieren wir Aufklärung durch Wissenschaft. Partei sind wir insofern, als wir uns mit der Wahl des Begriffs »Klimakrise« auf die Seite derer in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit stellen, für die der von Menschen gemachte zerstörerische Anteil an der Dynamik der Klimaentwicklung nicht mehr bestritten werden kann. Die Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen den Emissionen von Treibhausgasen durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern und der Erderwärmung – zum ersten Mal in den 1950er und 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA veröffentlicht (vgl. Schellnhuber, 2015, S. 69 ff.; Rich, 2019, S. 22 f.) – sind inzwischen so oft bestätigt und präzisiert worden, dass ein vernünftiger Zweifel nicht mehr möglich ist. Die Hinweise auf den Forschungsstand in diesem Band erheben nicht den Anspruch, sensationell Neues zu bieten. Aber sie präsentieren das aktuelle klimatologische Wissen, dessen Kenntnis notwendig ist, wenn man die zunehmende Sorge um das leibliche und seelische Wohl der von der Klimakrise im Augenblick und in naher Zukunft betroffenen Menschen verstehen, ihre Selbstreflexion anregen und zu ihrer Selbstsorge beitragen will.

Das ist die eine Seite der Aufklärung durch Wissenschaft. Die andere bezieht sich auf die Aufklärung über die Folgen der Klimakrise für die Gesundheit. Die Medizin hat die Dringlichkeit des Themas erst mit einiger Verzögerung erkannt: Im englischsprachigen Raum erscheinen Mitte der 1990er Jahre die ersten medizinischen Publikationen, in Europa und speziell in Deutschland erst nach der Jahrtausendwende, als sich hierzulande Extremwetterereignisse häuften und in ihrem Gefolge Allergien, Herz-Kreislauf-Insuffizienzen, Infektionskrankheiten, Hautkrebs und Atemwegserkrankungen auftraten. Leidtragende waren besonders Kleinkinder und alte Menschen (vgl. Berger, Lindemann u. Böl, 2019).

In die Psychotherapie sickerte das Bewusstsein von den Auswirkungen klimatischer Veränderungen noch später ein. Das hatte einerseits mit ihrer schon früher beklagten fehlenden Witterung für gesellschaftliche Entwicklungen zu tun (vgl. Bickel, 2008, S. 59 ff.), andererseits spiegeln sich in dieser Verspätung auch die erst nach und nach einsetzenden Zukunftsängste der Menschen, oft verbunden mit der beunruhigenden oder gar verstörenden Frage nach der eigenen Verantwortung für die bedrohlichen Entwicklungen. Dass in naher Zukunft ein hoher Therapiebedarf droht, macht eine aktuelle Untersuchung des »Royal College of Psychiatrists« deutlich, derzufolge 60 Prozent der Befragten angaben, dass die klimatische und ökologische Notlage ihre psychische Gesundheit beeinträchtige und sie für die nächste Zeit keine Änderung erwarteten (RCPsych Online News, 2021).

Beispiele aus Medizin, Psychotherapie, Pflege und Physiotherapie

Dass sich das Thema seit einigen Jahren in den wichtigsten Sektoren des deutschen Gesundheitswesens nach vorne schiebt, lässt sich an folgenden Beispielen ablesen, die teils auf eigenen Recherchen, teils auf persönlichen Informationen beruhen:

Medizin

–Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht seit 2010 »Sachstandsberichte« zum Thema »Klimawandel und Gesundheit«. Sie verstehen sich als »Bestandsaufnahme(n) der bereits sichtbaren und für die Zukunft absehbaren gesundheitlichen Auswirkungen des globalen Klimawandels« (RKI) und bieten jeweils Übersichten über die internationale Literatur zur Klima/Gesundheitsforschung, seit 2020 zusätzlich einen »Wegweiser zu Klimavorsorgediensten von Bund und Ländern« (RKI, 2010; 2020).

–2017 etablierte sich die »Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit« (KLUG) als »Netzwerk von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem Gesundheitsbereich, das auf die Folgen der globalen Erwärmung für die Gesundheit aufmerksam machen und politische und gesellschaftliche Änderungen im Sinne einer raschen Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft anstoßen will«. KLUG ist seit 2019 eingetragener Verein (Deutsche Allianz für Klima und Gesundheit, 2019).

–In der »Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin« (DEGAM) wurde 2019 eine AG Klimawandel und Gesundheit gegründet, die es als ihre Aufgabe ansieht, den klimabezogenen Wissensstand ihrer Berufsgruppe zu verbessern, den Gesundheitsschutz für besonders gefährdete Personengruppen zu intensivieren, Präventionsberatung zu leisten, die dezentralen Versorgungsstrukturen zu stärken und über ihre Mitglieder Politik und gesellschaftliches Bewusstsein zu sensibilisieren (DEGAM, 2019).

–Die »Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin« stellte im April 2021 ihren 127. Jahreskongress unter die Devise »Umwelt- und Klimaschutz ist Gesundheitsschutz« und betonte in ihrer Einladung, der »Klimawandel« sei »ein medizinischer Notfall« (Bach, 2021).

–Die »AG Klimawandel« der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Technischen Universität München »erarbeitet Lösungen, um Patientenversorgung ohne Einbußen der Versorgungsqualität so nachhaltig und ressourcenschonend wie möglich zu gestalten. […] Weitere Ziele sind, auch außerhalb der eigenen Klinik geeignete Schritte auf dem Weg zu einem klimaneutralen Krankenhaus zu identifizieren« (TU München, 2021).

–An den Universitätskliniken Heidelberg, Augsburg und Berlin (Charité) wurden seit 2019 Professuren für »Klimawandel und Gesundheit« eingerichtet, die letztere in Verbindung mit dem Potsdamer Institut für Klimafolgenabschätzung (PIK).

–Im Zuge ihrer Nachhaltigkeitsbestrebungen hat die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf im Oktober 2020 eine Stabsstelle »Nachhaltigkeit und Klimamanagement« etabliert, mit dem Anspruch, im Bereich der Nachhaltigkeit Vorreiter im Gesundheitswesen zu sein. Über die Einrichtung werden sämtliche Aktivitäten der Klinik zum Klimaschutz, zur Ökologie, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit koordiniert (UKE, 2021).

–Am deutschlandweiten Projekt »KLIK green« (Projekt zur Qualifikation von Klimamanagern), das vom Bundesumweltministerium gefördert wird, nehmen aktuell 235 Krankenhäuser und Reha-Kliniken teil. Rund 20 weitere Einrichtungen befinden sich im Anmeldeverfahren (KLIK, 2021).

–Das »Bundesgesundheitsblatt« veröffentlicht seit Mai 2019 fortlaufend Forschungsarbeiten zum Thema »Gesundheitliche Herausforderungen des Klimawandels« und bietet Informationen zur gesundheitlichen Bewältigung von aktuellen Extremwetterlagen (Bundesgesundheitsblatt, 2019).

–2021 erschien der »Versorgungsreport Klima und Gesundheit« mit einer ausführlichen Darstellung der »Gesundheitliche(n) Auswirkungen des Klimawandels« im Hinblick auf die medizinische Versorgung in Deutschland (Günster, Klauber, Robra, Schmuker u. Schneider, 2021).

Psychotherapie

–In »Psychoanalyse Aktuell«, der Onlinezeitung der deutschen psychoanalytischen Vereinigungen (DPV), erscheint am 5. Oktober 2013 unter dem Titel »›Klimawandel‹ und warum man sich als Psychoanalytiker damit beschäftigen kann« ein Beitrag von Delaram Habibi-Kohlen, in dem sie sich u. a. auf das im gleichen Jahr von Sally Weintrobe herausgegebene Buch »Engaging with climate change: Psychoanalytical and interdisciplinary perspectives« (Weintrobe, 2013) bezieht (siehe auch den Beitrag von Habibi-Kohlen in diesem Band).

–Die 35 im sogenannten Gesprächskreis II vereinigten Psychotherapeutenverbände rufen am 12. November 2019 in einer Resolution »zu Klimaschutz und nachhaltigem Handeln auf«: »Der Klimawandel und seine Folgen stellt uns alle vor große Herausforderungen – natürlich auch uns Psychotherapeut*innen, denn Psychotherapie hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Für uns Psychotherapeut*innen als Berufsgruppe gilt es, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Die Zukunft und das Wohlergehen unserer und künftiger Generationen sind bedroht, und diese Bedrohung ist ohne politisches Handeln nicht zu überwinden. Die politisch Verantwortlichen sind aufgefordert, die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit größter Priorität zu behandeln.

Die Verbände des Gesprächskreises II begrüßen die Initiativen von ›Psychologists/Psychotherapists for Future‹ (Psy4F), die Diskussion angestoßen zu haben. Wir setzen uns für einen umgehenden und konsequenten Klimaschutz ein und dafür, die psychotherapeutischen Herausforderungen der Klimakrise in den Blick zu nehmen. Als Psychotherapeut*innen ist es unsere Aufgabe, die Gesundheit der Menschen zu erhalten und ihnen dabei zu helfen, mit Belastungen zurechtzukommen. Gleichzeitig sehen wir auch uns in der Pflicht, unser eigenes Handeln kritisch auf Nachhaltigkeit zu prüfen« (Psychotherapieverbände, 2019). Die Resolution wurde am 9. Juli 2021 durch Vorschläge dahingehend ergänzt, was die Verbände im Hinblick auf ökologisch orientierte Selbstreflexion, Öffentlichkeitsarbeit und eine angemessene Gestaltung der »Rahmenbedingungen der Berufsausübung« leisten können (Psychotherapieverbände, 2021).

Im November 2019 gründete der Gesprächskreis II ein Klimaforum, das zweimonatig unter der Moderation der Psy4F tagt und zum Austausch darüber dient, wie die psychotherapeutischen Verbände sich am besten mit ihren strukturellen und fachlichen Möglichkeiten für die sozial-ökologische Transformation einsetzen können (Hinweis Katharina Simons).

–Im April 2019 gründen die tiefenpsychologisch orientierten Psychologischen Psychotherapeutinnen Mareike Schulze und Lea Dohm die Initiative »Psychologists/Psychotherapists for Future«. Die Gruppe veröffentlicht im April 2019 eine Stellungnahme, die innerhalb eines Jahres von mehr als 4400 Personen aus 28 Ländern unterzeichnet wird. In dieser Verlautbarung registriert sie eine verbreitete unbewusste Abwehrhaltung zur Unterdrückung unangenehmer Gefühle, die zu einer Verleugnung der Bedrohung führten und sowohl individuellem wie kollektivem Handeln im Wege stünden. Der Zustand der Welt wirke sich auf komplexe Weise auf menschliches Erleben, Verhalten und die Gesundheit aus (Psychologists/Psychotherapists for Future, 2019). Mittlerweile sind bei den Psy4F über 1000 Kolleginnen und Kollegen aktiv und setzen sich insbesondere für die Beratung von Aktivisten und Aktivistinnen und für eine effektive Klimakommunikation ein.

–2021 hat sich beim »Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen« (BDP) eine Arbeitsgruppe »Psychologie und Klima« gebildet. Das Jahresschwerpunktthema der Vereinigung ist gleichfalls diesem Thema gewidmet. Aus der Begründung: »Um den wichtigen Beitrag der Profession in Debatten um den Klimawandel sichtbar zu machen, wird sich auch der BDP Expert Talk in 2021 verstärkt dem Thema Klima & Psychologie widmen. […] Zwar wird sich das Format immer wieder auch anderen aktuell bedeutsamen Fragestellungen widmen, doch wird dem Thema ›Klima & Psychologie‹ im BDP Expert Talk zu beispielsweise nachhaltigem Konsum, kollektivem Handeln im Umweltschutz oder Leugnen der Klimakrise […] ein besonderer Fokus zuteil« (Schörk, 2021).

–Angeregt durch einen Artikel von Fabian Chmielewski im »Psychotherapeutenjournal« 3/2019 entsteht an der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse (MAP) im November 2019 eine »Klima AG«, die im Kontakt mit anderen psychologisch-psychoanalytischen Klimagruppen (z. B. Psy4f) steht und internationale Verbindungen aufbaut (persönliche Mitteilung der Mitinitiatorin Christine Bauriedl-Schmidt am 15.06.2021; siehe auch den Beitrag von Fabian Chmielewski in diesem Band).

Ähnliche Arbeitsgemeinschaften wurden unterdessen in allen großen Verbänden gegründet.

Pflege

–Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat zum Thema Klimawandel eine Broschüre veröffentlicht. Unter dem Titel »Pflege im Umgang mit dem Klimawandel« bietet sie insbesondere Informationen zu Hitzewellen, verbunden mit Praxisanleitungen. Der Verband unterstützt die Aktion »Health for Future« der Aktion KLUG (Golla, 2021).

–Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit fördert ein Projekt »Klimaanpassung in der Pflege (KlapP)« mit der Begründung: »Der Klimawandel führt zu einem Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen, Hitzetage und -wellen treten vermehrt auf. Das Wissen über Maßnahmen zur Anpassung an solche Wetterbedingungen nimmt daher an Bedeutung zu. Ziel des Projekts ›Klimaanpassung in der Pflege‹ (KlapP) ist es, für den Bereich der Pflege Informationsmaterialien zum Umgang mit Hitzeereignissen zu konzipieren. Das Projekt läuft bis Ende September 2023 und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert. Im Rahmen des Projekts wurden bereits verschiedene Informationsmaterialien sowohl für Pflegefachkräfte als auch für die Betroffenen selbst erstellt. Ferner wurden wichtige Fragen und Antworten zum Thema Pflege bei Hitze in Form von Frequently Asked Questions (FAQs) veröffentlicht. Derzeit wird ein Expertennetzwerk aufgebaut, um vorhandenes Wissen zu bündeln und in Interviews betroffene Personengruppen und Handlungsfelder zu identifizieren. Im Rahmen des Projekts wurde eine Online-Schulung für pflegende Angehörige als auch für beruflich Pflegende entwickelt« (Klimaanpassung in der Pflege, KlpP, 2021).

Physiotherapie

–In seinem Artikel »Was kann die Physiotherapie zum Umweltschutz beitragen?« verweist Andreas Alt (Alt, 2021) auf die Bearbeitung der Thematik in verschiedenen deutschen und internationalen Organisationen wie »Physios für planetare Gesundheit« (PPG), »Environmental Physiotherapy Association« (EPA) und »Health for Future–Physiotherapy« (H4FP).

Zu den Beiträgen

Welche Informationen und Überlegungen unsere Autorinnen und Autoren aus Klimaforschung, Medizin, Psychologie und Psychotherapie zu bieten haben und wie sie sich im Diskurs positionieren, findet sich konzentriert in den Beiträgen dieses Bandes:

Irena Kaspar-Ott und Elke Hertig präsentieren aus geografischklimatologischer Sicht naturwissenschaftliche Erkenntnisse über den Klimawandel im Allgemeinen und insbesondere über dessen menschengemachte Bedingungen. Auf globaler wie auf regionaler Ebene legen sie die Ernsthaftigkeit des Handlungsbedarfes dar, um die Bedrohung durch die Klimakrise abzuwenden. Die Autorinnen erläutern Klimamodelle zur Berechnung und Analyse physikalischer und biogeochemischer Prozesse im Klimasystem, wie sie im Hinblick auf Temperatur (Hitzewellen), Niederschlag (Überschwemmungen, Dürrezonen) und Ozeane (Rolle bei der Bindung von Treibhausgasen, Anstieg des Meeresspiegels) sichtbar werden. Welche zukünftigen Folgen sich daraus ergeben, hängt nach ihrer Auffassung in erster Linie davon ab, in welchem Umfang sich die Reduzierung von Treibhausgasemissionen weltweit gesamtgesellschaftlich und politisch durchsetzen lässt. Allerdings, so stellen die Autorinnen fest, steht zu befürchten, dass selbst ein zeitnaher Emissionsstopp die Erderwärmung wegen der Trägheit des Klimasystems nur über einen längeren Zeitraum hinweg wirksam aufhalten wird.

Für Alina Herrmann steht die Menschheit mit der Klimakrise vor einem Problem, welches sie selbst gefährdet, für das sie aber auch selbst Verantwortung trägt. Gleichzeitig liegen im Umgang mit der Klimakrise auch Chancen. Am Beispiel der menschlichen Gesundheit können diese Aspekte gut beleuchtet werden. Einmal bedroht die Klimakrise die Gesundheit und das Leben der Menschen. Dies geschieht direkt und indirekt: Direkte Auswirkungen sind zum Beispiel Hitzewellen, die zu einer erhöhten Mortalität führen. Indirekte Effekte sind über Ökosysteme oder sozial vermittelt (z. B. Ausbreitung von Krankheitsvektoren oder Migration). Sodann trägt auch der Gesundheitssektor zu den weltweiten Treibhausgasemissionen und damit zur Klimakrise bei. Im weltweiten Durchschnitt verursacht der Gesundheitssektor eines Landes ca. 4–7 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen. Schließlich haben viele Klimaschutzmaßnahmen einen Zusatznutzen für die Gesundheit, sogenannte gesundheitliche Co-Benefits. Beispiele hierfür sind die Reduktion von Luftverschmutzung, die Umsetzung einer gesunden und klimafreundlichen Ernährung und die Nutzung aktiver Mobilitätsformen.

Der drohende Klimanotstand entwickelt aus der Sicht von Michael Schonnebeck eine apokalyptische Wucht. Evolutionspsychologisch greift der Mensch auf Bewältigungsmechanismen zurück, die er in archaischen Krisen erworben hat. Eine zentrale Rolle spielt dabei das System der psychophysischen Stressantwort mittels Flight, Fight, Freeze. Beim Freeze gibt es zwei Stufen: Hochwachsamkeit und Totstellen. Der moderne Mensch scheint in der ersten, präaktionalen Stufe festzustecken. Prähistorische Gruppen lösen diese Starre bei Krisenpersistenz mit sozialer Desorganisation auf, weg vom Egalitätsprinzip bis hin zum puren Egoismus. Zentrale Agenten sind hierbei Alphatyrannen, die rabiat-unverfroren das Überleben der Ihren sichern. Solche Dominanzphänomene lassen sich wieder weltweit studieren. Auch wenn diese archaischen Mechanismen in hochkomplexen Welten scheitern, werden sie bei wachsender Kriseninstabilität unerschütterlich wieder auftreten. Es ist also klug, das evolutionäre Getriebensein der Menschen zu antizipieren. Investiert werden sollte in gute Führerschaft und Gruppensolidarität.

Die »existenzielle Menschheitskrise«, zu der sich die Entwicklung des Weltklimas gegenwärtig auswächst, nötigt nach Fabian Chmielewski alle Menschen dazu, sich selbst gegenüber Rechenschaft abzulegen und eine besondere Sensibilität für die Bedrohung zu entwickeln. Geschult an Philosophen und Dichtern, die einen besonders scharfen Blick auf »Grenzsituationen« werfen (Camus, Sartre, Heidegger, Kierkegaard, Kafka, Beckett), geht er der menschlichen Neigung nach, die Natur – selbst auf die Gefahr hin, sich selbst und seinesgleichen auszulöschen – bedenkenlos auszubeuten, und plädiert dafür, auch eine selbst gewählte Beschränkung als Ausdruck eigener Werte und in diesem Sinne als »frei« anzusehen. Davon ist im Augenblick aber noch wenig zu erkennen. Vielmehr drängen sich Schönreden, Verharmlosung, Verleugnung, Verdrängung, die Delegation von Verantwortung und die Konstruktion von Feindbildern auf. Diesem vielfachen Ausdruck von Hoffnungslosigkeit hält er die Möglichkeit entgegen, im resilienten, das heißt engagierten Umgang mit der Klimakrise die wichtigsten psychischen Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Delaram Habibi-Kohlen geht es um das ambivalente Verhältnis des Menschen zur Natur inmitten von Pandemie und Klimakrise und um die Frage von »innen« und »außen«. Für die Autorin impliziert die Rede vom »Umweltschutz«, wir wären die Mitte und um uns herum die Natur. Sie geht der mit der Postmoderne verbundenen Ausprägung des Begriffs der Entfremdung nach und befasst sich mit der Dialektik einer Abhängigkeit von der Natur auf der einen und der Verleugnung dieser Abhängigkeit über Technologien auf der anderen Seite. Diese generieren neue Entfremdung und Abhängigkeit über das Nicht-mehr-Wissen von Zusammenhängen, die zunehmend isoliert werden. Habibi-Kohlen sieht in den aktuell beobachtbaren gesellschaftlichen Transformationsbewegungen eine Chance zu neuer Erfahrung von Selbstwirksamkeit, in der das Individuum auf politische Prozesse einwirkt und diese umgekehrt auf das Individuum.

Christoph Nikendei erkennt eine erdrückende Evidenz für die Bedrohung unserer menschlichen Existenz im Rahmen der klimatischen Veränderungen. Warum, so fragt er, konzentrieren wir nicht alle verfügbaren Kräfte darauf, den noch vorhandenen zeitlichen Handlungsspielraum zu nutzen? Konflikt- wie strukturdynamische Modelle können helfen zu verstehen, warum wir unser eigenes umwelt-destruktives Verhalten nur bedingt als solches wahrnehmen und die Natur unhinterfragt weiterhin ausbeuten. Abwehrmechanismen spielen hierbei eine maßgebliche Rolle, um unsere eigene Schuld und Mitverantwortung an dem offensichtlichen Desaster aus unserem Bewusstsein zu verbannen. Werden wir jedoch der Tragweite und der Konsequenzen unseres Verhaltens gewahr, kann es zu ängstlich-depressiven Reaktionen kommen. Sie sind primär als adäquate Verarbeitungsprozesse im Kontext der klimatischen Veränderungen zu verstehen, können jedoch auch in klinisch behandlungsbedürftige psychische Belastungen münden. Eine therapeutische Begleitung kann einerseits Trauer ermöglichen, andererseits klimaresilientes Verhalten fördern und im besten Fall einen neuen Zugang zu unserer inneren und zur äußeren Natur ermöglichen.

Für Hans-Geert Metzger haben sowohl der Umgang mit der Klimakrise wie auch die Bewältigung der Covid-19-Pandemie einen unmittelbaren Bezug zur generationalen Abfolge. Zugleich zeigen diese Krisen die Grenzen der vorherrschenden Ideologie der Machbarkeit auf. Deren psychosoziale Basis ist die Überbetonung des Narzissmus, die mit einer scheinbar grenzenlosen Ausdehnung der Manipulierbarkeit innerer und äußerer Natur einhergeht. In der Klimakrise aber wäre es notwendig, die generationale Perspektive in Form einer Vorsorge für die nächste Generation einzunehmen. Im Umgang mit der Pandemie wäre eine Akzeptanz der Endlichkeit hilfreich, um eine solidarische Haltung zu entwickeln, die zu einem Schutz vor dem Virus führt. Klimakrise und Pandemie könnten zu einer Überprüfung des Verhältnisses zur Natur führen, die vielleicht doch nicht so manipulierbar ist, wie es lange Zeit aufgrund einer narzisstischen Überheblichkeit erschien.

In der anthropogenen Klimakrise sehen Felix Peter und Dagmar Petermann neben den physikalischen Konsequenzen auch ein erhöhtes Risiko für soziale Erschütterungen auf allen Ebenen menschlicher Zivilisation. Während die Untersuchung der Klimafolgen für die physische Gesundheit bereits eine längere Tradition hat, steht der wissenschaftliche Diskurs zu den psychischen Konsequenzen solcher Risiken noch relativ am Anfang. Auch die Lebenslaufperspektive wird bislang nur am Rande erwähnt. Der Beitrag gibt einen Überblick über den Stand der epidemiologischen Erkenntnisse und wissenschaftlichen Diskussionen am Beispiel von Kindern und Jugendlichen als einer besonders vulnerablen Risikogruppe. Er kommt zu dem Schluss, dass die Klimakrise erhebliche Gesundheits- und Entwicklungsrisiken für junge Menschen in sich birgt, die bei politischen Entscheidungen und bei der Gestaltung gesellschaftlicher Transformationsprozesse berücksichtigt werden müssen. Dafür schlägt er eine praktische Anwendung des Resilienzkonzepts im Bildungskontext vor.

Volker Harbeck geht von der Erfahrung junger Erwachsener aus, in ihrer Sorge um die Zukunft von Vertretern der älteren Generationen (und daher von der Politik und den Eltern) nicht ernst genommen zu werden. Deren Abwehr führt er auf verschiedene, vor allem gesellschaftlich geprägte Prozesse zurück, die ein entschiedenes Handeln weiterhin blockieren. Um die jungen Menschen nicht ihrer Irritation und Enttäuschung zu überlassen, installiert er, wie er berichtet, 2019 einen Gesprächskreis, in den er auch Klimaaktivistinnen und -aktivisten aufnimmt. Die Gruppe dient der konstruktiven Bewältigung der durch die Klimakrise und insbesondere durch deren Verharmlosung ausgelösten Gefühle, entwickelt aber darüber hinaus auch Visionen für einen nachhaltigen, solidarischen Lebensstil und eine nach den gleichen Kriterien wirtschaftende Gesellschaft. In der Verbindung von emotionaler Konfrontation und konkreter Zukunftsorientierung sieht Harbeck eine Möglichkeit, der Gefahr ins Auge zu sehen und dennoch psychisch stabil zu bleiben.

In seinem Beitrag spürt Josef Berghold dem abgründigen Rätsel nach, warum unsere Zivilisation nur extrem widerstrebend auf den Weckruf der Klimaforschung reagiert, die bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert vor der Gefahr eines Zusammenbruchs unserer Lebensgrundlagen warnt. Fruchtbare Anregungen entnimmt er psychoanalytischen Beobachtungen und Reflexionen zu unserer »perversen Kultur«, die sich aus der egozentrischen Verwahrlosung des kapitalistischen Wegwerfkonsum-Lebensstils nährt und dabei auch durch besonders hartnäckige, trickreiche und wendige Formen der Realitätsverweigerung unterstützt wird, die für perverse Persönlichkeitsstrukturen charakteristisch sind. Ein scharfer Bruch mit der »Wohlfühl«-Umnebelung der perversen Kultur, wie er besonders von Greta Thunberg ins Rollen gebracht wurde, ist unverzichtbar, um in unserer verzweifelten Situation für den sehr kleinen noch verbleibenden Spielraum der Hoffnung kämpfen zu können.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Mitwirkung an diesem Band.

Martin Scherer, Josef Berghold, Helmwart Hierdeis

Literatur

Alt, A. (2021). Was kann die Physiotherapie zum Umweltschutz beitragen? pt – Zeitschrift für Physiotherapeuten. Pt online 02.07.2021. https://physiotherapeuten.de/artikel/was-kann-die-physiotherapie-zum-umweltschutzbeitragen (Zugriff am 08.07.2021).

Bach, B. (2021). Weckruf beim DGIM-Kongress: Umweltschutz und Klimaschutz ist Gesundheitsschutz! Veröffentlicht am 16.04.2021. https://www.aerztezeitung.de/Kongresse/Umwelt-und-Klimaschutz-ist-Gesundheitsschutz-418859.html (Zugriff am 09.06.2021).

Berger, N., Lindemann, A.-K., Böl, G.-F. (2019). Wahrnehmung des Klimawandels durch die Bevölkerung und Konsequenzen für die Risikokommunikation. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 62, 612–619. https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-019-02930-0 (Zugriff am 09.06.2021).

Bickel, H. (2008). Eine Gesellschaft sollte sich psychoanalytische Hunde halten. In H. Bickel, H. Hierdeis (Hrsg.), »Unbehagen in der Kultur«. Variationen zu Sigmund Freuds Kulturkritik (S. 59–142). Wien/Berlin: LIT.

Bundesgesundheitsblatt (2019). Gesundheitliche Herausforderungen des Klimawandels. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 62 (5).

Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) (2019). www.klimawandel-gesundheit.de/ (Zugriff am 09.06.2021).

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) (2019). Positionspapier der AG Klimawandel und Gesundheit der DEGAM. https://www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/Positionspapier_Klimawandel_Gesundheit_final.pdf (Zugriff am 13.07.2021).

Golla, M. (2021). Pflege Professionell: Klima geht uns alle an – auch die Pflege! https://pflege-professionell.at/de-klima-geht-uns-alle-an-auch-die-pflege (Zugriff am 08.07.2021).

Günster, C., Klauber, J., Robra, B.-P., Schmuker, C., Schneider, A. (Hrsg.) (2021). Versorgungs-Report – Klima und Gesundheit. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Habibi-Kohlen, D. (2013). »Klimawandel« und warum man sich als Psychoanalytiker damit beschäftigen kann. Psychoanalyse Aktuell. Online-Zeitung der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) 05.10.2013 (Zugriff am 13.07.2021).

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Irena Kaspar-Ott und Elke Hertig

Der Klimawandel: Wo wir stehen und was uns erwartet

Der Klimawandel

Der Klimawandel und die Notwendigkeit, aufgrund der voranschreitenden Erwärmung und deren Folgen zu handeln, ist in den letzten Jahren immer tiefer in das Bewusstsein der Menschen vorgedrungen. Bessere Technik und leistungsfähigere Computer ermöglichen fortlaufend genauere Einblicke in das Klimasystem. Mithilfe von Klimamodellen und verschiedensten sozioökonomischen Annahmen werden so mögliche Entwicklungspfade des zukünftigen Klimas berechnet. Doch trotz der Erfolge der Wissenschaft zu diesem Thema und wissenschaftlich belegbarer Aussagen fällt es der Gesellschaft schwer, aus ihren gewohnten Mustern auszubrechen und (global) wirksame Gegenmaßnahmen gegen den vom Menschen verursachten Klimawandel zu treffen. Daher verwundert es nicht, dass gerade die junge Generation sich vermehrt für den Schutz des Klimas einsetzt – schließlich ist sie es, die sich mit den Folgen des Klimawandels unverschuldet auf längere Sicht auseinandersetzen muss (O’Brien, Selboe u. Hayward, 2018).

Dieser Beitrag gibt einen vorwiegend naturwissenschaftlichen Einblick in die Thematik des Klimawandels und seine anthropogenen Bedingungen. Dabei wird erläutert, wie weit die Erderwärmung und ihre Folgen bereits fortgeschritten sind und wie Szenarien bis zum Ende des 21. Jahrhunderts aussehen, sowohl auf globaler als auch regionaler Ebene, mit Fokus auf Deutschland.

Klima, Wetter, Witterung

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) definiert den Begriff Klima als den mittleren Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren (Lehmann, Müschen, Richter u. Mäder, 2013). Die Eigenschaften der Atmosphäre werden über statistische Kenngrößen ausgedrückt, wie Mittelwerte, Häufigkeiten, Dauer von Ereignissen oder Extremwerte.

Wetter hingegen beschreibt den Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem kleinräumigen Gebiet zu einem bestimmten Zeitpunkt (maximal ein paar Tage). Als Witterung bezeichnet man den durchschnittlichen Charakter des Wetterablaufs an einem Ort oder in einem Gebiet über mehrere Tage bis zu mehreren Wochen.

Zwischen den Jahren 1998 und 2012 schien sich die Erdoberfläche kaum mehr zu erwärmen. Dieses Phänomen, das als Pause des globalen Klimawandels bezeichnet wird, löste in der Öffentlichkeit Zweifel daran aus, wie gut der anthropogene Klimawandel und die natürliche Variabilität verstanden werden, und nährte die Theorien von Klimaskeptikern. Tatsächlich kam es aber nicht zu einem Ende der Erwärmung (schon allein die Rekordtemperaturen in den darauffolgenden Jahren zeigen dies auf), sondern war lediglich Ausdruck von internen Klimaschwankungen (Medhaug, Stolpe, Fischer u. Knutti, 2017). Dieses Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit der Betrachtung langer Zeitreihen bei der Analyse des Klimawandels und verdeutlicht, dass etwa ein einzelner besonders kalter Winter und sogar ein etwas kälteres Jahrzehnt nicht als Argument gegen den Klimawandel gelten können.

Der anthropogene Klimawandel

Ein beliebtes Argument der Klimawandelleugner und Klimawandelskeptiker lautet, dass sich das Klima schon seit seiner Entstehung stetig gewandelt hat und die Menschheit deswegen nicht wirklich mit einer »neuen« Klimasituation konfrontiert sei. Die erstere Aussage ist korrekt: Das Klima der Erde wird durch externe Faktoren wie die Sonne, die Erdbahnparameter (z. B. die Neigung der Erdachse) und einzelne Ereignisse wie Vulkanausbrüche beeinflusst, wodurch die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert wird. Auch interne Faktoren spielen eine wichtige Rolle im Klimasystem – sie beschreiben das Zusammenspiel der einzelnen Klimakompartimente wie Atmosphäre, Ozean, Meereis und Landoberfläche. Durch das Zusammenspiel und durch Rückkopplungen der externen und internen Klimafaktoren erfährt unser Planet einen regelmäßigen Wechsel zwischen Eiszeiten und wärmeren Perioden, zwischen denen die mittlere Erdtemperatur um mehrere Grad Celsius schwankt. Also warum sich über den jetzigen Anstieg von etwa 1 °C Sorgen machen? Hier tritt der Mensch als erdgeschichtlich relativ neuer externer Klimafaktor auf: Wissenschaftlich nachweisbar erfolgte der Klimawandel im letzten Jahrhundert durch den Menschen und die stattgefundene Industrialisierung – und zwar unnatürlich schnell.

Der natürliche Treibhauseffekt, der darauf beruht, dass die langwellige Ausstrahlung der Erdoberfläche die Atmosphäre nicht auf direktem Weg verlässt, sondern auf ihrem Weg von Wasserdampf und Spurengasen wie CO₂ absorbiert und wieder teilweise zurückemittiert wird, ermöglicht das Leben auf unserem Planeten. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt würde die mittlere Lufttemperatur nicht etwa +15 °C, sondern −18 °C betragen (IPCC, 2013). Wird die Menge der Spurengase wie zum Beispiel CO₂, Methan und N₂O in der Atmosphäre erhöht, wie das durch den Menschen mit der zunehmenden Industrialisierung geschah und geschieht, erhöht sich auch der »Wärmestau« in der unteren Atmosphäre und resultiert in einem als »anthropogen« bezeichneten verstärkten Treibhauseffekt (Lehmann et al., 2013).

CO₂ ist ein wichtiges wärmespeicherndes Treibhausgas, das durch menschliche Aktivitäten wie Abholzung und Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber auch durch natürliche Prozesse wie Respiration und Vulkanausbrüche freigesetzt wird. In den letzten 171 Jahren haben menschliche Aktivitäten die atmosphärische CO₂-Konzentration um 47 Prozent über das vorindustrielle Niveau von 1850 angehoben. Das ist mehr, als in einem Zeitraum von 20.000 Jahren auf natürliche Weise geschehen war (vom letzten glazialen Maximum bis 1850, von 185 ppm auf 280 ppm). Im Februar 2021 hat die am Mauna Loa auf Hawaii gemessene CO₂-Konzentration einen Wert von 415 ppm erreicht (NASA/GISS, 2021a).

Der zusätzlich verstärkte Treibhauseffekt führt dabei nicht nur zu einer Zunahme der Lufttemperatur, sondern hat weitreichende Folgen auf unsere gesamte Umwelt, wie etwa das Schmelzen der polaren Eisschilde und Gletscher, den Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane und extreme Wetterereignisse. Die Frage lautet also, wie verwundbar und anpassungsfähig die komplexe menschliche Zivilisation hinsichtlich der Klimaänderungen ist (Lehmann et al., 2013).

Klimawandelforschung

Die Erforschung des Klimawandels stellt die Basis für mögliche Minderungs- und Anpassungsstrategien der Menschheit an die veränderte Umwelt dar und wird seit 1988 durch den Weltklimarat (IPCC, Intergovernmental Panel on Climate Change) dokumentiert und bewertet (Grotelüschen, 2013). 195 Staaten sind Mitglied im IPCC, der selbst keine Forschung betreibt, sondern den aktuellen Stand der Wissenschaft bündelt und dies etwa alle sechs Jahre in ausführlichen Sachstandsberichten veröffentlicht. Sie sollen vor allem dazu dienen, die Politik objektiv über den Klimawandel zu informieren. Neben den naturwissenschaftlichen Grundlagen zum Klimawandel – sowohl in der Vergangenheit als auch in Szenarien für die Zukunft – befassen sich die Berichte auch mit den Auswirkungen des Klimawandels und der Verwundbarkeit der ökologischen und sozioökonomischen Systeme. Darüber hinaus wird auch aufgezeigt, welche Gegenmaßnahmen in Form von politischen und technologischen Optionen zur Minderung des Klimawandels bestehen. Bisher sind fünf Sachstandsberichte erschienen, die auch unmittelbar zur Weiterentwicklung der internationalen Klimapolitik beigetragen haben. Sie lieferten die zentralen Argumente, die 1992 zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Rio und 1997 zum Kyoto-Protokoll führten, welche zum ersten Mal die teilnehmenden Industrieländer verpflichteten, ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren (Grotelüschen, 2013).

Wie gelingt nun aber die Abschätzung des zukünftigen Klimas, die als Handlungsgrundlage für die Entscheidungsträger der heutigen Generation dient? Hierfür dienen Klimamodelle, die die komplexen physikalischen und biogeochemischen Prozesse des Klimasystems in einem Computermodell darstellen können. Dabei werden die Änderungen verschiedener Größen (etwa Temperatur und Luftdruck) auf einem über dem Globus aufgespannten dreidimensionalen Gitter von Zeitschritt zu Zeitschritt berechnet, womit sowohl die Simulationen des vergangenen als auch Abschätzungen des zukünftigen Klimas möglich sind. Die neueste Generation von Klimamodellen, sogenannte Erdsystemmodelle, verknüpfen alle Komponenten des Klimasystems interaktiv miteinander. So können neben physikalischen Prozessen auch verschiedene biogeochemische Kreisläufe wie der Kohlenstoffkreislauf, Sulfat- und Ozon-Kreisläufe und die Auswirkung auf die Vegetation eigenständig berechnet werden. Der klimatische Blick in die Zukunft beruht schließlich auf der Anwendung verschiedener Treibhausgasszenarien, die Annahmen über weltweite Entwicklungen wie Bevölkerungswachstum, ökonomische und soziale Entwicklung, technologische Veränderungen, Ressourcenverbrauch und Umweltmanagement beinhalten. Auf der Basis dieser Annahmen werden Aussagen darüber getroffen, wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen (Emissionsszenarien) und folglich die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre (Konzentrationsszenarien) entwickeln werden. Um möglichst umfassende und vertrauenswürdige Projektionen des zukünftigen Klimas zu erhalten, werden in einem globalen Projekt (CMIP, Coupled Model Intercomparison Project) über 100 solcher Klimamodellläufe, die von knapp 50 Modellierungsgruppen berechnet werden, koordiniert, gesammelt und weltweit Forschern zur Verfügung gestellt (IPCC, 2013; WCRP – Working Group on Coupled Modeling, 2019).

Weltweite Betrachtung des Klimawandels

Temperatur

Der aktuelle Sachstandsbericht des IPCC (2013) gibt an, dass die global gemittelten kombinierten Land- und Ozeanoberflächentemperaturdaten, die durch einen linearen Trend berechnet wurden, eine Erwärmung von 0,85 °C im Zeitraum von 1880–2012 zeigen. Dabei war jedes der letzten drei Jahrzehnte an der Erdoberfläche sukzessive wärmer als alle vorherigen Jahrzehnte in der instrumentellen Aufzeichnung, und das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war das wärmste. Die Aufzeichnungen seit der letzten Veröffentlichung des IPCC-Berichts zeigen, dass das Jahr 2020 zusammen mit 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 war und dass 19 der wärmsten Jahre seit 2000 aufgetreten sind, mit Ausnahme von 1998 (NASA/GISS, 2021b). Die zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufgetretenen Rekordjahre in Folge sind zudem ein Novum seit Beginn der regelmäßigen Messungen (Rahmstorf, Foster u. Cahill, 2017). Auch Li et al. (2020) stellen fest, dass der globale Erwärmungstrend zwischen 1880 und 2019 in den letzten Jahrzehnten überproportional zugenommen hat. Im Jahr 2017 wurde die Schwelle von 1 °C Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erreicht (Hoegh-Guldberg et al., 2019).