Klinische Psychologie und Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen -  - E-Book

Klinische Psychologie und Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen E-Book

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  • Herausgeber: Thieme
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Ist es Ihnen schon einmal schwer gefallen, ein Lehrbuch aus der Hand zu legen? Bei diesem Titel könnte das durchaus passieren. Günter Esser schafft es, das Thema psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen äußerst anschaulich und verständlich zu vermitteln. Entsprechend der DSM-5 Richtlinien werden neben den Möglichkeiten der Diagnostik alle klinisch relevanten Störungsbilder systematisch und mit Fokus auf die verhaltenstherapeutischen Behandlungsansätze beschrieben - ideal, um während des Studiums effektiv zu lernen und im klinischen Alltag gezielt nachzuschlagen.

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EPUB

Seitenzahl: 1545

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Klinische Psychologie und Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen

Herausgegeben von

Günter Esser

Mit Beiträgen von

Katja Ballaschk, Tobias Banaschewski, Nikolaus Barth, Stefanie Besson, Sarah Blank, Sabine Bojanowski, Michael Borg-Laufs, Katja Bödeker, Manfred Döpfner, Sylvia Eimecke, Günter Esser, Jörg M. Fegert, Christian Fleischhaker, Reiner Frank, Tom Frenzel, Stephanie Göggerle, Alexander von Gontard, Dörte Grasmann, Johannes Hebebrand, Beate Herpertz-Dahlmann, Ingrid Hösch, Wolfgang Ihle, Inge Kamp-Becker, Eva Maria Krentz, Alexander Marcus, Matthias Martin, Fritz Mattejat, Yvonne Mühlig, Mechthild Papoušek, Jan Pauschardt, Georgia Pelz, Martina Pitzer, Miriam Rassenhofer, Helmut Remschmidt, Peter Rossmann, Aribert Rothenberger, Veit Roessner, Sylvia Schaller, Martin H. Schmidt, Armin Schmidtke, Eberhard Schulz, Nina Wagener, Petra Warschburger, Kirsten Wittig, Anne Wyschkon

5., vollständig überarbeitete Auflage

40 Abbildungen

Vorwort zur 5. Auflage

Im Vorwort zur 3. Auflage hatte ich den Wunsch geäußert, dass sich die Kinderpsychotherapie weiter verbreiten möge und die gravierenden Versorgungsengpässe in den nächsten 10 Jahren abgebaut werden könnten. Dieser Wunsch ist bereits nach nur 7 Jahren in Erfüllung gegangen. Die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher hat sich deutlich verbessert, die geforderte 20%-Quote der Zulassungen wurde realisiert, viele weitere Professuren für klinische Psychologie und Psychotherapie für Kinder und Jugendliche wurden in der Zwischenzeit geschaffen. Seit 2008 sind insgesamt 3000 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten neu approbiert worden. Unsere neuen Kolleginnen und Kollegen verfügen über eine europa- und weltweit außergewöhnlich gute Ausbildung. Die Entwicklung des Fachgebiets bereitet somit viel Freude.

Als Wermutstropfen ist zu verzeichnen, dass noch immer nur 26% der niedergelassenen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten die Fachkunde in der Verhaltenstherapie besitzen – dem mit Abstand am besten evaluierten Therapieverfahren. 87% aller kontrollierten Therapiestudien im Kindes- und Jugendalter werden in Verhaltenstherapie durchgeführt, die restlichen 13% verteilen sich auf alle anderen Verfahren.

Dies ist der Grund, warum Titel und Schwerpunkt (aus Psychotherapie wurde Verhaltenstherapie) des Lehrbuchs geändert wurden. So wurde speziell der 5. Abschnitt „Verhaltenstherapie“ völlig neu gestaltet und ergänzt und umfasst nun 5 Kapitel, von klassischen Techniken der Verhaltenstherapie über kognitive, erlebnisorientierte bis hin zu systemischen Ansätzen.

Die Kapitel zu Grundlagen, Diagnostik und Störungsbildern wurden vollständig aktualisiert und auf die neue Schwerpunktsetzung des Lehrbuchs hin überarbeitet. Viele Autoren waren bereit, sich erneut an unserem Lehrbuch zu beteiligen, darüber hinaus konnten namhafte junge Kolleginnen und Kollegen neu gewonnen werden.

Ich danke allen Autoren der 5. Auflage für ihre hervorragende Arbeit und die jederzeit problemlose Kooperation. Mein besonderer Dank gilt Frau Gartenschläger, Frau Pelz und Frau Wagener für ihre Unterstützung bei der Überarbeitung sowie Frau Addicks vom Georg Thieme Verlag, die immer alles im Auge behalten hat, für ihre Anregungen und letztendlich meiner Frau Barbara für ihr Verständnis.

Potsdam, im Frühjahr 2015

Günter Esser

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 5. Auflage

Teil I Grundlagen

1 Entwicklungspsychologische Grundlagen

1.1 Einleitung

1.2 Entwicklung ausgewählter Funktionsbereiche

1.2.1 Motorische Entwicklung

1.2.2 Sprachentwicklung

1.2.3 Kognitive Entwicklung

1.2.4 Theory of Mind: intuitive Psychologie

1.2.5 Bindung

1.3 Entwicklung im Altersverlauf

1.3.1 Säuglings- und Kleinkindalter (0–2 Jahre)

1.3.2 Frühe Kindheit (3–6 Jahre)

1.3.3 Mittlere Kindheit (7–11 Jahre)

1.3.4 Jugendalter (ab 12 Jahren)

2 Entwicklungspsychopathologie und Entwicklungsepidemiologie

2.1 Einleitung

2.2 Grundmechanismen und Modelle psychopathologischer Entwicklung

2.2.1 Organisation und Reorganisation

2.2.2 Modell der Entwicklungspfade

2.2.3 Entwicklungsmodelle

2.2.4 Praktischer Bezug

2.3 Risiko- und Schutzfaktoren psychopathologischer Entwicklung

2.3.1 Risikofaktorenforschung

2.3.2 Schutzfaktorenforschung

2.3.3 Vulnerabilität und Resilienz

2.3.4 Verlaufsmodelle psychischer Störungen

2.4 Entwicklungsepidemiologie psychischer Störungen

2.4.1 Grundbegriffe der Epidemiologie psychischer Störungen

2.5 Ergebnisse der Entwicklungsepidemiologie

2.5.1 Prävalenz psychischer Störungen

2.5.2 Die häufigsten Störungen

2.5.3 Komorbidität der Störungen

2.5.4 Entwicklungsabhängige und geschlechtsspezifische Gesamtprävalenz

2.5.5 Persistenzrate der Störungen

3 Probleme der diagnostischen Klassifikation im Kindes- und Jugendalter

3.1 Zur derzeitigen Situation

3.2 Ziele von Klassifikation und ihre Konsequenzen

3.2.1 Konsequenzen für Klassifikationssysteme

3.3 Multiaxiale kategoriale Klassifikationssysteme

3.3.1 Achsen des multiaxialen Klassifikationsschemas

3.3.2 Achsen der Zero-to-Three-Klassifikation

3.4 Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5

3.4.1 Störungsgruppen

3.4.2 Vergleich der Störungsgruppen (DSM-5 / ICD-11-Draft)

3.5 Komorbidität und dimensionale Diagnostik

3.5.1 Kombinierte Diagnose

3.5.2 Dimensionale Beschreibung von Krankheitsbildern

3.6 Klassifikation und Falldefinition

3.6.1 Beurteilung von Symptomausprägungen

3.7 Stadienspezifische Klassifikation

3.7.1 Berücksichtigung von Krankheitsstadien

3.8 Analyse der Klassifikationssysteme und Weiterentwicklung

3.8.1 Erwartungen nur teilweise umgesetzt

3.8.2 Weiterentwicklung der Klassifikationssysteme

Teil II Diagnostik

4 Das Erstgespräch

4.1 Einleitung

4.2 Das Setting

4.2.1 Räumliches Setting

4.2.2 Befragungsmodus

4.2.3 Zuverlässigkeit kindlicher Informationen

4.3 Ablauf und Struktur des Erstgesprächs

4.3.1 Begrüßung

4.3.2 Vorstellungsanlass

4.3.3 Störungsanalyse und Störungsmodelle

4.3.4 Biografie und Anamnese

4.3.5 Abschluss des Erstgesprächs

5 Leistungsdiagnostik auf verschiedenen Altersstufen

5.1 Allgemeine Leitlinien

5.1.1 Normierungsstichprobe

5.1.2 Ökonomie

5.2 Leistungsdiagnostik im Säuglings- und Kleinkindalter

5.2.1 Bayley Scales

5.2.2 Entwicklungstest für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren – Revision

5.2.3 Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik

5.3 Leistungsdiagnostik im Kindergarten- und Vorschulalter

5.3.1 Kaufman Assessment Battery for Children II

5.3.2 Bewertung

5.4 Basisdiagnostik für umschriebene Entwicklungsstörungen im Vorschulalter-III

5.4.1 Bewertung

5.5 Potsdamer Intelligenztest für das Vorschulalter

5.6 Potsdam-Illinois-Test für psycholinguistische Fähigkeiten

5.6.1 Konzept der „phonologischen Bewusstheit“

5.6.2 Lexikon, Morphologie und Syntax

5.7 Mathematik- und Rechenkonzepte im Vorschulalter – Diagnose

5.8 Potsdamer Motoriktest

5.9 Aufmerksamkeitstests

5.9.1 Test of Everyday Attention for Children

5.9.2 Konzentrations- und Handlungsverfahren für Vorschulkinder

5.10 Leistungsdiagnostik im Grundschulalter

5.10.1 Wechsler Intelligence Scale for Children

5.10.2 Basisdiagnostik umschriebener Entwicklungsstörungen im Grundschulalter

5.10.3 Lese- und Rechtschreibtests

5.10.4 Rechentests

5.11 Leistungsdiagnostik im späteren Kindes- und Jugendalter

5.11.1 Prüfsystem für Schul- und Bildungsberatung

5.11.2 Grundintelligenztest Skala 2-R

6 Projektive Testverfahren

6.1 Problemdarstellung

6.2 Darstellung der Testverfahren

6.2.1 Scenotest

6.2.2 Der Familie-in-Tieren-Test (FIT)

6.2.3 Familiensystemtest (FAST)

6.2.4 Sorge- und umgangsrechtliche Testbatterie (SURT)

6.2.5 Thematischer Apperzeptionstest

6.2.6 Rosenzweig-Picture-Frustration-Test (R-PFT) für Kinder

7 Interviews und Fragebögen zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten

7.1 Strukturierte klinische Interviews

7.1.1 Störungsübergreifende Interviews

7.1.2 Störungsspezifische Interviews

7.2 Fragebogenverfahren

7.2.1 Mehrdimensionale Fragebogenverfahren

7.2.2 Eindimensionale Fragebogenverfahren

8 Verhaltensdiagnostik

8.1 Grundlagen der Verhaltensdiagnostik

8.1.1 Definition

8.1.2 Horizontale Verhaltensanalyse

8.1.3 Vertikale Verhaltensanalyse (Plananalyse)

8.1.4 Systemanalyse

8.2 Methoden der Verhaltensdiagnostik

8.2.1 Exploration

8.2.2 Verhaltensbeobachtung

Teil III Klinisch relevante Störungsbilder

9 Autistische Störungen

9.1 Der Begriff Autismus

9.2 Epidemiologie autistischer Störungen

9.2.1 Prävalenz

9.2.2 Definition und Klassifikation

9.2.3 Beispiele für die Varianten autistischer Störungen

9.3 Diagnose und Differenzialdiagnosen

9.3.1 Diagnostische Einschätzung

9.3.2 Differenzialdiagnose

9.4 Ätiologie und Genese

9.4.1 Genetische Faktoren

9.4.2 Körperliche Erkrankungen

9.4.3 Hirnfunktionen

9.5 Therapie

9.5.1 Leitlinien

9.5.2 Verhaltenstherapeutische Ansätze

9.5.3 Intensive verhaltenstherapeutische Programme

9.5.4 Elterntraining, Training sozialer Kompetenzen

9.5.5 Medikamentöse Maßnahmen

9.6 Verlauf und Prognose

9.6.1 Sichere Diagnose erst ab 2 Jahren

9.6.2 Frühkindlicher Autismus

9.6.3 Asperger-Syndrom

10 Hyperkinetische Störungen

10.1 Erscheinungsbild der Störung

10.1.1 Diagnose nach ICD-10 und DSM-5

10.1.2 Differenzialdiagnose

10.2 Komorbidität

10.3 Prävalenz

10.4 Genese und Verlauf der Störung

10.4.1 Genese

10.4.2 Verlauf

10.5 Therapieansätze und Prognose

10.5.1 Übersicht über Therapieansätze und ihre Indikation

10.5.2 Pharmakotherapie

10.5.3 Verhaltenstherapie

10.5.4 Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer und multimodaler Interventionen

11 Störungen des Sozialverhaltens und Jugenddelinquenz

11.1 Definition

11.2 Symptomatik

11.2.1 Komorbiditäten

11.3 Subtypen

11.3.1 Gemäß ICD-10

11.3.2 Subtypen gemäß DSM-5

11.4 Differenzialdiagnosen

11.5 Epidemiologie

11.6 Genese

11.6.1 Risikofaktoren

11.6.2 Ätiologische Modelle aggressiven Verhaltens

11.7 Verlauf und Prognose

11.8 Diagnostik

11.9 Therapie

11.9.1 Behandlungsziele

11.9.2 Maßnahmen

11.9.3 Probleme bei der Behandlung

11.9.4 Behandlungskonzepte

12 Ängste, Phobien und Kontaktstörungen

12.1 Einführung

12.1.1 Begriffsbestimmung

12.1.2 Unterscheidung zwischen normaler und pathologischer Angst

12.1.3 Entwicklungsmuster von Angstinhalten im Kindes- und Jugendalter

12.2 Diagnostische Klassifikation

12.2.1 Angststörungen in ICD und DSM

12.2.2 Spezifische Phobien

12.2.3 Panikstörung und Agoraphobie

12.2.4 Generalisierte Angststörungen

12.2.5 Emotionale Störung mit Trennungsangst

12.2.6 Soziale Ängste

12.3 Epidemiologie und Verlauf

12.3.1 Prävalenz

12.3.2 Komorbididtät

12.3.3 Verlauf

12.4 Genese: Bedingungsfaktoren und theoretische Modelle

12.4.1 Psychodynamische Modelle

12.4.2 Lerntheoretische Modelle

12.4.3 Kognitive Modelle

12.4.4 Biologische Modelle

12.4.5 Integrierte Modelle und die Bedeutung verschiedener Risikofaktoren

12.4.6 Integratives Bedingungsmodell

12.5 Diagnostische Methoden

12.5.1 Anamnese, Exploration

12.5.2 Körperliche und psychologische Standarduntersuchung

12.5.3 Fragebögen für das Selbst- und Fremdurteil

12.5.4 Familien- und umfelddiagnostische Prüfung

12.5.5 Verhaltensdiagnostische Methoden

12.6 Therapie

12.6.1 Die wichtigsten Therapiemethoden und ihre Wirksamkeit

12.6.2 Konfrontationsmethoden

12.6.3 Modelllernen

12.6.4 Kognitive Methoden

12.6.5 Operante Methoden

12.6.6 Eltern- und familienorientierte Ansätze

12.6.7 Nicht behaviorale Therapieformen: Spiel- oder Gesprächstherapie

12.6.8 Pharmakotherapeutische Methoden

12.6.9 Kombinierte Programme

13 Mutismus

13.1 Einleitung

13.2 Erscheinungsbild und Diagnosestellung

13.3 Epidemiologie

13.4 Genese

13.5 Komorbidität und Verlauf

13.6 Therapie

13.6.1 Verhaltenstherapie

13.6.2 Psychosoziale Interventionen

13.6.3 Psychopharmaka

14 Tic-Störungen

14.1 Definition

14.2 Klinisches Bild

14.2.1 Einteilung

14.2.2 Symptomatik

14.2.3 Verlauf und Prognose

14.3 Prävalenz

14.4 Pathogenese

14.4.1 Vielfältige Wechselwirkungen

14.5 Komorbidität

14.5.1 Hyperkinetische Störung

14.5.2 Zwangsstörungen

14.5.3 Andere Störungen

14.6 Therapie

14.6.1 Medikation

14.6.2 Verhaltenstherapie

15 Enuresis

15.1 Erscheinungsbild der Störung

15.1.1 Klassifikation der Störung

15.1.2 Primäre und sekundäre Enuresis

15.1.3 Enuresis nocturna und Enuresis diurna

15.2 Komorbidität und differenzialdiagnostische Überlegungen

15.2.1 Komorbiditäten

15.2.2 Differenzialdiagnose

15.3 Prävalenz

15.4 Genese der Störung

15.4.1 Genetische Faktoren

15.4.2 Veränderungen der zirkadianen Rhythmik der ADH-Sekretion

15.4.3 Polyurie

15.4.4 Geringes Blasenvolumen

15.4.5 Schlaf

15.4.6 Psychosoziale Faktoren

15.4.7 Enuresis als „Hilferuf“

15.5 Therapieansätze und Prognose

15.5.1 Therapieempfehlungen bei Enuresis nocturna

15.5.2 Therapieempfehlungen bei funktioneller Harninkontinenz

15.5.3 Nicht effektive bzw. kontraindizierte Behandlungen

15.5.4 Prognose

16 Enkopresis

16.1 Definition und Klassifikation

16.2 Klinische Zeichen

16.3 Prävalenz

16.4 Komorbide Störungen

16.5 Genese

16.6 Differenzialdiagnosen

16.7 Diagnostik

16.8 Therapie

16.8.1 Therapie bei Enkopresis mit Obstipation

16.8.2 Enkopresis ohne Obstipation

16.8.3 Weitere Therapieverfahren

16.9 Ausblick

17 Störungen des Säuglingsalters

17.1 Einführung

17.1.1 Diagnostisches Manual (DC:0–3R)

17.1.2 Übergreifendes diagnostisches Konzept

17.2 Regulationsstörungen der frühen Kindheit

17.2.1 Erscheinungsbild

17.2.2 Genese

17.2.3 Prävalenz, Verlauf und Prognose

17.2.4 Eltern-Säuglings-Therapie

17.3 Exzessives Schreien der ersten Lebensmonate

17.3.1 Erscheinungsbild im 1. Trimenon: Symptomtrias

17.3.2 Diagnostische Abgrenzung

17.3.3 Prävalenz, Verlauf und Prognose

17.3.4 Genese

17.3.5 Syndromspezifische Beratung und Behandlung

17.4 Ein- und Durchschlafstörungen des Säuglingsalters

17.4.1 Symptomtrias der frühkindlichen Ein- und Durchschlafstörungen

17.4.2 Diagnostische Abgrenzung

17.4.3 Prävalenz, Koinzidenz und Verlauf

17.4.4 Genese

17.4.5 Beratung und Therapie

17.5 Fütter- und Gedeihstörungen

17.5.1 Erscheinungsbild: Symptomtrias

17.5.2 Diagnostische Abgrenzung

17.5.3 Prävalenz, Verlauf und Prognose

17.5.4 Genese

17.5.5 Syndromspezifische Beratung und Behandlung

18 Stereotypien

18.1 Definition und Klassifikation

18.2 Erscheinungsbild

18.3 Prävalenz und Verlauf

18.4 Differenzialdiagnostik und Komorbidität

18.4.1 Abgrenzung Tic-Störungen

18.4.2 Andere Störungen

18.5 Genese

18.5.1 Verhaltensanalyse

18.6 Therapieansätze

18.6.1 Multimodales Therapieprogramm

19 Substanzgebrauchsstörungen

19.1 Einleitung

19.1.1 Prävalenz von Substanzgebrauch in Deutschland

19.2 Klassifikation und Diagnostik

19.2.1 Klassifikation

19.2.2 Diagnostik

19.3 Prävalenz, Komorbidität und Störungsverlauf

19.3.1 Prävalenz

19.3.2 Einstiegsalter, Komorbidität und Verlauf

19.4 Risiko- und Schutzfaktoren

19.4.1 Soziale und umweltbezogene Risikofaktoren

19.4.2 Personenbezogene Risikofaktoren

19.4.3 Schutzfaktoren

19.5 Prävention von Substanzgebrauchsstörungen

19.5.1 Konzepte der Suchtprävention

19.5.2 Universelle Suchtprävention

19.5.3 Selektive und indizierte Suchtprävention

19.6 Behandlung von Substanzgebrauchsstörungen

19.6.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien

19.6.2 Behandlungsphasen

19.6.3 Medikamentöse und soziotherapeutische Ansätze

19.6.4 Empfehlungen

19.6.5 Psychotherapeutische Komponenten wirksamer Behandlungsansätze

20 Depressive Störungen

20.1 Erscheinungsbild und Diagnostik

20.1.1 Erscheinungsbild

20.1.2 Klassifikation

20.1.3 Diagnosehilfen

20.2 Prävalenz und Verlauf

20.3 Komorbidität

20.4 Genese

20.4.1 Genetische Prädispositionen

20.4.2 Neurobiologische Dysfunktionen

20.4.3 Kognitive Dysfunktionen

20.4.4 Defizite in Bezug auf Verhalten und Selbstkontrollprozesse

20.4.5 Persönlichkeitsmerkmale

20.4.6 Psychische Störungen der Eltern

20.4.7 Beeinträchtigte familiäre Beziehungen und elterliche Zurückweisung

20.4.8 Kritische Lebensereignisse und Stressoren

20.4.9 Strategien zur Problembewältigung

20.5 Therapieansätze und Prognose

20.5.1 Medikamentöse Interventionen

20.5.2 Psychologische Therapieansätze

20.6 Prävention

21 Zwangsstörungen

21.1 Erscheinungsbild der Störung

21.1.1 Klassifikation

21.1.2 Ausprägung

21.2 Differenzialdiagnostische Abgrenzung

21.3 Genese und Verlauf der Störung

21.3.1 Biologische Einflüsse

21.3.2 Verlauf

21.4 Komorbidität

21.5 Prävalenz

21.6 Therapieansätze und Prognose

21.6.1 Übersicht über Therapieansätze und ihre Indikation

21.6.2 Familienzentrierte Interventionen

21.6.3 Expositionsbehandlung und Reaktionsverhinderung

21.6.4 Kognitive Interventionen

21.6.5 Stabilisierung des Behandlungserfolgs und Behandlung komorbider Störungen

21.6.6 Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Interventionen

22 Posttraumatische Belastungsstörungen

22.1 Einleitung

22.2 Störungsbild

22.2.1 Trauma

22.2.2 Klassifikation nach ICD-10 und DSM-5

22.2.3 Symptomatik bei Kindern

22.3 Komorbidität und Differenzialdiagnostik

22.3.1 Komorbide Störungen

22.3.2 Abgrenzung

22.4 Epidemiologie

22.5 Störungsmodelle

22.5.1 Kognitives Modell der posttraumatischen Belastungsstörung

22.5.2 Transaktionales Traumabewältigungsmodell

22.6 Verlauf

22.6.1 Schutz- und Risikofaktoren

22.7 Diagnostik

22.8 Therapie

22.8.1 Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie

22.8.2 Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)

22.8.3 Debriefing

22.8.4 Pharmakotherapie

23 Anorexia und Bulimia nervosa

23.1 Einleitung

23.2 Erscheinungsbild der Störung und Diagnosestellung

23.2.1 Anorexia nervosa

23.2.2 Bulimia nervosa

23.3 Komorbidität

23.3.1 Psychiatrische Komorbidität

23.4 Epidemiologie

23.5 Genese der Störung

23.5.1 Biologische Faktoren

23.5.2 Soziokulturelle Einflüsse

23.5.3 Familiäre Faktoren

23.5.4 Individuelle prädisponierende Faktoren

23.6 Therapie

23.6.1 Stationäre Behandlung

23.6.2 Psychotherapeutische Maßnahmen

23.6.3 Medikamentöse Behandlung

23.6.4 Prognose

24 Borderline-Persönlichkeitsstörung

24.1 Diagnosestellung im Jugendalter

24.2 Erscheinungsbild der Störung

24.2.1 Beziehungen

24.2.2 Selbstbild

24.2.3 Affekte

24.2.4 Impulsivität

24.3 Diagnostik

24.3.1 Klassifikation

24.3.2 Diagnosestellung

24.4 Prävalenz, Verlauf und Stabilität

24.5 Komorbidität

24.6 Genese

24.6.1 Biologische Faktoren

24.6.2 Psychosoziale Faktoren

24.6.3 Risikofaktoren der eigenen Persönlichkeitsentwicklung

24.6.4 Biopsychosoziale Theorie von Marsha Linehan

24.7 Therapieansätze

24.7.1 Dialektisch-behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A)

24.7.2 Pharmakotherapie

24.7.3 Wirksamkeit

25 Adipositas

25.1 Definition und Diagnosestellung

25.1.1 Übergewicht im Kindes- und Jugendalter

25.2 Prävalenz

25.2.1 Soziale Veränderungen

25.3 Entwicklungsaspekte

25.4 Komorbidität und Folgeerkrankungen

25.4.1 Adipositas als Risikofaktor

25.4.2 Psychosoziale Beeinträchtigung

25.4.3 Psychische Begleiterkrankungen

25.5 Ursachen der Adipositas

25.5.1 Umweltfaktoren

25.5.2 Prädisposition

25.6 Therapie der Adipositas

25.6.1 Therapieprogramme

25.6.2 Andere Maßnahmen

26 Schlafstörungen

26.1 Physiologie und Rhythmik des normalen Schlafs

26.1.1 REM- und NREM-Schlaf

26.1.2 Entwicklung der Schlafarchitektur

26.2 Klassifikation und Epidemiologie

26.3 Diagnostik

26.3.1 Schlafanamnese

26.3.2 Zusatzuntersuchungen

26.4 Dyssomnien

26.4.1 Insomnien

26.4.2 Hypersomnien

26.4.3 Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus

26.5 Parasomnien

26.5.1 Pavor nocturnus

26.5.2 Schlafwandeln

26.5.3 Albträume

26.5.4 Restless-Legs-Syndrom

26.5.5 Andere Parasomnien

26.6 Schlafstörungen bei psychiatrischen Erkrankungen

27 Umschriebene Entwicklungsstörungen

27.1 Einleitung

27.1.1 Klassifikation und Prävalenz

27.2 Umschriebene Entwicklungsstörung des Lesens und Rechtschreibens

27.2.1 Erscheinungsbild und Diagnosestellung

27.2.2 Komorbidität und Verlauf

27.2.3 Genese

27.2.4 Therapie

27.3 Umschriebene Rechenstörung

27.3.1 Erscheinungsbild und Diagnosestellung

27.3.2 Prävalenz

27.3.3 Genese, Langzeitverlauf und Komorbidität

27.3.4 Therapie

27.4 Expressive und rezeptive Sprachstörungen

27.4.1 Erscheinungsbild

27.4.2 Diagnosestellung und Abgrenzung

27.4.3 Komorbidität und Verlauf

27.4.4 Genese

27.4.5 Therapie

27.5 Artikulationsstörung

27.5.1 Erscheinungsbild und Diagnosestellung

27.5.2 Komorbidität und Verlauf

27.5.3 Genese

27.5.4 Therapie

27.6 Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen

27.6.1 Erscheinungsbild und Diagnosestellung

27.6.2 Komorbidität und Verlauf

27.6.3 Genese

27.6.4 Therapie

28 Störungen der Intelligenzentwicklung

28.1 Einleitung

28.2 Definition

28.2.1 Begriff Intelligenz

28.3 Prävalenzraten für mentale Retardierungen

28.4 Diagnostik

28.4.1 Kognitive und sozialemotionale Entwicklung

28.4.2 Klinisch-medizinische Diagnostik

28.5 Ursachen von Störungen der Intelligenzentwicklung

28.5.1 Schädigungen des Zentralnervensystems

28.5.2 Genetik

28.5.3 Angeborene Stoffwechselstörungen

28.5.4 Fehlbildungen des Zentralnervensystems

28.5.5 Spaltbildungen der Mittellinie

28.5.6 Pränatale Ursachen

28.5.7 Traumata in peri- und postnataler Zeit

28.5.8 Mentale Beeinträchtigung aufgrund psychiatrischer Störungen

28.5.9 Exogene Einflüsse

28.5.10 Zerebrale Anfälle

28.5.11 Mentale Retardierung durch Lennox-Gastaut-Syndrom

28.5.12 Infektionen prä-, perinatal, in früher Kindheit

28.6 Therapie

28.6.1 Genetisch bedingte Stoffwechselstörungen

28.6.2 Begleitende Verhaltensauffälligkeiten

Teil IV Spezielle Probleme

29 Suizidalität

29.1 Phänomenologie

29.2 Prävalenz

29.3 Ursachen

29.4 Therapie und Prognose

29.4.1 Therapeutischer Aktivismus

29.4.2 Effektivität

29.5 Prävention

30 Misshandlung, Ablehnung und Vernachlässigung

30.1 Definitionen

30.2 Klassifikation

30.2.1 Kategorie 1: Abnorme intrafamiliäre Beziehungen

30.2.2 Kategorie 4: Abnorme Erziehungsbedingungen

30.2.3 Kategorie 7: Ablehnung außerhalb der Familie

30.3 Erscheinungsbild und Diagnostik

30.3.1 Körperliche Symptome

30.3.2 Psychischer Befund

30.3.3 Beobachtung von Beziehungen

30.4 Genese und Häufigkeit

30.4.1 Misshandlung und gesellschaftliche Schicht

30.4.2 Familiensituation

30.4.3 Häufigkeitsangaben

30.5 Therapieansätze und Prognose

30.5.1 Gesprächsführung

30.5.2 Therapieziele

30.5.3 Rechtliche Schritte

30.5.4 Langfristige Therapieplanung und Behandlungsaufwand

31 Sexueller Missbrauch

31.1 Einleitung und Definition

31.1.1 Definition

31.1.2 Rechtliche Bestimmungen

31.2 Häufigkeit

31.3 Psychische Folgen des sexuellen Missbrauchs

31.3.1 Es gibt kein typisches Missbrauchssyndrom

31.3.2 Kurzfristige Folgen und Langzeitfolgen sowie Moderatorvariablen

31.4 Behandlung und institutioneller Umgang mit der Problematik

31.4.1 Psychotherapie

31.4.2 Institutioneller Umgang

32 Psychische Probleme chronisch kranker Kinder und Jugendlicher

32.1 Definition chronischer Erkrankungen

32.1.1 Asthma

32.1.2 Atopische Dermatitis (Neurodermitis)

32.2 Verbreitung chronischer Erkrankungen

32.3 Relevanz psychischer Faktoren

32.4 Psychische Erkrankungen

32.5 Gesundheitsbezogene Lebensqualität

32.6 Psychische Probleme und Belastungen von Eltern und Geschwisterkindern

32.6.1 Belastungen der Eltern

32.6.2 Belastungen der Geschwister

32.7 Psychotherapeutische Interventionen

32.8 Patientenschulung und -beratung

32.9 Beratungsangebote für Eltern

32.9.1 Erziehungsfragen

Teil V Verhaltenstherapie

33 Klassische Verfahren in der Verhaltenstherapie

33.1 Einleitung

33.2 Prinzipien der Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter

33.3 Die Anwendung lerntheoretischer Grundlagen in der Kinderverhaltenstherapie

33.3.1 Das Paradigma des klassischen Konditionierens bei Angst-, Zwang- und Tic-Störungen

33.3.2 Das Paradigma des operanten Konditionierens bei Störungen des Sozialverhaltens

33.3.3 Das Paradigma des Modelllernens bei Angststörungen

33.3.4 Das Paradigma des kognitiven und sozialen Lernens bei externalisierenden Störungen

33.4 Verhaltenstherapeutische Techniken bei spezifischen psychischen Störungen

34 Kognitive Verfahren im Kindes- und Jugendalter

34.1 Einleitung

34.2 Geschichte und Grundbegriffe der kognitiven Verfahren

34.2.1 Rational-Emotive Therapie: Irrationale Überzeugungen

34.2.2 Kognitive Therapie: automatische Gedanken

34.3 Kognitive Umstrukturierung mit Jugendlichen und Bezugspersonen

34.3.1 Identifikation dysfunktionaler Kognitionen

34.3.2 Disputation von dysfunktionalen Kognitionen im Sokratischen Dialog

34.3.3 Erarbeiten und Verfestigen alternativer Kognitionen

34.4 Kognitive Therapie mit Kindern

34.4.1 Entwicklungspsychologische und familiendynamische Aspekte

34.4.2 Kognitive Verfahren für Kinder

35 Beziehungs- und emotionsorientierte Techniken

35.1 Einleitung

35.2 Innovative Techniken zur Gestaltung der therapeutischen Beziehung

35.2.1 Limited Reparenting: begrenzte elterliche Fürsorge

35.2.2 Diszipliniertes persönliches Einlassen

35.2.3 Motivorientierte Beziehungsgestaltung

35.3 Imaginative Techniken

35.3.1 Direkte Imaginationstechniken

35.3.2 Indirekte imaginative Strategien: achtsamkeitsbasierte Techniken und Programme

36 Systemische Ansätze in der Verhaltenstherapie

36.1 Entwicklung und aktueller Stand der systemischen Therapie

36.1.1 Verschiedene Ansätze

36.1.2 Differenziertes Methodenspektrum

36.1.3 Indikation

36.2 Systemische Therapie und Verhaltenstherapie – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

36.2.1 Gemeinsamkeiten der systemischen Therapie und der Verhaltenstherapie

36.3 Systemische Haltung in der Verhaltenstherapie

36.3.1 Grundhaltung des Therapeuten

36.4 Systemische Methoden in der Verhaltenstherapie

36.4.1 Genogramm

36.4.2 Zirkuläre Fragetechniken

36.4.3 Positives Reframing

36.4.4 Verflüssigung von Eigenschaften

36.4.5 Symptomverschreibung bzw. paradoxe Intervention

36.4.6 Veränderung von Grenzen und Koalitionen

36.4.7 Familienskulpturen

36.5 Systemisch-verhaltenstherapeutisch orientierte Therapiekonzepte

36.5.1 Funktionale Familientherapie

36.5.2 Mutisystemische Therapie

36.6 Ausblick

37 Entspannungsverfahren

37.1 Einleitung

37.2 Autogenes Training

37.3 Imaginative Verfahren

37.4 Progressive Muskelrelaxation

37.4.1 Muskelgruppen

37.4.2 PMR-Training für Kinder

37.5 Andere Verfahren

37.6 Körperhaltung und Übungsbedingungen

37.7 Wirkungen

37.7.1 Psychophysiologische Veränderungen

37.7.2 Paradoxe Empfindungen

37.8 Indikation und Wirksamkeit

37.8.1 Klinischer Bereich

37.8.2 Pädagogischer Bereich

Teil VI Sonstiges

38 Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

38.1 Einleitung

38.2 Kassenzulassung

38.3 Ausbildungsordnung (orientiert am Psychotherapeutengesetz)

38.3.1 Ziele der Ausbildung und staatliche Prüfung

38.3.2 Zulassungsvoraussetzungen zur Ausbildung

38.3.3 Ausbildungsorganisation

38.4 Prüfungsordnung

38.4.1 Zulassung zur Abschlussprüfung

38.4.2 Staatliche Prüfung

38.5 Ausbildungskosten und Finanzierung der Ausbildung

38.5.1 Gesamtkosten

38.5.2 Refinanzierung

38.6 Ausblick

38.7 Ausbildungsinstitute für Psychotherapie

Teil VII Anhang

39 Literatur

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

Teil I Grundlagen

1  Entwicklungspsychologische Grundlagen

2  Entwicklungspsychopathologie und Entwicklungsepidemiologie

3  Probleme der diagnostischen Klassifikation im Kindes- und Jugendalter

1 Entwicklungspsychologische Grundlagen

Eva Maria Krentz

1.1 Einleitung

Das Gebiet der Entwicklungspsychologie befasst sich mit der

Beschreibung, Erklärung, Vorhersage und Beeinflussung

von menschlichem Erleben und Verhalten

unter dem Aspekt der Veränderung über die gesamte Lebensspanne.

Während die Beschreibung, Erklärung, Vorhersage und Beeinflussung von Sachverhalten ganz allgemein Wissenschaft und Forschung ausmachen und das menschliche Erleben und Verhalten Themen der Psychologie sind, bezieht sich der Aspekt der Veränderung über die gesamte Lebensspanne spezifisch auf die Entwicklungspsychologie. Die fundierte Kenntnis über normgerechte Entwicklungsabläufe bei Kindern und Jugendlichen ist eine wichtige Grundlage, um Störungen und Abweichungen erkennen und behandeln zu können.

Es existieren verschiedene Annahmen über den Ablauf von Entwicklungsprozessen. Klassische Modelle sind häufig Phasen- oder Stufenmodelle. Phasenmodelle postulieren ein bestimmtes, in diesem Lebensabschnitt vorherrschendes Thema. Ein typisches Phasenmodell ist das Modell der psychosozialen Entwicklung von Erik Erikson ▶ [493], das in ▶ Tab. 1.1 dargestellt wird. In Stufenmodellen gibt es aufeinander aufbauende Entwicklungsschritte, die auf einen Endzustand hinauslaufen. Auf jeder Stufe wird ein qualitativ neuer Schritt erlernt, es findet also nicht nur kontinuierliches Wachstum statt. Ein typisches Stufenmodell stammt von Piaget ▶ [1439], auf das im Kapitel zur kognitiven Entwicklung näher eingegangen wird.

Tab. 1.1

 Die 8 Phasen der Entwicklung des Menschen nach Erik Erikson

▶ [493]

.

Altersbereich

Krise

Bedeutung

1. Lebensjahr

Vertrauen vs. Misstrauen

Vertrauen durch verlässliche Bezugspersonen

2. und 3. Lebensjahr

Autonomie vs. Scham und Zweifel

Ein gewisses Maß an Autonomie erlangen (auch in Bezug auf die Kontrolle der Ausscheidungen); Scham und Zweifel bei überkontrollierenden Bezugspersonen

4. und 5. Lebensjahr

Initiative vs. Schuldgefühl

Identifikation mit Bezugspersonen; Herausbildung von Gewissen

mittlere Kindheit

Leistung vs. Minderwertigkeitsgefühl

Erfolge erzielen (auch schulisch); Minderwertigkeitsgefühle durch Über- oder Unterschätzung

Jugendalter

Identität vs. Rollenkonfusion

pubertäre Veränderungen; Frage nach dem „Wer bin ich“; Selbstkonzept mit verschiedenen Facetten

Beginn des Erwachsenenalters

Intimität vs. Isolierung

Eingehen von Liebesbeziehungen; Vertiefung von Freundschafen

mittleres Erwachsenenalter

Generativität vs. Stagnation

produktive Wirkung für andere Menschen oder die Gemeinschaft; Interesse an der Erzeugung und Erziehung der nächsten Generation

spätes Erwachsenenalter

Ich-Integrität vs. Verzweiflung

Reflexion über das eigene Leben; Gefühl, Teil einer umfassenden Geschichte zu sein; Akzeptieren der Begrenztheit des menschlichen Lebens

Klassische Phasen- und Stufenmodelle werden der Komplexität der menschlichen Entwicklung nicht gerecht. Moderne interaktive multifaktorielle Ansätze verwenden daher oft einen weiteren Entwicklungsbegriff, der auch Verluste in der Entwicklung berücksichtigt und eine lebenslange Entwicklung postuliert. Zudem werden differenzierte Entwicklungsverläufe betrachtet, die in unterschiedlichen Bereichen stattfinden. Es wird somit Abstand genommen von einem universell gültigen, übergreifenden Entwicklungsmodell.

Bei der Betrachtung von Entwicklungsverläufen ist von besonderem Interesse, wo die Entwicklung kontinuierlich verläuft und wann sprunghafte Veränderungen zu verzeichnen sind. Beim Kontinuitätsbegriff kann zwischen absoluter und relativer Stabilität unterschieden werden. Absolute Stabilität bedeutet Stillstand, beispielsweise wenn kein Körperwachstum stattfindet. Bei relativer Stabilität hingegen behält ein Individuum seine Stellung in der Gruppe in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal. So wächst z.B. ein Kind in dem Ausmaß, in dem andere gleichaltrige Kinder in dem Zeitraum durchschnittlich ebenfalls wachsen.

Eine Gliederung der Inhalte der Entwicklungspsychologie kann nach Lebensalter oder nach Funktionsbereichen erfolgen. Die Einteilung in Altersbereiche ist hilfreich, wenn bei einem Kind oder Jugendlichen der Entwicklungsstand zu einem bestimmten Zeitpunkt beurteilt werden soll. Allerdings ist Lebensalter für sich genommen kein Hauptfaktor der Entwicklung, wie diese Einteilung suggerieren könnte. Forschungsansätze konzentrieren sich häufig auf ausgewählte Funktionsbereiche (z.B. Kognition oder Motorik), wobei jedoch nicht vernachlässigt werden sollte, dass die verschiedenen Bereiche gerade im Kindesalter zusammenhängen. Im Folgenden werden daher zunächst ausgewählte Funktionsbereiche vertieft. Zur Übersicht wird abschließend für jedes Lebensalter zusammenfassend dargelegt, welche Meilensteine der Entwicklung zu verzeichnen sind.

1.2 Entwicklung ausgewählter Funktionsbereiche

Die Entwicklungspsychologie ist ein weites Forschungsgebiet, aus dem einzelne Bereiche hier herausgegriffen und im Überblick dargestellt werden. Eine ausführliche Darstellung findet sich z.B. bei Schneider und Lindenberger ▶ [1662] oder Hasselhorn und Schneider ▶ [790].

1.2.1 Motorische Entwicklung

Die Entwicklung der Grobmotorik verläuft in den ersten beiden Lebensjahren – vereinfacht ausgedrückt – vom Kopf (Kopfkontrolle) zu den Füßen (Laufenlernen). Das Kind ist durch die zunehmenden motorischen Fähigkeiten immer besser in der Lage, seine Umwelt zu explorieren und sich in ihr fortzubewegen. In den ersten Lebensmonaten lernt ein Säugling, seinen Kopf zu heben und ihn frei zu bewegen. So kann er sich Objekten zu- oder von ihnen abwenden. Das freie Sitzen ist ein weiterer bedeutender Schritt, der im Durchschnitt mit 6 Monaten erreicht wird ▶ [1974]. Der Säugling kann im Sitzen seine Umgebung überblicken und hat – anders als in der aufgestützten Bauchlage – gleichzeitig seine Hände zum Explorieren frei. Nach dem Robben und Krabbeln als erste Fortbewegungsmöglichkeiten erlernen Kinder im Durchschnitt im Alter von 12 Monaten das Laufen▶ [1974].

Die motorische Entwicklung ist nicht abgeschlossen, wenn Kinder laufen können. Die Bewegungsabläufe werden in den folgenden Jahren zunehmend koordinierter und ermöglichen weitere Fortbewegungsmöglichkeiten, wie z.B. auf einem Bein hüpfen, klettern oder Fahrrad fahren. Auch die Feinmotorik, die eine Koordination von Händen und Fingern in Abstimmung mit den Augen erfordert, entwickelt sich weiter. Kindergarten- und Vorschulkinder verzeichnen Fortschritte beim Ausschneiden mit der Schere, beim Zeichnen von Formen und Linien oder beim Auf- und Zuknöpfen ihrer Kleidung.

Beim Erreichen der motorischen Meilensteine gibt es eine zum Teil erhebliche Altersvarianz. Einige Kinder machen ihre ersten Schritte bereits mit 9 Monaten, andere mit 16 Monaten oder später ▶ [1974]. Die Entwicklungsspannen sind dementsprechend groß. Zur Klärung der Frage nach einer umschrieben motorischen oder globalen Entwicklungsverzögerung sollten der Gesamtentwicklungsstand berücksichtigt und eine ausführliche Diagnostik durchgeführt werden.

1.2.2 Sprachentwicklung

Sprache ermöglicht es uns, Gedanken, Gefühle und Wissen auszudrücken und zu kommunizieren. In der Sprachentwicklung geht die rezeptive Fähigkeit, also das Sprachverständnis, der produktiven Fähigkeit voraus. Bereits Neugeborene bevorzugen menschliche Stimmen und die eigene Muttersprache. Sehr früh schon können Säuglinge auch Laute und Lautsequenzen unterscheiden ▶ [1804]. Methoden der Säuglingsforschung, die zu diesem Befund geführt haben, verwenden beispielsweise Messungen der Saugfrequenz. Bei dieser Methode steigt parallel zur Präsentation eines neuen (auditiven) Reizes die Saugrate zunächst sprunghaft an. Bei wiederholter Präsentation desselben Reizes sinkt die Saugrate dann langsam wieder ab. Wird die Silbe „ba“ so lange präsentiert, bis ein Nachlassen der Saugrate erfolgt, dann zeigt ein Wiederanstieg in der Saugrate bei Erklingen der Silbe „pa“, dass der Säugling zwischen den Silben unterscheiden kann ▶ [1804].

Im ersten Lebensjahr ist die Sprachproduktion noch relativ begrenzt. Mit ½ bis ¾ Jahr beginnen Säuglinge zunehmend Konsonant-Vokal-Verbindungen zu produzieren. Im Alter von ungefähr 1 Jahr verwenden Kinder dann erste Wörter gezielt. Der rezeptive Wortschatz wird zu diesem Zeitpunkt auf 60 Wörter geschätzt ▶ [1909]. Verwenden Kinder um die 50 Wörter produktiv, was im Alter von durchschnittlich 1½ Jahren der Fall ist, setzt eine Benennungsexplosion ein (auch Wortschatzspurt genannt). Das Kind lernt dann durchschnittlich 9 neue Wörter pro Tag ▶ [1909]. In etwa zum selben Zeitpunkt werden auch erste Wortkombinationen gebildet, womit die Entwicklung einer Grammatik beginnt. Zunächst finden sich noch typische Fehler, wie das Auslassen von Funktionswörtern, sodass die Sprache telegrafisch wirkt. Im 3. Lebensjahr lernen Kinder v.a. grundlegende Satzbaupläne und morphologische Paradigmen. Mit 4 Jahren haben die meisten Kinder die wichtigsten Satzkonstruktionen gelernt ▶ [1909]. In den folgenden Jahren werden dann immer komplexere Satzgefüge beherrscht.

Wie bei der motorischen Entwicklung gibt es auch bei der Sprachentwicklung eine hohe Altersvarianz. Eine Sprachproduktion von weniger als 50 Wörtern im Alter von 24 Monaten gilt als Risikofaktor für den weiteren Spracherwerb (magische 50-Wort-Grenze; ▶ [740]). Allerdings holt ungefähr die Hälfte dieser Kinder den Rückstand teilweise oder ganz wieder auf ▶ [1909].

1.2.3 Kognitive Entwicklung

Neben der klassischen Theorie von Piaget zur Entwicklung des Denkens wird auf 2 aktuellere Ansätze eingegangen. Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung des Denkens findet sich beispielsweise bei Schneider und Sodian ▶ [1660].

1.2.3.1 Stadientheorie geistiger Entwicklung nach Piaget

Von Jean Piaget wurde eine umfassende Theorie zur Entwicklung des Denkens entwickelt, welche die weitere Forschung zur kognitiven Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Seine bekannte Stadientheorie geistiger Entwicklung beinhaltet eine unveränderliche Sequenz von Entwicklungsschritten, bei der das Denken auf jeder Stufe eine geordnete Gesamtstruktur hat und jeder weitere Schritt auf dem vorangegangenen aufbaut ▶ [1439]. Die Entwicklung wird dabei vorangetrieben vom Zusammenspiel zweier Prozesse: Assimilation und Akkomodation. Assimilation bedeutet die Integration von Neuem in bestehende Schemata, also Verhaltens- und Denkmuster. Ein Säugling assimiliert beispielsweise sein Saugschema von der Brust an den Daumen ▶ [1439]. Bei der Akkomodation werden mentale Strukturen an neue Umweltanforderungen angepasst. Akkomodation findet statt, wenn der Säugling sein Saugverhalten so ändert, dass es für den Daumen besser passt. Die Stadien der Entwicklung des Denkens nach Piaget sind in ▶ Tab. 1.2 dargestellt.

Tab. 1.2

 Stadienmodellgeistiger Entwicklung nach Jean Piaget.

Alter

Stadium

Inhalt

0–2 Jahre

sensumotorisch

handlungsgebunden, nicht symbolisch, sensumotorische Schemata (z.B. Saugschema)

2–7 Jahre

präoperational

Symbolgebrauch, noch an unmittelbare konkrete Reize gebunden, Repräsentation von Zuständen und nicht von Operationen

7–11 Jahre

konkret-operational

Operation mit konkreten Objekten in der Vorstellung, jedoch noch keine Abstraktion, Denken noch stark von der direkten Wahrnehmung beeinflusst

>11 Jahre

formal-operational

abstraktes und hypothetisches Denken

Sensumotorische Intelligenz

Im Stadium der sensumotorischen Intelligenz, das die ersten beiden Lebensjahre umfasst, spielen Erfahrungen mit den Sinnesorganen und der Motorik eine Rolle. Im Unterschied zu den nachfolgenden Stadien ist das Denken ausschließlich handlungsgebunden. Schon im 1. Lebensmonat modifiziert ein Neugeborenes angeborene Reflexe. Es passt beispielsweise sein Saugverhalten an, je nachdem, woran es saugt. In den nächsten Lebensmonaten beginnt ein Säugling, Handlungen zu wiederholen (primäre Zirkulär- oder Kreisreaktion) und einfache Handlungen zu kombinieren, wie beispielsweise Schauen und Kopf drehen.

Im Alter von etwa 4 Monaten findet ein wichtiger Entwicklungsschritt statt. Der Säugling entdeckt, dass er Effekte in der Umwelt hervorrufen kann, beispielsweise durch das Schütteln einer Rassel ein Geräusch(sekundäre Zirkulär- oder Kreisreaktion). Ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt ist das Erlangen der Objektpermanenz im Alter von etwa 8 Monaten. Verschwindet ein Objekt aus dem Sichtfeld, beginnt ein Kind, es zu suchen. Daraus folgerte Piaget, dass der Säugling nun weiß, dass Gegenstände weiterexistieren, wenn sie aus dem Blickfeld verschwinden. Mit etwa 1 Jahr fangen Kinder an, aktiv zu experimentieren. Sie werfen beispielsweise auf unterschiedliche Art und Weise einen Ball und beobachten den Effekt(tertiäre Zirkulär- oder Kreisreaktion). Auch verwenden sie neue Mittel, um an ihr Ziel zu kommen.

Mit 1½ Jahren beginnt der Übergang zur 2. Stufe mit dem Beginn symbolisch-repräsentationalen Denkens. Beobachtbar ist dies daran, dass Kinder mit zeitlicher Verzögerung Handlungsweisen imitieren, die sie mental repräsentiert haben. Ebenfalls beginnen Symbolspiele (indem etwa ein Bauklotz als Auto benutzt wird) und die Verwendung von Sprache.

Präoperationales Stadium

Das präoperationale Stadium umfasst den Altersbereich von 2–7 Jahren. Eine Operation ist nach Piaget eine Handlung, die in der mentalen Repräsentation durchgeführt und verändert werden kann. Zwar sind Kinder im 2. Stadium bereits dazu fähig, sich eine Handlung gedanklich vorzustellen. Jedoch können sie nur sehr eingeschränkt mit ihr operieren, was zu typischen Fehlern führt. Das lässt sich an folgendem Experiment erläutern: Werden 2 gleich große Becher Wasser mit exakt derselben Wassermenge in jeweils ein breites und ein schmales Glas umgeschüttet, antworten Kinder im präoperationalen Stadium häufig, dass die Wassermenge nach dem Umschütten in einem Glas mehr sei als in dem anderen. Sie zentrieren auf einen augenfälligen Aspekt, z.B. Höhe des Wasserstands(mangelnde Fähigkeit zur Dezentrierung). Im präoperationalen Stadium sind Kinder noch nicht dazu in der Lage, in der Vorstellung zurückzugehen und zu bedenken, dass in der Ausgangssituation die Wassermenge gleich war(mangelnde Fähigkeit zur Reversibilität). Auch wissen sie noch nicht, dass Masse bei Formveränderung erhalten bleibt (fehlendes Erhaltungs- oder Invarianzkonzept).

Konkret-operationales Stadium

Die Denkfehler, die für das präoperationale Stadium so bezeichnend sind, werden im konkret-operationalen Stadium überwunden. Kinder in diesem Stadium, das den Altersbereich von 7–11 Jahren umfasst, sind zu Reversibilität und Dezentrierung in der Lage und verfügen über ein Erhaltungs- bzw. Invarianzkonzept. Darüber hinaus wird der Egozentrismus überwunden, sodass sich Kinder nun in andere Personen hineinversetzen können. Sie gehen nicht mehr davon aus, dass alle denken und fühlen wie sie selbst oder dass Gegenstände wie sie selbst belebt sind (Animismus).

Eine weitere Fähigkeit dieses Stadiums ist es, Objekte nach einem Merkmal in eine aufsteigende Reihenfolge zu bringen (Seriation) oder entsprechend eines Merkmals zu sortieren (Klassifikation). Auch wissen Kinder im konkret-operationalen Stadium, dass eine Klasse andere Klassen beinhalten kann – wie z.B. die Oberkategorie Lebensmittel die Klassen Obst und Milchprodukte umfasst (Klasseninklusion).

Formal-operationales Stadium

Das formal-operationale Stadium beginnt mit etwa 11 Jahren und ist durch die Fähigkeit zu abstraktem und hypothetischem Denken gekennzeichnet. Jugendliche in diesem Stadium sind beispielsweise zu hypothetisch-deduktivem Denken in der Lage. Um herauszufinden, welche Variable einen Effekt bedingt, variieren sie eine Variable und halten die anderen Variablen konstant. Denkoperationen erweitern sich auf abstrakte, nicht mehr konkret beobachtbare Inhalte. Eine weitere Kompetenz des formal-operationalen Stadiums ist die Fähigkeit, eine Metaebene einzunehmen.

Mittlerweile ist durch zahlreiche Studien belegt, dass Kinder und Jugendliche über viele Kompetenzen schon früher verfügen, als von Piaget postuliert wurde. Die Verhaltensbeobachtungen und Experimente, die von Piaget und Kollegen zur Entwicklung und Überprüfung durchgeführt wurden, sind relativ anspruchsvoll. Sie setzen voraus, dass Wissen bereits in Handlung umgesetzt wird und die dafür erforderlichen motorischen, verbalen und kognitiven Fähigkeiten vorhanden sind.

1.2.3.2 Domänenspezifisches Wissen

Säuglinge verfügen nur über begrenzte Mittel, um sich mitzuteilen und wurden daher lange Zeit unterschätzt. Moderne Methoden der Säuglingsforschung haben zu einem Bild des kompetenten Säuglings beigetragen. In Kap. (Sprachentwicklung) wurde bereits auf die Erfassung von Saugfrequenzen eingegangen. Darüber hinaus kommen auch Blickzeitmessungen in der Säuglingsforschung zum Einsatz. Ist ein Reiz für einen Säugling neu oder unerwartet, blickt er ihn länger an. Nach wiederholter Präsentation sinkt die Fixationsdauer ab, d.h. der Säugling habituiert. So lässt sich nicht nur prüfen, ob ein Säugling zwischen 2 Reizen unterscheiden kann, sondern auch, ob ein Ereignis für ihn erwartungswidrig ist.

Erstaunlich frühe Kompetenzen

Studien mit diesen Methoden zeigen erstaunlich frühe Kompetenzen v.a. in 4 Bereichen ▶ [1734]:

Wissen über grundlegende physikalische Eigenschaften von Objekten,

Wissen über Lebewesen und zielgerichtete Verhaltensweisen,

numerisches Wissen,

räumliches Wissen.

Kenntnisse in diesen Bereichen helfen bei der Orientierung in der Welt und im Umgang mit den zum Überleben wichtigen Bezugspersonen. Aufgrund des frühen und schnellen Erwerbs gehen Vertreter der Kernwissensthese davon aus, dass Neugeborene bereits die Veranlagung haben, in ausgewählten Bereichen sehr schnell Kompetenzen zu erwerben, weil es evolutionär von Vorteil war und unser Überleben sicherte ▶ [1734].

Ein wichtiger Befund aus dem Bereich physikalischen Verständnisses betrifft die Objektpermanenz. Eine Reihe von Studien zeigt, dass Säuglinge schon ab einem Alter von 2½ Monaten davon ausgehen, dass Objekte weiterexistieren, wenn sie aus dem Sichtfeld verschwinden ▶ [90]. Das ist früher als von Piaget angenommen. Auch haben Säuglinge mental repräsentiert, dass Objekte sich als zusammenhängende Einheiten kontinuierlich durch den Raum bewegen und andere Objekte nur durch einen Kontakt beeinflussen ▶ [1734]. Studien zum numerischen Wissen zeigen, dass Kinder schon im 1. Lebensjahr Mengen bis zu 3 oder 4 Elementen nach ihrer Anzahl unterscheiden und bei dieser kleinen Menge addieren und subtrahieren können. Größere Mengen erfassen sie näherungsweise, d.h. Mengenverhältnisse von zunächst 1 : 2 und später auch von 2 : 3 ▶ [1725].

1.2.3.3 Informationsverarbeitungsansätze

Während die Theorien domänenspezifischen Wissens auf bestimmte Bereiche fokussieren, beschäftigen sich Informationsverarbeitungsansätze mit allgemeinen Mechanismen menschlichen Denkens. Studien aus diesem breiten Forschungsfeld zu kognitiven Strukturen und Prozessen deuten auf eine stetige Steigerung der Effizienz der Informationsverarbeitung im Verlauf der Kindheit hin, sodass immer mehr Informationen in immer kürzerer Zeit verarbeitet werden können ▶ [1725].

Nach Case besteht die mentale Gesamtkapazität aus Speicherkapazität (also der Speicherung von Informationen) und operationaler Kapazität, also der Ausführung mentaler Operationen ▶ [303]. Bei jüngeren Kindern werden mehr Ressourcen für die Ausführung mentaler Operationen benötigt, wodurch weniger Speicherkapazität zur Verfügung steht. Mit zunehmender Übung verringern sich die für mentale Operationen benötigten Ressourcen, wodurch die Speicherkapazität steigt.

Nicht nur die Informationsverarbeitungskapazität und -geschwindigkeit nimmt im Verlauf der Kindheit zu, auch die Anwendung von immer effektiveren Strategien trägt zu einer besseren Performanz in Denkaufgaben bei. Nach dem Modell sich überlappender Wellen von Siegler ▶ [1705] verfügen Kinder über ein Repertoire an verschiedenen Strategien zur Lösung von Aufgaben. Wird eine bessere Strategie gelernt, löst diese nicht sofort die bisherigen Strategien ab, sondern wird zunächst parallel angewandt. Erst mit der Zeit werden die besseren Strategien häufiger eingesetzt und setzen sich schließlich durch.

1.2.4 Theory of Mind: intuitive Psychologie

Nach der Theorie von Piaget wird Egozentrismus im konkret-operationalen Stadium überwunden. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass Kinder bei vereinfachten Aufgabenbedingungen schon früher zu visueller Perspektivübernahme in der Lage sind. Bereits 2-jährige Kinder verstehen, dass andere Personen etwas sehen können, was sie selbst nicht sehen und vice versa. Mit 4–5 Jahren begreifen Kinder, dass Gegenstände aus unterschiedlichen Blickrichtungen anders aussehen ▶ [600].

Über diese Form der visuellen Perspektivübernahme hinaus geht das Konzept der „Theory of Mind“, d.h. der intuitiven Psychologie. Hierunter wird die Fähigkeit verstanden, psychische Zustände bei sich selbst und anderen zu verstehen und basierend auf diesem Wissen zukünftige Handlungsweisen voraussagen zu können. Dabei entwickelt sich das Verständnis von Gefühlen, Absichten und Wünschen früher als das Verständnis von Wissen und Überzeugungen ▶ [1724].

Das Verständnis von Gefühlen anderer Personen und damit empathisches Verhalten hängt mit der Fähigkeit zur Selbstreferenz zusammen, die sich im Alter von ungefähr 18 Monaten entwickelt ▶ [185]. Beim sog. Rouge-Test erkennen Kinder ab diesem Alter im Spiegel, wenn ihnen unbemerkt ein Farbfleck auf das Gesicht gemacht wurde und fassen sich an ihr eigenes Gesicht. Interpretiert wird dieses Verhalten dahingehend, dass Kinder zwischen sich selbst und ihrer Repräsentation unterscheiden können, was wichtig für die Selbstkonzeptentwicklung ist. Zeitgleich entwickeln Kinder die Fähigkeit, zwischen eigenen Wünschen, Absichten und Gefühlen und denen anderer Personen zu unterscheiden ▶ [1725].

Unter einer Theory of Mind im engeren Sinne wird jedoch die Fähigkeit verstanden, Annahmen über Wissen und Überzeugungen anderer Personen zu machen. Dabei ist v.a. das Verständnis falscher Überzeugungen (False Belief) von Relevanz. Ein klassisches Experiment hierzu stammt von Wimmer und Perner ▶ [1946] und verwendet folgende Geschichte (hier gekürzt):

Maxi legt eine Tafel Schokolade in den blauen Schrank. Während er draußen auf dem Spielplatz ist, holt die Mutter die Schokolade aus dem blauen Schrank und legt sie in den grünen Schrank. Wo sucht Maxi die Schokolade, wenn er vom Spielplatz kommt?

3-jährige Kinder antworten zumeist, dass Maxi im grünen Schrank suchen wird. Sie gehen davon aus, dass Maxi weiß, was sie selbst wissen. Viele 4-jährige Kinder verstehen bereits, dass Maxi einen anderen Wissensstand hat als sie selbst und antworten richtig.

Dauerhafte Defizite in der Theory of Mind finden sich bei Personen mit Autismus▶ [1995].

1.2.5 Bindung

Gemäß der Bindungstheorie, die von John Bowlby begründet wurde, hat jeder Mensch das Bedürfnis nach einer engen, von intensiven Gefühlen geprägten Beziehung zu anderen Menschen. Bindung ist von evolutionärer Bedeutung, weil sie unser Überleben sichert. Dabei wird von 2 komplementären Verhaltenssystemen ausgegangen: In Sicherheit überwiegt Erkundungsverhalten, droht jedoch Gefahr, wird das Bindungssystem aktiviert und Schutz bei Bezugspersonen gesucht ▶ [233].

Das Bindungsverhalten kann im Alter von 12–18 Monaten mit dem Fremde-Situations-Test erfasst werden, der von Mary Ainsworth entwickelt wurde ▶ [5]. Dabei werden Trennungs- und Wiedervereinigungssituationen inszeniert. Das Verhalten des Kindes bei An- und Abwesenheit der Bezugsperson wird beobachtet und in Bindungskategorien eingeordnet, die in ▶ Tab. 1.3 dargestellt sind.

Tab. 1.3

 Muster der Bindungsorganisation.

Typ

Bindungskategorie

Verhaltensmuster

B

sicher

Nähe und Distanz werden angemessen reguliert; kurze Irritation bei Trennung, schnelle Beruhigung bei Wiedervereinigung

A

unsicher-vermeidend

Pseudounauffälligkeit; kaum Irritation bei Trennung, wenig Reaktion bei Wiedervereinigung; jedoch Hinweis auf Stress durch hohen Kortisolspiegel

C

unsicher-ambivalent

widersprüchlich; starke Reaktion bei Trennung, ambivalentes Verhalten bei Wiedervereinigung: anklammernd und abweisend

D

desorganisiert

bizarre Verhaltensweisen wie stereotype Bewegungen oder Erstarren; Mischformen der anderen Kategorien

Merke

Bedeutung von Feinfühligkeit

Die Feinfühligkeit der Bezugsperson hängt mit einer sicheren Bindung des Kindes zusammen. Feinfühligkeit bedeutet, dass die Bezugsperson Bedürfnisse des Säuglings wahrnimmt und richtig interpretiert sowie angemessen und prompt darauf reagiert. Kinder mit sicherer Bindung weisen im Vergleich zu Kindern mit unsicherer oder desorganisierter Bindung im weiteren Lebensverlauf eine geringere Psychopathologie auf. Sie zeigen eine höhere Sozialkompetenz und eine bessere Emotionsregulation▶ [1732].

1.2.5.1 Entwicklung von Bindung in 4 Phasen

Die Entwicklung von Bindung erfolgt in 4 Phasen ▶ [5]:

ab Geburt für einige Wochen „Initial Preattachment Phase“: noch keine Bindung an eine spezifische Person;

ab ca. 6 Wochen „Phase of Attachment-in-the-Making“: eine immer engere personenbezogene Bindung beginnend mit dem 1. personenbezogenen Lächeln;

ab der 2. Hälfte des 1. Lebensjahrs „Phase of Clear-cut Attachment“: beginnend mit der Möglichkeit zur Fortbewegung (z.B. durch Robben oder Krabbeln) sowie der Objektpermanenz im Sinne von Piaget: Regulation von Nähe und Entfernung;

ab dem Ende des 3. Lebensjahrs „Goal-corrected Partnership“: Verhandeln von emotionalen Erwartungen und Wünschen.

Auch wenn die größten Entwicklungen in den ersten Lebensjahren stattfinden, so sind später immer noch Veränderungen möglich, v.a. durch neue Erfahrungen. Im Erwachsenenalter ist der Bindungstyp jedoch relativ konstant. Kinder haben oft dieselbe Bindungskategorie wie ihre Eltern ▶ [1732].

1.3 Entwicklung im Altersverlauf

Bei dieser Übersicht werden die wichtigsten Punkte aus den Funktionsbereichen wiederholt und um neue Inhalte ergänzt.

1.3.1 Säuglings- und Kleinkindalter (0–2 Jahre)

In den ersten 2 Lebensjahren finden wichtige Entwicklungsschritte statt. Schon Neugeborene sind nicht ausschließlich von Reflexen gesteuerte, hilflose Wesen. Sie weisen eine Reihe von Kompetenzen auf oder erwerben diese schnell. So betrachten Neugeborene schon kurz nach der Geburt bevorzugt gesichterartige Stimuli (Gesichterpräferenz).

Merke

Entwicklung in den ersten 2 Lebensjahren

Die wichtigsten Meilensteine der Entwicklung (alle Altersangaben weisen eine hohe Varianz auf):

motorische Entwicklung: freies Sitzen mit durchschnittlich 6 Monaten, Laufen mit durchschnittlich 12 Monaten;

Sprachentwicklung: erste Wörter mit ca. 1 Jahr, Einsetzen des Wortschatzspurtes bei 50 Wörtern mit ca. 18 Monaten;

kognitive Entwicklung: sensumotorische Intelligenz nach Piaget; Objektpermanenz (aktives Suchen nach einem verdeckten Objekt) mit ca. 8 Monaten, beginnendes Symbolspiel mit ca. 18 Monaten;

wichtige Phase der Bindungsentwicklung;

Fähigkeit zur Selbstreferenz mit ca. 18 Monaten (Rouge-Test).

Etwa mit 8 Monaten beginnen Kinder, sich am emotionalen Gesichtsausdruck der Bezugsperson zu orientieren, wenn sie mit neuen Objekten oder Situationen konfrontiert werden (Social Referencing). Auch sind Kinder ab 8 Monaten zu geteilter Aufmerksamkeit in der Lage (Joint Attention), was bedeutet, dass sie sich mit einer anderen Person auf einen Gegenstand in der Umwelt beziehen.

1.3.2 Frühe Kindheit (3–6 Jahre)

Die meisten Kinder in diesem Altersabschnitt besuchen einen Kindergarten und machen vielfältige soziale Erfahrungen auch außerhalb des Familienkreises. Kooperative Spielformen werden häufiger und haben einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung von sozial kompetentem Verhalten.

Merke

Entwicklung in der frühen Kindheit (3–6 Jahre)

Entwicklung in den verschiedenen Funktionsbereichen:

motorische Entwicklung: hohes motorisches Aktivitätsniveau, Bewegungsabläufe immer komplexer und koordinierter (z.B. Schuhe binden, Fahrrad fahren);

Sprachentwicklung: mit 3 Jahren zunehmender Gebrauch von Funktionswörtern wie Artikeln und Präpositionen, mit 4 Jahren oftmals bereits Beherrschung der wichtigsten Satzkonstruktionen;

kognitive Entwicklung: präoperationales Denken nach Piaget; Handlungen können mental repräsentiert werden, sind aber noch unflexibel;

Bindung: zielkorrigierte Partnerschaft, Abstimmen von Bedürfnissen; internes Arbeitsmodell mit überdauernden Erwartungen, basierend auf früheren Bindungserfahrungen;

Theory of Mind: Verständnis von Wissen und Überzeugungen beginnend im Altersbereich von 3–4 Jahren.

Um das 7. Lebensjahr wird ein Großteil der Kinder eingeschult. Die Einschulung kann als Entwicklungsaufgabe betrachtet werden, sie ist vorhersehbar und normativ. Nicht normative Ereignisse wie der Tod eines Elternteils werden hingegen als kritische Lebensereignisse bezeichnet.

1.3.3 Mittlere Kindheit (7–11 Jahre)

Mit dem Schuleintritt sind vielfältige Veränderungen verbunden. Kinder lernen nun gezielt die Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Leistungsbewertungen beeinflussen das Selbstkonzept, wobei sich Kinder nach Schuleintritt zunächst noch häufig überschätzen. Erst im 2. bis 3. Schuljahr passt sich die Selbsteinschätzung der Leistungsbewertung der Lehrer an ▶ [778]. Im Grundschulalter wird das Selbstkonzept zudem differenzierter und umfassender, es beinhaltet Facetten wie schulische Kompetenzen, soziale Kompetenzen, sportliche Kompetenzen und äußerliches Erscheinungsbild ▶ [785]. Darüber hinaus erwerben Kinder die Fähigkeit, sich selbst aus dem Blick anderer Personen zu reflektieren (Fähigkeit zur reziproken Perspektivübernahme).

Merke

Kompetenzen im Alter von 7–11 Jahren

Nach Piaget sind Kinder im Schulalter zu konkret-operationalem Denken in der Lage. Wichtige Kompetenzen sind:

Fähigkeit zur Dezentrierung: nicht mehr den augenfälligsten Aspekt am stärksten bewerten, Irrtümer der Wahrnehmung korrigieren, mehrere Aspekte einer Situation einbeziehen;

Fähigkeit zur Reversibilität: eine Handlung oder einen Vorgang in Gedanken zurückgehen;

Erhaltungs- bzw. Invarianzkonzept: erkennen, dass die Masse bzw. Anzahl konstant bleibt, wenn nur die Form verändert und nichts hinzugefügt oder weggenommen wird;

Seriation und Klassifikation: Objekte nach Merkmalen sortieren.

Die verbesserte Leistung in Denkaufgaben führen Vertreter des Informationsverarbeitungsansatzes auf die Erhöhung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und die Verbesserung der Gedächtnisleistung zurück. Weil weniger Ressourcen für die Ausführung mentaler Operationen benötigt wird, steigt die Speicherkapazität ▶ [303]. Kinder wenden im Verlauf des Schulalters zudem effizientere Strategien an, wie beispielsweise den Einsatz externer Gedächtnishilfen (Liste schreiben) oder das Herstellen einer Assoziation zwischen Objekten, die sich das Kind merken soll („Eselsbrücke“).

1.3.4 Jugendalter (ab 12 Jahren)

In der Jugend vollzieht sich der Übergang vom Kind zum Erwachsenen. Dieser Lebensabschnitt ist somit geprägt von vielfältigen Entwicklungen, von denen hier 3 Bereiche aufgegriffen werden: geistige, körperliche und soziale Veränderungen. Für eine ausführlichere Darstellung sei beispielsweise auf Silbereisen und Hasselhorn ▶ [1706] verwiesen.

1.3.4.1 Geistige Entwicklung

Aussagenlogische Operationen

Bei der geistigen Entwicklung beginnt nach Piaget die Periode aussagenlogischer oder formaler Operationen, die auf den konkreten Operationen aufbaut und die höchste Stufe menschlichen Denkens darstellt. Nicht alle Jugendlichen erreichen diese Stufe. Wer sie erreicht, ist dazu in der Lage, Hypothesen aufzustellen, diese systematisch zu überprüfen und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Kritische Hinterfragung von Erkenntnisprozessen

Eine weitere Kompetenz dieser Stufe ist es, eine Metaebene einzunehmen und beispielsweise Erkenntnisprozesse kritisch zu hinterfragen. Neuere Befunde stützen die Annahme solcher Fortschritte in der geistigen Entwicklung von Jugendlichen, indem sie eine Verbesserung des metakognitiven und abstrakten Denkens sowie eine Zunahme deduktiven Denkens zeigen ▶ [1707]. Im scheinbaren Widerspruch zur wachsenden Fähigkeit zum logischen Denken steht das oft unbedacht wirkende Risikoverhalten vieler Jugendlicher. Möglicherweise gibt es dabei einen Zusammenhang mit einer Verringerung der Reizzufuhr in den mesokortikalen Gehirnstrukturen ▶ [1707]. Jugendliche suchen daher nach neuen Erlebnissen mit starken Reizen, die sie als belohnend erleben.

1.3.4.2 Körperliche Entwicklung

Längenwachstum und die Reifung der Geschlechtsorgane

Bei den körperlichen Entwicklungen sind v.a. das Längenwachstum und die Reifung der Geschlechtsorgane zu nennen. Beides setzt bei Mädchen etwa 2 Jahre früher ein als bei Jungen. Ein Wachstumsschub ist bei Mädchen um das 12. Lebensjahr und bei Jungen um das 14. Lebensjahr zu verzeichnen. Die endgültige Körpergröße haben Mädchen mit ca. 16 und Jungen mit ca. 18 Jahren erreicht ▶ [1707]. Bei Mädchen beginnt die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale mit dem Brustwachstum und der Schamhaarbildung. Die erste Regelblutung (Menarche) findet im Mittel mit knapp 13 Jahren statt ▶ [966]. Bei Jungen setzt die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale mit dem Wachsen von Hoden, Penis und Schambehaarung ein. Später folgen der Stimmbruch und der erste Samenerguss (Spermarche).

1.3.4.3 Soziale Entwicklung

Zunehmende Bedeutung der Peergroup

Bei der sozialen Entwicklung zeigt sich eine Zunahme an Zeit, die mit der Peergroup, den gleichaltrigen Jugendlichen, verbracht wird. Die Eltern bleiben bedeutsam, auch wenn es bedingt durch die wachsende Autonomie vermehrt zu Konflikten – teilweise mit hoher emotionaler Intensität – kommt. Bei den engen Freundschaften steigen Offenheit und wechselseitige Unterstützung ▶ [1707]. Es beginnen erste romantische Beziehungen, wobei es in Bezug auf den Zeitpunkt und die Gestaltung hohe interindividuelle Unterschiede gibt. Die meisten Jugendlichen entwickeln erste sexuelle Kontakte im Alter zwischen 14 und 17 Jahren ▶ [281].

Prüfungsfragen

Welche psychosozialen Krisen treten nach Erik Erikson in welchem Altersbereich auf?

Erläutern Sie den Unterschied zwischen absoluter und relativer Stabilität.

Was wird in der Sprachentwicklung unter einer Benennungsexplosion bzw. einem Wortschatzspurt verstanden und wann setzt dieser Entwicklungsschritt ein?

Nennen Sie die Stufen der kognitiven Entwicklung nach Piaget und erläutern Sie diese.

Welche Methoden werden in der modernen Säuglingsforschung verwendet und welche frühen Kompetenzen konnten mit diesen Methoden aufgezeigt werden?

Was wird unter einer Theory of Mind verstanden und in welchen Altersbereichen vollziehen sich diesbezüglich wichtige Entwicklungsschritte?

Welche Bindungstypen werden anhand welcher Verhaltensbeobachtungen unterschieden?

Wie entwickelt sich Bindung im Verlauf der Kindheit?

Welche Entwicklungsschritte sind im Säuglings- und Kleinkindalter, in der frühen und mittleren Kindheit und im Jugendalter zu verzeichnen?

2 Entwicklungspsychopathologie und Entwicklungsepidemiologie

Wolfgang Ihle, Tom Frenzel und Günter Esser

2.1 Einleitung

In den 1980er-Jahren forderten Sroufe und Rutter ▶ [1740] die Einführung der neuen Wissenschaftsdisziplin Entwicklungspsychopathologie.

Definition

Entwicklungspsychopathologie

Sroufe und Rutter [67] definierten Entwicklungspsychopathologie als

„die Untersuchung der Ursachen und des Verlaufs individueller Muster fehlangepassten Verhaltens, unabhängig vom Alter bei Störungsbeginn, von den Ursachen, den Erscheinungsformen und der Komplexität der Entstehungsgeschichte“.

Für ein tieferes Verständnis pathologischer Entwicklung sind eingehende Kenntnisse der normalen Entwicklung unabdingbar (▶ [325], ▶ [328]). Gleichzeitig können Erkenntnisse der Psychopathologie zu einem besseren Verständnis der normalen Entwicklung beitragen ▶ [1740]. Wir vertreten außerdem die Auffassung, dass eine Synthese relevanter Bereiche psychologischer und medizinischer Forschung am ehesten zu einem besseren Verständnis normaler und gestörter Entwicklung beitragen kann und aus diesem Grund unerlässlich ist. Hierzu können v.a. Erkenntnisse aus den Bereichen der klinischen Psychologie, der Entwicklungspsychologie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie herangezogen werden. Verbindet man diese mit epidemiologischen Methoden, werden effiziente Strategien der Diagnostik und v.a. der Vorhersage devianten Erlebens und Verhaltens möglich.

In der folgenden Aufzählung sind die wesentlichen Ziele der Entwicklungspsychopathologie zusammengefasst:

Untersuchung des normalen und abweichenden Entwicklungsverlaufs,

Suche nach biologischen, psychologischen und sozialen Ursachen von Störungen,

Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren, Vulnerabilität und Resilienz,

prospektive Betrachtung abweichenden Verhaltens (Kontinuität, Diskontinuität, Entwicklungspfade).

Hierauf aufbauend befasst sich eine zeitgemäße klinische Psychologie/Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters mit der Entwicklung und Erprobung evidenzbasierter Präventions- und Interventionsansätze, die die negativen Folgen einer frühen Benachteiligung gefährdeter Kinder und Jugendlicher im besten Falle rechtzeitig abfangen können. Gelingt keine Prävention, kann auf der Grundlage des tiefen Verständnisses psychopathologischer Entwicklungsprozesse zielgerichtet und wirksam eingegriffen werden, um zumindest die Rückkehr zu einer potenziell normalen Entwicklung zu ermöglichen. Dahinter steht die idealtypische Auffassung, dass eine Hauptaufgabe der klinischen Kinderpsychologie darin bestehen muss, schädliche Entwicklungen bei Kindern zu verhindern und damit dem Einzelnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich relativ unabhängig von genetischen und psychosozialen Nachteilen entfalten zu können.

2.2 Grundmechanismen und Modelle psychopathologischer Entwicklung

2.2.1 Organisation und Reorganisation

Einen bedeutenden theoretischen Ansatz zur Erklärung psychopathologischer Entwicklungsprozesse liefert die sog. Organisationsperspektive, die auf Werner ▶ [1923] und Gottlieb (▶ [715], ▶ [716]) zurückgeht. Ihre Grundaussage besteht darin, dass die biologischen Systeme und Verhaltenssysteme des Einzelnen in einer charakteristischen Weise organisiert sind. Im Zuge der Entwicklung des Individuums kommt es über Lernprozesse und genetisch determinierte Reifungsprozesse fortwährend zu Differenzierungen des biologischen, sozialen, kognitiven, repräsentationalen und linguistischen Systems. Diese Bereiche sind der Modellannahme zufolge derart miteinander verbunden, dass sie ein organisiertes Ganzes ergeben. Die Gesamtheit folgt dabei dem Mechanismus der hierarchischen Organisation, welcher im Wesentlichen auf der Gesetzmäßigkeit beruht, dass sich die unterschiedlichen Teilsysteme vom Zustand der relativen Diffusion und Instabilität hin zu einer größeren Komplexität und Differenzierung entwickeln.

Damit steht uns ein theoretisches Erklärungsmodell des Zustandekommens von Vulnerabilität und Widerstandskraft sowie deren Auswirkungen auf die Entwicklung zur Verfügung. Folgt man den Modellannahmen, kann man davon ausgehen, dass frühere Bereiche von Verwundbarkeit oder Stärke innerhalb der Organisationsstruktur erhalten bleiben können, auch wenn sie in der aktuellen Umweltauseinandersetzung das Verhalten nicht beobachtbar leiten. Die Autoren, die diese Auffassung vertreten, meinen, dass insbesondere in Zeiten, in denen erhöhte Bewältigungsanstrengungen aufgrund stressreicher Bedingungen erforderlich sind, eine regressive Aktivierung von Bereichen früherer Organisationsstrukturen stattfinden kann (z.B. ▶ [325], ▶ [327], ▶ [328], ▶ [1741]).

Merke

Frühere Verwundbarkeit reaktivierbar

Wurde in der Vergangenheit eine Verletzlichkeit erworben, die ihren Ausdruck in einer instabilen Organisationsform der Teilsysteme gefunden hatte, können sich beim Individuum später auch dann Symptome gestörter Entwicklung zeigen, wenn die instabilen und fehlangepassten Strukturen im Laufe der Zeit hierarchisch integriert wurden und in der näheren Vergangenheit nicht zu einer offensichtlichen Beeinträchtigung geführt haben.

So könnte z.B. ein Jugendlicher in der Berufsausbildung plötzlich schwere Angstsymptome (etwa in Prüfungssituationen) zeigen, obwohl er seit seiner mittleren Kindheit, in der er unter Symptomen sozialer Ängstlichkeit gelitten hatte und diese überwinden konnte, eine unauffällige Entwicklung nahm. Oben genannte Autoren würden hieraus schließen, dass es in der stressreichen Prüfungszeit zu einer regressiven Aktivierung früherer fehlangepasster Strukturen im vorrangig sozialen und kognitiven System gekommen ist.

2.2.2 Modell der Entwicklungspfade

Auf dem Ansatz der Organisationsperspektive basiert auch das Modell der Entwicklungspfade. Wenn das Fortschreiten der Entwicklung genetisch determiniert ist und spätere Entwicklungsstufen relativ unabhängig davon erreicht werden, ob auf den vorhergehenden Stufen optimale Ressourcen in der Auseinandersetzung mit den jeweiligen Herausforderungen entwickelt wurden, dann können frühere Inkompetenzen der Bewältigung eine spätere mangelnde Funktionsfähigkeit begünstigen. Ein negativer Entwicklungsverlauf wird in diesem Falle wahrscheinlich, ist aber nicht zwingend die Folge. Vielmehr gehen Vertreter des Entwicklungspfadmodells davon aus, dass Verbesserungen der inneren und äußeren Umwelt jederzeit zu einer Erweiterung der Fähigkeiten führen können und hierdurch das Einschlagen einer neuen und positiven Entwicklungsrichtung grundsätzlich möglich bleibt (▶ [326], ▶ [1740],​▶ [1743]).

2.2.2.1 Lernerfahrungen und Entwicklungsrichtungen

Vor allem Sroufe ▶ [1742] hat das Modell der Entwicklungspfade weiterentwickelt. Es ermöglicht im Wesentlichen eine Beschreibung potenziell möglicher Entwicklungsrichtungen, die zu jedem Zeitpunkt von biologischen, genetischen, sozialen und selbst herbeigeführten Lernerfahrungen gelenkt werden. Der Autor leitet hierzu 5 Hauptannahmen ab:

Psychopathologie resultiert aus Fehlanpassungen, die das Individuum auf einen Entwicklungspfad lenken, der potenziell zu einer Störung führt.

Das Prinzip der Äquifinalität besagt, dass ein und derselbe, normale oder deviante Entwicklungsausgang über völlig verschiedene Verläufe erreicht werden kann.

Multifinalität beschreibt das Phänomen, nach dem dieselben Entwicklungswege zu unterschiedlichen Ausgängen führen können.

Eine Veränderung der eingeschlagenen Entwicklungsrichtung ist zu jedem Zeitpunkt möglich, weshalb eine Störung keinen unveränderbaren Zustand darstellt und positive Verläufe weiterhin möglich bleiben.

Langfristig verfolgte fehlangepasste Entwicklungspfade verringern die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ausgangs.

Mit zunehmender Entfernung vom Entwicklungsbeginn erweitert sich folglich das Spektrum potenziell möglicher Pfade. Gleichzeitig wird durch das Einschlagen bestimmter Richtungen eine Auswahl getroffen, die zu einer Einschränkung konkreter zukünftiger Möglichkeiten führt. Die Entwicklung von Psychopathologie kann somit als fortschreitende Verzweigung angesehen werden, die das Kind von Pfaden abbringt, die zu kompetentem Verhalten führen. Eine Fehlanpassung wird demnach eher als Entwicklungsprozess denn als Krankheit aufgefasst. Sie tritt innerhalb einer ansonsten gelungenen Anpassungsgeschichte auf – als ein Resultat des komplexen Zusammenspiels von schützenden Faktoren und Risikofaktoren.

2.2.3 Entwicklungsmodelle

Eine weitere Herangehensweise bieten sog. Entwicklungsmodelle. Mit ihrer Hilfe wird versucht, auf einer abstrakteren Ebene die Wechselwirkungsprozesse zwischen Individuum und Umwelt über die Zeit darzustellen. Die einzelnen Modellvorstellungen weichen hauptsächlich in der unterschiedlichen Gewichtung der angenommenen Einflüsse voneinander ab (für eine ausführliche Darstellung sei auf ▶ [1415] verwiesen).

2.2.3.1 Dispositionsmodelle

In Dispositionsmodellen spielt die genetische Disposition die Hauptrolle bei der Entwicklung von Psychopathologie. Durch eine spezifische Wechselwirkung mit Umwelteinflüssen können Konstellationen entstehen, die dazu führen, dass die Disposition ihren Ausdruck in einem Störungsausbruch findet. Im Extremfall gehen Dispositionsmodelle bis zur Annahme der relativen Bedeutungslosigkeit der Umwelt im Entwicklungsprozess, wenn sie die genetische Veranlagung als zwingend sich im Phänotyp ausdrückende Größe ansehen.

2.2.3.2 Umweltmodelle

Umweltmodelle betonen hingegen vordergründig die Einflüsse auslösender und hemmender Faktoren im Entwicklungskontext des Individuums, wobei das Verhalten v.a. eine Funktion ihrer Einwirkungen darstellt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Lernprozessen zu, da erwartet wird, dass eine Veränderung von Umweltbedingungen die Entwicklung des Individuums relativ sicher beeinflussen wird.

2.2.3.3 Ökologische Modelle

Ökologische Modelle schließlich gehen davon aus, dass verschiedene und untereinander in Wechselwirkung stehende Systeme mehr oder weniger direkt auf das Individuum und seine Entwicklung einwirken. Darunter fällt in erster Linie die unmittelbare Umgebung des Menschen, die sich über verschiedene Abstraktionsebenen hinweg letztlich in einen komplexen übergeordneten Rahmen von kulturellen, ökonomischen, sozialen und politischen Kontexten einordnen lässt.

Einen Sonderfall ökologischer Entwicklungsmodelle stellt das Modell von Bronfenbrenner▶ [247] dar. Er geht davon aus, dass verschiedene Umgebungsvariablen zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Entwicklung des Individuums haben. Die Sensibilität für die Einflussvariablen wird durch den jeweiligen Entwicklungsstand und damit auch durch genetisch determinierte kritische Phasen moderiert.

Mikro-, Meso-, Exosystem

Der Autor unterscheidet das Mikrosystem als unmittelbare Umgebung des Kindes, die von sämtlichen Gruppen (etwa der Mutter-Kind-Dyade oder der Familie) gebildet wird, vom Meso-, Exo- und Makrosystem. Das Mesosystem umfasst im Wesentlichen die Beziehungen, die sich aus den Gruppenzugehörigkeiten des Mikrosystems sowie deren Wechselwirkungen ergeben. Im Exosystem sind Bereiche zusammengefasst, die indirekt auf die Entwicklung des Kindes einwirken. Hierzu zählen das Gefüge der sozialen Unterstützung der Eltern ebenso wie die Peergroup-Zugehörigkeit von Geschwistern.

Makrosystem

Schließlich werden die genannten Systeme gleichsam eingefasst in das übergeordnete Makrosystem, das die Bereiche Kultur, Ökonomie, Sozial- und Politsystem umfasst. Das Makrosystem konstituiert gleichsam das Normensystem, in dem das Kind aufwächst und das seine Entwicklung entscheidend prägt. Wichtig scheint dieser Punkt v.a. deshalb, weil insbesondere über einen Vergleich mit dem Normensystem, in dem ein Kind aufwächst, festgestellt wird, ob eine individuelle Abweichung überhaupt als deviant oder psychopathologisch klassifiziert wird. Ergänzend sei angemerkt, dass es sich bei der Interaktion von Individuum und Umwelt im Verständnis neuerer Modelle um Wechselwirkungsprozesse handelt, bei denen sich, im Sinne von Goodness-of-fit-Modellen,Gegebenheiten der Umwelt aus der Einwirkung des Kindes ebenso ergeben, wie sich Entwicklungen des Kindes aus den Umwelteinflüssen ableiten lassen.

2.2.4 Praktischer Bezug

Um einen praktischen Bezug zur hier ausgeführten theoretischen Grundlage herzustellen, bietet sich ein Rückgriff auf unsere eingangs formulierten Forderungen an. Wir hatten festgestellt, dass ein vorrangiges Ziel der klinischen Kinderpsychologie sein soll, die frühen genetischen und sozialen Benachteiligungen des Kindes aufzufangen, um ihm eine freie Entfaltung auf positiven Entwicklungspfaden oder eine Rückkehr zu diesen zu ermöglichen. Um dem näher zu kommen, muss es uns gelingen, die theoretischen und empirischen Ergebnisse der Forschung zu bündeln, um zuverlässige Vorhersagen gestörten und normalen Verhaltens machen zu können, wirkungsvolle Interventionen entwerfen und effektive Präventionsansätze anbieten zu können.

Merke

Disposition zu psychischer Störung schon vor dem Erwachsenenalter

Wenn wir den theoretischen Grundannahmen der Entwicklungspsychopathologie folgen, dann können wir davon ausgehen, dass im Hinblick auf das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, bereits vor dem Eintritt in das Erwachsenenalter die vollständige Disposition existiert sowie der weitaus überwiegende Teil an Verletzlichkeit entstanden ist. Das hat zur Folge, dass auch die meisten psychischen Störungen, die sich im Erwachsenenalter manifestieren, ihren Ursprung in der Kindheit und Jugend der Betroffenen haben.

Augenmerk verstärkt auf das Kindes- und Jugendalter richten

Eine logische und konsequente Forderung daraus wäre, die Anstrengungen der Forschung über allgemeine Psychopathologie verstärkt auf das Kindes- und Jugendalter zu richten. Anders ausgedrückt sollte die Frage nach der wirksamen Behandlung und Prävention der Gesamtheit psychischer Störungen vorrangig – und v.a. stärker als zum jetzigen Zeitpunkt – zu einer Frage nach den Risikofaktoren für eine psychopathologische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen werden.

2.3 Risiko- und Schutzfaktoren psychopathologischer Entwicklung

2.3.1 Risikofaktorenforschung

Will man untersuchen, ob ein potenzieller Einflussfaktor als kausaler Risikofaktor für das Entstehen einer psychopathologischen Auffälligkeit gelten kann, dann muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. Deshalb bedarf es einer klaren Begriffsdefinition, die im Folgenden vorgenommen werden soll.

Zunächst muss geklärt werden, ob ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen dem möglichen Risikofaktor und dem interessierenden Entwicklungsergebnis (in unserem Falle eine psychische Störung) vorliegt (▶ Abb. 2.1). Ist die Korrelation signifikant, kann zumindest davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Faktor um ein Korrelat handelt. Damit ist entsprechend der Definition einer Korrelation allerdings nicht geklärt, ob es sich um eine Konsequenz, eine Begleiterscheinung oder eine aufrechterhaltende Bedingung handelt. Außerdem kann es sein, dass sowohl der interessierende Faktor als auch die Störung auf einen weiteren, latenten Faktor zurückgehen oder mit diesem im Zusammenhang stehen. Deshalb muss in einem weiteren Schritt überprüft werden, ob eine causa efficiens vorliegt, es sich also um eine Wirkursache handelt. Dazu muss zunächst geklärt werden, ob ein zeitlich vorhergehender 3. Faktor existiert, der sich auf unseren potenziellen Risikofaktor und den Störungsbeginn auswirkt.

Abb. 2.1 Schematische Darstellung zum Vorgehen bei der Identifikation eines Risikofaktors.

So könnte beispielsweise der Verlust einer wichtigen Bezugsperson in einem direkten Zusammenhang mit dem sozialen Rückzug eines Jugendlichen und seinen depressiven Symptomen stehen. In diesem Falle wäre die Frage danach, ob die Depression den sozialen Rückzug verursacht hat oder der Rückzug das depressive Syndrom, nicht zielführend, da beide eine ursächliche Beziehung zum vorhergehenden Verlustereignis aufweisen.

Anschließend muss geklärt werden, ob der vermeintliche Risikofaktor zeitlich vor der Störung aufgetreten ist. Schließlich fordert eine klare Begriffsabgrenzung, dass die Störungshäufigkeit mit der Veränderung der Exposition variiert. Das heißt, dass eine systematische Variation des Risikofaktoreneinflusses zu einer systematischen Veränderung der Störungshäufigkeit führen müsste. Kraemer et al. ▶ [1046] fassen diese Eigenschaft wie folgt zusammen: Ein Risikofaktor teilt die Population in eine Hoch- und eine Niedrigrisikogruppe. Für die Mitglieder der Hochrisikogruppe gilt, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der sie eine psychische Störung entwickeln werden, größer ist als für Mitglieder der Gruppe mit niedrigem Risiko.

In unserem Beispiel könnte das Lebensereignis „Verlust einer wichtigen Bezugsperson“ in der Vergangenheit (z.B. innerhalb der letzten 5 Jahre) die Unterteilung in 2 Gruppen zulassen. Personen, die einen solchen Verlust erlebt hätten, würden der Hochrisikogruppe im Hinblick auf die mögliche Entstehung einer depressiven Episode zugeordnet werden

Handelt es sich bei unserem vermuteten Risikofaktor hingegen um eine unveränderliche Größe oder Eigenschaft, wie etwa das Geschlecht, das Geburtsjahr oder den Genotyp, kann man nicht auf einen kausalen Risikofaktor schließen. In diesem Fall spricht man von einem festen Marker. Auch Marker müssen zeitlich vorausgehen und einen bedeutsamen Zusammenhang mit der interessierenden Störung aufweisen. Da ihre systematische Variation nicht möglich ist, stehen sie begrifflich neben den kausalen Risikofaktoren. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass nach einem Risikofaktor gesucht wird, der die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer interessierenden Störung oder psychischen Devianz bzw. Normabweichung erhöht. In der klinisch-psychologischen und verhaltenstheoretischen Risikoforschung werden indes nicht nur störungsauslösende bzw. -begünstigende Faktoren gesucht. Jacobi und Esser ▶ [913] schlagen hierzu vor, die Risikofaktoren zusätzlich danach zu unterteilen, für welches Ereignis (Outcome) sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Sie unterscheiden in

Risikofaktoren für den Beginn/das Erstauftreten einer Störung in der gesamten Population,

Risikofaktoren für die Persistenz oder Aufrechterhaltung der Störung und

Risikofaktoren für den Rückfall bei bereits remittierten Störungen.

2.3.1.1 Bisher identifizierte Risikofaktoren

Unspezifische Risikofaktoren

Die Forschung hat mithilfe zahlreicher Studien eine Reihe von unspezifischen Risikofaktoren der Entwicklung identifizieren können. Die in ▶ Tab. 2.1 zusammengefasste Darstellung ist eine Synopse verschiedener Übersichten (▶ [893], ▶ [1350], ▶ [1415], ▶ [1530], ▶ [1974]).

Tab. 2.1

 Unspezifische Risikofaktoren der Entwicklung nach Resch

▶ [1530]

, Petermann et al.

▶ [1415]

, Oerter et al.

▶ [1350]

und Ihle et al.

▶ [893]

.

Bereiche

Risikofaktor

biologisch

genetische Disposition

Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen

Hirnschädigung

chronische Erkrankungen

psychosozial

familiär

frühe Elternschaft

Psychopathologie der Eltern

chronische Disharmonie

Verlust wichtiger Bezugspersonen

interaktionsbezogen

chronischer Streit zwischen den Eltern

verzerrte Kommunikationsmuster

gestörte Bindungsmuster

problematisches Temperament des Kindes

rigides und autoritäres Erziehungsverhalten

Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch

konflikthafte Freundschaftsbeziehungen

sozial

niedriger sozioökonomischer Status

widrige Lebensumstände

Erste Untersuchungen hierzu rückten prä- und perinatale Komplikationen in das Zentrum der Risikofaktorenforschung ▶ [1393]. Dabei wurde herausgearbeitet, dass häufig eine Konfundierung organischer mit anderen Risiken (wie z.B. sozioökonomischen oder psychosozialen Faktoren) vorliegt ▶ [1394], was Zweifel an der kausalen Wirkung der Geburtsrisiken aufkommen ließ. Viele Längsschnittstudien können heute nur noch schwache Auswirkungen der prä- und perinatalen Komplikationen nachweisen, was sich teilweise auch auf die fortschrittlichere medizinische Versorgung Neugeborener zurückführen lässt.

Die Erforschung psychosozialer Risikoeinflüsse konzentrierte