Komm schnell, Achmet -  - E-Book

Komm schnell, Achmet E-Book

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Beschreibung

Komm schnell, Achmet! Dieser harmlos klingende Satz verändert das Leben des kleinen Achmet auf drastische Weise. Mit ihm beginnt eine gefährliche Flucht in eine ungewisse Zukunft. Dieser Satz steht außerdem symbolisch für die Geschichten dieses Buches: Sie erzählen von den Schrecken des Krieges, hektischem Aufbruch und dramatischen Fahrten über das Meer. Sie berichten von verzweifelten Menschen, die für die Chance auf ein Leben in Frieden alles zurücklassen. SchülerInnen der Albertus Magnus Schule haben sich mit dem Schicksal schutzsuchender Menschen auseinandergesetzt und ihre Gedanken in berührenden, emphatischen Texten verarbeitet. Damit ist dieses Buch nicht nur eine berührende Kurzgeschichtensammlung – es ist vor allem eines: Ein Appell an die Menschlichkeit! Der gesamte Erlös des E-Books geht an "Train of Hope". Der politisch unabhängige Verein bietet ankommenden Flüchtlingen menschlich, unbürokratisch und weltoffen Unterstützung. 20 Geschichten von SchülerInnen der Albertus Magnus Schule in Wien

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Seitenzahl: 94

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Komm schnell, Achmet

SchülerInnen schreiben über Flucht

Nicole Engbers,Margit Kröll undTorsten Low (Hrsg.)

Eine Spenden-Anthologie von SchülerInnen der Albertus Magnus Schule und

Edition DaB

Komm schnell, Achmet

SchülerInnen schreiben über Flucht

Nicole Engbers, Margit Kröll und Torsten Low (Hrsg.)

Besuchen Sie uns im Internet www.das-andere-buch.com

© 2016 by Edition DaB Co-Verlag Torsten Low, Rössle-Ring 22, 86405 Meitingen/Erlingen

Alle Rechte vorbehalten.

Titelillustration: Sarah Rhabari

Covergestaltung: Margit Kröll

Lektorat und Korrektorat: Regina Baumann, Brigitte Blaschka, Silke Stadlhofer, Tina Low

eBook-Produktion: Cumedio Publishing Services – www.cumedio.de

ISBN (mobi):978-3-940036-75-9

Inhalt

(Ge)dank(en)sagung

Von Partizipation und Empathie

Der Neuanfang

Azmis gefährlicher Weg in den Frieden

Krieg kann Familien auseinanderreißen

Die Entscheidung – Flucht oder Krieg?

Isaiahs Flucht über das Mittelmeer

Flucht ins Ungewisse

Ganz auf sich allein gestellt

Wir wurden alleingelassen

Wasser ist Leben und Tod zugleich

Flucht übers Mittelmeer

Kamils Versprechen

Es könnte alles auch ganz anders sein!

Im Krieg sind selbst auch Schutzengel mitunter machtlos

Mein Weg in ein besseres Leben

Titanic für Flüchtlinge

Das Schicksal einer Flüchtlingsfamilie

Eine Flucht in Dunkelheit

Das Schicksal der Flüchtlinge

Die Schrecken der Flucht

Appell an die Menschlichkeit

Über »Das andere Buch«

(Ge)dank(en)sagung

Die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, die Stimmungsmache rechter Parteien oder die grausamen Hass-Postings in den sozialen Netzwerken könnten einem die Sprache verschlagen. Diese Entwicklung zeigt eindrücklich und auf beängstigendste Weise, welche Macht Worte haben, wie aus verbalen Brandsätzen Lauffeuer und aus ideologischen Pflänzchen stark verwurzelte Bäume werden können. Worte haben so viel Macht, dass sie die Welt verändern können – auf negative, aber auch auf positive Weise. Worte können aus Lauffeuern Leuchtfeuer machen und aus Ideologien, Ideen. Sie können Berge versetzen und Bäume ausreißen. Weil wir DAS glauben, schreiben wir. Deshalb gibt es »Das andere Buch«. Und aus diesem Grund haben wir Anfang des Jahres unser neues Buchprojekt gestartet.

Sich mit Ängsten auseinandersetzen, statt diese zu schüren – mit diesem Ziel riefen wir SchülerInnen der Albertus Magnus Schule in Wien dazu auf, eine Geschichte zum Thema Flucht zu verfassen. Die jungen AutorInnen beschäftigten sich zuerst im Unterricht mit dem Schicksal schutzsuchender Menschen und verarbeiteten ihre Gedanken schließlich in berührenden, emphatischen Texten. Doch Geschichten allein machen noch kein E-Book: Damit daraus ein downloadfähiges Ganzes wird, sind viele helfende Hände nötig. Wir sind überglücklich, dass uns so viele Freiwillige fachmännisch unterstützt haben – vom Lektorat, über den Satz, bis zur Erstellung des E-Books.

Unser ganz besonderer Dank geht an die mehr als zwanzig jungen AutorInnen der 3., 4. und 6. Schulstufe (dies entspricht in Deutschland der 7., 8. und 10. Klasse) der Albertus Magnus Schule. Ohne ihre Kreativität würde es dieses E-Book nicht geben.

Wir danken außerdem Deutschprofessorin Regina Baumann, die für das Buchprojekt ohne zu zögern einen Teil ihrer Schulstunden zur Verfügung gestellt und den Prozess inhaltlich begleitet hat. Ein weiteres Dankeschön geht an Brigitte Blaschka, Silke Stadlhofer und Tina Low für das unermüdliche Korrigieren der Geschichten, sowie an Sebastian Krüger von Cumedio Publishing Services & Verlag (www.cumedio.de), der die Texte schlussendlich in ein E-Book verwandelt hat.

Es ist ein gutes Gefühl, so viel Unterstützung zu erfahren. Dieses Gefühl möchten wir weitergeben und alle Einnahmen des E-Books an Train of Hope weitergeben, einem politisch unabhängigen Verein, der ankommenden Flüchtlingen menschlich, unbürokratisch und weltoffen Unterstützung bietet (siehe www.trainofhope.at, Mai 2016). Therese Zalud von Train of Hope hat für uns ein berührendes Vorwort verfasst – auch hierfür herzlichen Dank!

Die AutorInnen von »Das andere Buch«, Mai 2016

Von Partizipation und Empathie

Im Herbst 2015 haben wir viel Neues gelernt. Dass Farsi und Urdu Sprachen sind. Dass in vielen Aufstrichen Gelatine enthalten ist. Und dass Jugendliche unter bestimmten Umständen mitunter gerne stundenlang Wäsche falten. Dass helfen zufrieden macht. Dass Menschen unterschiedlich sind. Und dass Unterschiede okay sein können.

Viele Schülerinnen und Schüler haben letzten Herbst an den Bahnhöfen mitgeholfen, als tausende Menschen auf der Flucht Österreich passiert haben, oder hier angekommen sind und keine institutionalisierte Versorgung vorgefunden haben. Sie haben Kleidung sortiert, damit ein anderer wieder in einen frischen und trockenen Pullover schlüpfen kann, haben Kichererbsen-Eintopf ausgeschenkt, damit jemand nach tage- und wochenlangem Marsch wieder ein paar Bissen vertrauter Speisen essen kann und haben mit Kindern Bilder gemalt, damit diese für einige Augenblicke die möglicherweise traumatischen aber zumindest ermüdenden Eindrücke der letzten Zeit vergessen können.

Diese Schülerinnen und Schüler haben dazu beigetragen, Menschen auf der Flucht nicht nur mit dem Nötigsten zu versorgen, sondern sie auch mit Würde zu empfangen. Und bei dieser Tätigkeit haben sie Erfahrungen gemacht, die in einem häufig sehr homogenen familiären oder schulischen Umfeld nicht möglich wären. Sich ohne Sprache zu verständigen, sich mit den Ernährungsgewohnheiten anderer Kulturen auseinanderzusetzen oder die tragischen Unterschiede zwischen dem eigenen, friedlichen Heimatland und kriegsgeplagten Ländern zumindest im Ansatz zu erahnen. Sie haben viele Familien mit Kindern gesehen, ausgerüstet nur mit dem was in zwei Rucksäcken Platz findet. Und sich mit Sicherheit Gedanken darüber gemacht, was diese Menschen dazu bewogen hat, diese Reise anzutreten, was wohl deren Ziel sei und welche Umstände sie aktuell in Österreich bzw. in Europa vorfinden.

Die Schülerinnen und Schüler der Albertus Magnus Schule greifen den Aspekt der Flucht explizit auf und präsentieren ihre Sichtweise in dieser Textsammlung. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht aus dem Blickwinkel unserer sozial abgesicherten Gesellschaft kann natürlich nur ein Gedankenspiel sein. Wer es nicht erlebt hat, wird wohl kaum die Tragik dieser Erfahrung verstehen oder nachempfinden können. Aber das Resultat dieser Themenbehandlung stellt einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Vorurteilen und Ausgrenzung dar. Empathie – die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen.

Therese Zalud, Train of Hope, März 2016

Der Neuanfang

Laura Baier, 4B

Es ist Winter und erstaunlich kalt. In Syrien, meinem Heimatland, ist es nie so kalt gewesen. Aber daran möchte ich jetzt lieber nicht denken. Denn immer, wenn ich mich an meine Heimat zurückerinnere, denke ich automatisch an meine Familie und meine Freunde, die entweder im Krieg oder auf der Flucht nach Österreich umgekommen sind, und beginne zu weinen.

Jetzt bin ich schon ein halbes Jahr in Österreich. Anfangs brachte man mich in einem großen Zelt mit vielen anderen Jugendlichen in meinem Alter unter, ehe ich schließlich einer Familie zugewiesen wurde, die sich bereit erklärt hatte, mich bei sich aufzunehmen. Alle in der Familie sind sehr nett und verständnisvoll, dennoch haben sie keine Ahnung, was ich alles durchgemacht habe. Die Familie ermöglicht mir das rasche Erlernen der deutschen Sprache, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Mittlerweile kann ich mich schon recht gut verständigen und deshalb besuche ich künftig keine externe Klasse mehr, sondern den Regelunterricht.

Heute ist mein erster Schultag und ich bin äußerst aufgeregt. Wie wird die Schule in Wien wohl sein? Werde ich Freunde finden? Wahrscheinlich werde ich für immer eine Einzelgängerin sein, eine Außenseiterin mit Kopftuch, die großes Leid erfahren hat. Die Leute interessieren sich nicht wirklich für meine Geschichte, denn ich bin nur eine von Tausenden, die geflüchtet ist.

Als ich mein neues Klassenzimmer betrete, stellt mich der Lehrer vor: »Das ist ein Mädchen aus Syrien. Ihr Name ist Laila. Seid bitte nett zu ihr!« Sofort tuscheln alle und ich merke, wie ich rot werde. Gott sei Dank weist der Lehrer mir einen Platz zu und der Unterricht beginnt. Ich versuche mich, so gut es geht, auf den Unterricht zu konzentrieren, doch einerseits verstehe ich nur die Hälfte des Gesprochenen und andererseits werfen mir meine neuen Mitschüler ständig feindselige Blicke von der Seite zu. Die erste Stunde in dieser Schule ist für mich die Hölle auf Erden. Als das Klingeln der Glocke ertönt, stehe ich erleichtert auf und will auf die Toilette gehen, doch plötzlich werde ich angerempelt. Ein Junge schreit laut mit ungehobelter Stimme: »Hey, du Neuling. Was willst du hier in Österreich? Geh doch dorthin zurück, wo du herkommst! Wir wollen dich hier nicht. Wir brauchen hier keine Flüchtlinge, die uns nur zur Last fallen und uns unnötig nerven. Scher’ dich doch zum Teufel!!!« Diese Bemerkung trifft mich wie ein Pfeil. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass man mich hier mit offenen Armen empfängt, aber derartige Äußerungen tun weh. Hat er recht? Was mache ich denn hier? Habe ich ein Recht auf dieses Leben? Warum ist ausgerechnet mein süßer, kleiner Bruder im Meer ertrunken und nicht ich? Er hätte es genauso verdient, sein Leben zu leben. Er war noch zu jung, um zu sterben. Wieso hat das Schicksal genau mich auserkoren, mich dem hier zu stellen? Ich vermisse meine Familie. Ich gäbe jetzt alles für eine liebevolle Umarmung meiner Mama. Ein leises Schluchzen entkommt mir und Tränen kullern meine Wange hinab. »Ach, da weint das arme Ding. Du tust mir ja so unglaublich leid. Mark, wie kannst du nur so unhöflich zu unserem Neuankömmling sein?«, meint ein Mädchen mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. »Schau mal her, du Flüchtling, wir leben alle in einer Demokratie, daran wirst du dich gewöhnen müssen, und ich finde, dass wir darüber abstimmen sollten, ob wir dich jetzt gleich oder erst später verprügeln sollen. Was sagt ihr dazu, Kollegen?«, dabei wendet sich das Mädchen an die restliche Klasse. Unzählige Fragen schwirren mir in diesem Augenblick durch den Kopf. Warum hassen sie mich bloß so? Was habe ich ihnen denn getan? Ich will doch nur in Frieden leben. Ist das zu viel verlangt? Plötzlich herrscht ein Durcheinander und alle brüllen durch die Klasse. Manche sind der Meinung, dass ich gleich verprügelt werden sollte, andere halten es für eine bessere Idee, mir erst nach der Schule eine Tracht Prügel zu verabreichen. Schließlich beginnen ein paar Kinder, mich zu schubsen. Innerhalb kürzester Zeit werde ich geschlagen, verprügelt, gezwickt und getreten. Ich heule vor Schmerz auf und schreie um Hilfe. Als mir mein Kopftuch vom Kopf gezogen wird, erstarre ich, geschockt von der Tatsache, dass es jemand gewagt hat, das Zeichen meiner Gläubigkeit zu entfernen. Ich denke an meinen Papa, der immer für alles eine Lösung hatte, und überlege, was er in dieser Situation gemacht hätte. Gewiss hätte er sich gewehrt und den anderen erklärt, wieso er hier war. Aber ... bin ich so tapfer und mutig wie er? Kann ich ihnen erklären, wieso ich hier bin und weshalb auch ich ein Recht auf ein lebenswertes Leben habe? Wenn ich an all die Toten meines Heimatlandes denke, an alle Syrer und Syrerinnen, die bislang ihr Leben gelassen haben, und an meine Familie, die auf der Flucht vom Meer verschluckt wurde, dann bin ich tapfer und mutig, denn ich habe den Krieg überlebt. Ich werde nicht dulden, dass andere, die keine Ahnung von dem haben, was ich durchgemacht habe, sich über mich und alle anderen Flüchtlinge lustig machen und uns verachten. Denn wir sind alle Menschen, egal ob wir eine andere Hautfarbe oder Religion haben.