Konsumguerilla -  - E-Book

Konsumguerilla E-Book

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Beschreibung

Das neueste Handy, das angesagte Event oder ein attraktives Profil bei StudiVZ: Persönlichkeit, Individualität und Status werden in unserer Gesellschaft maßgeblich über Konsumentscheidungen hergestellt. Populäre Marken und serielle Massenproduktion führen dazu, dass sich Konsum oft entlang eines vom Angebot vorgegebenen Mainstreams bewegt. Einige Menschen jedoch entfalten enorme Kreativität, um diesen zu unterlaufen: Die Bandbreite reicht von einer übertriebenen Annahme der Angebote, wie etwa in Fankulturen, über subversive Taktiken im künstlerischen Kontext bis hin zur offenen Opposition gegen den Kult des Materiellen. Zur Konsumguerilla gehören damit Menschen unterschiedlichster Couleur. Die Autorinnen und Autoren – unter anderen Franz Liebl und Lev Manovich – zeigen in diesem Buch, wie vielfältig der Widerstand gegen Massenkultur ist.

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LESEPROBE

Ruhl, Alexander; Richard, Birgit

Konsumguerilla

Widerstand gegen Massenkultur?

LESEPROBE

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2008. Campus Verlag GmbH

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E-Book ISBN: 978-3-593-40492-9

|9|Prosumer, Smart Shopper, Crowdsourcing und Konsumguerilla: Ein Streifzug zur Einführung

Birgit Richard, Alexander Ruhl und Harry Wolff

Der vorliegende Band befasst sich mit unterschiedlichen Ebenen des Konsums sowie damit verbundenen, (sub-)kulturell überformten Konsumpraktiken und -stilen. Er präsentiert Aktivitäten und Strategien, die von erwartbaren und systemkonformen Nutzungsweisen abweichen und mit denen alltägliche oder vorgesehene Konsumgewohnheiten hinterfragt, unterlaufen oder gar verhindert werden. Dies kann nicht nur durch eine klar eingenommene Oppositionsrolle realisiert werden, sondern ebenso durch übertrieben affirmative Annahme der (impliziten) Handlungsaufforderungen an die AdressatInnen1 eines Angebots.

Solche Ambitionen gehen zurück auf eine Entwicklung, die Kaufentscheidungen immer stärker zur maßgeblichen, wenn nicht gar zentralen Identitäts- und Individualitätsdimension werden lassen. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Dinge zur marktfähigen Ware werden – ideelle symbolische und kulturelle Werte eingeschlossen – bietet reflektierter Konsum mit der ihm eigenen, flexiblen, vielfältig und breit gestaltbaren Semantik weiten Raum, einen persönlichen Stil und zugehörige Lebensentwürfe mit all ihrer Optionsvielfalt jenseits einer Normalbiografie der Vergangenheit zu konstruieren. Wenn im öffentlichen Diskurs der postmodernen Marktgesellschaft von Menschen die Rede ist, wird demnach überwiegend von VerbraucherInnen, KundInnen oder KonsumentInnen gesprochen. Souveräner Konsum avanciert zur elementaren BürgerInnenpflicht. Der Umgang mit Angeboten des Marktes wird so nicht mehr allein von den AnbieterInnen definiert, sondern zunehmend von den Subjekten bestimmt, die ihrerseits Bedeutung in Konsummöglichkeiten oder Dinge legen und sie entsprechend (um-)gestalten|10|. Mit Gegenständen oder Aktivitäten verknüpfte Versprechen, Mythen und Geschichten (vgl. Ullrich 2006) werden somit nicht einfach planbar übernommen, sondern aktiv mit eigenen Konnotationen belegt und abhängig vom jeweiligen Bezugsfeld und dort vorherrschenden Zielen erzeugt, verhandelt, gefördert oder (ironisch) gewendet. Die materielle und soziale Umwelt ist zu einem gewissen Grad offen für individuelle oder subkulturell geprägte Sinnkonstruktionen, oder aber sie enthält zumindest Ansatzpunkte, die sich taktisch im eigenen Interesse interpretieren lassen (vgl. de Certeau 1988).

Zwischen den Polen eines ostentativ gelebten Lifestyle- und Markenkults als Zeichen von Dynamik und Leistungsfähigkeit einerseits und hartnäckiger Konsumverweigerung andererseits eröffnen sich dabei vielfältige Deutungsmöglichkeiten, gerade auch bei Phänomenen, die nicht eindeutig dichotom gedachten Extremen zuzuordnen sind und somit eingehende Analysen verdienen.

Diese Betrachtungen unter dem Begriff der Konsumguerilla zu bündeln, betont den Ehrgeiz von Individuen, als hegemonial erlebte Konventionen nicht unreflektiert hinzunehmen, sondern stattdessen ihre eigene Version der kollektiven Zeichen einer Kultur sowie der zugehörigen Bedeutungen zu konstruieren und die modifizierten Symbolgehalte mehr oder weniger offensiv zu kommunizieren. Es geht folglich nicht primär um spektakuläre Aktionen, denn subversives Handeln kann durchaus beiläufig, bescheiden oder gar unbemerkt geschehen, wenn vor allem die im Vollzug von praktizierten Aktivitäten liegenden Reize ausgekostet werden. Der persönliche Mehrwert liegt dann im Handeln, möglicherweise gerahmt von einer bestärkenden, vielleicht auch verschworenen Gemeinschaft, die ihre Interessen mit einer Art sportlichem Antrieb verfolgt. Im Hinauswachsen über präfigurierte Nutzungsweisen werden gemeinsam Grenzen ausgelotet, Erfahrungen geteilt, normale Abläufe irritiert oder auch bewusst Reaktionen provoziert. Nochmals herausgefordert wird solcher Eifer von einer Umwelt, in der Konsumgüter, oder Gegenstände allgemein, eine schier universelle Initialfunktion für soziale Prozesse darstellen. »Materielle Partizipanden des Tuns« (Hirschauer 2004: 73) werden dabei selten sortenrein, so wie sie sind, als hinreichend angesehen. Dinge und mit ihnen gekoppelte Nutzungsskripte unterstützen vielmehr das »Branding« der eigenen Individualität und des unverwechselbaren, souveränen Lebensstils. Sie sind Kommunikationsanlass und geteilter Bezugspunkt für zuzurechnende Verhaltensweisen.

Der Charakter von weithin bekannten Marken mit ihren stilbildenden Zeichen ist allerdings nur ein erster signalisierender Aufhänger, mit dem |11|eigensinnig oder – vor dem Hintergrund des Guerilla-Begriffs – taktisch gearbeitet wird. Dabei geht es kaum darum, eine Revolution anzuzetteln. Die Guerilla kann überall agieren, sie wird in kleinen, verstreuten Einheiten aktiv, in unterschiedlichsten Feldern, nicht nur in Sub- und Alltagskulturen, dem Kunst- und Kulturbetrieb. Gemeinsam ist ihnen die Skepsis gegenüber scheinbar allgemeingültigen Leitbildern und alternativlos akzeptierten Größen, die uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen und denen sich alle anderen Faktoren unterzuordnen haben. So ist die Herrschaft des Marktes, für den kommerzielle Verwertbarkeit, also Profit, das höchste Gut darstellt und mit dem zu einem gewissen Grad immer auch das eigene Leben in Einklang gebracht werden muss, häufig ein Bezugspunkt. Eine kritische Haltung demgegenüber ist jedoch keine zuverlässige Absicherung: Dem Guerilla-Image wohnt ein eigener, durchaus auch marktfähiger Charme inne, der daher auch hervorragend als Aufmacher einer Marketingstrategie eingesetzt werden kann.

Das Buch gliedert die hier skizzierte Thematik in mehrere Teile, welche unterschiedliche Arten des Konsums und des Konsumierens, sprich die Verschiedenheit von Konsumstilen berücksichtigen. Es bearbeitet Strategien des Hyperkonsums, seine Bilder und Objekte, die Angebote des Marktes und des Marketings. Dabei werden sowohl die üblichen, systemerhaltenden Handlungsabläufe in der Figur des Partizipierens am eingängigen Mainstream aufgezeigt, etwa in Online-Videoclips bei YouTube als Vehikel des viralen Marketing oder in Fankulturen im Zusammenhang mit TV-Serien und Computerspielen, als auch Ambitionen, die das Phänomen Konsum als populäres und auch probates Mittel der Selbstinszenierung im Rahmen einer distinktionsorientierten Gesellschaft konstruieren. So etwa im Konsumuniversum Handy, das von individuellen Klingeltönen über Wallpapers und auswechselbare Gehäuseteile bis hin zu »trendigen« Futteralen und Handyschmuck reicht. Solche Modifikationen berühren bereits das Konzept des Customizing als Angebot individueller Gestaltung und Veredelung von Massenprodukten nach eigenem Geschmack oder die Wandlung von üblicherweise unspektakulären Objekten wie Spielzeugen zu exklusiven Designertoys.

Innerhalb des Mainstreammarkts wird ferner Rezeptions- und Transformationsstrategien eines emanzipierten Konsums nachgespürt: Zum einen in der Figur des Prosumer (Producer/Consumer), also des Verbrauchers, der zugleich in unterschiedlichem Maße und potenziell eigenschöpferischer Mitproduzent von Gütern ist, als solcher aber wiederum ins Kalkül von Marketing-Strategien einbezogen wird, gleichzeitig diesen jedoch |12|ablehnend begegnen kann; zum anderen in verschiedenen Formen des Ausdrucks von Alltagskreativität, die sich mit Konsum verbinden können. Die Verschränkung von Konsum- und Eigenbildern rückt hierbei ebenso ins Blickfeld wie die Eigenheiten der Entwicklungen im Web 2.0, also mediale Formationen wie Blogs oder populäre Community-, Foto- und Videoplattformen und deren kreative Umwidmung durch User. Hier zeigen sich Prozesse selbst bestimmter Nutzung ebenso wie das Bestreben, diese kommerzieller Verwertung zugänglich zu machen.

Einen weiteren thematischen Teil des Bandes bilden subversiver Konsum und Strategien von Subkulturen. Es werden Konsumstile des Widerstands vorgestellt, wie beispielsweise künstlerische und aktivistische Bewegungen, die ihre Konsumkritik mittels ästhetischer Eingriffe und häufig im öffentlichen Raum praktizieren. Hier treten die »Konsumbilderstürmer« mit ihren Rezeptions- und Transformationsstrategien in Erscheinung wie auch die Kunst der Rebellion. Im Spannungsfeld von Kunst und Aktivismus werden Antikonsumaktionen ebenso wie Strategien zur Aneignung des öffentlichen Raums – etwa Parkour oder Streetart – aufschlussreich analysiert, sodass darauf aufbauend Typologien und Definitionen subkulturellen Konsums und Aktivismus’ zur Diskussion gestellt werden können.

Zunächst aber sollen einige derzeit populäre Begrifflichkeiten aus Konsum und Marketing aufgefächert werden, um damit die gewandelte Position der Konsumierenden aufzuzeigen. Die bereits genannte Figur des Prosumers beispielsweise ist Ausdruck der Tatsache, dass sich die Rolle der KonsumentInnen verändert hat, und zwar insbesondere durch die Nutzungsmöglichkeiten, die das Internet und seine Dienste für neue Produktions und Partizipationsweisen bieten.2

Aus Sicht von UnternehmerInnen sollen Prosumer Ideen und Informationen bei Entwicklung, Design und Anpassung von Produkten liefern. Über solche Aktivitäten können sie (über die ihnen eigene Glaubwürdigkeit und Meinungsführerschaft) zur neuen »Marketingsäule« werden, womit faktisch interne Aufgaben des Marketing auf VerbraucherInnen verlagert werden. So sollen Prosumer etwa als »Mund-zu-Mund-Propagandisten|13|« in Weblogs und Foren dabei helfen, Neuheiten bekannt zu machen oder bei der Kaufberatung anderer User aktiv werden. Im günstigsten Fall resultieren hieraus langfristig bessere Qualität und präziser auf die Bedürfnisse der VerbraucherInnen zugeschnittene Produkte.

Viele Unternehmen versuchen, Prosumer und die kommunikativen Möglichkeiten des Web 2.0 in Marketing, Forschung und Entwicklung zu integrieren. So werden virale Botschaften3 oder buzzwords4 lanciert (etwa als entscheidende Schlagworte für Stichwortsuchen), um daran mit Produktwerbung anzudocken und die Reichweite zu vergrößern – nach Möglichkeit bis in traditionelle Medien hinein. Werbenachrichten werden dann von Interessierten an ihr soziales Netzwerk weitergeleitet. Prosumer sind damit zugleich die neuen »Trendscouts« und »early Adaptors«, wie sie die Werbepsychologie nennt, und entfalten eine multiplikatorische Wirkung. Kommentare der User werden als Grundlage für die Evaluation von Produkten herangezogen und die Prosumer darüber in die Organisation des Marketings eingebunden – oftmals ohne dass diesen ihre Funktion bewusst ist oder überhaupt werden kann. Positiv formuliert, öffnen sich Unternehmen ihren KundInnen, die zunehmend mitgestalten, beraten und interaktiv kommunizieren können.

Im Wechsel vom Konsumenten zum aktiven »Prosumenten« zeichnet sich ein neuer Käufertyp ab, der in der Eigenständigkeit seiner Kaufentscheidungen seiner Umwelt fordernd und hochkompetent gegenübersteht. Diese Eigenschaft wird im Begriff »Smart Shopper« betont. Diese lassen sich nicht einfach manipulieren. Sie achten im Gegensatz zu Schnäppchenjägern nicht nur auf den Preis, sondern vor allem auf Qualität und fragen ebenso, wer das erworbene Gerät gegebenenfalls reparieren oder erklären oder ob eine Dienstleistung den Ansprüchen gerecht werden kann.5

Zwischen den Extremen der Instrumentalisierung der Prosumer, auf den Arbeit abgewälzt wird – mit Konsequenzen für einen Teil der MitarbeiterInnen dieser Unternehmen –, und neuen sozialen Formationen wie emanzipativen Do-it-yourself-Alltagskulturen, die ebenfalls verändernd auf die Gesellschaft |14|einwirken, gibt es viele Abstufungen. Zum Teil werden auf diese Weise sogar neue, alternative Wirtschaftsstrukturen geschaffen, wie zuvor ungekannte Unternehmensformen oder Produktionslogiken von Communities zeigen (vgl. etwa die Wissensgenese bei Wikipedia).

Kundenorientierung erfährt folglich eine neue Orientierung im Sinne von: Was können die KundInnen für uns tun? Entsprechend werden unterschiedlichste Arbeitsschritte von angestellten ArbeitnehmerInnen auf KonsumentInnen ausgelagert, was sich anhand von etlichen Beispielen zeigen lässt: Direct-Banking, Self-Brokerage, Selbstbuchung von Flug- und Bahntickets sowie generell die Auswahl, Recherche und der Kauf von Produkten über das Internet. Man denke aber auch Abholung und Einlieferung von Paketen am Packstation-Automaten, automatisiertes Einchecken an Flughäfen und Hotels, ebenso an unterschiedliche Formen der webbasierten Selbstberatung und Information. Diese Liste nennt nur einige wenige Möglichkeiten und ließe sich noch lange fortschreiben.

Voss und Rieder benennen dabei moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sowie namentlich das Internet als

»hilfreiche Mittel; sie sind aber keineswegs die zentralen Auslöser, denn viele Betriebe (und die dazu gehörende Betriebswirtschaftslehre) haben unabhängig davon und zum Teil schon vor der Expansion des WWW den Kunden als sogenannten ›Ko-Produzenten‹ entdeckt, dessen Potential man aus unmittelbar wirtschaftlichen Gründen zu nutzen versucht.« (Voß/Rieder 2005: 5)

Beim permanenten Forcieren von Wachstum werden KonsumentInnen somit zum neuen Instrument der Kosteneinsparung, Rationalisierung und des Marketing: Sie werden in ihrer Eigenschaft als Wertschöpfungspotenzial entdeckt.

Markus Rohwetter beschreibt diese Entwicklung unter dem Titel »Vom König zum Knecht« (2006). Die Kundschaft arbeite freiwillig, dankbar und kostenlos mit, was die Frage aufkommen lässt, welches Unternehmen »eigentlich noch ein Heer bezahlter Mitarbeiter braucht« (ebd.). Er rechnet vor, dass bei Ikea beim Aufbau von jährlich vier Millionen verkauften Billy-Regalen und veranschlagten 30 Minuten für die Montage bei einem Stundenlohn von acht Euro eine Summe von 16 Millionen Euro zusammenkäme, die selbstverständlich nie ausgezahlt würde.

Nach Entwicklung und Leistungserstellung kann der Kunde anschließend das Produkt bewerben: »Er ist pro-aktiv im Erfahrungsaustausch mit anderen und übernimmt Meinungsführerschaft. Seine Leidenschaft für Marken und Produkte macht ihn zum Botschafter mit hoher Glaubwürdigkeit |15|und Authentizität.«6 Prosumer sollen über ihre Glaubwürdigkeit für Imageförderung und Kundenbindung auf Portalen und in Foren sorgen, für die Unternehmen werben, andere KonsumentInnen bilden und überzeugen – und günstigstenfalls all dies, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen. Im besonderem Maße erhoffen sich viele Unternehmen von diesem crowdsourcing, einem Verbundwort in Anlehnung an Outsourcing, das große Geschäft mit Hilfe von Weblogs und Communities.

»Am liebsten ist es aber den Unternehmen, wenn ihre Marke mit der Vertrauenswürdigkeit almagiert, die firmenexternen Bloggern zugeschrieben wird. Bei Vespaway treffen sich Vespa-Fans und beglückwünschen sich zu ihrem Hobby. Traum aller Firmen ist es, ein aktives Blog an die eigene Website zu binden.« (Hövel 2006)

Entscheidende Grundlage ist hier die zwar irrationale, aber starke emotionale Bindung der KonsumentInnen an Massenprodukte. Virales Marketing kann als moderne Mund-zu-Mund-Propaganda verstanden werden, bei der Prosumer, sofern sie eine themenspezifische Meinungsführerschaft innerhalb einer Community haben, eine besondere Rolle zufällt: Sie sind MultiplikatorInnen, die für eine Beschleunigung von buzzwords und Informationen sorgen, und zwar auf qualitativ höherem Niveau, als es die meisten Kampagnen erreichen. Der Markt reagiert entsprechend: Im Hintergrund und von vielen Nutzenden unbemerkt, werden erfolgreiche Web 2.0-Portale von konventionellen Unternehmen gekauft.7

Die neuen Social Networks und Communities weisen ein hohes Werbewirkungspotenzial auf, da Inhalte unmittelbar auf bestimmte Zielgruppen und Situationen abgestimmt werden können. Besonders attraktiv sind für Unternehmen YouTube, Flickr und ähnliche Portale, da sie neben den kostenlosen Inhalten die damit zugleich realisierten soziotechnischen Strukturen enthalten, welche wiederum Aufschluss über vorherrschende Verwendungsweisen und jugendspezifische Aneignung derselben geben. Jugendliche und junge Erwachsene können gezielt angesprochen werden, da eine Software fortlaufend alle Seitenaufrufe analysiert, die angeklickten Inhalte erfasst und entsprechende Anzeigen schaltet. Ferner lassen sich als MultiplikatorInnen geeignete User identifizieren, was für die Firmen einfacher und effektiver ist als eigene Weblogger zu bezahlen oder eigene Portale zu |16|etablieren. Bei Flickr gibt es für die Werbung von Fotokameraherstellern eine besonders exponierte Seite, auf der die beliebtesten Kameras in der Flickr-Community (vgl. Richard/Grünwald/Ruhl 2008) verzeichnet sind. Dort wird erwartungsgemäß die entsprechende Werbung geschaltet. Innerhalb der im Netz vorherrschenden Kultur des Kennens und Anerkennens unter den Nutzern von Flickr entsteht so fortlaufend soziales Kapital, auf das Unternehmen bei der Vermarktung bauen. Abstrakt gründet das »Geschäftsmodell« vieler Plattformen folglich auf Aufmerksamkeit, die generiert wird und in Verbindung mit einer bestimmten Zielgruppenspezifik für die Werbewirtschaft attraktiv ist. Der Unterschied zum Fernsehen besteht darin, dass Inhalte nicht von einer Programmgruppe erstellt werden, um möglichst viele ZuschauerInnen bestimmter Zielgruppen zu versammeln, sondern der user generated content wird von Letzteren selbst erstellt, während sich die zentrale regelnde Instanz auf Ordnungsmechanismen und deren Anpassung beschränkt.

Diese Prinzipien lassen sich auf beliebige Inhalte und Formate übertragen. So können HörerInnen aktiv in die Programmgestaltung eines Radiosenders einbezogen werden, indem sie selbst komponierte Lieder oder selbst verfasste Beiträge einsenden – selbstverständlich in Kombination mit einem Bewertungssystem. So startete Motor FM8 zusammen mit My-Space (jetzt im Besitz von Rupert Murdoch) eine Aktion, bei der jungen KünstlerInnen die Chance auf eine breite Öffentlichkeit via Radio in Aussicht gestellt wurde. Daneben treten Blogs und Podcasts als neue Kommunikationskanäle, moderiert von BürgerInnen, in Konkurrenz zu den klassischen Printmedien und zum herkömmlichen Hörfunk. Als Alleinstellungsmerkmal gemeinschaftlich geschaffener Inhalte gilt, trotz gewisser Unprofessionalität und gelegentlichem Mangel an Qualität, der Mythos »Authentizität« (vgl. Näser 2008). Wobei dieser Begriff im Kontext des Marketings und der Medienwirkungsforschung sehr kritisch beleuchtet werden muss, da die scheinbar eigenen Aktionen und Bilder der NutzerInnen längst medial überformt und zu Hybriden aus Eigen- und Fremdbildern geworden sind.

Der für den Streifzug durch denkbare Positionen von KonsumentInnen eingenommene Fokus auf überwiegend medial etablierte soziale Realitäten und dort manifeste soziale Praktiken folgt der Beobachtung, dass sich hier zentrale Mechanismen gegenwärtiger Gesellschaftsmerkmale zeigen |17|beziehungsweise ausgehandelt werden. Sie sind nicht als nur immateriell oder virtuell abzuwerten, denn sie bilden einen entscheidenden Teil der gegenwärtigen Lebenswelt und Kultur, welcher den Horizont für Denken und Handeln darstellt. Haltungen und praktische Lebensgestaltung gründen so stets auch auf einer durch Medien vermittelten Welt, die die Folie für sinnstiftende Interpretationen bietet (vgl. Ruhl 2008: 36).

In diesem Sinne ist auch die Konsumguerilla zu verstehen: Ehemals passive EndverbraucherInnen, denen kaum nennenswerte Eigenaktivität zugebilligt wurde und bei denen man davon ausging, dass sie mit Angeboten des Marktes meist relativ planmäßig umgingen, melden sich nun weithin vernehmlich zu Wort und vertreten ihre eigene Interpretation der Bedeutungen, die mit Konsumweisen und Produkten einhergehen. Sie demontieren das Monopol der Angebote, wobei sich zeigt, dass Verbraucher-Innen mehr sind als nur KonsumentInnen: nämlich in erster Linie Individuen, denen einzelne Waren nur Mosaiksteine oder das Rohmaterial für ihre jeweiligen Interessen sind. Dies kann über das mit dem Wort Konsumguerilla gebildete Oxymoron eine Gestalt erhalten: Betont wird das Spannungsverhältnis der Begriffe Konsum und Guerilla, die zunächst gegensätzlich erscheinen, aber tatsächlich in mehrfacher Beziehung zueinander stehen, sobald man an die vielschichtigen semantischen Bedeutungsumfelder denkt, die jeweils mit ihnen einhergehen.

Marktstrategien lassen sich demnach nicht allein durch einfache oppositionelle Akte demontieren oder variieren. Gerade Guerillataktiken machen die Aneignung der materiell geprägten Welt zu einem attraktiven, motivierenden und möglicherweise für die Aktiven auch besonders Erfolg versprechenden Unterfangen. Die für PartisanInnen konstituierende Wendigkeit auch in den hier behandelten Marktarrangements ist dabei stets fortzuentwickeln, da jede subkulturelle Intervention vom Markt als Herausforderung gedeutet werden kann, die auf potenzielle Marktlücken verweist und als solche dann Gefahr läuft, vom kommerziell getriebenen Kreislauf wieder vereinnahmt zu werden. Dem unvorhersehbaren, aktiv gelebten Freiheitswillen Ausdruck zu verleihen, stellt dabei die besondere Kunstfertigkeit dar, die sich nicht allein in Feldern wie Kunst, Kulturbetrieb und Jugendkulturen finden lässt und daher multiperspektivisch und interdisziplinär betrachtet wird.

|18|Die Beiträge

Für die Einleitung untersuchte Harry Wolff gemeinsam mit den Herausgebern Synonyme als Indizien für gewandelte Rollen von KonsumentInnen aus dem Bereich des Marketings.

Hans Peter Hahn führt mit einem Überblicksartikel zum Verhältnis von Konsum und Kultur in den Band ein. Er zeigt zentrale historische und gegenwärtige Herangehensweisen an die Welt der Waren und des Konsums.

Franz Liebl verdeutlicht mit dem Prinzip des Cultural Hacking, wie durch direkte Veränderung an Waren neue Bedeutungen geschaffen werden, und wie diese kritischen, teils aber auch ökonomisch motivierten Eingriffe in die Welt der standardisierten Produkte wieder neue kommerzielle Formen hervorbringen können.

Thilo Schwer beleuchtet in seinem Beitrag Veränderungen im Möbeldesign durch BenutzerInnen, die Alltagsobjekte umgestalten, umnutzen und damit individualisieren und wie diese Modifikationen als Gestaltungsstrategien im professionellen Bereich aufgenommen und weiterentwickelt werden.

Sabine Fabo stellt parasitäre Strategien in Kunst und Design vor, deren Ausrichtung zwischen den Angeboten des Marktes mit seinen namhaften Marken als Bezugsgröße einerseits und Widerstand dagegen andererseits anzusiedeln sind.

Martina Seefeld und Jörg Hoewner setzen sich mit den Neuen Medien, welche die Rolle von KonsumentInnen grundlegend umdefiniert haben, im Kontext von Unternehmenskulturen auseinander. Bieten die Technologien des Web 2.0 Chancen für die Entwicklung eines Enterprise 2.0?

Verena Kuni beleuchtet die Aktualität von Do it yourself-Strategien im Zusammenhang mit sozialen Prozessen, Kontexten und hieraus resultierenden Effekten im Web 2.0 im Zusammenhang mit der Figur des Prosumers.

Nina Metz stellt ein spezielles Motiv jugendkultureller Inszenierung in den Vordergrund: Den Reiz von Verletzungen und den Stolz auf Wunden als eine Art der autonomen Formung des Körpers jenseits der im Mainstream aufwendig inszenierten Schönheitsideale.

Jutta Zaremba beschäftigt sich mit neu entstandenen Kulturen von ComputerspielerInnen und ihren Aktivitäten auf den zugehörigen Websites und Portalen im Internet.

Marcus Recht wirft einen Blick auf die TV-Serie »Buffy« und analysiert darin subversive Momente wie auch Abweichungen in den Geschlechterrelationen in einem Produkt der Massenkultur.

|19|Alexander Fleischmann und Josef Jöchl analysieren »queere« Strategien zwischen Abweichung und sozialer beziehungsweise kommerzieller Eingliederung in den »Mainstream der Minderheiten« (Holert/Terkessidis) am Beispiel des Schwulenmagazins »BUTT«.

Jan Grünwald analysiert Männlichkeitsbilder bei Selbstdarstellungen in der Web 2.0-Community und der Musikplattform MySpace anhand von Stereotypenbildung wie auch Abweichungen, die Ansätze einer Typologie liefern können.

Das Interview mit Diedrich Diederichsen beleuchtet die künstlerischen Möglichkeiten des Widerstands gegen Konsum insgesamt.

Lev Manovich fasst in seinem Überblicksartikel über die neuen sozialen Medienwelten die sozialen Bedingungen des Web 2.0 zusammen und untersucht, wie das Social Networking vom Massenkonsum zur massenhaften kollaborativen Kulturproduktion führt.

Alexander Ruhl verfolgt in seinem Artikel, wie die Streetart in ihrer Wanderung von der Straße ins Netz vom Kontext von Subversion des Urbanen in das System Kunst als Neue Kunstform gerät.

Birgit Richard sucht bei YouTube nach neuen Kunstformen für das bewegte Bild und findet jugendliche Bild- und Darstellungsformen, die so vorher nicht existent waren und zur temporären Aufweichung der Grenzen zwischen Bildender Kunst (high) und Alltagskultur (low) führen.

Sabine Himmelsbach betrachtet den Übergang und die Schnittflächen vom partizipativen, vernetzten Web 2.0 in die bildende Kunst und beleuchtet ihre Möglichkeit, mediale Formate subversiv zu unterlaufen, sich diese damit anzueignen und autonome, unreglementierte Nutzungsformen voranzutreiben.

Peter Mörtenböck thematisiert die Aneignung und Neuvermessung der Stadt durch Free Running, das nicht nur die Grenzen und Restriktionen des öffentlichen Raums, sondern auch die der materiell gebauten Umwelt als Herausforderung und ein Hindernis begreift, das im wahrsten Sinne unter- oder überlaufen werden muss.

Jörg van der Horst und Christoph Jacke beleuchten eine unerwartete Form der Subversion: den Hyperkonsum der Hochkultur am Beispiel der wagnerianischen Opern in Bayreuth. Sie schildern den subversiven Applaus und erklären die Strategie der Überaffirmation respektive -negation, durch die eine Hochkultur-Konsumguerilla geschaffen wird.

Den Band beendet Birgit Richard mit einem Einblick in ihre coolhunters: style-Studie, eine Befragung von Jugendlichen im Rahmen der Coolhunters-Ausstellung |20|mit Fokus auf Kleidungs- und Stilbilder, die deutlich die mediale Überformung und konforme Ausrichtung der meisten Jugendlichen zeigt.

Literatur

Certeau, Michel de (1988), Kunst des Handelns, Berlin.

Hirschauer, Stefan (2004), »Praktiken und ihre Körper. Über materielle Partizipanden des Tuns« in: K. H. Hörning; J. Reuter (Hg.), Doing culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis, Bielefeld, S. 73–91.

Hövel, Jörg auf dem (2006), »Lass das doch die Community machen« in: Telepolis, http://www.heise.de/​tp/​r4/​artikel/​22/​22832/​1.html, 07. Juni, 04.08.2008.

Institut für Demoskopie Allensbach (2003), »Weniger Markenbewusstsein. Ein Ergebnis der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse« allensbacher berichte Nr. 15, http://www.ifd-allensbach.de/​pdf/​prd_0315.pdf, 23.08.2008.

Näser, Torsten (2008), »Authentizität 2.0 – Kulturanthropologische Überlegungen zur Suche nach ‚Echtheit’ im Videoportal YouTube« in: kommunikation@gesellschaft, Jg. 9, Beitrag 2. Online-Publikation: http://www.soz.uni-frankfurt.de/​K. G/B2_2008_Naeser.pdf, 21.08.2008.

Richard, Birgit/Grünwald, Jan/Ruhl, Alexander (2008), »Me, Myself, I: Schönheit des Gewöhnlichen. Eine Studie zu den fluiden ikonischen Kommunikationswelten bei flickr.com« in: Kaspar Maase (Hg.), Die Schönheiten des Populären: Ästhetische Erfahrung der Gegenwart, Frankfurt/M., S. 114–132.

Rohwetter, Markus (2006), »Vom König zum Knecht« in: Die Zeit, 21.September, Nr. 39, http://www.zeit.de/​2006/​39/​Do-it-yourself, 04.08.2008.

Ruhl, Alexander (2008), Schreiben und Schweigen im virtuellen Raum. Computervermittelte Kommunikation in kultur- und sozialwissenschaftlicher Forschungskooperation, Opladen.

Toffler, Alvin (1983), Die dritte Welle. Zukunftschance. Perspektiven für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, München.

Ullrich, Wolfgang (2006), Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur, Frankfurt/M.

Voß, Günter/Rieder, Kerstin (2005), Der arbeitende Kunde. Wenn Konsumenten zu unbezahlten Mitarbeitern werden, Frankfurt/M.

|21|Konsum und die Ethnographie des Alltags: Eine fragwürdige Ästhetik der Dinge

Hans Peter Hahn

»Konsum macht dumm« – so könnte man die klassische Position Walter Benjamins (1936) zu Waren und Konsum auf einen Satz bringen. Seine Studien über die Aura der Dinge und über das Verhältnis von Kunstwerken zu massenhaft reproduzierbaren Gütern zeichnen eine scharfe Trennlinie: Während das Unikat, das einzelne, vom Künstler angefertigte Objekt oder die künstlerische Aufführung eine Ausstrahlung haben, die den Betrachter zu Respekt zwingt, und, vermittelt über die Macht der Aura, in einen Dialog mit ihm treten, haben alle diese Aspekte im Umgang mit Konsumgütern keinen Platz. In der Folge stumpfen die Sinne ab und die Fähigkeit zu echter Wahrnehmung geht verloren. Konsum, zumal der Konsum technisch reproduzierter Kunst(-objekte), führt zur Deformation der Anteilnahme. Was der Dadaismus später innerhalb der Kunst zeigte, nämlich die Negation jedes Sinnes, wurde nach Benjamin in der Zeit um 1900 durch den Aufstieg der Kaufhäuser, der Einkaufspassagen und der Massenwaren vorbereitet. Die konsumierenden Menschen, selbst als Massen auftretend, stellen nicht mehr die Frage nach dem Sinn, ihr Streben im Umgang mit den Massengütern wird auf Zerstreuung und Gewöhnung reduziert.

Zwar scheint die »Aura des Kunstwerkes« all den als Massenwaren hergestellten und im Alltag konsumierten Dingen zu fehlen, und doch hat Benjamin ein spezifisches Interesse an den zu seiner Zeit neu entstehenden Formen des Konsums und an der Rolle der Konsumgüter im Alltag. Er versucht, den »Geist des Konsumismus« zu verstehen und dessen Logik zu entlarven. Dies hat Benjamin besonders im posthum veröffentlichten »Passagen-Werk« (1983) geleistet, das als die erste »Ethnographie des Shopping« bezeichnet werden kann, und damit ein legitimer Vorläufer der »Theorie des Shopping« von Daniel Miller (1998) ist. Demnach macht das Eintauchen in die vergänglichen Farben und Sensationen der Schaufenster aus dem Konsumenten einen Träumer, eine zeit- und geistlose Person, einen |22|desorientierten Dinosaurier, der ohne Reflexion seiner eigenen Lebenslage in den Tag hinein lebt. In der urban-industriellen Phantasiewelt der Schaufenster und des Massenkonsums sind nach Benjamin weder die symbolischen Bedeutungen der Dinge, noch deren Tauschwert oder Gebrauchswert wesentlich. Anstelle dessen treten die Traumbilder des Kollektivs in den Vordergrund. Sie machen die eigentliche Bedeutung des Konsums aus.

Wesentlich an dieser neuen Perspektive ist die Feststellung, dass der Besitz der Konsumgüter keine Rolle mehr spielt. Benjamins Beschreibung des Konsums hat viel mit der Jägerparabel des Philosophen Pascal gemein (zitiert nach Bauman 2001). Pascal beschreibt darin die conditio humana mit dem Bild des ruhelosen Jägers. Für diesen gilt: nicht das Tier, dessen Fleisch oder Fell bieten ihm Sättigung und Schutz, sondern nur die Jagd selbst ist wirkliche Befriedigung. Ist das Tier erlegt, interessiert es schon nicht mehr, es ist fad und öd. Erst die nächste Jagd kann wieder die Zufriedenheit herstellen. Divertissement und Kurzweil sind es allein, die des Menschen Hunger sättigen, nicht aber der Besitz. Kann es nicht sein, dass die immer neuen Konsumgüter die Jagdbeute sind, die im Moment nach ihrem Erwerb gleich wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückfallen?

Nach Susan Buck-Morss (1993) enthält der Grundgedanke des Passagenwerks eine überraschende Definition der Konsumwelt. Die Welt der Konsumgüter ist demnach wesentlich durch die Art des Sehens gekennzeichnet. Die Art des Sehens im Kontext des Konsums ist ein zeitloses, träumerisches Sehen; im Gegensatz dazu gehört zum Sehen der auratischen Objekte ein bewusstes Vermitteln von Bedeutungen, das Zeit erfordert und der Reflektion bedarf. Das Sehen des Konsums wird hingegen vom permanenten Vergessen des Vergangenen und dem vollständigen Eintauchen des Betrachters in die scheinbar zeitlose Gegenwart geprägt. Im Kontrast zu anderen Konsumkritikern ist hervorzuheben, dass Benjamin trotz der Kritik ein differenziertes Bild der Konsumwelt und seiner »Eigenlogik« entworfen hat.

Die Schwäche der Konsumkritik

Der Aufstieg des Konsums ist, weithin akzeptierten Interpretationen zufolge, eine Verfallsgeschichte der Kultur. So sind jedenfalls die Ausführungen von Theodor Adorno und Max Horkheimer (1944) in der »Dialektik |23|der Moderne« zu verstehen, in der die beiden Exponenten der »kritischen Theorie« die modernen Formen des Konsums verurteilen und die Geistlosigkeit der Erzeugnisse der Kulturindustrie anprangern. Massenkonsum ist ein Parasitismus der Geschichte und entspringt der Naivität von Menschen, die sich einer wie auch immer gearteten Gegenwart verweigern. Letztlich steht er für die Figur des Verdrängens als Reaktion auf die unverstandene Bedingung der eigenen Existenz. Konsum ist nach Adorno (1977) nicht mehr als ein »dümmlicher Versuch der Selbsttröstung« und eine »Ersatzbefriedigung«.

Mit diesen deutlichen Worten werden die Vertreter der Frankfurter Schule zugleich zu Exponenten einer linken Konsumkritik, die schon bei Karl Marx’ heute oft missverstandenem Begriff des »Warenfetischismus« beginnt und über Herbert Marcuse bis hin zu den Ausführungen zur Konsumkritik von Wolfgang Fritz Haug (1971) führt. Nach Haug sind in modernen Gesellschaften mehr und mehr Dinge des Alltags durch die Entfremdung gegenüber dem Benutzer und ihrer zunehmenden Warenförmigkeit gekennzeichnet. Die Eigenschaft der alltäglichen Konsumgüter, eine »Ware« zu sein, ist der alles beherrschende Rahmen, in dem die Abstumpfung mehr und mehr um sich greift. Durch die zunehmende Dominanz der Warenform »werden Menschen von klein auf trainiert, nicht die Dinge selbst wahrzunehmen, sondern nur noch deren Tauschwert«. Der Verfall der ästhetischen Kompetenz und »Herrschaft der Warenförmigkeit« führen zur Abstraktion von jeder differenzierten ästhetischen Wahrnehmung oder gar zu ihrer Brechung. Übrig bleibt nach Haug eine »Warenästhetik«, deren ökonomische Techniken – damit meint er vor allem die Werbung – über die sinnliche Welt wie eine Naturkatastrophe hinwegfegen. Das Diktat des Konsums ist der Grund dafür, dass den Menschen die Beziehung zur Materialität der Alltagsdinge verloren geht. Nur noch die Oberfläche, die Verpackung spielt eine Rolle. Die Möglichkeit einer direkten Auseinandersetzung mit dem Ding als solchen ist nicht mehr gegeben. Werbung stellt in dieser Hinsicht einen doppelten Betrug dar: Weil sie einerseits Bilder der Dinge suggeriert, die sich im tatsächlichen Gebrauch kaum erfüllen lassen, und weil andererseits der von der Werbung versprochene Statusgewinn in der Regel nicht erreichbar ist. Nach Haug (1997) ist insbesondere die Werbung in den elektronischen Medien für diesen doppelten Betrug verantwortlich.

In den letzten dreißig Jahren wurde die Konsumkritik auch durch die zunehmende Sensibilität für Umweltprobleme gestützt. So beklagt Gerhard |24|Scherhorn (1997) den Verlust des Bewusstseins »für das Ganze der Güter«. Menschen konsumieren, ohne sich über die damit verbundenen ökologischen Probleme der Abfallberge und der Problematik der Stoffkreisläufe bewusst zu sein. Scherhorn fordert deshalb eine Erziehung zu einer neuen Sinnstruktur, die nachhaltig produzierten und nutzbaren Dingen einen herausgehobenen Wert zuordnet. Nur die Wiedergewinnung einer solchen Sinnstruktur und ein »reflektierter Konsum« bieten demnach der modernen Gesellschaft eine Überlebenschance.

Konsumkritik ist jedoch nicht nur ein Anliegen linker Denker, sondern wird auch von konservativen Autoren geäußert. Diese beklagen insbesondere den Verlust einer Ordnung, die Konsummuster bestimmten sozialen Schichten zuweist. Damit werde der Auflösung der Gesellschaft insgesamt Vorschub geleistet. Als Beispiele wären hier Hans Freyer und Hannah Arendt zu nennen. Für letztere ist es die »Störung des Gleichgewichts von Konsum und Verzehr«, die den zunehmenden Konsum so bedrohlich erscheinen lässt.

Konsumkritik aus der einen oder anderen Richtung hat eine lange Tradition. Schon im Jahre 1904 publizierte Wilhelm Bode ein Pamphlet mit dem Titel »Die Macht des Konsumenten«. Dieses frühe Dokument ermahnt, dem Konsum nur in Maßen zu frönen und aus der Verantwortung für die Qualität der Waren heraus nicht den billigeren, industriell gefertigten Massenerzeugnissen den Vorzug zu geben.

Aber: Die Mühe der Kritiker war vergeblich. Aus heutiger Sicht wird deutlich, dass die Konsumkritik von Bode über Haug bis hin zu Scherhorn eigentlich wirkungslos geblieben ist. Wie Daniel Miller in einem Überblicksartikel zur Konsumkritik hervorhebt, ist das 20. Jahrhundert eine Epoche der dramatischen Konsumexpansion, die offensichtlich durch die Konsumkritik nicht wesentlich beeinträchtigt wurde. Die Gründe für ihre überraschende Wirkungslosigkeit sind demnach in der Kritik selbst zu finden. Die »Armut der Konsumkritik«, von der Miller spricht, begründet sich im Mangel an Kenntnis des Gegenstands bei den jeweiligen Autoren. Die Philosophen und Sozialwissenschaftler nehmen in der Regel einen normativen Standpunkt ein und verbinden verkürzende Beschreibungen mit Werturteilen. So lange die Konsumkritiker sich nicht der Mühe unterziehen, Konsum ernst zu nehmen, ihn genauer zu untersuchen, und seine Merkmale besser zu verstehen, können ihre Einwände gegen die herrschende Praxis keine Relevanz beanspruchen.

|25|Häufig stützen sich ihre Thesen auf rhetorische Figuren, die einen gegenwärtigen, negativ empfundenen Zustand mit einem fiktiven früheren Umgang vergleichen, wobei dieser fiktive, frühere Umgang noch nicht oder nur wenig vom Konsum dominiert gewesen sein soll. Dieser ferne Horizont kann zeitlich zurückliegen, er kann aber auch räumlich in weiter Ferne liegen. In jedem Fall dient er als »Kontrastfolie«, die auf scheinbare Missstände des Hier und Jetzt verweist. An die Stelle der Kenntnis des Konsums tritt also in der Konsumkritik eine rhetorische Figur, die letztlich nur eine geringe Aussagekraft für den Konsum hat. Wissen aber Ethnologen wirklich mehr über den Konsum als die Konsumkritiker? Welchen Stellenwert nimmt das Thema Konsum in einer aktuellen Ethnographie des Alltags ein?

Kulturwissenschaftliche Annäherungen an Konsumforschung

In der Konsumkritik bleibt der Konsum ein unterschätztes Phänomen; er wurde von den verschiedenen Autoren kritisch oder gar mit Spott beschrieben, um dann, vollkommen unberührt von dieser Kritik, seinen Siegeszug fortzusetzen. Im Folgenden soll neben diese Perspektive eine andere treten, in der Konsum ein überschätztes Phänomen darstellt. Konsum wurde nämlich vielfach auch als Indikator für die Konstitution von Gesellschaften und deren Wandel verwendet. Er wurde in diesen großen und weithin anerkannten Theorien zugleich instrumentalisiert als Ausdruck oder Grund beobachteter Kulturphänomene.

An erster Stelle ist hier eine Tradition der Interpretation zu nennen, die von Thorstein Veblen über Roland Barthes und Pierre Bourdieu bis hin zu Mary Douglas reicht. Veblen, der in seiner viel zitierten »Theorie der feinen Leute« aus dem Jahr 1899 den Begriff des »demonstrativen Konsums« prägte, sah in den unaufhörlich entstehenden neuen Konsumformen das Grundübel der Gesellschaft seiner Zeit. An der Schwelle der Formierung der Konsumgesellschaft stehend, verstand er den »demonstrativen Konsum« als eine soziale (Fehl-)Entwicklung und könnte damit mit gutem Recht als Konsumkritiker gelten. Aber Veblen ging einen Schritt weiter und beschrieb, wie Unterschiede in den Konsummustern soziale Strukturen abbilden. Er schildert, wie Individuen in ihrem gesellschaftlichen Umfeld |26|bestimmte Konsumformen einsetzen, um so soziales Ansehen, Prestige, zu erlangen.

Konsum ist in dieser Theorie höchst bedeutungsvoll. Im Moment des Konsums und durch den Besitz der Güter kommuniziert der Besitzer seinen Status, sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch im Hinblick auf den Anspruch, einer Schicht oder Gruppe anzugehören. Einen ganz ähnlichen Gedanken hat Roland Barthes in seinen »Mythen des Alltags« aus dem Jahr 1957 ausgeführt. In dieser Sammlung kurzer Essays erscheinen einzelne Konsumobjekte als Grundlage für die Erzeugung immer neuer Geschichten, die wechselweise Eigenschaften der Dinge und Qualitäten ihrer Besitzer beschreiben. Objekte werden in der Perspektive von Barthes zu Medien der Kommunikation. Sie sind Teil eines Codes, der Texte, Bilder und nicht zuletzt Objekte umfasst. Erst in einer unendlichen Kette von Verweisen und Assoziationen (Denotationen und Konnotationen) werden aus Konsumobjekten moderne Mythen, deren Macht weit über den konkreten Konsum hinausgeht. Ein viel beachtetes Beispiel ist der kurze Essay von Barthes über den Citroen DS; der Déesse, die zugleich »Göttin« und Gangsterauto war. Die Aufladung mit Bedeutungen ist bei diesem Gegenstand so signifikant, dass dieses Auto zu einem klassischen Filmobjekt werden konnte (vgl. Althen 2005).

Schließlich kommt Mary Douglas der Verdienst zu, diese Perspektive systematisiert und daraus eine »Anthropologische Theorie des Konsums« geformt zu haben, wie es im Untertitel des Werkes »The World of Goods« aus dem Jahr 1978 heißt. Im Unterschied zu Barthes fordert Douglas ein empirisches Vorgehen, in dem die Sättigung oder auch die Frequenz ausgewählter Konsumgüter in Haushalten einer bestimmten sozialen Schicht zu untersuchen seien. Demzufolge informiere das systematische Auftreten von einzelnen Objekten, also ihr Konsum, über relevante Merkmale der Sozialstruktur einer Gesellschaft. Douglas ist so sehr von der Kommunikationsfunktion des Konsums überzeugt, dass sie dazu auffordert, alle anderen Dimensionen auszublenden: »Forget that commodities are good for eating, clothing, and shelter; forget their usefulness and try instead the ideas that commodities are good for thinking« (1978: 62). Die Paradoxie ihrer theoretischen Orientierung wird in diesem Zitat deutlich: Die materialen, stofflichen Aspekte des Konsums – Essen, Bekleidung, Unterkunft – sind völlig irrelevant geworden. In ihrer Analyse zählen nur noch die durch die Objekte kommunizierten Botschaften. Diese Theorie stellt zweifellos einen signifikanten Fortschritt gegenüber der Konsumkritik dar, aber |27|sie führt zugleich zu einer gefährlichen Verkürzung in der Wahrnehmung des Konsums als solchem, eine Verkürzung, der auf der Basis einer ethnographischen Annäherung unbedingt zu widersprechen ist.

Neben dieser Perspektive auf Konsum im Umfeld des Arguments »Konsum als Kommunikation« gibt es eine zweite, große Tradition der Interpretation von Konsum, die in den letzten Jahrzehnten ebenfalls große Resonanz gefunden hat. Es handelt sich dabei um die Untersuchung von Bedürfnissen und um die Frage nach dem Zusammenhang von expandierendem Konsum und Bedürfniswandel. Dem grundlegenden Bild der Bedürfnispyramide zufolge stehen verschiedene Bedürfnisse in einer Rangordnung. Wie beispielsweise Abraham Maslow (1954) feststellt, wird die Basis aus so genannten Grundbedürfnissen wie Nahrung, Kleidung und Schutz vor Kälte gebildet. Darüber stehen höhere Bedürfnisse, die erst danach befriedigt werden und kulturabhängig sind. Dazu könnte zum Beispiel das Interesse an neuen Luxus-Konsumgütern gerechnet werden. Das Anliegen wichtiger Studien in diesem Rahmen ist jedoch eine Kritik an diesem Bild. So betont Sydney Mintz (1985) in seiner Geschichte des Zuckers den Wandel von Bedürfnishierarchien. Wie er zeigt, führte die Entwicklung eines globalen Marktes für Zucker zur Entstehung eines neuen Grundbedürfnisses (nämlich nach Zucker). Doch auch wenn es den Konsumenten als ein Grundbedürfnis erscheint, ist dieses Konsumelement historisch bedingt.

In dem Buch mit dem Titel »The Romantic Ethic and the Spirit of Modern Consumerism« (1987) problematisiert Colin Campbell den Zusammenhang von Konsummustern und Bedürfnissen. Er untersucht den engen Zusammenhang zwischen dem Modell des modernen Individuums und hedonistischen Auffassungen vom Ich. Letztlich kommt er zu dem Punkt, das Konzept der »Bedürfnisse« insgesamt in Frage zu stellen. Nach Campbell ist die Konsumexpansion der Gegenwart zu einem konstitutiven Element des Individuums geworden, das damit seiner romantischen Übersteigerung der »Sehnsucht« Ausdruck verleiht. Erst in dem Verlangen nach immer neuen Dingen, die der moderne Mensch als »echte Bedürfnisse« empfindet, kann er seine Identität finden. Unterscheidungen zwischen Bedürfnissen und Wünschen sind nicht mehr möglich. Folglich ist es in Konsumgesellschaften ganz unsinnig geworden, von Bedürfnissen zu sprechen, da Wünsche und Motive deren Rolle übernommen haben. Wenn es noch eine Regel für Konsumenten gibt, dann die, im Sinne von Campbells »romantischer Ethik« niemals aufzuhören zu wünschen, zu träumen und immer |28|neue Konsummöglichkeiten als die nächste und zugleich die nächstliegende Erlösung zu betrachten. Die Sehnsüchte der Konsumenten haben jede Ordnung aufgelöst, und das »Prinzip des Gefallens« steht über jedem anderen kulturellen Muster. Wünsche und Sehnsüchte nach immer neuen Konsumgütern brauchen nur noch eine Freiheit, nämlich die, die umgangssprachlich als die Entscheidungsfreiheit des »Impuls-Käufers« bezeichnet wird. Campbells Theorie steht im Lichte dieser Gedanken in erstaunlicher Nähe zu Benjamins Perspektive auf den Konsumenten als »Träumer«.

Doch zurück zu den beiden großen anthropologischen Traditionen der Theoriebildung: »Konsum als Kommunikation« sowie »Konsum als Ausdruck sich wandelnder Bedürfnisstrukturen«. Beide weisen dem Konsum eine Funktion zu, oder, deutlicher noch: Der Konsum erklärt in diesen Theorien, warum Gesellschaften soziale Strukturen haben, wie sich diese Strukturen ändern oder gar auflösen. Im Gegensatz zu den Thesen der Konsumkritik ist in diesen Ansätzen Konsum nicht mehr eine Verfallsgeschichte der Kultur, sondern ein Indikator von Kulturwandel. Allerdings: Der Konsum als solcher und eine nähere Untersuchung der damit verbundenen Handlungsweisen und Alltagsstrategien kommt in diesen Ansätzen nicht vor. Die Alltäglichkeit des Konsums und die Vorstellungen über die Rolle von Konsum in der Perspektive des Konsumenten wurden dabei kaum beachtet. Sind die Kulturwissenschaften also an der Aufgabe gescheitert, eine adäquate Beschreibung des Konsums vorzulegen?

Ist eine Ethnographie des Konsums möglich?

Angesichts der gleichzeitigen Unter- und Überschätzung ist es nicht abwegig, das Verhältnis zwischen Konsum und Kultur mit der Fabel vom Hasen und dem Igel zu vergleichen. Der schnelle Hase, Ethnologie und andere Kulturwissenschaften, glaubt sich dem hässlichen kleinen Igel, dem Konsum, weit überlegen. Am Ende des Wettrennens aber ruft der Igel, (also der Konsum): »Ätsch, ich bin schon da.« Konsum ist an allen Orten, er greift in seiner Eigenlogik in alle Bereiche des Alltags ein und determiniert Felder, von denen die Kulturwissenschaftler gerade noch glaubten, sie lägen im Bereich ihrer Kompetenz.

Aber, vor einem solchen zynisch anmutenden Fazit lohnt es sich, einen weiteren Bereich der wissenschaftlichen Beschäftigung in den Blick zu |29|nehmen: Die so genannte Konsumforschung, die sich selbst für zuständig hält für den alle Bereiche des Alltags durchdringenden Konsum. Die Konsumforscher heben hervor, in welch hohem Maße Konsum das Ergebnis ihrer Analysen und Prognosen ist. Zeitschriften wie das Journal of Consumer Policy, das Journal of Consumer Culture oder die Advances of Consumer Research dokumentieren die erstaunliche Karriere dieses Faches in den letzten dreißig Jahren. Die dort publizierten Studien informieren über das Verhalten und die Wertorientierungen von Konsumenten, also Käufern bestimmter Güter und beziehen sich vielfach auf die erwähnten Autoren Pierre Bourdieu und Mary Douglas. Ziel der stets auf umfänglichen Feldstudien aufbauenden Untersuchungen ist es, Zusammenhänge von Konsummustern und sozialen Lagen, Altersprofilen und Milieus zu beschreiben.

Der Ethnologe Kalman Applbaum (1996) ist in einer kritischen Bewertung der Konsumforschung noch weitergegangen und hat die These diskutiert, ob nicht diese Forschungsrichtung die beste »Ethnographie des Alltags« darstelle. Unabhängig von der in dieser These enthaltenen offenen Provokation gegenüber der Ethnologie beruht die Plausibilität von Applbaums Argument jedenfalls auf der Intensität und Sorgfalt, mit der Konsumforscher ihre Studien durchführen. Ginge es lediglich um das empirische Wissen darüber, wie Konsummuster eine Gesellschaft strukturieren und wie verfügbare Ressourcen für den Konsum von Gütern eingesetzt werden, dann ist nicht an Aussagekraft und Präzision der Konsumstudien zu zweifeln. Auch kausale Zusammenhänge, also die Frage, warum neuer Konsum von bestimmten Gruppen in einer Gesellschaft angenommen wird, in anderen Kontexten aber ohne Bedeutung bleibt, werden denkbar sorgfältig untersucht. Auch für Bedürfnisstrukturen und den Wandel von dem, was als »Grundbedürfnis« beziehungsweise als »Luxus« angesehen wird, sind Konsumforscher die richtigen Ansprechpartner.

Wenn Konsumforschung eine so umfassende Kompetenz aufzuweisen hat, welche Rolle spielt dann die Ethnologie in diesem Feld überhaupt noch? Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Rückgriff auf die eingangs erläuterten Thesen Benjamins nützlich. Sein zentrales Erkenntnisinteresse war ja: Was ist Konsum? Offensichtlich fehlt der Konsumforschung ein Zugang zu dieser Frage. Die Ethnologie hingegen ist durchaus in der Lage, über das »Wie?« hinauszugehen und das Phänomen des Konsums als solchem zu ihrem Gegenstand zu machen.

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