Kraftakt: Mein Leben mit Multipler Sklerose - Anna Kraft - E-Book

Kraftakt: Mein Leben mit Multipler Sklerose E-Book

Anna Kraft

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Jetzt erst recht

Anna Kraft, ehemalige Sprinterin und eine der Top-Sportmoderatorinnen im deutschen Fernsehen, erhielt 2015 die Diagnose Multiple Sklerose. Zwei Worte, die Krafts Leben für immer verändern. Aufgeben ist keine Option, schnell meldet sich die Optimistin in ihr: „Nicht zurückblicken, einfach nach vorne“. Erst im August 2021 geht Kraft mit ihrer Krankheit an die Öffentlichkeit. MS ist eine neurologische Autoimmunkrankheit mit sehr unterschiedlichen Verlaufsformen, die „Krankheit mit tausend Gesichtern“, und eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen.

Zusammen mit ihrem behandelnden Arzt Prof. Dr. Bernhard Hemmer hat sie dieses Buch geschrieben, um Betroffenen und ihren Angehörigen Mut zu machen. Neben ihrer persönlichen Geschichte werden das Krankheitsbild detailliert erklärt und Behandlungsmöglichkeiten dargestellt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 255

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

© 2024 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81637 München

Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor.

Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Hinweis: Die Ratschläge/Informationen in diesem Buch sind von Autor*innen und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autor*innen beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Werk an manchen Stellen auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörter gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung, sondern hat lediglich redaktionelle Gründe.

Projektleitung: Philipp Christ

Textredaktion und Korrektorat: Susanne Schneider

Umschlaggestaltung, Innenlayout & Satz: Vera Schlachter, Veruschkamia, München Herstellung: Timo Wenda

ISBN 978-3-641-31509-2

www.suedwest-verlag.de

FürMilla, Emmi, Wolff, meine Mama und meinen Papa,meine beste Freundin Katja und meine Schicksalsfreundin Krissi.

Inhalt

Vorwort

Ich bekomme meine Diagnose

Die Reaktionen meiner Familie

Warum ich dieses Buch geschrieben habe

Was ist Multiple Sklerose?

MS – die Bedeutung zweier Buchstaben

So kann die MS verlaufen: Drei typische Verläufe

Wen die MS trifft und wann sie auftritt

Was die MS mit dem Körper macht und warum

MS-Symptome

Meine ersten Anzeichen

Typische MS-Symptome

Meine Symptome bis heute

Wann es Zeit ist, zum Arzt zu gehen

Meine ersten Schritte mit MS

Meine tiefsten Tiefpunkte

Wie ich mit der Ungewissheit rang

Wie mir meine MS eine Freundin fürs Leben bescherte

MS-Therapie – meine Erfahrungen

Dem Schub einen Stoß versetzen

Mit 30 wieder laufen und schreiben lernen

Bewährte Therapien im Überblick

Alltag mit MS: Back to life!

Warum ich die MS erst mal für mich behielt

Mein erster Arbeitstag mit MS

Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt mit MS

Mein Inner Circle

Was mir mein Inner Circle bedeutet

Wie das Leben mit MS für Angehörige ist: Wolffs Sicht

Dos & Don’ts für An- und Zugehörige

So meistert ihr das erste Gespräch nach der Diagnose – als Betroffene sowie als An- oder Zugehörige

Sechs Sätze, die ihr als An- und Zugehörige besser nicht zu uns chronisch Kranken sagt

Ein Satz, der uns Erkrankten wirklich hilft

Mein Outing

Warum und wie ich meine MS geheim gehalten habe

Warum und wie ich mich als MS-Erkrankte geoutet habe

Was mir meine Offenheit brachte

Meine Dämonentage

Mein MS-Netzwerk

Ich bin MS-Patin im Paten-Programm Team MS für Multiple Sklerose Patienten

Ich habe eine Patin

Was euch eine MS-Patenschaft bringt

MS – ein alltäglicher Kraftakt

Alltag mit MS – immer im Gleichgewicht zwischen Aktivität und Pause

Hilfe annehmen

(K)ein Alltag mit Uhthoff

Ernährung mit MS

Sport mit MS

Körperpflege mit MS

Krank sein mit MS

Die besten Infoquellen zu Multipler Sklerose

55 Fragen an den Arzt

Deine 60 MS-Vokabeln von A bis Z to go

Schlusswort

Wie es mir heute geht: Im neunten Jahr mit MS

Zukunftsaussichten mit MS: Was können wir MS-Patienten erwarten, Prof. Dr. Hemmer?

Warum ich gerne Versuchskaninchen bei MS-Studien bin

 

Dank

Sachregister

Quellennachweis

Die besten Infoquellen rund um MS

Vorwort

»Frau Kraft, wir wissen jetzt, was es ist!«

Als die Ärztin, die mich eben aus dem Zimmer im Münchner Klinikum rechts der Isar geholt hatte, um mich allein zu sprechen, nach ein paar Metern auf dem Gang stehen blieb, sich zu mir umdrehte, mir in die Augen sah und diesen Satz sagte, da war ich erleichtert.Dachte ich doch: Gut, dann kann die Behandlung gleich losgehen und ich komme hier schnell wieder raus.Dort wartete schließlich Arbeit auf mich! Und ich wollte nicht noch einen Job absagen, nachdem ich die mir wichtige Besprechung für meine Sendung am Wochenende, die für heute Nachmittag in Mainz angesetzt war, schon hatte streichen müssen.

Ich bekomme meine Diagnose

Dann sagte die Ärztin: »MS … Multiple Sklerose …«

MS? Was ist das? Geht das wieder weg? Was passiert jetzt mit mir? Diese Fragen explodierten in meinem Kopf.Ich hatte keine Antworten darauf.

»… eine unheilbare Krankheit, mit der man aber gut leben kann …«

Die Ärztin redete weiter, doch ihre Stimme rauschte nur noch an mir vorbei.Sie sprach ruhig, sachlich, professionell.Ich war sicher nicht die Erste, der sie eine solch schwerwiegende Diagnose mitteilen musste.Sie tat mir leid.

MS.

Ich ließ meinen Blick schweifen.Von der jungen Ärztin über die in Plastikfolie verpackten Krankenhausbetten hinter ihr bis auf den Boden mit seinem perfekten Muster aus Punkten.Mein Blick hüpfte von Punkt zu Punkt, bis diese vor meinen Augen verschwammen.Wasser stieg mir in den Hals und nahm mir die Luft.Es stieg weiter und weiter, bis es schließlich in Sturzbächen aus meinen Augen strömte.Hinter dem Tränenschleier nahm ich nur noch undeutlich wahr, dass die Ärztin aufgehört hatte zu reden, mich anlächelte und mir etwas in die Hand drückte.Broschüren.Zwei Buchstaben darauf stachen mir ins Auge.

MS.

Tränenblind stolperte ich zurück ins Krankenhauszimmer, in dem ich die Nacht verbracht hatte.Krissi, die junge Frau im zweiten Bett, nahm ich in diesem Moment kaum wahr.Ich griff mein Handy und stürzte wieder aus dem Zimmer.Ich wollte allein sein und die Krankheit, die ich habe, googeln.Ich tippte MS ein, doch auf dem Gang hatte mein Handy kaum Empfang.Ich lief den Flur entlang, mein Blick klebte am Handy.Endlich ging das Internet.Und das Erste, was Google mir anzeigte, war das Bild einer Frau im Rollstuhl.

Rollstuhl? Ich? Unmöglich! Ich sah mich nicht im Rollstuhl.Ich führte doch ein gesundes Leben! War jung und noch nie ernsthaft krank gewesen.Mein jahrelanger Leistungssport als Leichtathletin hatte mich doch abgehärtet.Von sechs Trainingseinheiten die Woche hatte ich fünf im Freien absolviert, bei Wind und jedem Wetter.Seit dem Ende meiner Leistungssportkarriere war ich bis zu fünf Tage die Woche zum Training im Fitnessstudio.Mein Immunsystem müsste doch fit sein!

Die Reaktionen meiner Familie

Ich rief meinen Mann Wolff an.Es klingelte und klingelte.Er nahm nicht ab.Das ist nicht ungewöhnlich, als Sportkommentator gibt es immer wieder Momente, zu denen er nicht erreichbar ist, weil er in wichtigen Gesprächen zur Vorbereitung seiner Sendung steckt.Also legte ich auf und wählte die Nummer meiner Eltern.Meine Mutter nahm ab.Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, schluchzte ich ins Telefon, dass ich im Krankenhaus bin und man mir eben gesagt hatte, dass ich MS habe.»MS, Mama.Multiple Sklerose.« Das ging mir kaum über die Lippen.

Ich hörte, wie meine Mutter tief Luft holte, einmal, zweimal.»Mama?« Dann war plötzlich mein Vater am Telefon und fragte: »Anna?« Ich wiederholte, was ich gerade meiner Mutter gesagt hatte.Mein Vater schwieg nur einen Moment.Dann sagte er: »Anna, wir kriegen das alles hin.Wir kommen.Wir fahren jetzt los.«

Ich lehnte mich an die Wand und rutschte daran ganz langsam zu Boden.Die Reaktion meiner Eltern zeigte mir den Ernst der Lage eindrücklicher auf, als es die Ärztin zuvor vermocht hatte.Ich hatte meine Mutter nie zuvor sprachlos erlebt.

***

Für das Buch fragte ich meinen Vater, was damals durch seinen Kopf ging.Er berichtete mir, dass er mit den beiden Buchstaben MS sofort etwas anfangen konnte.Kaum hatte ich sie ausgesprochen, habe er ein klares Bild vor Augen gehabt: das eines Mannes in einem Rollstuhl.Der Mann sei ein früherer Kollege meines Vaters gewesen und die beiden hätten sich für Jahre aus den Augen verloren.Eines Tages sei der Mann ihm dann wieder über den Weg gerollt.»Im Rollstuhl, Anna«, sagte mein Vater mir und ich hörte die Emotionen mitschwingen.»Ich weiß schon sehr lange, was Multiple Sklerose bedeuten kann.Ich wusste es von dem Gespräch mit diesem ehemaligen Kollegen, den ich – wie es im Leben manchmal so ist – kurz darauf ein zweites Mal zufällig traf, ansprach … von ihm erfuhr ich, wie es ihm ergangen war und wie übel ihm die MS mitgespielt hatte.«

Ich fragte meinen Vater, ob er mich bei meinem Anruf aus dem Krankenhaus im Rollstuhl gesehen hätte.Was er sofort verneinte.»Mir war klar, Anna, dass seitdem viele Jahre vergangen waren.Und so klammerte ich mich in diesem Moment fest an die Hoffnung, dass sich auch bei der Multiplen Sklerose einiges getan haben würde … neue Erkenntnisse, neue Behandlungen, neue Medikamente.Natürlich konnte ich auch nicht aus meiner Lehrerhaut und habe sofort im Internet nach MS geschaut und mich auf den neusten Stand gebracht.Ich hoffte, dass dir das Schlimmste – der Rollstuhl – erspart bleiben würde.Ich ließ dieses Bild nicht zu: du im Rollstuhl.Zugleich war ich natürlich, waren wir beide, deine Mutter und ich, in großer Sorge um dich.Und mich drängte es so sehr, nach dir zu schauen, mir selbst ein Bild davon zu machen, wie es dir geht, und zu erfahren, was diese Diagnose heute, 2015, bedeutete.Ich wollte in diesem Moment nichts mehr, als an deiner Seite stehen.Deshalb entschied ich, sofort zu dir zu fahren.Wir ließen buchstäblich alles stehen und liegen und sprangen ins Auto.Deine Mutter war sehr aufgewühlt.Und du kennst mich ja.Je aufgeregter Mama wurde, desto rationaler handelte ich.Ich versuchte, das lange zurückliegende Gespräch mit meinem ehemaligen Kollegen, den deine Mutter auch kannte, zu rekapitulieren.Und mir fielen tatsächlich Gesprächsfetzen ein.Zum Beispiel, dass die Krankheit sehr individuell ausfallen könne.Dass nicht jeder daran Erkrankte im Rollstuhl landen müsse.All das nahmen wir als Anker und traten die lange Autofahrt zu dir an – das waren sicher die längsten sechs Stunden, die wir je zu dir nach München brauchten«, sagte mein Vater, als er sich an damals erinnerte.Nachdem wir noch eine Weile miteinander redeten, sagte mein Vater etwas, was mich sehr berührte: »Weißt du, Mama und ich, wir wussten beide, dass das jetzt nicht nur deine Diagnose ist, sondern auch unsere.Uns war klar, vielleicht sogar klarer als dir in dem Moment, dass wir jetzt MS hatten: Die Familie Kraft hat MS.Wir wussten ebenso, dass wir als Familie schaffen würden, was dir und damit uns bevorstand.«

Ich weiß gar nicht mehr, ob ich euch damals gesagt habe, wie viel es mir bedeutete, dass ihr sofort gekommen seid.Auch dafür ist dieses Buch: zum Dankesagen.

***

Und ich? Ich saß damals wie ein Häufchen Unglück in diesem Krankenhausflur.Das Ganze war ernster, als ich dachte.Mit Sicherheit war es schlimmer als ein eingeklemmter Nerv – mit dieser Vermutung war ich gestern Nachmittag ins Krankenhaus gekommen.Ach, wäre es doch nur der eingeklemmte Nerv! Das wünschte ich mir auf einmal.Mich beschlich ein ungutes Gefühl.Ich bleib hier nicht! Mein Drang, wegzurennen, alles hinter mir zu lassen, ließ sich kaum noch unterdrücken.

Doch ich blieb sitzen und versuchte es noch einmal bei Wolff.Als ich ihm sagte, was mit mir los ist, antwortete er: »Ach du Scheiße!« Seine Reaktion empfand ich als hart.Zugleich bestärkte sie mich in der Gewissheit, dass es sich bei MS um eine schwerwiegende Krankheit handelt.Wolff war in dem Moment, als er meine Diagnose hörte, fassungslos.Das sagte er mir, als er wenig später ins Krankenhaus kam.Wie ich wusste er wenig über Multiple Sklerose.Doch er ist durch und durch ein Optimist.Und deshalb holte er sich die Informationen, um die Herausforderung gemeinsam mit mir anzugehen.Statt sich auf seine Sendung vorzubereiten, scannte er das Internet nach MS.Das sei das erste Mal gewesen, dass er ein Spiel nahezu unvorbereitet kommentierte, gestand er Jahre später in einem TV-Interview mit uns beiden, das im Zuge meines Outings 2021 gesendet wurde.Am Telefon schob Wolff hinterher: »Aber wir schaffen das!« Sein »wir« half mir ebenso wie die Ansage meines Vaters, sofort loszufahren, dabei, mich etwas zu beruhigen.

Ich habe also MS, dachte ich.Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete, was mich erwartete.Ich wusste nur eins: Ich bin nicht allein mit der Erkrankung.

Warum ich dieses Buch geschrieben habe

Seit diesem Tag sind fast acht Jahre vergangen.Acht Jahre mit MS, in denen mir diese Autoimmunkrankheit viele ihrer Gesichter gezeigt hat.

Inzwischen weiß ich, dass ich mit meiner Diagnose nicht allein bin.So wie mir ergeht es jährlich bis zu 10 000 Menschen allein in Deutschland, schätzt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.Die meisten von ihnen sind jünger als40 Jahre, stehen wie ich zum Zeitpunkt der Diagnose mitten im Leben und sind wie ich damit beschäftigt, sich ihre Träume für Beruf und Familie zu erfüllen.Die Zahl der MS-Erkrankten hierzulande beziffert die DMSG auf 220 000 bis 240 0001insgesamt.Drei Viertel davon sind übrigens Frauen wie ich.

Als sich die Multiple Sklerose wie eine ungeliebte Verwandte, die einen besucht, ohne eingeladen worden zu sein, in meinem Leben breitmachte, suchte ich als Erstes nach einem Buch, das mir alle meine Fragen um die Krankheit beantwortete.Ein Buch, das medizinisch aufklärt, ohne zu belehren.Ein Buch, das Mut macht und Kraft gibt, wenn die Krankheit einem buchstäblich an den Nerven zerrt.Bis heute habe ich kein solches Buch gefunden.Dafür fand und finde ich immer wieder MS-Betroffene, denen es wie mir geht – und die ein solches Buch gut gebrauchen könnten, ganz gleich ob frisch diagnostiziert oder schon länger erkrankt.

Was liegt da näher für mich als Journalistin, mir und ihnen, ihren Angehörigen, Freunden und Kollegen, ein echtes Kraftbuch zu schreiben? Eine Idee war geboren.

Stark befeuert wurde diese Idee von den Reaktionen meiner Mitmenschen, nachdem ich mich Ende 2021 nach sechs Jahren als MS-Patientin outete.Sie machten große Augen, taxierten mich von oben bis unten.Ich merkte an Äußerungen wie »Das sieht man dir gar nicht an!«, »Du kannst ja noch gut laufen!«, »Du trägst ja noch hohe Schuhe!« oder »Du sitzt ja gar nicht in einem Rollstuhl!«, wie wenig zu meiner Erkrankung bekannt ist.Die meisten Menschen sehen, wenn überhaupt, jemanden im Rollstuhl vor ihrem inneren Auge, wenn sie an die Krankheit Multiple Sklerose denken.Auch das muss sich angesichts der oben genannten großen Zahl der Betroffenen ändern.

Mit einem Buch, in dem ich …

… meine Erfahrungen mit MS schildere,

… auf medizinische Aspekte eingehe,

… praktische Tipps für den Alltag mit MS gebe

… und zeige, dass Multiple Sklerose eine chronische Krankheit – »eine, die bleibt« – ist.

Damit möchte ich dazu beitragen, der Krankheit ihren Schrecken zu nehmen.Denn den jagt sie einem ein, wenn sie stets mit dem Bild eines Menschen mit Gehhilfen oder im Rollstuhl verbunden wird.Der Rollstuhl ist der Worst Case für MS-Erkrankte, der sichdank moderner Medizin inzwischen lange hinauszögern oder gar ganz vermeiden lässt.Die Behandlung von MS machte und macht große Fortschritte, die kaum einer kennt.Ich kläre mit meinem Buch darüber auf und entmystifiziere die MS auf diese Weise.

Gesagt, geschrieben.Hier ist mein Kraftbuch!

Ich will es keinesfalls auf die Erkrankung MS beschränken.Denn viele meiner Erfahrungen, die ich hier schildere, kennen auch von anderen (chronischen) Krankheiten Betroffene.Auch ihnen soll mein Buch Kraft geben.Ebenso wie Menschen, die in einer Lebenssituation stecken, die an ihren Kräften zehrt.

Ich freue mich sehr, dass mich der Arzt meines Vertrauens, der mich von Anfang an betreut, bei meinem Buchprojekt mit seiner Expertise unterstützt.Prof.Dr.Bernhard Hemmer ist seit 2007 Direktor der Klinik für Neurologie am TUM-Klinikum rechts der Isar in München und Spezialist auf dem Gebiet der entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems, insbesondere der Multiplen Sklerose.Außerdem ist der Neurologe unter anderem Vorstandsmitglied des Krankheitsorientierten Kompetenznetzes für Multiple Sklerose, des Ärztlichen Beirats der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft e.V., des Exzellenzclusters SyNergy und des EU-Projekts Multiple MS.

Zudem bin ich froh, dass ich in der Umsetzung meines Buches auch Doreen Brumme an meiner Seite hatte.Mir war es wichtig, dass die erfahrene Journalistin mit dem nötigen professionellen Abstand auf meine Selbstreflexion schaute.Denn ich gehe hier ans Eingemachte! Das Leben mit einer chronischen Autoimmunerkrankung wie MS ist ein Kraftakt, daran hege ich keinen Zweifel.

Entstanden ist so ein biografisches Sachbuch mit Informationen, Ratschlägen und Tipps, in dem ich mich zeige wie noch nie zuvor.In der Hoffnung, dass es euch hilft!

Und jetzt blättert einfach um und erfahrt, was ihr über MS und den Umgang mit Krankheiten wie dieser wissen solltet!

Alles Liebe!

Eure Anna

Was ist Multiple Sklerose?

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), also der Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark, die im knöchernen Schädel und im Wirbelkanal in der Wirbelsäule sicher eingebettet sind.Weil bei der MS das Nervensystem erkrankt, handelt es sich um eine sogenannte neurologische Erkrankung, wobei »neurologisch« für »das Nervensystem und die Muskulatur betreffend« steht.

MS – die Bedeutung zweier Buchstaben

Die Bezeichnung »Multiple Sklerose« lässt sich einerseits auf das lateinische Wortmultiplex, auf Deutsch »vielfach«, »vielfältig«, und andererseits auf das altgriechische Wortskleros, auf Deutsch »hart«, zurückführen.Demnach bedeutet der Krankheitsname »Multiple Sklerose« ins Deutsche übertragen: »vielfache beziehungsweise vielfältige Verhärtungen«.Gemeint sind damit die Verhärtungen oder Verdickungen des Gewebes in Gehirn und Rückenmark, die als sogenannte Läsionen (Narben) zurückbleiben, wenn dort MS-typische Entzündungen stattfinden und sich wieder zurückbilden.

Ich finde, die alternative BezeichnungEncephalomyelitis disseminata(ED) beschreibt das Krankheitsbild der Multiplen Sklerose aber noch treffender:enképhalosist altgriechisch und heißt »Gehirn«.Die medizinische Endung »-itis« steht für »Entzündung«.Mit dem lateinischendisseminatafür »verstreut« oder »verbreitet« ergibt sich also: »verstreute Gehirn- und/oder Rückenmarkentzündung«.

Chronische Erkrankung bedeutet, dass die MS eine Erkrankung ist, die uns Betroffene ein Leben lang begleitet.Denn noch ist sie nicht heilbar.In Verbindung mit dem Adjektiv »entzündlich« ergibt sich für die Multiple Sklerose die krankheitsspezifische andauernde verstreute Gehirnentzündung und/oder Rückenmarkentzündung als typisches Krankheitsbild.

Bei der MS gibt es nichtden einentypischen Krankheitsverlauf.Vielmehr variiert dieser von Patient zu Patient, sodass sich unzählige individuelle Verläufe ergeben – keiner erlebt demnach die MS wie ich, denn keine MS gleicht der anderen.Die Vielzahl ihrer Verläufe hat der Multiplen Sklerose ihren Beinamen »die Krankheit mit tausend Gesichtern« eingebracht.Was die MS als Lebensgefährtin noch unsympathischer macht: Ihr Verlauf ist nicht vorhersehbar.Es gibt zwar typische Verlaufsformen, doch die können über die Krankheitsjahre auch von einer in die andere Form wechseln.

So kann die MS verlaufen: Drei typische Verläufe

Der Großteil der MS-Patienten erlebt während der ersten Jahre mit der Erkrankung einenschubweisen Verlauf.Das heißt, dass die Krankheit sich mit einem Schub erstmals bemerkbar macht.Die Beschwerden, die der Schub mit sich bringt, lassen nach einer Weile nach, bestenfalls gehen sie sogar zurück.Auf einen Schub folgt dann eine schubfreie Phase, die der nächste Schub beendet.Die Abstände zwischen den Schüben variieren individuell, ebenso die Beschwerden, die er einem beschert, sowie die Intensität, mit der sie auftreten.Grundsätzlich ergibt sich bei einem derart schubweisen MS-Verlauf also ein Wechsel zwischen Phasen mit vergleichsweise guter Gesundheit und Phasen mit Schubbeschwerden.Eine maßgeschneiderte Behandlung kann die Zahl der Schübe verringern und die Beschwerden lindern, die sie mit sich bringen.

Eine geringere Zahl von Betroffenen ist mit einervon Anfang an kontinuierlich und sich schleichend verschlechterndenMS konfrontiert (primär progredienter Verlauf).

Hinzu kommt ein sekundär progredienter Verlauf, bei dem die Betroffenen ihre MSzunächst schubweise, dann schleichend verschlechternderleben.Dieser Wechsel des Verlaufs kann jederzeit erfolgen, bei den einen schon bald nach dem ersten Auftreten der MS, bei den anderen erst nach mehreren Schüben.

Was mir an dieser Stelle ganz wichtig ist, ist das Aufräumen mit noch immer verbreiteten Mythen rund um die MS:

1.Die Multiple Sklerose ist nicht ansteckend.

2.Die Multiple Sklerose verläuft nicht zwingend tödlich.

3.Bei der Multiplen Sklerose handelt es sich nicht um Muskelschwund.

4.Die Multiple Sklerose ist keine psychische Erkrankung.

Wen die MS trifft und wann sie auftritt

Laut dem aktuellenAtlas für Multiple Sklerose2erhält alle fünf Minuten irgendwo auf dem Planeten ein Mensch eine MS-Diagnose.Die Zahl der Betroffenen stieg demnach von rund 2,3 Millionen weltweit im Jahr 2013 auf rund 2,8 Millionen im Jahr 2020.Das bedeutet, dass einer von 3 000 Menschen weltweit an MS erkrankt ist.Die deutlich höhere Fallzahl im Jahr 2020 lässt sich mit besseren Erfassungsmethoden, der wachsenden Weltbevölkerung und der höheren Lebenserwartung von MS-Patienten erklären.In Mitteleuropa gilt die MS alsdiehäufigste chronisch-entzündliche sowiediehäufigste Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS).Interessanterweise tritt die Multiple Sklerose mit zunehmender Entfernung vom Äquator häufiger auf.Es gibt Vermutungen, dass dies mit der Sonnenlichtmenge und damit mit der körpereigenen Vitamin-D-Produktion in Zusammenhang stehen könnte.

***

Grundsätzlich kann die MS in jedem Alter auftreten.Das Durchschnittsalter derjenigen, die eine MS-Diagnose erhalten, beziffert der MS-Atlas auf 32 Jahre.Ich war zum Zeitpunkt der Diagnose gerade 30 Jahre alt geworden, liege damit also sogar zwei Jahre unter dem weltweiten Durchschnitt.Bedenkt man, dass die Multiple Sklerose noch unheilbar ist, resultiert aus dem vergleichsweisen jungen Durchschnittsalter der frisch mit MS Diagnostizierten auch die Tragik der Erkrankung: Sie trifft uns in einer Zeit, in der wir so richtig ins Leben starten möchten – beruflich, familiär –, und begleitet uns Betroffene dann für den größeren Teil unseres Lebens.

Von der einen oder anderen Mit-Patientin hörte ich, dass sie gerade zum Ende des Zyklus hin häufig und/oder verstärkt Beschwerden hätte, die zu dem Zeitpunkt schwer zuzuordnen seien.Die Frauen fragen sich dann: Kündigt sich die Regelblutung (Menstruation) mit einem prämenstruellen Syndrom (PMS) an oder kommt ein MS-Schub? Auf meine Nachfrage bestätigte Prof.Dr.Hemmer, dass Hormone eine wichtige Rolle bei der MS spielen würden.Ihm zufolge trete die Krankheit bei Frauen in der hormonaktiven Phase auf und sei davor und danach seltener.Der Einfluss des weiblichen Zyklus auf die Schubaktivität sei (noch) nicht vollends geklärt.Man wisse heute, dass Frauen während der Schwangerschaft in der Regel weniger Schübe hätten.

Was die MS mit dem Körper macht und warum3

Im Zuge der Multiplen Sklerose richtet sich das Immunsystem, das grundsätzlich körperfremde Stoffe – sogenannte Antigene wie Bakterien, Viren und Pilze – erkennen und mit Antikörpern und autoreaktiven T-Zellen abwehren soll, um mögliche Schäden zu verhindern, teils auch gegen körpereigene Stoffe im Gehirn und/oder Rückenmark.Der Grund dafür ist eine Intoleranz des Immunsystems gegenüber diesen körpereigenen Stoffen.Man spricht dann auch von einer gestörten Selbsttoleranz, die wiederum typisches Merkmal einer sogenannten Autoimmunkrankheit ist.Die »irrtümliche« Autoimmunreaktion bei der MS müsst ihr euch so vorstellen:

Die schon erwähnten Narben (Läsionen) in Gehirn und/oder Rückenmark sind das Ergebnis von Entzündungen der grauen und weißen Substanz dieser beiden Organe.Die Entzündungen entstehen, weil das körpereigene Abwehrsystem Immunzellen fehlleitet, indem es sie beauftragt, die isolierende Schicht – die sogenannte Markscheide oder Myelinscheide – von den Fortsätzen der Nervenzellen anzugreifen, was eine Entzündungsreaktion auslöst.Diese auch Axone genannten und oft langen, schlauchartigen Fortsätze haben die Aufgabe, Nervenimpulse zur nächsten Zelle weiterzugeben.Dafür ist ein Axon übrigens bestens angelegt: Es kann sich, ganz so wie die Äste eines Baumes, mehrfach verzweigen, sodass es mehrere andere Nervenzellen zugleich erreicht, um den Nervenimpuls weiterzureichen.Die Zweige des Axons heißen Axonterminale.

Die Myelinscheide soll die Weiterleitung von Nervenreizen möglichst verkürzen.Ihr Lieben, wir sprechen hier von Übertragungsgeschwindigkeiten von mehr als 400 Kilometern pro Stunde (km/h)! Allerdings hat die von den Immunzellen ausgelöste körpereigene Schutzmaßnahme »Entzündung« eine verheerende Wirkung: Sie hinterlässt nach ihrem Abklingen an Ort und Stelle faseriges Narbengewebe (Narben), die Läsionen.Die Entzündungen (auch Entzündungsherde oder kurz Herde genannt) zeigen sich bei dem bildgebenden Verfahren Magnetresonanztomografie (MRT) als helle oder dunkle Flecken.Ein solcher MRT-Befund ist maßgeblich für das Stellen der MS-Diagnose.

Die MS-Diagnose lässt sich im Normalfall stellen, wenn die folgenden drei Punkte zusammenkommen:

1.Der Patient hat MS-typische neurologische Beschwerden (Symptome).

2.Das MRT zeigt zeitlich und räumlich »gestreute« Läsionen. »Zeitlich gestreut« bedeutet, dass sich unterschiedlich »alte« Läsionen nachweisen lassen. Dazu ist zu wissen, dass die Läsionen je nach »Alter« verschieden auf Kontrastmittel, die zur Diagnose verabreicht werden, reagieren. Zum Zeitpunkt der MRT-Bilddiagnose aktive Entzündungsherde nehmen Kontrastmittel in der Regel eher auf als nicht mehr aktive. »Räumlich gestreut« heißt, dass sich Läsionen an unterschiedlichen Orten im untersuchten Gewebe belegen lassen.

3.Andere Erkrankungen sind ausgeschlossen (sogenannte Ausschlussdiagnose). Anders ausgedrückt: Es lässt sich keine bessere Erklärung für die Symptome oder paraklinischen Befunde der Betroffenen finden.

Die Läsionen stören fortan die Weiterleitung der Nervenimpulse.Es kommt infolgedessen zu den MS-typischen neurologischen Ausfällen: Beispielsweise bleibt der Befehl »Anna, beweg deinen Arm!«, den mein Gehirn erteilt, dann unbefolgt.

Wichtig zu wissen ist:In einem frühen Stadium der schubweise verlaufenden Multiplen Sklerose ist der Körper oft noch in der Lage, die bei der Demyelinisierung beschädigten Myelinscheiden wieder aufzubauen – den Vorgang nennt man analog dazu Remyelinisierung, sodass die Weiterleitung der Nervenimpulse kompensiert wird und sich die neurologischen Ausfälle wieder zurückbilden.Allerdings lässt diese Fähigkeit mit den Jahren, die die MS andauert, und in Abhängigkeit von ihrer Intensität nach.Die Remyelinisierung führt dann nicht mehr zum kompletten Wiederaufbau der Myelinscheiden.Im Gegenteil: Sie werden mit der Zeit immer dünnschichtiger und schadhafter.

Eine schnelle Abfolge von Entzündung, Demyelinisierung und Remyelinisierung dünnt die Myelinschicht nach und nach so weit aus, dass das Weiterleiten der elektrischen Impulse dauerhaft gestört wird.Weitere Entzündungsprozesse schädigen in der Folge auch direkt das Axon.Je nachdem, welche Axone betroffen sind, kommt es dann zu unterschiedlichen MS-Symptomen und zu bleibenden neurologischen Einschränkungen (Behinderungen).

Für die Neubildung der Myelinscheiden sind im zentralen Nervensystem sogenannte Oligodendrozyten, eine Form von Gliazellen, verantwortlich.Sie übernehmen die dafür nötigen Wartungsarbeiten.Ihre Fähigkeit, neues Myelin zu bilden, lässt jedoch mit zunehmendem Alter grundsätzlich nach: Schadhafte Axone können infolgedessen nicht mehr elektrisch isoliert werden, sie und die zugehörigen Nervenzellen sterben ab.Bei einer MS haben die Oligodendrozyten mehr als üblich zu tun und kommen mit der Myelinproduktion immer seltener hinterher.

Die große Frage nach dem »Warum geschieht genau das oben Beschriebene bei der Multiplen Sklerose?« kann die Wissenschaft heute noch nicht zufriedenstellend beantworten.Es ist bislang nicht geklärt, warum die MS überhaupt entsteht.Zwar gibt es zum einen eine Reihe von Vermutungen, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen könnten, und zum anderen auch die Gewissheit, dass für das Entstehen einer MS mehrere Faktoren zugleich zusammenkommen müssen, es sich demnach um eine sogenannte multifaktorielle Krankheitsursache handelt.Doch das konkrete Zusammenspiel welcher Faktoren ist noch unbekannt.

MS-Symptome

Die Multiple Sklerose wird auch »die Krankheit mit tausend Gesichtern« genannt.Der Grund: Sowohl die Anzeichen (Symptome) dafür als auch ihr Verlauf sind so vielzählig wie vielseitig.Beide variieren von Patient zu Patient.

Meine ersten Anzeichen

Mich traf die MS aus heiterem Himmel, ganz ohne jede Vorwarnung: Es war ein Mittwoch im Dezember 2015.Ich saß vormittags auf dem Stuhl meines Friseurs, um mir die Haare machen zu lassen, da mir am Wochenende die letzte Sendung des Jahres bevorstand.Bei meiner Haarlänge gehen fürs Waschen, Strähnchen färben, Schneiden und Föhnen mehrere Stunden drauf.Ich wunderte mich also nicht, dass ich irgendwann ein Kribbeln in meinem rechten Bein spürte – ganz so, als wäre es »eingeschlafen«.Ihr kennt das: Es fühlt sich an, als ob einem unzählige Ameisen auf der Haut krabbeln oder lauter kleine Nadeln in die Haut gestochen würden.Und wenn man ein »eingeschlafenes« Bein belastet, dann fühlt es sich meist taub an, sodass die Schritte wackeln.Obwohl ich die Zehen in meinen Winterschuhen immer wieder auf und ab bewegte und auch mit dem Hintern unruhig auf dem Stuhl hin und her rutschte, um das Bein zu bewegen und die Blutzirkulation anzuregen, hielt das »Eingeschlafensein« ungewöhnlich lange an und begann, mich zu nerven.Frisch gestylt wackelte ich zum Bezahlen zum Kassentresen und weiter zu meinem Auto.

Ich setzte mich in den Wagen – ich fuhr damals ein kleines Modell mit Automatik – und merkte, dass mein rechtes Bein ganz und gar nicht machte, was ich wollte.Von der Hüfte an nach unten fühlte sich alles ziemlich eklig an.Die gewünschten Bewegungen folgten verzögert und beeinträchtigt.Ich rutschte deshalb in die Mitte, sodass ich halb auf der Mittelkonsole saß, und bediente Bremse und Gas mit dem linken Fuß (hoffentlich sind unter euch keine Verkehrspolizisten).

Hatte ich mir einen Nerv eingeklemmt?

Das fehlte mir gerade noch! Ich wollte am nächsten Tag nach Mainz zur Vorbesprechung der Sendung am Wochenende.Der Termin war mir wichtig.Doch allein der Gedanke, mit dem »eingeschlafenen« Bein nach Frankfurt am Main und weiter zu reisen, bereitete mir zunehmend Unbehagen.Mir wurde klar, dass ich so auf keinen Fall anreisen und stundenlang arbeiten könnte.Das machte mich unruhig.Ziemlich unruhig sogar.Damals hatte ich noch keine Kinder und meinem Job schrieb ich neben meiner Familie und meinem Mann Wolff die höchste Priorität in meinem Leben zu.