Kukeme Ikho - seine Geister und die Rache des Schamanen - Edith Beuke - E-Book

Kukeme Ikho - seine Geister und die Rache des Schamanen E-Book

Edith Beuke

0,0

Beschreibung

Der Schamane Kukeme Ikho wird von den Bewohnern des Dorfes trotz seiner Jugend hochgeachtet und geschätzt. Als Heilkundiger mit magischen Fähigkeiten suchen die Menschen bei ihm Rat und Hilfe. Seine Begabung, mit den Ahnengeistern in Kontakt zu treten, und seine Güte zeichnen ihn aus. Der junge Schamane, der aus den Sümpfen kam, hat Ruhe und Frieden ins Dorf gebracht. Umso größer ist das Entsetzen, als Kukeme erkennen muss, dass sein Widersacher zurückgekehrt ist. Der Hagere, der durch einen Brand schrecklich entstellt wurde, ist entschlossen, Kukeme herauszufordern und die Rache seines Urahnen fortzuführen. So verschleppt er Kukemes Freundin Ayodole, um ihn an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen. Unterstützt von den Ahnengeistern begibt sich Kukeme gemeinsam mit seinem Freund Amadu sogleich auf die Suche. Doch dem Hageren stehen die Dämonen zur Seite und er ist gefährlicher denn je: Nicht nur der tiefe Hass gegen Kukeme Ikho treibt ihn an, sondern auch seine Liebe zu Ayodole.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 263

Veröffentlichungsjahr: 2019

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Edith Beuke lebt in Bredenbeck am Deister im Raum Hannover. 35 Jahre lang hat sie ihren Mann begleitet, der beruflich weltweit eingesetzt war. Sieben dieser Jahre fuhr sie mit ihm zur See, 15 Jahre verbrachte sie in Afrika, wo auch die Idee zu diesem Buch entstand.

Das Buch

Kukeme ist ein aufgeweckter Junge, der im afrikanischen Nigeria lebt. Ein Fluch hat ihn und seine Familie fernab der übrigen Bevölkerung in die Sümpfe verbannt. Der charismatische Junge hat die Begabung, mit den Seelen der Toten und den Geistern seiner Ahnen zu kommunizieren. Er setzt seine Kräfte ein, den Fluch zu überwinden und das Böse zu besiegen. Am Ende wird er sogar der neue Schamane des Dorfes.

Beschreibungen malerischer Natur und mystischer Rituale verwebt die Autorin zu einer spannenden Geschichte. Indem der Leser Kukeme bei seinen Abenteuern begleitet, lernt er vieles über die afrikanischen Mythen.

Die Handlung dieses Romans sowie die darin vorkommenden Personen sind frei erfunden; eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Begebenheiten und tatsächlich lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Dieses Buch habe ich für meine fünf Enkel geschrieben. In Liebe für Oliver, Lars, Mario, Justine und Joelle.

Die Augen vertrauen

nur sich selbst;

die Ohren den anderen;

nur das Herz sieht

die ganze Wahrheit.

IBO – Afrikanische Weisheit

Mama, warum sehen die Kinder am Ufer so anders aus als ich und meine Geschwister?« »Kukeme Ikho, warst du schon wieder in ihrer Nähe? Ich habe es dir doch verboten, dorthin zu schwimmen. Wir wissen nicht, wie sie reagieren, wenn sie dich entdecken.«

»Ach Mama, wie gerne würde ich mit ihnen spielen«, klagte er und Sehnsucht klang aus seiner Stimme.

»Warum kannst du nicht wie deine Geschwister sein, die geben sich wenigstens damit zufrieden, die Fischer in unserem Umkreis zu erschrecken. Aber du musst ja unbedingt ans Ufer, wer weiß schon, was die dir antun, wenn sie dich sehen. Fünf Kinder habe ich, und du bist der Einzige, der immer etwas anderes will als die anderen. Du bist ein richtiger Dickschädel«, rief sie aus und rauschte aus dem Vorraum der Höhle.

Traurig schaute Kukeme ihr hinterher. »Warum versteht sie mich nicht, ich will doch bloß mit den anderen Kindern spielen, was ist denn schon dabei. Und sie sagt mir auch nicht, warum wir so anders aussehen. Morgen werde ich sie wieder danach fragen«, murmelte er trotzig.

Jetzt aber wollte er erst einmal alleine sein. Er schob die Tür aus Baumgeflecht beiseite und schwamm an die Oberfläche des Wassers. Prustend schüttelte er sich das Wasser aus den Haaren, dabei schaute er auf seinen Lieblingsbaum, auf eine besonders riesige Mangrove. Ihre hellen, dicken Wurzeln staken an den Seiten tief ins Wasser, die Baumkrone jedoch streckte sich mit grünem breitgefächertem Laub dem Himmel entgegen. Es gab so viele von ihnen, diese jedoch war für Kukeme die imposanteste, die in seiner Heimat, dem Sumpfgebiet, im brackigen süßsalzigen Gewässer wuchs. Ebbe und Flut hatten die Wurzeln über viele Jahre hinweg fast zwei Meter hoch weiß ausgelaugt.

Kukeme hangelte sich an ihnen festhaltend den Baum hinauf und kroch bis in die äußerste Spitze. Mit den Händen schob er die belaubten Äste auseinander und hatte nun einen atemberaubenden Ausblick. Er schaute über die saftig grünen Baumkronen, die sich leise im warmen Wind bewegten, dazwischen die vielen Wasserarme und ganz hinten am Horizont konnte er das Meer sehen. Sehnsüchtig und mit brennenden Augen schaute er in die Ferne. Wie gerne würde er mal mit einem Boot dorthin fahren. Nur gut, dass seine Mutter seine Gedanken nicht lesen konnte, sonst würde sie ihn wieder ausschimpfen. Hoch oben in dem dichten Laubwerk hatte er sich ein Lager gebaut und jetzt hatte er das Bedürfnis, sich darauf auszustrecken, um von der Ferne zu träumen; bis ihn die Müdigkeit übermannte und er ins Land der Träume glitt. Und wie so oft träumte er auch dieses Mal wieder von einem großen weißen Boot, das ihn zu diesem riesigen Wasser bringen sollte. Und wie immer erschien ihm eine Gestalt, die ihn mit glühenden Augen anstarrte.

Am Ufer spielten wieder die Kinder, einige türmten Steine auf, um einen Kral zu bauen. Andere ließen mit Hilfe von Lehm ein Dorf mit Rundhütten darin entstehen. Einige taten es den Erwachsenen nach und spielten Familie. Kukeme hatte es sich im dichten Baumgehölz bequem gemacht und schaute durch das Blätterdach dem Werkeln der Kinder zu. Er hatte sich ein paar Muscheln und Schneckenhäuschen vom Grund des Sumpfes mitgebracht und warf nun eines nach dem anderen auf die kleine Gesellschaft hinunter, die emsig am Bauen war. Jedes Mal wenn einer eine Muschel oder Schnecke abbekam, schaute er verwundert in die Höhe, um anschließend das Gefundene mit Begeisterung für seinen Bau zu verwenden. Doch jedes Mal wenn einer von ihnen nach oben schaute, blieb Kukeme fast das Herz stehen. Einerseits würde er sich ja gerne zu erkennen geben, um mit ihnen zu spielen, andererseits hatte er vor der Begegnung mächtig Schiss.

Zwei Kinder jedoch, ein Junge und ein Mädchen, sahen sich vielsagend an und gaben sich mit den Augen Zeichen, auf den Baum zu schauen. Mit dem Zeigefinger auf dem geschlossenen Mund gaben sie sich zu verstehen, dass die anderen davon nichts mitbekommen sollten. Als es Abend wurde und die anderen Kinder sich auf den Heimweg machten, blieben die beiden unter einem Vorwand zurück. Sie setzten sich am Ufer des Wassers auf einen größeren Stein, auf dem sie beide Platz hatten, und planschten mit den Füßen im Wasser. Ayodole sagte laut: »Amadu, ich glaube, im Baum sitzt ein Geist und bewirft uns mit Muscheln und Schnecken.« »Nein«, rief Kukeme zurück, »ich bin kein Geist, ich bin Kukeme.« Erschrocken schlug er sich die Hand vor den Mund. O je, was hatte er nun angerichtet, die Mutter hatte doch recht, wenn sie behauptete, dass er vorwitzig sei. Gleichzeitig war er jedoch sehr erleichtert, nun sollte es sich zeigen, ob sie ihn so, wie er war, kennenlernen wollten oder nicht. Schließlich konnte er ja nicht ewig Muscheln und Schnecken nach ihnen werfen.

»Komm runter, Typ, und zeige dich«, rief Amadu. »Bist du nicht aus unserem Dorf?« »Nein«, kam es kläglich zurück, »ich fürchte mich vor euch, weil ich etwas anders aussehe.« »Wie kannst du anders aussehen, du sprichst doch wie wir«, rief Ayodole, »komm einfach runter und setz dich zu uns.«

Amadu und Ayodole hörten es in den Ästen knacken. Ein Körper schnellte kopfüber ins Wasser, kam prustend hoch und schwamm auf die beiden zu. Als er sich im niedrigen Wasser aufrichtete, schauten sie mit offenem Mund auf den kleinen Menschen, der nun auf sie zukam.

Er sah ja wirklich anders aus als sie, dachten die beiden. Sicher, er hatte die gleichen krausen Haare, den gleichen Mund mit den vollen Lippen wie sie, auch die breite Knubbelnase saß mitten im Gesicht. Er hatte hellere Haut, fast wie die Missionare, die hier lebten und das Christentum verbreiteten. Aber das war noch nicht alles. Zwischen seinen Fingern hatte er Schwimmhäute. Sie schauten ihn an, als ob er von einem anderen Stern käme.

Kukeme blieb wie erstarrt stehen. »Ich habe es ja gewusst, bitte, macht den Mund wieder zu, ihr macht mir Angst«, rief er ihnen zu. Gerade als er sich umdrehen wollte, um wieder ins Wasser einzutauchen, riefen Amadu und Ayodole wie aus einem Mund: »Komm zurück! Entschuldige, dass wir uns so blöd benommen haben, aber du siehst tatsächlich anders aus. Aber das macht doch nichts, wir werden uns schon daran gewöhnen. Komm, erzähle uns, warum das so ist und woher du kommst.« »Kukeme kam zögernd näher, setzte sich ihnen gegenüber auf einen anderen Stein und betrachtete die beiden.

Eigentlich sehen sie aus der Nähe betrachtet fast so aus wie ich, wenn sie nicht so schrecklich dunkel wären. Waschen die sich nicht?, fragte er sich. Die anderen dachten, warum ist er so hell und warum hat er einen Lendenschurz aus Baumrinde an? Wo kommt er wohl her, dort sind sie sicher recht arm? Zu Hause hatten sie wohl mitbekommen, dass auch sie nicht viel hatten, aber sie besaßen einige Sachen zum Anziehen.

Ayodole fand zuerst ihre Stimme wieder: »Kukeme, wie alt bist du eigentlich?«

Er schaute sie verwundert an: »Was heißt, wie alt, ich kann dir nur sagen, dass ich noch sehr jung bin. Ich schätze, ich bin so jung wie ihr.« »Weißt du nicht, was ein Geburtstag ist?«, fragte Ayodole. »Und gehst du auch zur Schule wie wir?«

Kukeme war völlig überfordert. »Bitte fragt mich nicht gleich so viel, ich glaube, ihr lebt ganz anders als ich und meine Familie. Ich lebe mit vier Geschwistern und meinen Eltern im Sumpfgebiet. Wir leben in einer Höhle unterhalb des Wassers, wo es nicht so tief ist. Dort gibt es drei Räume, in denen wir wohnen und schlafen. Wenn wir essen, steigen wir aus dem Wasser, denn meine Mutter bereitet das Essen auf einem trockenen Plateau zu, das mein Vater mit Stämmen und Zweigen ausgepolstert hat. Das war’s auch schon. Doch halt, wir sind im Wasser wie auch an Land zu Hause, überwiegend ist jedoch das Wasser unser Element. Mehr kann ich von uns nicht erzählen, wir Kinder spielen auch, eben nur mit anderen Dingen.«

Amadu und Ayodole schauten ihn mit größten Augen an. Sie konnten es fast nicht glauben, was sie da eben gehört hatten. »Wir wussten ja gar nicht, dass draußen im Sumpf Menschen leben«, sagte Amadu, »obwohl wir gehört haben, dass die Fischer dort angeblich Geister gesehen haben.« »Aber dann ward ihr das«, kicherte Ayodole. »Das waren garantiert meine Brüder, die ärgern nämlich des Öfteren die Fischer«, grinste Kukeme. »Ich machte da nicht mit, ich gehe lieber auf Entdeckungstour und habe vor einiger Zeit euch dabei entdeckt und bin fast jeden Tag hierhergekommen, um in eurer Nähe zu sein. Dadurch hatte ich immer Ärger mit meiner Mutter, sie hat Angst, dass ihr mir etwas antun könntet, aber auch, dass ihr unseren Frieden im Sumpf stören würdet. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr den anderen nichts von mir erzählt, dann ist der Ärger mit meiner Mutter nicht so groß.«

»Großes Ehrenwort, Kukeme, wir sagen den anderen nichts von euch. Komm, wir schlagen ein.« Beide nahmen Kukemes Hand und legten ihre Hände auf seine. Ayodole erschauerte kurz, als sie seine Haut berührte.

Kukeme stand auf und schaute auf das Wasser, dann zum Himmel empor. »Jetzt muss ich aber zusehen, dass ich nach Hause komme. Meine Eltern bestehen darauf, dass ich am Abend noch bei Tageslicht zu Hause bin, sonst machen sie sich Sorgen. Sie denken dann bestimmt, dass ihr mich aufgefressen habt«, und lachend lief er dem tieferen Wasser entgegen. Noch einmal rief er ihnen zu, dass er am nächsten Tag wiederkommen würde und die beiden ihm von ihrem Dorf erzählen müssten. Dann tauchte er unter, die Kreise des Wassers wurden immer größer, dann war alles wieder spiegelglatt und eine sanfte Ruhe breitete sich in der Abenddämmerung aus.

Kukeme hatte alles seiner Mutter gebeichtet, die ihn mit Tränen in den Augen in den Armen hielt. Sie hatten es sich beide auf einer Holzliege gemütlich gemacht, Kukeme kuschelte sich dicht an seine Mutter. Es war so beruhigend, in ihren weichen Armen Geborgenheit zu spüren. Die züngelnde Fackel warf gespenstische Schatten an die Wände. »Bitte, Mama, sage mir heute, warum wir hier in den Sümpfen leben und so anders aussehen als die anderen an Land.« Die Mutter schluchzte einmal auf, dann begann sie zu erzählen. »Du hast unsere Artgenossen ja heute kennengelernt und gesehen, dass sie fast so aussehen wie wir. Wir haben die gleichen krausen Haare, auch die Nasen und Lippen sind wie unsere, wir sind eben nur kleinwüchsiger. Und wir haben eine hellere Haut. Durch das Salzwasser und unsere andere Lebensweise haben wir uns den anderen gegenüber verändert. So schwarz wie die Menschen an Land sind, so sahen wir auch mal aus.« »Die sehen so schwarz aus wie die Fische, wenn du sie aus dem Rauch holst«, warf Kukeme lachend dazwischen.

Die Mutter lächelte leise. »Ach, mein Sohn, ich bin ja mit meinem Leben zufrieden und glücklich mit euch. Aber manchmal wäre ich gerne eine von ihnen«, sagte sie wehmütig. »Ich vermisse Freundinnen, denn unsere Verwandten leben in den Sümpfen so weit weg, es ist zu beschwerlich, sich des Öfteren zu besuchen.« »Ja, und warum leben wir hier in den Sümpfen und nicht an Land?«, fragte Kukeme. Ihr Blick verdunkelte sich, genauso sah sie aus, wenn sie manchmal mit ihm schimpfte und seinen Namen so sonderlich aussprach. Ihr Gesicht entspannte sich, als sie jedoch mit dem Erzählen begann, bekam es wieder einen sanften Ausdruck. »Das ist eine traurige Geschichte, Kukeme, höre gut zu.

Vor langer, langer Zeit lebten meine Ahnen noch in Eintracht mit der Natur in kleinen Rundhütten aus Lehm und mit Dächern aus Elefantengras. Diese befanden sich in einem Kral. Ein Kral ist eine Umfriedung mit dicken, hohen Holzstämmen und Zweigen. Hier fühlten sich meine Ahnen geborgen. Die Männer gingen auf die Jagd oder fischten in den Gewässern. Die Frauen hielten die Hütten sauber und gebaren Kinder. Sie holten Wasser aus größerer Entfernung, das sie in Tongefäßen auf dem Kopf nach Hause trugen. Auch sammelten sie jegliches Holz von Bäumen und Sträuchern, die sie auf gleiche Weise wie das Wasser in den Kral transportierten. Auch auf dem Feld waren sie ganz tüchtig. Sie bauten Hirse, Mais und Yamswurzeln an. Hirse und Mais wurden nach dem Ernten in Rundhütten auf Stelzen gelagert, damit keine Tiere sie vernichten konnten. Zu jeder Mahlzeit wurde das Korn in einem großen Mörser mit einem schweren Stößel zerstampft, jeden Tag kam eine andere Frau dran. Ja, unsere afrikanischen Frauen sind schon tüchtig, sie müssen ganz schön was leisten. Da staunst du, dass ich das alles weiß.

Dies wurde schon über Generationen überliefert, die Eltern geben alles wortgetreu den Kindern weiter. Siehst du, jetzt bist du dran. Präge es dir gut ein und öffne dein Herz für unsere Leute. So, jetzt will ich aber weiter berichten.

Es gab in dem Dorf auch Ziegen, Schafe und Hühner. Sie kamen außerhalb des Krals in einen Pferch, welcher ringsherum aus Dornengeflecht bestand, damit keine Wildtiere sie töten und fressen konnten. Trotz dieser schönen Idylle gab es aber doch einen gefährlichen Mann, es war der Schamane. Zu ihm kam ein junger Mann mit seiner Freundin, denn sie wollten noch vor ihrer Heirat von ihm das Orakel befragen lassen, um den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Der Schamane warf verschiedene Knochen auf den Boden, ging dreimal um sie herum, nahm einen Schluck aus einer Flasche und sprühte die Flüssigkeit auf die formierten Knochen. Erst dann konnte er daraus lesen, ob das junge Paar ein gutes oder schlechtes Omen erwartet und an welchem Tag sie die Hochzeit feiern sollen. Der Medizinmann, den sie auch Schamane nennen, war aber ein böser Mann.

Du musst aber wissen, dass es noch heute Schamanen gibt. Die guten helfen den Menschen in ihrem Dorf. Sie sind beliebt, aber auch gefürchtet. Alles, was übermenschlich ist, ist den Menschen nicht geheuer.

Dieser Schamane, der auch ein Zauberer war, war sehr böse. Als das junge Paar vor ihn trat und er das Mädchen sah, das sehr hübsch war, verliebte er sich unsterblich in sie und beschloss sie zu besitzen. Er sagte ihnen daher ein schlechtes Omen voraus und beschwor sie, mit der Heirat noch zu warten. Traurig ging das junge Paar davon. Jetzt fing der Schamane an, um sie zu werben. Das Mädchen war entsetzt. Liebte sie doch ihren Freund, der so jung, lieb und anziehend war. Sie schüttelte sich, wenn sie nur einen Gedanken an diesen alten, hässlichen Mann verschwendete. Tagelang überlegte das Paar, was sie nur tun könnten, um diesem gefürchteten Kerl zu entrinnen. Sie beschlossen, sich in den Sümpfen zu verstecken.

Der Zauberer jedoch wusste das, er wusste alles, hatte er doch viele geheime Mächte. Er sprach den Juju über die beiden aus. Juju kann zum Guten oder Schlechten verwendet werden. Es kann ein Fluch, aber auch ein Segen sein. Hier jedoch war es ein Fluch. Mit blutunterlaufenen Augen stand er am Ufer. Der Mond beschien mit seinem kalten, klaren Glanz diese schaurige Erscheinung und war Zeuge seiner Worte. Voller Hass schrie es aus ihm heraus: ›Hiermit verbanne ich euch in die Sümpfe, ihr sollt nicht mehr so aussehen wie wir. Nie wieder sollt ihr an Land leben. Mein Fluch wird das verhindern.‹«

Als die Mutter nicht mehr sprach, war es für kurze Zeit ganz still in der Höhle.

Kukemes Stimme durchbrach die ruhige Stimmung: »Das war ja schrecklich, was dieser böse alte Mann uns angetan hat. Warum seid ihr nach seinem Tod nicht zurückgekehrt?« »Ich weiß es nicht so genau«, antwortete seine Mutter. »Ich glaube, der Fluch hat noch nachgewirkt. Die beiden jungen Menschen waren nicht fähig zurückzukehren, und später hatten sie sich in ihr neues Leben eingefügt. Die darauf folgenden Generationen kannten es ja nicht anders.« Kukeme schaute seine Mutter lange an. »Aber ich werde durch Ayodole und Amadu die alte Welt kennenlernen und zurückkehren. Einer muss doch den Anfang machen.« Er umarmte seine Mutter. »Ihr solltet das auch tun, dann bekommst du sicher auch die Freundin, nach der du dich so sehnst.«

Lächelnd erhob sich seine Mutter von ihrem Lager und schaute auf Kukeme herunter. »Mein Sohn, du bist ein Schatz, ich liebe dich. Pass immer auf dich auf.«

Kukeme sprang auf und huschte durch die Pforte ins Wasser. Mit kräftigen Schwimmstößen erreichte er die Oberfläche und schwamm auf seinen geliebten Baum zu. Dort wollte er in schwindelerregender Höhe erst einmal nachdenken und das eben Gehörte verarbeiten.

Am Nachmittag saß er wieder am Ufer im Blätterdach des Baumes und schaute auf die spielenden Kindern herunter. Ayodole und Amadu konnten ihn zwar nicht sehen, aber sie gaben ihm geheime Zeichen, dass sie später wieder auf ihn warten würden. Kukeme konnte die Zeit kaum abwarten, ungeduldig wartete er darauf, dass die anderen Kinder endlich nach Hause gingen.

Dann war es so weit, und bevor Amadu und Ayodole etwas sagen konnten, hechtete er mit einem Kopfsprung ins Wasser, kam freudestrahlend hoch und übermütig schüttelte er sich das Wasser vom Gesicht. Mit kräftigen Zügen schwamm er auf die beiden zu. »Endlich kann ich vom Baum herunter. Ich habe es kaum noch ausgehalten vor Ungeduld, bis ich euch endlich wiedersehe«, rief er ihnen atemlos entgegen und eilte auf sie zu. Sie setzten sich, wie am Vorabend, wieder auf die Steine. Amadu schleppte einen größeren flachen Stein aus dem Wasser. Ayodole legte ein weißes Tuch, zumindest war es mal weiß, darüber aus und legte drei Stangen Rohrzucker darauf. Ihr Bruder holte aus einer schwarzen Plastiktüte eine Dose Limo, die er zu Hause gemopst hatte. Verwundert schaute Kukeme den beiden zu. Ein großes Glücksgefühl überflutete sein Herz. Ganz zaghaft fragte er die beiden: »Macht ihr das etwa nur für mich?« »Ja klar, wir feiern heute deinen Geburtstag«, sagte Ayodole. »Da du ja wohl nicht weißt, wann du geboren bist, haben wir beide beschlossen, dass du heute Geburtstag hast. Jeder Mensch sollte Geburtstag haben. Nach einem Jahr feiern wir dann wieder, also am 9.12.1989. Und das jedes Jahr am gleichen Tag.«

Nun nahm sich jeder eine Rohrzuckerstange und genüsslich saugten sie die süßen Stangen aus. Anschließend teilten sie sich die Limo, und Kukeme meinte, dass er noch nie so etwas Gutes getrunken hätte. Den Rohrzucker kannte er schon, den hatte sein Vater des Nachts, wenn Erntezeit war, von den Feldern mit heimgebracht. Dann stürzten sich alle darauf, denn das war das einzige Süße, was sie kannten. Als seine neuen Freunde nun auch noch ein Geburtstagslied anstimmten, wurde es ihm ganz warm ums Herz. Am liebsten hätte er losgeheult. Mensch, was habe ich für ein Glück. Vielleicht kommen wir bald alle aus dem Sumpf zu euch ans Land, ich wünsche es mir so sehr für meine Mama, dachte er so bei sich. Amadus Frage riss ihn aus seinen Gedanken: »Was meinst du, wie alt du wohl bist, Kukeme?« »Kann ich euch nicht sagen«, meinte er, »vielleicht bin ich so alt wie ihr.« Ayodole beschloss, dass er so alt wie ihr Bruder sein sollte, also neun Jahre, sie selber war schon zehn. »Was hältst du davon, wenn wir dir Lesen und Schreiben beibringen, wir können noch nicht alles, aber fürs Erste wird’s schon reichen.« Erwartungsvoll schaute sie Kukeme an. »Ich möchte alles lernen, egal was es ist, ich kenne doch nur unser Sumpfgebiet. Ich weiß doch noch nicht einmal, was lesen und schreiben bedeutet«, antwortete Kukeme. Schon hatte sich Amadu gebückt und malte mit einem Stock Buchstaben in den nassen Sand. »Schau, du musst nur 26 Buchstaben lernen, zusammengesetzt ergeben sie dann die Worte, die wir sprechen. Dann kannst du später auch dicke Bücher lesen und wirst ganz schlau. Unser Papa hat so ein dickes Buch, manchmal liest er uns daraus vor, aber ich verstehe es nicht richtig. Ich glaube, mein Papa ist schlau, er ist ja auch ein Händler, er verkauft auf dem Markt Töpfe und bunte Plastikschalen. Abends, wenn er heimkommt, zählt er immer das Geld und manchmal bekommen Ayodole und ich sogar ein kleines Geschenk, aber das ist wirklich selten. Mama sagt immer, dass wir sparen müssen, weil Papa noch seinen Eltern und Geschwistern, die keine Arbeit haben, helfen muss.« »Ja, das ist so, später werden wir unseren Eltern beistehen«, warf Ayodole ein. »Und Mama sagt auch, dass wir ganz fleißig in der Schule sein müssen, damit wir später einen guten Beruf erlernen können.« Kukeme begriff gar nichts mehr, in seinem Kopf schwirrte alles durcheinander. Beruf, Geld und bunte Plastikschalen, damit konnte er nun wirklich nichts anfangen. Das alles gab es nicht bei ihnen zu Hause. Sie hatten nur Töpfe und Schalen aus Ton. Er strich sich nachdenklich über die Nase und dachte bei sich: Das dicke Buch, von dem sie reden, interessiert mich. Vielleicht sind dort die Geister der Ahnen eingeschlossen. Im Gegensatz zu meinen Brüdern fürchte ich mich nicht vor ihnen. Immer wenn ich keine Angst zeige, schaut mich Mama so komisch an. »He, aufwachen«, rief Ayodole, »an was hast du gerade gedacht? Du wirkst so nachdenklich.« »Wisst ihr was, ich kann das alles noch gar nicht begreifen, habt Geduld mit mir, aber ich möchte lernen, lernen und noch mal lernen.« Kukeme sprang auf: »Reicht mir die Hände, wir schwören uns jetzt, dass wir ewig Freunde bleiben und immer füreinander da sind.«

Als sich alle angefasst hatten, schloss Kukeme ganz fest seine Augen und sprach für Ayodole und Amadu Sätze, die sie nicht verstanden. Sie schauten sich beide an und gleichzeitig fuhren sie heftig zusammen. Es war, als ob ein Blitz in sie gefahren sei, ungläubig schauten sie auf Kukeme. Der schlug die Augen auf und rief strahlend: »Jetzt sind wir Freunde, für immer und ewig.« Amadu und Ayodole wussten nicht, was das Erlebte bedeutete, trauten sich jedoch nicht zu fragen, was soeben mit ihnen geschehen ist. Später wollte Ayodole ihn fragen, jetzt sollte erst einmal die Freundschaft gebührend gewürdigt werden. Sie schlug Kukeme vor, dass sie in Zukunft einen anderen Treffpunkt suchen müssten. Bei so vielen Kindern könnte er unmöglich lernen, und wenn die anderen nach Hause gehen, ist es fast schon zu spät, da ja alle Kinder vor der Dunkelheit heimkehren mussten. »Kukeme«, fragte sie, »was hältst du davon, wenn wir uns in Zukunft dort drüben bei dem großen Affenbrotbaum treffen? Den findest du immer, denn er überragt alle anderen Bäume, wir nennen ihn übrigens Baobab und wir verehren ihn. Wenn ich mich an ihn schmiege und mein Ohr an ihn presse, höre ich Stimmen. Ich kann sie aber nicht verstehen.« Kukeme horchte auf. »Den Baum möchte ich kennenlernen, vielleicht verstehe ich ihn. Jetzt muss ich aber los, ich freue mich schon auf morgen«, und schon war er im flachen Wasser, um in die tieferen Gewässer einzutauchen. Es bildeten sich kleine Kreise, die immer größer wurden, bis die Wasseroberfläche sich glättete und in der ruhigen Abenddämmerung nichts mehr an Kukeme erinnerte. Nur in Ayodoles und Amadus Seele war er tief verankert.

Dieses Mal gingen sie schweigend nach Hause, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.

Suchend schauten Kukemes Augen über die saftig grüne Buschlandschaft, die sich vom Wasser ins Landesinnere erstreckte. Er hatte dafür den Baobab mühsam erklettert und stellte dabei fest, wie viel leichter ihm doch alles im Wasser fiel. Auch das werde ich an Land mit der Zeit besser können, dachte Kukeme. Ungeduldig wartete er auf seine Freunde. Dann sah er Ayodole in ihrem farbenprächtigen Kleid, dahinter Amadu, wie sie durch das Schilf am Wasser einen Weg bahnten. Sein Herz schlug wie wild und so schnell er konnte, kletterte er wieder den Baum herunter und lief ihnen entgegen. »Bei Aligu, bin ich froh, euch zu sehen, ich dachte schon, dass ihr heute vielleicht nicht kommt«, rief er ihnen entgegen. »Wir lassen dich doch nicht im Stich«, meinte Amadu, »aber heute mussten wir etwas länger in der Schule bleiben, denn wir mussten das Gras auf der Schulwiese mit einer Sichel kürzen, grässliche Arbeit, sage ich dir.« »Und wer ist Aligu«, warf Ayodole dazwischen, »von ihm habe ich noch nie was gehört?« »Kannst du auch nicht, das ist ein Obergeist von etlichen anderen Geistern, die in unserem Sumpfgebiet zu Hause sind. An mondhellen Nächten kann man sie auf dem Wasser tanzen sehen. Manchmal singen sie, es hört sich aber wie das Zwitschern der Vögel an, dann wiederum kichern sie ganz albern. Aber wenn sie sich über etwas geärgert haben, dann grollen, zischen und heulen sie. Das hört sich so gruselig an, dass sogar meine Mutter Angst bekommt und uns alle zusammenruft. Dann dürfen wir nicht vor die Tür.

Dabei würde ich mich gerne mit ihnen im Wasser tummeln, ich habe keine Angst«, prahlte er. Ayodole schaute sich vorsichtig um. »Mensch, aber mir hast du jetzt Angst gemacht.« Kukeme legte eine Hand auf ihre Schulter und schaute in ihre braunen Augen. »Ich werde dich immer beschützen, und außerdem sind es gute Geister. Sie mögen nur keine schlechten Menschen, doch ihr beide seid die liebsten Menschen der Welt. Später werde ich sie euch einmal zeigen«, versprach Kukeme, bekam aber von Ayodole zu hören: »Lieber nicht.«

Kukeme war begierig, viel zu lernen, er sog alles in sich auf wie ein Schwamm. Ayodole und Amadu waren fassungslos, wie er schnell alles begriff und es auch nicht wieder vergaß. Was hatten sie sich doch abgemüht, diese Aufgaben in einer viel längeren Zeit zu erlernen. Sie bewunderten ihn, gleichzeitig jedoch war er ihnen schon etwas unheimlich. Und als er sich dann noch an den Baobab lehnte, sein Ohr an den Stamm presste und mit ihm in unterschiedlichen Lauten sprach, war es mit ihrer Fassung vorbei. Sie bestürmten Kukeme, ihnen zu sagen, was der Baum ihm erzählt hat. »Erst hörte ich nur ein Rauschen, dazwischen leise Stimmen, die wohl von euren Ahnen stammen. Sie kamen immer näher und dann sprach eine Frauenstimme: ›Hüte dich vor dem Kreis, komme raus, schnell raus, hüte dich vor dem Kreis.‹ Dann hörte ich wieder Stimmen, die immer leiser wurden, ein tiefes Rauschen vernahm ich im Stamm, bis ihr Krach gemacht habt.« »Was meint sie wohl mit dem Kreis«, fragte Ayodole ganz aufgeregt, »und warum verstehst du die Stimme und wir nicht?« »Das weiß ich nicht«, antwortete Kukeme, »meine Mutter sagt immer, ich sei ganz anders als meine Geschwister, vielleicht meint sie das damit. Aber für mich ist das alles normal.« Ayodole und Amadu schauten ihn ehrfurchtsvoll an. »Du weißt, dass du uns manchmal ganz schön unheimlich bist? Aber wir werden uns schon noch daran gewöhnen.« »Da bin ich aber froh! Ihr müsst mich schon so akzeptieren, wie ich bin, ich tue es bei euch ja auch, obwohl es bei euch nicht ganz einfach ist. Denn meine Welt sah bis jetzt ganz anders aus und ich bin wahnsinnig gespannt, was mich noch so alles bei euch erwartet.« »Du, Kukeme, was hältst du davon, wenn wir eines Tages gemeinsam in unser Dorf gehen«, fragte Amadu, »dann siehst du, wie wir leben und wo wir wohnen?« »Das wäre nicht schlecht«, meinte Kukeme, »aber vorher werde ich meiner Mutter Bescheid geben, damit sie sich keine Sorgen macht.

»Was hat deine Mutter gesagt?«, fragte Ayodole ein paar Tage später, als sie sich an einem schulfreien Tag auf den Weg zu ihrem Dorf machten. »War sie sauer?« »Nein«, antwortete Kukeme, »aber tierisch besorgt. Was hat sie mir nicht alles mit auf den Weg gegeben, doch nun muss ich alleine da durch«, ulkte Kukeme. Er schaute sich neugierig um und konnte es gar nicht fassen, dass er nun tatsächlich alles sehen und erleben sollte, was seine Mutter ihm von ihren Überlieferungen erzählt hatte. Und als sie schon von Weitem die ersten Hütten sahen, bekam er richtiges Herzklopfen. Er sah Rinder mit gewaltigen Hörnern, Ziegen, Schafe und Hühner, die frei durch die Gegend liefen. Geduldig erklärten die Geschwister ihm, dass die Hühner Eier legten und die anderen Tiere ihnen Milch gaben. Ayodole lief auf einen riesigen Baum zu, an dem an langen Stielen grüngelbe Früchte hingen. Sie pflückte eine, biss in die harte Schale und zog sie gleichzeitig herunter. Duftendes gelbes Fruchtfleisch kam zutage und der süße Saft tropfte auf ihr T-Shirt. »Hier, probier mal, die schmecken echt gut, sie heißen Mangos. Ich freue mich jedes Jahr auf die Mangozeit und kann gar nicht genug davon bekommen.« Kukeme war ganz begeistert. »Das wird mir in Zukunft genauso gehen. Mensch, sind die gut.« Begierig verputzte er die Frucht. »Wir haben noch so viele andere süße Früchte«, schwärmte Ayodole. »Komm, lasst uns weitergehen«, quengelte Amadu und rannte dem Dorf entgegen.

Ayodole und Kukeme schlenderten gemächlich hinterher, gab es für Kukeme doch so viel zu sehen und zu erfragen. Dann sah er einen Strauch mit vielen rosa Blüten, der aber kein einziges grünes Blatt besaß. Das wollte er sich näher anschauen, er bahnte sich einen Weg durch den Busch, doch auf halbem Weg blieb er wie erstarrt stehen. Er spürte, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, sogar seine Gedanken verlangsamten sich. Er hatte das Gefühl, als wollte alles Leben aus ihm entweichen. Entsetzt stellte er fest, dass er auch nicht mehr sprechen konnte, um Ayodole um Hilfe zu bitten. Was passiert gerade mit mir? Ich will das nicht, und ein tiefes Grauen überkam ihn.

Ayodole war am Weg stehen geblieben und schaute Kukeme hinterher, sie kannte ja den Strauch und wollte lieber auf ihn warten. Als sie jedoch Kukeme dort regungslos stehen sah, rief sie ihm zu, ob etwas nicht in Ordnung sei.

»Kukeme, was ist los, ist dort eine Schlange? … Warum sagst du nichts, ist alles o.k.?« Doch Kukeme sagte kein Wort, drehte sich auch nicht um. Er sah nicht, dass Ayodole aufgeregt auf ihn zueilte. Dann stand sie vor ihm, sah Kukeme an, sah in sein entrücktes Gesicht mit seinen weit aufgerissenen Augen und bekam schreckliche Angst um ihn. Sie schrie wie nie zuvor in ihrem Leben und versuchte, seinen erstarrten Körper zu schütteln. Er jedoch stand da wie ein Fels in der Brandung.

Amadu, der schon fast am Dorf angelangt war, blieb abrupt stehen und horchte auf. Das war doch die Stimme seiner Schwester, und wie von Furien gehetzt, lief er zu den beiden zurück und betete im Stillen: »Lieber Gott, lass ihr nichts passiert sein.« Als er bei ihnen war und sah, dass seine Schwester in Ordnung war und sie sich wieder beruhigt hatte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Sie weinte und wies mit der Hand auf Kukeme und stammelte: »Amadu, schau doch nur, Kukeme ist erstarrt, er hört mich nicht. Ich habe solche Angst. Was sollen wir nur tun?«, schluchzte sie.