Komm zurück nach Italien - Michelle Reid - E-Book

Komm zurück nach Italien E-Book

Michelle Reid

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Beschreibung

Unbeschreiblich glücklich ist der kleine Santo, als er die luxuriöse Villa über der Bucht von Neapel betritt. Endlich ist er wieder zu Hause bei seinem Vater Vito. Die zierliche Catherine, Santos Mutter, teilt seine Begeisterung nicht. Nur ihrem Sohn zuliebe ist sie hierher zurückgekehrt, denn nie verzeiht sie dem rassigen Vito, dass er sie mit der intriganten Marietta betrogen hat und sicher weiter betrügt. Doch der charmante Italiener kennt Catherines sinnliche Sehnsüchte und weiß, wie er sie erneut in einen Taumel der Lust versetzen kann. Ja, sie ist ihm immer noch verfallen. Aber nun zwingt sie ihn zur Entscheidung: Will er sie oder Marietta? Wie wird Vito reagieren?

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Seitenzahl: 201

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IMPRESSUM

Komm zurück nach Italien erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2000 by Michelle Reid Originaltitel: „The Italian’s Revenge“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1444 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Reinemuth

Umschlagsmotive: Getty Images_g-stockstudio, Andrea Zangrilli

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733759551

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Behutsam, um auch nicht das geringste Geräusch zu verursachen, zog Catherine die Kinderzimmertür hinter sich zu und ließ sich erschöpft dagegen sinken. Endlich war Santo eingeschlafen! Sein Schluchzen klang Catherine immer noch in den Ohren, denn Santo hatte so herzzerreißend geweint, wie es nur ein Fünfjähriger tun konnte.

So darf das nicht weitergehen!, sagte sie sich. In letzter Zeit hatte es immer häufiger Tränen gegeben, und Santos Wutausbrüche waren von Mal zu Mal heftiger geworden. Es war unverantwortlich, weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass Santo sich schon wieder fangen würde. Das würde die Situation nur noch weiter verschärfen. So schwer es ihr auch fiel und welche Angst sie davor auch hatte, sie musste handeln – und zwar sofort.

Luisa, ihre Schwiegermutter, wollte morgen mit dem ersten Flug von Neapel nach London kommen, deshalb musste sie unbedingt noch heute informiert werden.

Catherine gab sich einen Ruck und ging die Treppe hinunter zum Telefon. Was sollte sie Luisa nur sagen? Einfach mit der Tür ins Haus fallen und ihr erklären, dass sich ihr Enkel weigerte, mit nach Neapel zu fliegen? Das schien das Einfachste, aber ein offenes Wort in dieser Situation konnte eine liebevolle Großmutter wie Luisa nur verletzen, und außerdem würde sie, Catherine, dann nur wieder als die ewige Unruhestifterin dastehen.

Um Himmels willen, wie sehe ich denn aus!, dachte sie entsetzt, als sie im Vorbeigehen zufällig in den Spiegel blickte. Aber eigentlich war es nicht verwunderlich, denn die letzten Tage waren für sie die Hölle gewesen. Je näher der Abreisetag gerückt war, desto schwieriger war Santo geworden und desto schlechter hatte sie vor Aufregung schlafen können. Die durchwachten Nächte hatten ihrem Aussehen nicht gerade gut getan, ihr Gesicht war blass und spitz geworden, und ihre Augen lagen tief in den Höhlen.

Catherine lächelte mit leiser Selbstironie. Wenn mein rotes Haar nicht wäre, könnte man mich glatt für das kleine Gespenst aus Vitos Buch halten, dachte sie, obwohl mich eigentlich niemand als „klein“ bezeichnen kann, denn immerhin bin ich eins fünfundsiebzig groß, wenn auch sehr schlank. Viel zu schlank für den Geschmack mancher Leute.

Für Vitos Geschmack.

Ihr Anflug von Humor verging ebenso schnell, wie er gekommen war, denn allein der Gedanke an diesen Mann erfüllte sie mit Bitterkeit. Vito – Vittorio Adriano Lucio Giordani, wie er offiziell hieß – war ebenso eindrucksvoll wie sein Name. Er war ein reicher und mächtiger Mann, und er war die Wurzel all ihrer Probleme.

Catherine hatte diesen Mann einmal geliebt, jetzt hasste sie ihn. Das fand sie bezeichnend, denn sein widersprüchlicher Charakter forderte zu widersprüchlichen Reaktionen heraus. Vito war wahnsinnig attraktiv, arrogant und der fantasievollste und einfühlsamste Liebhaber, den man sich nur vorstellen konnte: Er war gefährlich unwiderstehlich.

Catherine fröstelte wie immer, wenn sie an ihn denken musste, und verschränkte unwillkürlich abwehrend die Arme vor der Brust. Vito war der Schatten der Vergangenheit, der ihr jetziges Leben verdunkelte, und der Grund für Santos aufsässiges Verhalten. Aber ebenso wenig wie ihren Schatten konnte sie die Erinnerung an ihn abschütteln.

Vitos einzig positiver Charakterzug war für sie die bedingungslose Liebe zu seinem Sohn, die von Santo jedoch in letzter Zeit immer stärker infrage gestellt wurde.

„Ich hasse euch beide, dich und papà! Ich will euch nicht mehr lieben!“

Diese verzweifelte Aussage ihres Sohnes hatte Catherine mitten ins Herz getroffen. Sie hatte ihr gezeigt, wie verletzt und verunsichert Santo war, wie völlig überfordert er, ein fünfjähriger kleiner Junge, mit der Situation war. Als seine Mutter musste sie ihm helfen.

Allein der Anblick des Telefons versetzte Catherine jedoch in Angst und Schrecken. Seit sie vor drei Jahren Neapel verlassen hatte, hatte sie nie wieder in der Villa Giordani angerufen. Alle Kontakte waren entweder über Rechtsanwälte oder brieflich über Luisa gelaufen. Vom Inhalt des Gespräches ganz abgesehen, würde allein die Tatsache, dass Santos Mutter persönlich anrief, den Haushalt der Giordanis in hellste Aufregung versetzen.

Zögernd griff Catherine zum Hörer und wählte. Sie schimpfte sich einen Feigling, denn sie hoffte inständig, dass in Neapel niemand zu Hause war. Sie hörte das Freizeichen, schloss die Augen und grub die nackten Zehen tief in den Teppich. Wenn schon jemand abnehmen muss, dann lass es wenigstens Luisa sein, schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel. Mit ihrer Schwiegermutter konnte sie nämlich reden, ohne dass gleich die Fetzen flogen.

Catherines Bitte wurde nicht erhört.

„Si?“ Eine männliche und angenehm tiefe, eine verführerische Stimme drang an ihr Ohr. Catherine schlug die Augen auf und sprang vom Sofa, als hätte sie der Blitz getroffen.

Vito! Es war tatsächlich Vito!

Ihre Wangen röteten sich, und das Grün ihrer Augen wurde vor Erregung noch dunkler. Sie hatte das Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben, und war unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Dafür beschwor ihre Fantasie Vitos Bild so lebhaft herauf, als würde er direkt vor ihr stehen.

Sie sah sein schwarzes Haar, den dunklen Teint, die aufrechte Haltung und seinen stolz erhobenen Kopf. Bestimmt trug er einen Smoking, weißes Hemd und Fliege, denn an einem Sonntagabend erschien man in der Villa festlich gekleidet zu Tisch. Catherine sah seine faszinierenden braunen Augen mit den langen Wimpern, seinen Mund, sinnlich und ausdrucksvoll …

„Wer ist da bitte?“, fragte Vito ungeduldig.

Catherine zuckte zusammen, griff den Hörer fester, schluckte und fand endlich ihre Stimme wieder.

„Hallo, Vito, ich bin es, Catherine …“

Das folgende Schweigen war so spannungsgeladen, dass Catherines Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren. Ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und ihr Herz hämmerte wie verrückt. Ihr war schwindelig, und sie wusste nicht mehr, was sie eigentlich hatte sagen wollen.

Doch Vito brachte sie schnell wieder zur Besinnung. „Was ist los? Ist meinem Sohn etwas passiert?“ Er sprach jetzt nicht mehr Italienisch, sondern Englisch, und sein Ton war ausgesprochen aggressiv.

„Nein, Santo ist nicht krank“, beruhigte sie ihn.

Wieder entstand eine Pause. „Und warum rufst du mich dann an, da du dir doch Telefongespräche gerichtlich verbeten hast?“

Catherine biss sich auf die Lippe, um nicht eine hitzige Antwort zu geben. Anscheinend hatte sich an dem Kriegszustand zwischen ihnen in den letzten drei Jahren nichts geändert. Als sie sich damals von Vito trennte, hatte er sie derart bedroht, dass sie für Santo eine amtliche Vormundschaft beantragt hatte. Catherine war sich sicher, dass Vito ihr diese Erniedrigung nie verzeihen würde. Vor einem Richter hatte er sich verpflichten müssen, weder sie noch Santo je direkt anzusprechen, erst dann waren ihm gewisse Besuchsrechte eingeräumt worden.

Seit jener Gerichtsverhandlung hatten die beiden Eheleute nie wieder ein Wort miteinander gesprochen.

Ein Jahr lang hatte Vito darum kämpfen müssen, dass Santo ihn in Italien besuchen durfte. Zuvor hatte er stets nach England kommen müssen, um seinen Sohn zu sehen. Und auch jetzt noch wurde Santo stets von Luisa geholt und gebracht, damit sich Vito und Catherine nicht sehen mussten.

Dass Santo ein Anrecht darauf hatte, beide Eltern gleich lieben zu dürfen, war das Einzige, worauf Catherine und Vito sich hatten einigen können. Luisa hatte den beiden nämlich unmissverständlich klargemacht, dass ein Kind ein Recht darauf hatte, Vater und Mutter mit eigenen Augen und unbelastet durch die Vorurteile der Erwachsenen zu sehen. Während des mehrjährigen und äußerst erbitterten Ehekriegs hatte Luisa stets konsequent die Interessen ihres Enkels vertreten.

Catherine hatte gelernt, lächelnd zu nicken, wenn Santo bei jeder Gelegenheit von seinem papà schwärmte, und war überzeugt, dass Vito seinerseits sich Santos Loblieder auf sie, seine mamma, anhören musste. Das bedeutete jedoch keineswegs, dass Vito und sie ihren Streit begraben hatten: Sie verheimlichten ihn Santo lediglich.

„Ich wollte eigentlich Luisa sprechen.“ Catherine hatte sich wieder gefasst. „Könntest du sie bitte ans Telefon rufen?“

„Und ich möchte eine Antwort auf meine Frage: Was ist passiert, dass du hier anrufst?“

Vito hatte anscheinend nicht die Absicht, wie gewohnt seine Mutter die Rolle der Vermittlerin spielen zu lassen. Doch Catherine ließ sich nicht beirren. „Das werde ich Luisa erklären.“

„Das kannst du auch – wenn sie Santo morgen bei dir abholt.“

Damit schien für ihn das Gespräch beendet, und Catherine befürchtete schon, er wolle auflegen. „Nein, Vito! Warte!“, bat sie.

Das tat er auch, sagte jedoch kein Wort. Catherine sah ein, dass es an ihr war, das Gespräch wieder in Gang zu bringen. „Ich habe Probleme mit Santo“, gestand sie widerwillig.

„Was für Probleme?“

„Das möchte ich lieber mit Luisa besprechen. Ich brauche ihren Rat … Ich möchte sie sprechen, ehe … Ich meine, ich möchte mit ihr reden, bevor … bevor sie hier ankommt.“ Das ist eine Lüge, dachte Catherine, kein Wunder, dass ich ins Stocken komme, aber ich bin einfach zu feige, Vito die Wahrheit zu gestehen.

„Bleib bitte dran“, teilte er ihr mit ausdrucksloser Stimme mit. „Ich lege das Gespräch auf einen anderen Apparat.“

So einfach war das also gewesen! Vito würde sie ohne weitere Diskussion mit Luisa verbinden. „Danke“, sagte sie erleichtert.

Als es in der Leitung knackte, ließ sich Catherine zurück aufs Sofa sinken und entspannte sich. Sie stand zwar immer noch unter den Nachwirkungen des Schocks, ihren schlimmsten Feind nach so langer Zeit das erste Mal wieder gesprochen zu haben, aber so schrecklich war es eigentlich gar nicht gewesen. Sie konnte sich gratulieren, immerhin hatten sie sich weder angeschrien noch gegenseitig fertiggemacht.

Sie musste die Zeit nutzen, um sich zu überlegen, was sie Luisa erzählen sollte. Am einfachsten wäre es, die Wahrheit zu sagen, aber gerade das hatte sich in der Vergangenheit als nahezu unmöglich erwiesen.

Sollte sie Santos auffälliges Benehmen auf schulische Probleme zurückführen? Oder auf das Dilemma, das sein Vater in Neapel lebte und seine Mutter in London?

Es war nicht nur die geografische Entfernung, die Santo zu schaffen machte, sondern es waren vor allem die verschiedenen Lebensstile. In London führte Santo das ganz normale Leben eines Kindes der gehobenen Mittelklasse. Er wohnte in einem Reihenhaus eines gepflegten Londoner Vororts, und seine Nachbarn waren andere Durchschnittsfamilien. In Italien dagegen lebte er in der Nähe von Neapel in vornehmer Abgeschiedenheit auf dem Lande in einer Villa, die eher einem Palast als einem Haus glich.

War Santo bei Vito in Italien, dann sagte dieser sämtliche Termine ab, um sich ausschließlich um seinen Sohn zu kümmern. Und auch die von Santo über alles geliebte Großmutter war jederzeit für ihren Enkel da.

In London dagegen hatte Santo nur seine Mutter. Da Catherine ganztägig arbeitete, musste er von einer Kinderfrau aus der Schule abgeholt und von ihr beaufsichtigt werden, bis Catherine nach Hause kam.

Diese Lebensumstände waren für ein Kind in Santos Alter unglaublich verwirrend, und er litt, ohne erklären zu können, worunter. Catherine hatte sehr viel Geduld aufbringen müssen, um herauszufinden, was wirklich hinter seinen Wutausbrüchen und Ungezogenheiten steckte.

Und selbst für Catherine hatte sich die Situation erst vorhin endgültig aufgeklärt, denn es war ein Name gefallen. Ein Name, den Santo so angstvoll und gequält ausgesprochen hatte, dass Catherine regelrecht eine Gänsehaut vor Schrecken bekommen hatte.

Denn Catherine wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr Santo leiden und wie vernichtend er sich in seinem Selbstwertgefühl getroffen fühlen musste. Jetzt war ihr auch völlig klar, warum er nicht zu seinem Vater wollte. Sie kannte den Grund, denn es war der gleiche, aus dem auch sie Italien verlassen hatte.

„So, jetzt schieß los!“ Ertönte eine barsche Stimme am anderen Ende der Leitung.

Sie brauchte einen Moment, um sich von ihrer Überraschung zu erholen. „Wo ist Luisa?“, fragte sie und schluckte.

„Ich hatte dir nicht versprochen, meine Mutter ans Telefon zu rufen, Catherine! Santo ist mein Sohn, wenn ich dich daran erinnern darf. Hast du Probleme mit ihm, bin ich der Ansprechpartner.“

„Er ist unser Sohn“, korrigierte ihn Caterine, während sie fieberhaft überlegte, wie sie ausgerechnet ihm etwas erklären sollte, was ihr schon bei Luisa schwergefallen wäre.

„Schön, dass du das endlich einsiehst“, antwortete er.

Im Nu hatte Catherine all ihre Vorsätze, ruhig und sachlich zu bleiben, vergessen. „Dein Sarkasmus ist nicht nur erfrischend, Vito“, erwiderte sie schneidend, „sondern auch überaus hilfreich.“

Catherine hörte ein leises Knarren in der Leitung und wusste, dass Vito sich in den alten Ledersessel gesetzt hatte, der in seinem Arbeitszimmer stand. Vito hatte es von seinem Vater, der anderthalb Jahre nach Santos Geburt gestorben war, übernommen und nichts an der Einrichtung geändert. Catherine sah den Raum genau vor sich, die hell gestrichenen Wände, das auf Hochglanz polierte Parkett und die mit Liebe ausgesuchten Renaissancemöbel.

„Catherine?“

„Ja?“

„Langsam verliere ich die Geduld! Würdest du mir bitte endlich erklären, inwiefern es Probleme mit Santo gibt?“

Diesmal ließ sich Catherine nicht provozieren und blieb ruhig. „Er macht in der Schule Schwierigkeiten“, erklärte sie. „Und zwar seit seinem letzten Besuch in Italien.“

„Mit anderen Worten, ich habe Schuld.“

„Davon war nicht die Rede. Ich habe lediglich versucht, dir die Lage möglichst knapp und präzise zu schildern.“

„Dann entschuldige bitte.“

Lügner, dachte sie und atmete einmal tief durch. Sie wollte unbedingt verhindern, dass ihre Stimme auch nur im Geringsten vorwurfsvoll klang.

„Er stört den Unterricht“, fuhr sie fort. „Er wird ausfallend und benimmt sich unverschämt.“ Sie verschwieg, dass Santo sich auch ihr gegenüber so aufführte, denn das gehörte schließlich nicht zum Thema. „Nachdem er sich wieder einmal ungebührlich betragen hatte, drohte ihm sein Lehrer, er würde die Eltern in die Schule bestellen, um sie über den Vorfall zu informieren. Santo erwiderte, dass sein Vater in Italien wohne und daher gar nicht kommen könne. Außerdem sei sein Vater so reich und bedeutend, dass er sich um solch eine nebensächliche Person wie seinen Sohn sowieso nicht kümmern würde.“

Catherine spürte, dass Vito einige Augenblicke den Atem anhielt. Er schien also den Ernst der Situation erkannt zu haben. „Wie kann er auf so etwas kommen, Vito? Bestimmt nicht von allein, dazu ist er noch viel zu jung. Er muss etwas nachgeplappert haben, das er von einem Erwachsenen gehört hat.“

„Und du gehst ganz selbstverständlich davon aus, dass ich dieser Erwachsene bin!“ Vito war empört.

„Das weiß ich nicht, Santo hat es mir nicht gesagt.“ Aber raten kann ich es, setzte sie im Stillen hinzu. „Tatsache jedenfalls ist, dass er sich weigert, morgen mit Luisa nach Neapel zu fliegen, weil er der festen Überzeugung ist, dass er dir dort nur zur Last fällt.“

„Du rufst mich also an, um mir mitzuteilen, dass Luisa Santo nicht holen soll. Machst du es dir damit nicht etwas zu einfach, Catherine? Santo spricht schließlich nur das offen aus, was du insgeheim schon seit Jahren wünschst. Damit liefert er dir die Rechtfertigung, keinen weiteren Gedanken mehr an mich zu verschwenden.“

„Dazu bedarf es keinerlei Rechtfertigung“, wies sie ihn höflich darauf hin. „Ende des Monats wird unsere Scheidung rechtsgültig.“

„Eine Scheidung, auf der du bestanden hast!“, betonte er. „Hast du schon einmal überlegt, wie du allein mit diesem Entschluss Santos Verhältnis zu mir beeinflusst hast? Brauche ich vielleicht gar nicht weiter zu suchen, um denjenigen zu finden, der meinem Sohn Lügen über mich erzählt?“

„Willst du etwa behaupten, dass ich ihm gesagt habe, dass er für dich eine nebensächliche Person sei? Überdenk doch einmal dein Verhalten, Vito! Wer ist es denn, der nach der Scheidung sofort wieder heiraten möchte? Wer ist es denn, dem es egal ist, ob Santo deswegen eine Stiefmutter bekommt, die so böse und hartherzig ist, als wäre sie geradewegs dem Märchenbuch entsprungen?“

Letzteres hatte sie nicht sagen wollen! Catherine hätte sich für diese unbedachten Worte am liebsten die Zunge abgebissen. Das Schweigen, das auf diese Äußerung folgte, sprach Bände.

„Von wem hast du das?“, fragte er schließlich mit einer Stimme, die verriet, dass er sich nur mit Mühe beherrschte.

Und deshalb, sagte sich Catherine, ist es am besten, wenn wir nie wieder Kontakt miteinander haben. Wir sind uns zu ähnlich, jeder bringt den anderen im Handumdrehen dazu, sich zu vergessen.

„Das stimmt doch, oder?“, fragte sie, statt ihm zu antworten.

„Das geht dich nichts an!“

Catherine kniff die Augen zusammen. „Da täuschst du dich, Vito“, konterte sie gefährlich leise. „Wenn du Marietta heiraten und sie an Santos Erziehung beteiligen willst, werde ich unsere Scheidung zu verhindern wissen.“

„Als ob das in deiner Hand liegen würde!“, spottete er.

„So? Dann wart’s nur ab!“ Damit legte sie auf.

Unruhig ging Catherine im Wohnzimmer auf und ab. Wie hatte sie nur zulassen können, dass das Gespräch so außer Kontrolle geraten war? Sie hatte Dinge gesagt, die sie gar nicht beabsichtigt hatte.

Sie atmete tief durch und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Sollte sie Vito noch einmal anrufen und sich entschuldigen? Sollte sie einen zweiten Anlauf nehmen und darauf bauen, dass sie diesmal ihr Temperament im Zaum halten konnte?

Bei dieser Vorstellung musste sie lächeln, denn eine solche Hoffnung war einfach illusorisch. Die Ehe mit Vito war schon immer schwierig gewesen, denn er war wie sie emotional, willensstark und nicht bereit, sich ohne Weiteres unterzuordnen.

Vito und sie hatten sich auf einer Party kennengelernt. Gemeinsam waren sie gegangen, obwohl jeder mit einem anderen Partner gekommen war. Es war Leidenschaft auf den ersten Blick gewesen: Noch in der gleichen Nacht hatten sie miteinander geschlafen, noch im gleichen Monat war Catherine schwanger geworden – und nach drei Jahren hatten sie sich als die ärgsten Feinde getrennt. Ihre Ehe war von Anfang bis Ende eine heiße und stürmische Affäre gewesen. Zum endgültigen Bruch war es nach einer leidenschaftlichen Umarmung gekommen, einem letzten und verzweifelten Versuch, ihre Beziehung zu retten.

So unbeschreiblich innig und intensiv die Umarmung gewesen war, so katastrophal waren die Folgen gewesen. Kaum waren sie wieder zu Atem gekommen, hatten sie sich erneut gestritten. Wie so oft in der Zeit zuvor, hatte Vito wütend das Haus verlassen. Am nächsten Tag hatten viel zu früh die Wehen eingesetzt, und Catherine hatte ihren zweiten Sohn verloren, während Vito sich in die Arme seiner Geliebten geflüchtet hatte, um dort den Zuspruch zu finden, den er brauchte.

Nie, nie würde sie ihm das verzeihen! Nie würde sie die Erniedrigung verwinden, bei seiner Geliebten anrufen und dieser sagen zu müssen, dass sie, die Ehefrau, den Beistand ihres Mannes brauche. Dennoch war Vito zu spät gekommen, um ihr in den schwersten Stunden ihres Lebens beizustehen. Als er endlich bei ihr war, lag sie längst im Krankenhaus, weil sie eine Fehlgeburt gehabt hatte. Als Vito, ganz der liebende Ehemann, sich über sie gebeugt und getröstet hatte, hatte sie das Parfüm jener Frau gerochen. Das war das Schlimmste gewesen.

Sobald sie körperlich dazu wieder in der Lage war, hatte sie Italien verlassen und Santo einfach mitgenommen. Dass sie ihm seinen Sohn weggenommen hatte, würde ihr Vito bis an sein Lebensende vorwerfen.

Beide bezichtigten sie sich der schrecklichsten Dinge, beide fühlten sie sich verraten, betrogen, ausgenutzt und im Stich gelassen. Hätte Vitos Mutter sich nicht aus dem Streit herausgehalten und die Rolle der Vermittlerin übernommen, wer weiß, wozu es noch gekommen wäre.

Dank Luisas Hilfe hatten sie jedoch jeden persönlichen Kontakt vermeiden können, und so war es ihnen gelungen, die vergangen drei Jahre einigermaßen friedlich zu überstehen. Doch das Telefongespräch hatte die trügerische Ruhe gestört, und Catherine wusste nicht, wie sie die drohenden Feindseligkeiten verhindern konnte.

Als das Telefon plötzlich wieder klingelte, stockte ihr vor Schreck der Atem. Panisch blickte sie auf den Apparat. Ihr erster Gedanke war, den Anruf einfach zu ignorieren. Doch die Angst, das ständige Läuten könnte Santo wecken, ließ sie schließlich zum Hörer greifen.

Luisa! Es war Luisa! Erleichtert ließ Catherine sich aufs Sofa sinken.

„Vito hat mich gebeten, dich anzurufen, und ist dann ohne jede Erklärung aus dem Haus gestürmt. Was, in aller Welt, ist passiert, Catherine? Ist Santo etwas zugestoßen?“

„Ja und nein“, antwortete Catherine und erklärte ihrer Schwiegermutter dann die Lage so ruhig und vernünftig, wie sie es Vito gegenüber hätte tun sollen. Dabei unterließ sie auch jegliche Anspielung auf sein Liebesleben.

„Kein Wunder, dass Vito so hoffnungslos und verzweifelt ausgesehen hat wie schon lange nicht mehr.“ Luisa seufzte. „Ich hatte schon gehofft, er hätte diese Phase endgültig überwunden.“

„Hoffnungslos und verzweifelt?“ Catherine wollte das nicht glauben, denn es passte überhaupt nicht zu dem Bild, das sie von Vito hatte.

„Ja, weil er befürchtete, seinen Sohn zum zweiten Mal zu verlieren. Glaubst du denn, Santo sei ihm egal?“

„Ich … Nein“, antwortete Catherine unsicher. Der Vorwurf, der aus Luisa Worten geklungen hatte, beschämte sie.

„Vito hat sich alle Mühe gegeben, die kurzen Besuchszeiten zu nutzen, um eine stabile Beziehung zu Santo aufzubauen“, fuhr Luisa fort. „Er war völlig niedergeschlagen, weil dies scheinbar nicht gewürdigt wird.“

Catherine schluckte. Während der vergangenen drei Jahre hatte sich Luisa stets neutral verhalten. Dies war das erste Mal, dass sie offen für ihren Sohn Partei ergriff. „Du bist also derselben Meinung wie Vito und beschuldigst mich, Santo aufzuwiegeln?“

„Nein, natürlich nicht“, widersprach Luisa. „Natürlich liegt mir Vitos Glück besonders am Herzen, dass du aber Santo ebenso liebst wie er und dein Kind nie für egoistische Zwecke missbrauchen würdest, weiß ich doch ganz genau. Ich mag dich, Catherine.“

Catherine musste lächeln. „Das glaube ich dir ja auch, Luisa, aber wenn es hart auf hart kommt, wirst du Vitos und nicht meine Partei ergreifen.“

Dazu schwieg Luisa, was auch eine Antwort war. „Also, Catherine“, fuhr sie dann fort, „wie hast du dir das weitere Vorgehen gedacht? Brauchst du noch etwas Zeit, um Santo wieder zur Vernunft zu bringen? Soll ich meinen Besuch verschieben?“

„Nein, nur das nicht!“ Catherine war von ihrer eigenen Reaktion überrascht, aber sie hatte während der Telefongespräche mit Vito und Luisa ihre Meinung geändert. „Du musst unbedingt so kommen, wie es besprochen war, Luisa, Santo wäre sonst maßlos enttäuscht. Ich wollte dich nur warnen und auf Santos Gemütslage vorbereiten. Es könnte nämlich gut sein, dass er sich weigert, mit dir nach Neapel zu fliegen.“ Sie zögerte. „Du verstehst doch, dass ich ihn dazu nicht zwingen würde, oder?“

„Natürlich verstehe ich das, Catherine, ich bin auch eine Mutter“, beruhigte Luisa sie. „Ich werde also wie geplant nach London kommen, und wir können nur hoffen, dass Santo seine Entscheidung ändert, nachdem er die Nacht darüber geschlafen hat.“

Schön wär’s, dachte Catherine, als sie den Hörer auflegte. Luisa schätzte die Situation falsch ein: Santos Probleme ließen sich nicht darauf zurückführen, dass er aus einem plötzlichen Gefühl heraus seinem Vater nicht mehr traute, sondern hatten einen handfesten Grund.

Sie lächelte bitter. Marietta. Marietta, die gute Freundin der Familie und kompetente Direktorin im Aufsichtsrat der Giordani Investment Bank. Marietta, Vitos langjährige Geliebte, und Marietta, die falsche Schlange.

Marietta war schlank, dunkelhaarig und entsprach dem Idealbild einer Italienerin. Sie hatte Anmut, Stil und unwiderstehlichen Charme. Sie war schön und klug, was sie zu ihrem besten Vorteil zu nutzen wusste. Dabei war sie so listig, dass ihr niemand auf die Schliche kam.

In Catherines Augen hatte Marietta in ihrem Schlachtplan, sich Vito zu angeln, ihren ersten schweren taktischen Fehler begangen: Sie hatte ausgerechnet Santo ihr wahres Gesicht gezeigt. Marietta mochte es gelungen sein, sie und Vito auseinander zu bringen, weil sie, Catherine, wie ein Feigling die Flucht ergriffen hatte. Bei Santo würde ihr das nicht gelingen.

Dafür werde ich schon sorgen, sagte sich Catherine, als sie endlich ins Bett ging.

2. KAPITEL