Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren -  - E-Book

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren E-Book

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Beschreibung

Das Anthropozän ist Denkrahmen und Reflexionsbegriff für transformative Bildungsprozesse – denn es fordert dazu auf, in Hoch-/Schulen aktiv die Notwendigkeit einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Neugestaltung der Mensch-Natur-Beziehung zu thematisieren. Kreative kulturelle Perspektiven, Praktiken, Produkte spielen dabei eine zentrale Rolle. Im Zentrum der vorliegenden Beiträge steht die Frage nach der Bedeutung und den Möglichkeiten kultureller Nachhaltigkeit als Bildungskonzept für eine gesellschaft¬liche Transformation, deren Ziel der Schutz und die Sicherung der menschlichen und nichtmenschlichen Lebensbedingungen im Anthropozän ist. Dieser Sammelband bietet innovative Impulse für den Theorie-Praxis-Transfer, ausgehend von Fragen nach der theoretischen Fundierung und den didaktischen Konzepten, der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen und der Rolle von Literatur und Kunst in einer Bildung für kulturelle Nachhaltigkeit. Mit einem Bildessay von Willy Puchner

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Carmen Sippl | Erwin Rauscher (Hrsg.)

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

Carmen Sippl | Erwin Rauscher (Hrsg.)

KulturelleNachhaltigkeitlernen und lehren

Pädagogik für NiederösterreichBand 11

© 2022 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstrase 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.studienverlag.at

Buchgestaltung nach Entwürfen von himmel. Studio für Design und Kommunikation,Scheffau – www.himmel.co.at

Satz: Studienverlag/Maria Strobl – www.gestro.at

Umschlag: Kurt Tutscheck

Redaktion: Erwin Rauscher, Carmen Sippl

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN 978-3-7065-6192-1

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Inhalt

PROLOG

Willy Puchner

Willy Puchners Welt der NaturEin Bildessay

EINLEITUNG

Carmen Sippl & Erwin Rauscher

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren: transformativ bilden im Anthropozän

EINBLICKE I

Gabriele Rippl

Konzepte kultureller Nachhaltigkeit

Berbeli Wanning

Der ökologische UmbruchWie kulturökologische Literaturdidaktik Perspektiven verändern kann

I. KULTURELLE NACHHALTIGKEIT … WORDS & STORIES

Sabine Anselm & Christian Hoiß

Storytelling im DeutschunterrichtZum Umgang mit Narrationen im Kontext des Anthropozäns

Sabine Apfler & Bettina Mikas

Heimatkundeunterricht neu gedacht

Simone Breit

Das Bilderbuch als kulturelle Repräsentation von NachhaltigkeitEine Analyse ausgewählter Werke zum Thema Lebensmittel für die Elementarstufe

Felix Heizmann

„Wenn ich ein Miljoner wäre …“Nachhaltigkeitsbildung in der Grundschule durch kreatives Schreiben zu einem Bilderbuch

Elisabeth Hollerweger

Die Welt ohne Menschen, die Welt ohne Natur?Szenarien des Verschwindens im Literaturunterricht

Georg Huemer

Empörung als zentrales Motiv im Nachhaltigkeitsdiskurs der Kinderliteratur

Franz Vonwald & Margarethe Kainig-Huber

Historisches Lernen – Beiträge zur Förderung nachhaltiger ErinnerungskulturDurch „Fenster der Erinnerung“ in die regionale Vergangenheit blicken

Anke Kramer

Nachhaltige BlütenleseAspekte einer Literaturdidaktik der Pflanzen (Tieck, Droste-Hülshoff, Olfers)

Thomas Kronschläger

Vom Trinkhalm zum ÖlbohrenKulturelle Gewalt mitempfinden und kulturelle Nachhaltigkeit entwickeln

Jana Mikota

Mit den „Grünen Piraten“ und den „Furchtlosen Drei von Rio Negro“ auf der Jagd nachUmweltsünder*innen Ökologische Kriminalromane für Kinder

Tanja Obex & Madeleine Scherrer

Von wo aus denken?Bildung für kulturelle Nachhaltigkeit durch Storytelling

Carmen Sippl

Wir sind PlanetKulturökologische Literaturdidaktik im mehrsprachigen Kontext

Wilhelm Trampe

Nachhaltigkeitskommunikation im DeutschunterrichtSprachdidaktische Überlegungen im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung

EINBLICKE II

Fritz Lošek

Ánthropos. Menschliche Geschichte(n). Menschliche Geschicke.

Erwin Rauscher

Wenn nicht die Schule, wer dann?Zukunftsfähigkeit als Bildungsverantwortung im Anthropozän

II. KULTURELLE NACHHALTIGKEIT … LEARNING & TEACHING

Uta Hauck-Thum

Grundschule im AufbruchVeränderte Lehr- und Lernprozesse im Kontext kultureller Nachhaltigkeit

Jan Christoph Heiser & Tanja Prieler

Aufklärung, Achtung, ToleranzEine ethisch-didaktische Skizze

Sabine Höflich

Kultur allen zugänglich machenDie Bedeutung einer inklusiven Kultur für nachhaltige Entwicklung

Michael Holzwieser

‚Klimafitte Schule‘Grundlagen und Beratungskonzept

Franziska Kirchhoff, Caroline Mölter & Christian Hoiß

Der ökologische Fußabdruck als Annäherung an eine kulturelle PraxisChancen, Grenzen und Lernpotenzial im mathematikdidaktischen Kontext

Alexandria Krug

Mit Kindern im Schulgarten philosophierenEine gärtnerisch-philosophierende Praxis kultureller Nachhaltigkeit

Jochen Laub

Verantwortung zur NachhaltigkeitZur Bedeutung des Verantwortungsbegriffs im Kontext des Antropozän-Konzeptes bzw. einer transformativen Bildung

Micha Pallesche

Kulturelle Nachhaltigkeit als Leitperspektive an Gemeinschaftsschulen

Jasmin Peskoller

Interkulturelles Lernen als Grundlage nachhaltiger BildungEinblicke in eine Lehrwerkanalyse für das Fach Englisch

Simon Probst

Die kritischen Zonen der Schule erkunden und gestaltenAuf der Suche nach einer erdgebundenen Bildung

Christian Wiesner & Michael Gebauer

In-Beziehung-Sein mit dem Natur-SeinBindungstheorie und Lernen verstehen, um kulturelle Nachhaltigkeit zu fördern

Christian Wiesner

Kulturelle Nachhaltigkeit als Balance von Nähe und DistanzDas Zusammenwirken von Anthropomorphismus, Subjektivation, Empathie, Objektivation und Dehumanisierung

EINBLICKE III

Reinhold Leinfelder

„Auch Maschinen haben Hunger“Biosphäre als Modell für die Technosphäre im Anthropozän

Kaspar H. Spinner

Ästhetische Erfahrung als Grundlage für NachhaltigkeitNatur, Kunst und Literatur

III. KULTURELLE NACHHALTIGKEIT … ARTS & SCIENCES

Katharina Anzengruber & Elke Zobl

Zukunft mit ZukunftKünstlerische Experimentierräume und kulturelle Nachhaltigkeit

Heidelinde Balzarek

Ästhetisch-künstlerisches Forschen im GartenTransformative Bildungsprozesse mittels Kunstunterricht im Anthropozän

Hubert Gruber

Geschichten zu Musik und MenschMit den Eselsmännern und dem antiken Marsyas-Mythos auf Spurensuche nach der Bedeutung musikalischer Werkzeuge für uns Menschen

Margarethe Kainig-Huber

Kinder entdecken Museen von zuhause ausLernarrangements für die Primarstufe – museumspädagogische Zugänge

Ingrid Krottendorfer

Theater in der Schule und nachhaltiges LernenEine qualitativ-empirische Erhebung unter Theater-Lehrenden

Lara Paschold

Nachhaltigkeitsbildung in theatralen ErfahrungsräumenEin theoriebasierter Erfahrungsbericht

Ramona Rieder

„Fragile Schöpfung“ im Dom Museum WienBeziehungsaspekte Mensch-Natur-Umwelt. Ein Praxisbericht aus der Kulturvermittlung

Mike Rumpeltes

Musikalische Schulaufführungen und (kulturelle) NachhaltigkeitEine Analyse von drei Musikprojekten

Christina Schweiger

Bildende Kunst und kulturelle NachhaltigkeitKunstwerke als Repräsentanten und mediale Repräsentationen von Nachhaltigkeitskonzepten

Tanja Seider

Anthropozän und Klimawandel im MuseumKollaps, Krise oder kulturelle Nachhaltigkeit?

Carmen Sippl

Literarische Wasserwelten im AnthropozänLeitfragen für eine kulturökologische Lektüre von Christoph Ransmayrs Der Fallmeister

AUSBLICK

Aleida Assmann

Doing Future – ökologische und kulturelle Nachhaltigkeit

EPILOG

Willy Puchner

(im Gespräch mit Carmen Sippl)Die Natur ist meine Göttin

ANHANG

Abstracts

Autor*innen

Register

PROLOG

Willy Puchner

Willy Puchners Welt der Natur

Mein „Tagebuch der Natur“ gestattet verschiedene Zugänge zur Natur.

Es sind nicht nur Zugänge, sondern auch Zusammenhänge und Sinneswahrnehmungen, die ich skizziere und erkunde. Durch die Frage, was denn Natur überhaupt sei, nähere ich mich einer anderen Welt, betrachte Pflanzen und Tiere und schließlich mein Wesen selbst. Ich weiß nicht, wo Natur beginnt und wo sie endet. Je mehr ich mich dem Thema nähere, umso vielfältiger werden die Motive. Triebfeder für das Tagebuch war auch das Gefühl, als wäre Natur irgendwo auf meinem Weg verlorengegangen, so als wäre ein Eiswürfel in meiner Hand geschmolzen.

Uns allen scheint Natur etwas Selbstverständliches: Ein Waldspaziergang, ein Strauß Blumen, der Besuch im Zoo, das Streicheln einer Katze, der Blick aufs Meer.

Im Tagebuch spielen Langsamkeit und Zeit eine große Rolle. Meine Chance ist eine Art aufmerksamer Zeitvertreib, eine Suche nach Spuren in der Natur und in der Literatur, genaugenommen ein konsequentes Spiel mit Zufall und unersättlicher Neugierde. Das Tagebuch der Natur ist der Versuch, einen kleinen Teil der Vielfalt dieser Welt aufzuzeichnen.

EINLEITUNG

Carmen Sippl & Erwin Rauscher

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren: transformativ bilden im Anthropozän

Nur alle Menschen machen die Menschheit aus, nur alle Kräfte zusammengenommen die Welt. Diese sind unter sich oft im Widerstreit, und indem sie sich zu zerstören suchen, hält sie die Natur zusammen und bringt sie wieder hervor.

Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre1

Das Anthropozän ist Denkrahmen und Reflexionsbegriff für transformative Bildungsprozesse – denn es fordert dazu auf, in Hoch-/Schulen aktiv die Notwendigkeit einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Neugestaltung der Mensch-Natur-Beziehung zu thematisieren. Kreative kulturelle Perspektiven, Praktiken, Produkte spielen dabei eine zentrale Rolle. Wie lassen sich ‚Kultur‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ zusammenführen? Welche Chancen bietet ‚kulturelle Nachhaltigkeit‘ als Bildungskonzept für die gesellschaftliche Transformation?2

Schule ist Wiege von Gesellschaft, nicht ihr Echo. „Was droben in den Wipfeln rauscht, | das wird hier unten ausgetauscht“3, ironisiert Christian Morgenstern und beschreibt metaphorisch eine Aufgabe von Schule als Sandkasten des Lebens. Wie lässt sich wissenschaftliche Erkenntnis zu schulischem Bekenntnis transformieren? Dieser Frage widmen sich die folgenden Beiträge, fokussiert in ihrer Vielfalt auf die Herausforderungen des Anthropozäns, nach einem ersten interdisziplinären Sammelband als Ausgangspunkt (Sippl, Rauscher & Scheuch 2020) insbesondere ausgerichtet auf die kulturellen Kontexte: Denn Kultur ist die anthropogene Transformation von Natur als Aufgabe in der Gegenwart, Zukunft zu gestalten, als schulpädagogisches Stimulans, Zukunftsfähigkeit als Bildungsverantwortung zu deklinieren.

Die Fakten, als empirische Daten von den Erdsystemwissenschaften zur Verfügung gestellt (vgl. IPCC 2021), machen die Wirkmächtigkeit des Menschen als geologischer Faktor sichtbar. Das Anthropozän, zunächst von dem Atmosphärenchemiker Paul Crutzen als provozierender Fachbegriff zur Bezeichnung eines neuen Erdzeitalters in die Diskussion gebracht (vgl. Leinfelder 2012), hat sich mit einer Dynamik vergleichbar der ‚großen Beschleunigung‘ zu einem transdisziplinären Konzept entwickelt (vgl. Horn & Bergthaller 2019).

Seine simplistische Übersetzung als ‚Menschenzeitalter‘ (vgl. den Beitrag von Fritz Lošek in diesem Band) erweist sich als janusköpfig, könnte sie doch dazu verleiten, in an thropozentrischem Denken alles auf die Karte des technologischen Fortschritts zu setzen. Der globalen Herausforderung will die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen dagegen mit einer gesamtgesellschaftlichen „Transformation unserer Welt“4 begegnen, deren Ziel der Schutz und die Sicherung der menschlichen und nichtmenschlichen Lebensbedingungen im Anthropozän ist. Die technologische Entwicklung ist dabei ein Faktor von vielen, eingebunden in eine Voraussetzungskette von Wissen und Wissensvermittlung, um verantwortungsvolle Folgenabschätzung zu gewährleisten. Die Rede ist von „kühnen und transformativen Schritten, die dringend notwendig sind, um die Welt auf den Pfad der Nachhaltigkeit und der Widerstandsfähigkeit zu bringen“, wie es die Agenda 2030 formuliert. Die 17 Nachhaltigskeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs), die dafür gesteckt wurden, sind an den Dimensionen der Ökonomie, der Ökologie, des Sozialen ausgerichtet.

„Nachhaltigkeit ist eine Frage der Kultur“ (Krainer & Trattnig 2007; vgl. Sorgo 2011, Braun-Wanke & Wagner 2020), wurde jedoch schon vor der Verabschiedung der Resolution durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2015 deutlich gemacht. „Die Transformation ist der Ursprung des Kulturellen“, betont François Jullien (2017, 47; Hervorh. i. Orig.). Und weil der Klimawandel „in seiner Gesamtdynamik kein natürliches, sondern ein kulturelles Phänomen“ ist, „bedarf es eines kulturellen Perspektivenwechsels, durch den sich kollektive Lebensformen aus eigenem Antrieb ändern und so gesellschaftliche Transformationen in Gang bringen“ (Heidbrink 2010, 55). Die Transformation betrifft also insbesondere „Bildung als Schlüsselbereich für nachhaltige Entwicklung“5 und das damit verbundene Konzept transformativen Lernens (vgl. Singer-Brodowski & Taigel 2020). Denn Lernen und Lehren sind zentrale kulturelle Praktiken des Menschen.

Das Anthropozän als kulturelles Konzept richtet den Fokus auf den Menschen als „Teilnehmer an Netzwerken sehr unterschiedlicher Handlungsträger, die Pflanzen, Tiere, Landschaften, Ressourcen, Atmosphären und Dinge umfassen“ (Horn 2017, 9). Um in diesem Verständnis menschliches Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Interpretieren, Handeln neu zu orientieren und ökologisches Bewusstsein zu schaffen, braucht es Erfahrungsräume als Zukunftslabore, in denen Bildung als transformatives Geschehen kognitiv, emotional, sozial erfahren werden kann. Die Schulen und die Hochschulen stellen diese Erfahrungsräume als Zukunftslabore dar.

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Das Anthropozän lernen und lehren“ der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich (PH NÖ), gefördert von der Abteilung Wissenschaft und Forschung der NÖ Landesregierung6, hat sich die Frage gestellt, wie das für eine Neugestaltung der Mensch-Natur-Beziehung notwendige interdisziplinäre Denken und Wissen in aktiven Lernprozessen generiert, angeeignet, transformiert werden kann. Der Sammelband Das Anthropozän lernen und lehren (Sippl, Rauscher & Scheuch 2020) hat dafür in der Zusammenführung fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Perspektiven eine Vielzahl an Impulsen angeboten. Diese werden an der PH NÖ in der seminaristischen Arbeit mit Lehramtsstudierenden aufgegriffen und von diesen zu beispielhaften Lernszenarien ausgearbeitet, welche sie als Lehrende auf ihrem Berufsweg in die Schulen tragen.7

Bei diesem partizipativen Suchprozess wird deutlich, dass Faktenwissen individuell bedeutungsvoll werden muss, um ein Verstehen in Zusammenhängen und das Beschreiten der Brücke vom theoretischen Wissen zum praktischen Handeln zu ermöglichen. Für diesen Weg braucht es Transportmittel wie Visualisierungen, Metaphern, Narrative, die in eigenem Tun kreativ erdacht, erkundet, erfahren werden. Kultur- und medienpädagogischen Zugängen kommt bei transformativen Lernprozessen daher eine zentrale Rolle zu, so lautet eine wesentliche Erkenntnis dieses Projekts.

Wir haben eingeladen, zuerst bei einem Symposium8, dann in diesem Sammelband das transformative Potenzial kultureller Praktiken, Produkte, Perspektiven in Bildungsprozessen zu fokussieren. Ausgangspunkt dafür ist ein Verständnis von kultureller Nachhaltigkeit als Querschnittsthema, „weil jede Art der Thematisierung [von Nachhaltigkeit – C.S./E.R.] immer kulturell vermittelt wird, d.h. auf bestimmten Wahrnehmungsmustern, Erkenntnismethoden, Wissensbeständen und Werten beruht“ (Gabriele Rippl, in diesem Band, S. 38). Erkundet wurden die Bedeutung und die Möglichkeiten kultureller Nachhaltigkeit als Bildungskonzept für eine gesellschaftliche Transformation.

Das Symposium „Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren“ der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich am 22./23. April 2021 musste pandemiebedingt im virtuellen Raum stattfinden, konnte sich dafür aber einer Anzahl von interessierten Teilnehmer*innen aus fünf Ländern öffnen, die das Fassungsvermögen des an der PH NÖ „Aequalitas“ benannten Auditorium maximum9 um ein Mehrfaches überstiegen hätte. Während die Keynotes von Willy Puchner, Gabriele Rippl, Berbeli Wanning, Reinhold Leinfelder und Kaspar H. Spinner zum Nachschauen und Nachhören zur Verfügung stehen10, versammelt der vorliegende Sammelband darüber hinaus die Beiträge aus den Workshops11 zum Nachlesen und Vertiefen, zur Auseinandersetzung und Anregung. Sie bieten innovative Impulse für den Theorie-Praxis-Transfer, ausgehend von Fragen nach der theoretischen Fundierung und den didaktischen Konzepten, der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen und der Rolle von Literatur, Kunst und Ästhetik in einer Bildung für kulturelle Nachhaltigkeit. Auf diese Weise werden hier Modellprojekte „für eine kulturintegrierende Bildungspraxis im Sinne nachhaltiger Entwicklung“ vorgestellt bzw. in der Folge initiiert, die „Kultur als Perspektive“ (Holz 2016, 11) und in ihrer Brückenfunktion verwirklichen.

Theorie und Praxis werden daher in diesem Band bewusst nicht in getrennten Blöcken vorgestellt – vielmehr stellt jeder einzelne Beitrag einen Baustein bzw. ein Transportmittel für das Beschreiten jener Brücke zwischen Theorie und Praxis dar, im schulischen wie im hochschulischen Kontext und in die Gesellschaft hineinwirkend. Der erste Block „Words & Stories“ zeigt Wege auf aus deutschdidaktischer (Sabine Anselm, Christian Hoiß, Wilhelm Trampe), literaturdidaktischer (Felix Heizmann, Elisabeth Hollerweger, Anke Kramer, Thomas Kronschläger, Carmen Sippl), elementarpädagogischer (Simone Breit) Perspektive, mit besonderem Blick auf Genres der Kinderliteratur (Georg Huemer, Jana Mikota), den Sachunterricht der Primarstufe (Sabine Apfler, Bettina Mikas, Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald) und die epistemischen Voraussetzungen (Tanja Obex, Madeleine Scherrer), deren kritische Reflexion erst den Blick für Alternativen öffnet. Diesem ersten Block zur Orientierung vorangestellt sind die grundlegenden Einblicke von Gabriele Rippl in die zentralen Konzepte kultureller Nachhaltigkeit und von Berbeli Wanning in die kulturökologische Literaturdidaktik. Sie plädieren nachdrücklich für die Reflexion der kulturellen Dimension von Nachhaltigkeit und ihre kreative Erkundung und imaginative Erprobung als wesentliche Impulse für die Transformation.

In den Einblicken vor dem zweiten Block, „Learning & Teaching“, geht Fritz Lošek dem ‚Ánthropos‘ des Anthropozäns begriffsgeschichtlich auf den Grund. Erwin Rauscher zeigt die zentrale Bildungsverantwortung der Schule für Zukunftsfähigkeit auf und legt erstmals Zielperspektiven für eine ‚Anthropozänkompetenz‘ als Diskussionsgrundlage vor. Der Fokus dieses Blocks liegt auf veränderten Lehr-Lernprozessen aus Sicht der Schulentwicklung (Uta Hauck-Thum, Michael Holzwieser, Micha Pallesche, Simon Probst), der Inklusion (Sabine Höflich), einer ethischen Didaktik (Jan Christoph Heiser, Tanja Prieler, Alexandria Krug, Jochen Laub, Christian Wiesner), der Mathematikdidaktik (Franziska Kirchhoff, Caroline Mölter, Christain Hoiß), der Fremdsprachendidaktik (Jasmin Peskoller), der Literaturdidaktik (Carmen Sippl) und der Bindungstheorie (Christian Wiesner, Michael Gebauer).

Dem dritten Block, der „Arts & Sciences“ zusammenführt, stehen als Einblicke diese zwei Perspektiven in interdisziplinärer Verflechtung und transversaler Praxis (im Sinne einer „Educational Ecology“, Bartosch 2021) voran. Reinhold Leinfelder stellt die „Biosphäre als Modell für die Technosphäre im Anthropozän“ vor und damit eine naturwissenschaftlich-faktenbasierte Metabolismus-Metapher, die den für eine Neugestaltung der Mensch-Natur-Beziehung notwendigen Perspektivenwechsel im Sinne kultureller Nachhaltigkeit fördert. Kaspar H. Spinner richtet den Blick auf die „ästhetische Erfahrung als Grundlage für Nachhaltigkeit“. An Beispielen aus Natur, Kunst und Literatur macht er die Ambivalenzen und Widersprüche deutlich, die sich beim Zusammenführen von Kultur und Nachhaltigkeit ergeben, und zeigt auf, wie sie insbesondere für fächerverbindenden Unterricht genutzt werden können. Wertvolle Impulse bieten die Beiträge zur Kunst (Katharina Anzengruber, Elke Zobl, Heidelinde Balzarek, Christina Schweiger), zur Musik (Hubert Gruber, Mike Rumpeltes) und zum Theater (Ingrid Krottendorfer, Lara Paschold) als Reflexions- und Experimentierräume für Zukunftsbildung und Nachhaltigkeit. Durch Partizipation wirkungsvoll zum Perspektivenwechsel anregend erweisen sich museumspädagogische Zugänge (Margarethe Kainig-Huber, Ramona Rieder, Tanja Seider).

Aleida Assmann macht in ihrem, diesen Band abschließenden, Beitrag deutlich, dass „Nachhaltigkeit […] als Schlüssel- und Oberbegriff sowohl für Natur wie Kultur verstanden werden“ kann. Welche „Parallelen zwischen ökologischer und kultureller Nachhaltigkeit“ bestehen und wie sie ineinandergreifen, erläutert sie durch einen kritischen Blick auf den Begriff und das Konzept ‚Nachhaltigkeit‘ im Kontext der sich wandelnden Medialität der Kultur. „Mithilfe des Begriffs ‚kulturelles Gedächtnis‘ untersuchen wir […] die medialen Bedingungen der Überlieferung und den Stoffwechsel von Erinnern und Vergessen innerhalb der Gesellschaften. Keine Kultur ohne kulturelles Gedächtnis.“ Vor diesem Hintergrund zeigt sich die Notwendigkeit inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit: „Globaler Wandel und planetarische Veränderungen machen gemeinsame Anstrengungen immer dringlicher.“ (Aleida Assmann, in diesem Band, S. 677, 682f.) Ihr Beitrag ist Ausblick und Coda für diesen Sammelband und sein Themenfeld, gleichzeitig Eröffnung, Auftakt, Impuls zum Weiterdenken des „Doing Future[s]“.

Gerahmt werden die drei Einblicke, die drei Blöcke und der Ausblick durch den künstlerischen Impuls des Bilderbuchkünstlers und Fotografen Willy Puchner.12 In seinem Bildessay, der diesen Band als Prolog eröffnet, stellt er seine „Welt der Natur“ vor, den er im Dialog als Epilog reflektiert. Nach hundert Folgen seiner Serie „Puchners Farbenlehre“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verrät er hier erstmals die „Farben des Anthropozäns“.

Eine Kurzinformation zu jedem Beitrag bieten die Abstracts am Ende dieses Bandes.

Dialektisch mag Kultur als Antithese von Natur dienen, anthropologisch ist jene verwoben in diese, seit es Menschen gibt. Gesellschaft, ihre Technik, ihre Künste, gründen in menschlicher Natur und prägen Kulturen der Menschengeschichte. Die Umwelt des Menschen als seine Wirwelt zur Aufgabe zu machen, prägt das Wesen von Schule vom Zielparagraphen des Schulwesens (SchOG §2) bis in jede Unterrichtsstunde. Denn Unterrichten ist auch Aufgabe, um Kultur in die Natur hineinzutragen. Nachhaltigkeit bewusst zu machen bedeutet „erhalten – nutzen – schützen – fördern – pflegen – erforschen – vermitteln – genießen – weiterentwickeln“13. Diesem menschlichen Ziel widmet sich dieser zweite Band: „Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren“ als Schul-Weg zur Futures Literacy.

Primärliteratur

Goethe, Johann Wolfgang von (2002). „Von Mensch und Menschheit“. Aus seinen Werken, Briefen, Tagebüchern und Gesprächen. Hrsg. von Brunow Wachsmuth und einem Nachwort von Jochen Golz. Frankfurt/M.: Insel.

Morgenstern, Christian (2013). Galgenlieder. Wir fanden einen Pfad. Berlin: Holzinger.

Sekundärliteratur

Bartosch, Roman (ed.) (2021). Cultivating Sustainability in Language and Literature Pedagogy. Steps to an Educational Ecology. London, New York: Routledge.

Braun-Wanke, Karola & Ernst Wagner (Hrsg.) (2020). Über die Kunst, den Wandel zu gestalten. Kultur – Nachhaltigkeit – Bildung. Münster, New York: Waxmann.

Dessein, Joost & Soini, Katriina (2016). Culture-Sustainability Relation. Towards a Conceptual Framework. Sustainability 8.2, 167.

Heidbrink, Ludger (2010). Kultureller Wandel: Zur kulturellen Bewältigung des Klimawandels. In Harald Welzer, Hans-Georg Soeffner & Dana Giesecke (Hrsg.), KlimaKulturen. Soziale Wirklichkeiten im Klimawandel (S. 47–64). Frankfurt/M., New York: Campus.

Holz, Verena (2016). Bildung für nachhaltige Entwicklung: Kulturwissenschaftliche Forschungsperpektiven. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich. (Ökologie und Erziehungswissenschaft der Kommission Bildung für nachhaltige Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft [DgfE])

Horn, Eva (2017). Jenseits der Kindeskinder. Nachhaltigkeit im Anthropozän. Merkur 71 (814), 5–17.

Horn, Eva & Bergthaller, Hannes (2019). Anthropozän zur Einführung. Hamburg: Junius.

IPCC (2021). Sixth Assessment Report. Geneva: Intergovernmental Panel on Climate Change. https://www.ipcc.ch/assessment-report/ar6/

Jullien, François (2017). Es gibt keine kulturelle Identität. Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur. Aus dem Französischen von Erwin Landrichter. Berlin: Suhrkamp. (edition suhrkamp, 2718)

Krainer, Larissa & Trattnig, Rita (2007). Nachhaltigkeit ist eine Frage der Kultur. In Dies. (Hrsg.), Kulturelle Nachhaltigkeit. Konzepte, Perspektiven, Positionen (S. 9–25). München: oekom.

Leinfelder, R. (2012). Paul Joseph Crutzen, The “Anthropocene”. In Claus Leggewie et al. (Hrsg.), Schlüsselwerke der Kulturwissenschaften (S. 257–260). Bielefeld: Transcript.

Lošek, Fritz (2020). Die Seele der Säle. Begriff und Raum–ein lexikalischer Rundgang durch die Pädagogische Hochschule Niederösterreich in Baden. In Christine Schörg & Carmen Sippl (Hrsg.), Die Verführung zur Güte. Beiträge zur Pädagogik im 21. Jahrhundert. Festschrift für Erwin Rauscher (S. 201–216). Innsbruck, Wien: Studienverlag. (Pädagogik für Niederösterreich 8)

Meireis, Torsen & Gabriele Rippl (eds.) (2019). Cultural Sustainability. Perspectives from the Humanities and Social Sciences. London, New York: Routledge.

Singer-Brodowski, Mandy & Taigel, Janina (2020). Transformatives Lernen im Zeitalter des Anthropozäns. In Carmen Sippl, Erwin Rauscher & Martin Scheuch (Hrsg.), Das Anthropozän lernen und lehren (S. 357–368). Wien, Innsbruck: Studienverlag. (Pädagogik für Niederösterreich 9)

Sippl, Carmen; Rauscher, Erwin & Scheuch, Martin (Hrsg.) (2020). Das Anthropozän lernen und lehren. Innsbruck, Wien: Studienverlag. (Pädagogik für Niederösterreich 9)

Sorgo, Gabriele (Hrsg.) (2011). Die unsichtbare Dimension. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im kulturellen Prozess. Wien: Forum Umweltbildung im Umweltdachverband.

1 Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, 8. Buch, 5. Kapitel, hier zit. nach Goethe 2002.

2 Vgl. die Zusammenführung der drei Repräsentationen von “Culture in Sustainability”, “Culture for Sustainability”, “Culture As Sustainability” in einen interdisziplinären konzeptuellen Denkrahmen bei Dessein & Soini 2016 sowie die Analysen in Meireis & Rippl 2019.

3 Christian Morgenstern, „Die zwei Wurzeln“, hier zit. nach Morgenstern 2013, 32f.

4 Vgl. die Resolution der Generalversammlung, verabschiedet am 25. September 2015, in deutschsprachiger Übersetzung abrufbar unter https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf

5https://www.bmbwf.gv.at/Themen/euint/ikoop/bikoop/sdgs.html

6 Vgl. https://anthropozaen.ph-noe.ac.at/

7 Vgl. die Beispiele auf https://anthropozaen.hypotheses.org/bzw. https://www.ph-noe.ac.at/de/forschung/forschung-und-entwicklung/anthropozaen/lernszenarien-publikationen

8 Vgl. die Zusammenfassung und Rückschau auf https://anthropozaen.hypotheses.org/666

9 Die lateinischen Bezeichnungen der Hörsäle an der PH NÖ erläutert Lošek 2020; der Text ist, vorgetragen von Burgschauspieler Robert Reinagl, auch nachzuhören unter https://www.ph-noe.ac.at/de/ph-noe/wir-ueberuns/rektorat/wir-gratulieren

10 Vgl. https://www.ph-noe.ac.at/de/forschung/forschung-und-entwicklung/anthropozaen/symposium

11 Vgl. das Booklet zum Download auf https://www.ph-noe.ac.at/de/forschung/forschung-und-entwicklung/anthropozaen/symposium

12 Die künstlerischen Impulse der Kinderbuchautor*innen Melanie Laibl und Michael Roher beim Symposium „Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren“ stehen als Interviews zur Verfügung unter https://anthropozaen.hypotheses.org/601 (Melanie Laibl, zu ihrem Buch So ein Mist) und https://anthropozaen.hypotheses.org/630 (Michael Roher, zu seinem Buch Nicht egal!).

13 Deutsche UNESCO-Kommission. Kultur und Natur. Vgl. https://www.unesco.de/kultur-und-natur [06.09.2021]

EINBLICKE I

Gabriele Rippl

Konzepte kultureller Nachhaltigkeit

1. Begriffsklärung: Kultur – Nachhaltigkeit1

Der vorliegende Beitrag dient der fachlichen Klärung des Begriffs ‚kulturelle Nachhaltigkeit‘, er beleuchtet seine Geschichte und stellt das Bedeutungs- und Definitionsspektrum des Begriffs vor. Vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsdiskurses, samt der drei bekannten Säulen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, sollen folgende zentrale Fragen beantwortet werden: Was ist die Rolle von Kultur im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit? Und was muss man sich unter ‚kultureller Nachhaltigkeit‘ vorstellen? Erst die Klärung dieser Fragen liefert die Grundlagen für die bislang nicht erfolgten gesellschaftlichen Transformationen zur Nachhaltigkeit und eröffnet eine innovative, zukunftsorientierte Neugestaltung der Mensch-Natur/Umwelt-Beziehung. Zunächst werden im Beitrag die Begriffe ‚Kultur‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ definiert – soweit dies angesichts ihrer langen Geschichte, Komplexität und den zahlreichen Bedeutungsvarianten im kleinen Umfang eines Aufsatzes überhaupt möglich ist. In einem weiteren Schritt werden der Begriff der ‚kulturellen Nachhaltigkeit‘ vorgestellt und schließlich einige zentrale Konzepte kultureller Nachhaltigkeit diskutiert.

‚Kultur‘ ist ein Begriff mit einer vielseitigen Geschichte und zahlreichen wertfreien sowie werthaltigen (d.h. normativen) Verwendungsweisen (einen ausgezeichneten Überblick liefert die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann 2006). ‚Kultur‘ stammt vom lateinischen Wort für ‚pflegen‘, colere, ab; lateinisch cultura bedeutet ‚Pflege‘ und ‚Landbau‘. Der Begriff ‚Kultur‘ wurde in Deutschland erst seit dem 18. Jahrhundert verwendet, zunächst als Fachterminus für Land- und Forstwirtschaft, bevor sich dann „etwa ab 1760 K[ultur] auch in der übertragenen Bedeutung“ ausbreitete und einem „Naturzustand“ gegenübergestellt wurde (Nünning 1998, 290). Heute findet der Begriff in diversen Bereichen Verwendung, die Verwendungsweisen benennen kategorial jedoch durchaus Unterschiedliches und reichen von etablierten Fachbezeichnungen (‚Bakterienkultur‘) bis zu vieldiskutierten, aber oft nicht einheitlich definierten Begriffen wie ‚Populärkultur‘ oder ‚Leitkultur‘ (vgl. A. Assmann 2006, 9). Generell lassen sich engere Begriffsdefinitionen von Kultur von weiteren unterscheiden (vgl. Meireis & Rippl 2019a). In einem engeren Sinne dient Kultur häufig als Synonym für ein gesellschaftliches Teilsystem, also die Literatur oder die bildenden Künste. Dagegen fassen weitere, universale Auffassungen2, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben, Kultur als „a process of spiritual and intellectual development“ einer Gesellschaft, als „a whole way of life“ einer Gruppe von Menschen, wie das der englische Kulturwissenschaftler Terry Eagleton (2016, 1) vorgeschlagen hat. Ein solch weiter Kulturbegriff umfasst mithin alles, was Menschen machen, wie sie ihr Zusammenleben organisieren, ihre Symbolsysteme, kollektiven Sinnkonstruktionen, Denk- und Empfindungsweisen, Werte, Rituale, Institutionen, künstlerischen Ausdruckweisen, technischen Errungenschaften, ihren Gebrauch von Medien usw. Mit diesen vielfältigen Dimensionen von Kultur setzt sich die Kulturwissenschaft auseinander (Bachmann-Medick 2006; Dürbeck et al. 2016).

Im Zuge transformativer Nachhaltigkeitsbemühungen wird als Problem erachtet, dass ‚Kultur‘ traditionell als Gegenbegriff zu ‚Natur‘ aufgefasst wird. Dieser Dualismus wird heute grundlegend hinterfragt, so dass sich im Englischen bereits ein neues Kompositum herausgebildet hat: ‚natureculture‘ (vgl. Latour 1993; Haraway 2003), welches Natur und Kultur nicht mehr als entgegengesetzte Bereiche auffasst, sondern die ökologische Verflechtung der biophysischen und kulturellen Sphäre unterstreicht. Damit werden neue Sichtweisen und Perspektiven eröffnet. Wichtig ist es nun, die „komplexen Interdependenzen von Naturgegebenem und Menschengemachtem zu analysieren“ (Zemanek 2018, 15), um Natur und Kultur epistemologisch zu rekonzipieren und anhand von innovativer Sprache, originellen Narrativen und frischen Bildern Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsvisionen und unser Verhältnis zum Planeten Erde und seinem Ökosystem neu zu denken, zu diskutieren, zu formulieren und zu transformieren.

Der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ hat eine zunehmende Verbreitung und Bedeutung erst aufgrund der ökologischen Krise im 20. Jahrhundert und der einsetzenden Umweltbewegung in den 1970er-Jahren erlangt. Er hat jedoch eine lange Vorgeschichte, denn Vorformen finden sich bereits in der Antike und der Vormoderne, auch wenn der Fokus meist auf dem Zeitalter des ‚Anthropozäns‘ liegt, dessen Beginn meist mit dem Aufkommen der Industriellen Revolution um 1800 angesetzt wird (Schliephake et al. 2020, 9–10). Allgemein gesprochen steht der Begriff für ein auf die Zukunft ausgerichtetes Verhalten, welches auf Bewahren und Haushalten setzt (zur Wortgeschichte s. Grober 2013, 18–21). Als Schöpfer des Nachhaltigkeitsbegriffs gilt bekanntlich Hans Carl von Carlowitz, der in seiner viel beachteten Schrift Sylvicultura oeconomica (1713) eine pflegliche, d.h. nachhaltige Holznutzung empfahl, die mit Ressourcen haushaltet (Grober 2013, 10, 112–120, 122–126). Das Konzept ‚kulturelle Nachhaltigkeit‘ lässt sich durchaus daran anknüpfen, blickt man auf die ursprüngliche Wortbedeutung von ‚Kultur‘ im Sinne von ‚pflegen‘ zurück. Um Nachhaltigkeit zu beschreiben, wird (z.B. in christlichen, auch evangelikalen Kreisen) die biblische Schöpfungsgeschichte herangezogen, die den Menschen dazu ermahnt, die Schöpfung zu bewahren. Eine andere, nicht weniger einflussreiche Begriffsbestimmung liefert der viel zitierte Brundtland-Bericht Our Common Future/Unsere gemeinsame Zukunft der UNO-Kommission von 1987, der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung als eine Entwicklung beschreibt, „welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (World Commission 1987, 43). Dies sind jedoch nur zwei der vielen Möglichkeiten, den Begriff zu fassen; eine verbindliche Definition des Begriffs ‚Nachhaltigkeit‘, die allen Verwendungsweisen gerecht würde, fehlt bis heute (Johns-Putra et al. 2017).

Zwar hat sich ‚Nachhaltigkeit‘ zu „einem höchst beliebten gesellschaftlichen Leitkonzept entwickelt“ (Kluwick & Zemanek 2019, 11), das omnipräsent ist, es gibt aber auch zunehmend Kritik an der inflationären Verwendung des Begriffs. Die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Stacy Alaimo erklärt den Erfolg des Begriffs ‚Nachhaltigkeit‘ bei Regierungen, in der Geschäftswelt, der Wissenschaft, den Universitäten, dem Städtebau und der Populärkultur, indem sie auf seine psychologische Funktion in unserem sozialen Gewissen verweist: Obgleich wir wissen, dass eine ökologische Katastrophe durchaus möglich ist, glauben wir jedoch nicht daran, dass sie tatsächlich stattfinden wird (Alaimo 2012, 559). ‚Nachhaltigkeit‘ wurde bereits wiederholt für die Gegenwart als trostspendendes Narrativ entlarvt, das jedoch in Wirklichkeit seine Gültigkeit angesichts der nicht rückgängig zu machenden Folgen von Ausbeutung und Zerstörung des Planeten längst eingebüßt hat (Horn 2017). Da Nachhaltigkeit ein dynamischer Prozess ständiger Transformation ist, sind übliche Konnotationen des Begriffs wie Bewahren und Haushalten ohnehin problematisch und führen zu konzeptionellen Problemen, weil sie einen Stillstand, eine Stasis anstreben, und den jetzigen Status quo in die Zukunft projizieren (Johns-Putra et al. 2017, 2). So stellt der Literaturwissenschaftler John P. O’Grady z.B. fest: „nothing stays the same is the very basis of history [and] evolutionary theory“ und deshalb kann es, so folgert er, keine ökologische Rechtfertigung für die Idee der Nachhaltigkeit geben (2003, 3). Dennoch gibt es gute Gründe, am optimistischen Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ und an bedingt affirmativ-emphatischen Verwendungen wie ‚Bewahrung‘, ‚Zukunftsfähigkeit‘ und ‚Umweltfreundlichkeit‘ festzuhalten: zum einen, weil das Konzept der Nachhaltigkeit „für so viele Menschen in völlig verschiedenen Bereichen eine solch herausragende Bedeutung und Relevanz besitzt […] und sich nahezu alle in positiver Weise darauf beziehen“ (Schlechtriemen 2019, 28). Zum anderen, weil der Begriff, auch aufgrund seiner Präsenz im öffentlichen Diskurs und in den (Massen-)Medien, nicht nur in der Gesellschaft samt vieler gesellschaftlicher Teilbereiche, sondern heute zudem in der Politik eine zentrale Rolle spielt. Trotz aller berechtigten konzeptuellen Kritik kann heute nicht über Umweltschutz, Ökologie und das Überleben des Planeten Erde samt seiner Lebewesen verhandelt werden ohne Rückbezug auf den Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ – in politischen Vereinigungen, NGOs, Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Schulen und Universitäten ist er nicht nur eingeführt, sondern weit verbreitet –, auch wenn, je nach gesellschaftsrelevanter Agenda oder Fachrichtung, auf sehr unterschiedliche Verwendungsweisen des Begriffs zurückgegriffen wird.3

2. Kulturelle Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein normatives Konzept, das auf den sorgsamen und gerechten Umgang mit Ressourcen der Erde und folglich auf eine Balance von ökologischer Schonung, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichem Wachstum abzielt. Neben diesen drei ‚Säulen‘ der Nachhaltigkeit wird meist vergessen, dass der Begriff Nachhaltigkeit von Anfang an auch eine wichtige kulturelle Dimension hatte. Was aber ist genau der Beitrag, den Kultur und Kulturwissenschaft zur Nachhaltigkeitsdebatte leisten können? Wenn man davon ausgeht, dass die Intervention der Kulturwissenschaft die Nachhaltigkeitsdebatte verändert, wie sie in ökologischen, ökonomischen und sozialen Kontexten geführt wird, welche neuen Sichtweisen können erbracht werden? Wie kann sie im inter- und transdisziplinären Dialog mit anderen Fächern der Environmental Humanities/der Umweltgeisteswissenschaften (Heise et al. 2017) – etwa Literaturwissenschaft, Theologie, Philosophie oder Kunstwissenschaft – in Nachhaltigkeitsdebatten eine wichtige Rolle spielen? Die Klärung dieser Fragen liefert die Grundlagen für Transformationen zur Nachhaltigkeit und insbesondere für die Entwicklung neuer transformativer Bildungskonzepte samt transdisziplinärer Ansätze und Methoden im Bereich nachhaltiger Entwicklung und ermöglicht innovative Überlegungen zu einer zukunftsorientierten Neugestaltung der Mensch-Natur/Umwelt-Beziehung.

Nicht nur politische global players, auch nationale Politiker*innen plädieren jetzt immer häufiger dafür, Kultur nicht nur als eine vierte Säule von Nachhaltigkeit, sondern vielmehr als den allumfassenden Horizont für jegliche nachhaltige Entwicklung zu verstehen. Der Schweizerische Bundesrat, um ein Beispiel zu geben, unterstrich in seiner Kulturbotschaft 2016–2020, dass politische Strategien bei der Förderung nachhaltiger Entwicklung deutlich stärker auf die Aspekte der Kultur und Kreativität ausgerichtet werden müssen.4 Nur durch das Einbinden von Kultur, so die Einsicht, kann der Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft beschleunigt werden. Dass gerade die Kulturpolitik eine maßgeblichere Rolle bei der Erreichung nachhaltiger Entwicklung spielen sollte, indem sie kulturelle Praktiken und Rechte bewahren hilft, darauf hinarbeitet, dass kulturelle Organisationen und Industrien grüner werden, sich stärker an der Bewusstmachung in Sachen Nachhaltigkeit und der Prävention von Klimawandel beteiligt und schließlich auch zum Handeln und zur Änderung des Lebenswandels im Sinne der nachhaltigen Entwicklung auffordert – das fordern Nancy Duxbury, Anita Kangas und Christiaan De Beukelaer (2017, 214).

Die oben beschriebene Kritik am Nachhaltigkeitsbegriff ist der Interventionspunkt für die Kulturwissenschaft, die auf das kulturelle Defizit des Nachhaltigkeitskonzepts aufmerksam macht (vgl. z.B. LeMenager & Foote 2012; Meireis & Rippl 2019). Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb die Kulturwissenschaft in Nachhaltigkeitsdebatten unverzichtbar ist. Erstens lanciert sie die unerlässliche Diskussion darüber, welchen Typus einer nachhaltigen Gesellschaft oder Weltgemeinschaft man schaffen möchte (Johns-Putra et al. 2017, 4) und welche moralischen, ethischen und sozialen Optionen bestehen, um die ausgehandelten Nachhaltigkeitsziele (etwa soziale Gerechtigkeit, Rückbau aggressiver Formen des Kapitalismus, ausgeglichenes Verhältnis zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden) zu erreichen. Weil der naturwissenschaftlich-technologische Fokus die Nachhaltigkeitsforschung lange dominierte, wurden Fragen zu Machtgefällen, sozio-politischen Unterschieden, symbolischen Universen und kulturellen Werten kaum berücksichtigt. Nach Meinung von Forscher*innen wie Stacy Alaimo liegt dies daran, dass die Nachhaltigkeitsforschung auf einer Epistemologie beruht, die das Erkenntnissubjekt vom Erkenntnisobjekt trennt, d.h. auf einer Subjekt-Objekt-Dichotomie beruht. Solch traditionelle Modelle wissenschaftlicher Objektivität und Autorität zu hinterfragen, ist eine zweite zentrale Aufgabe der Kultur- und Geisteswissenschaften. Alaimo spricht in diesem Zusammenhang von „posthumanities“ (Alaimo 2012, 562) und knüpft damit an den ‚material turn‘ und Überlegungen von Rosi Braidotti an, die das Subjekt/menschliche Akteure nicht nur in soziale, sondern immer auch in nicht-menschliche Netzwerke eingebettet sieht (Braidotti 2006). Eine dritte Funktion kulturwissenschaftlicher Nachhaltigkeitsforschung bezieht sich auf die Überwindung einer reduktiven, auf die menschliche Sphäre bezogenen Nachhaltigkeitsdebatte, welche die nicht-menschliche Welt von ihren Überlegungen ausschließt (vgl. Alaimo 2012). Zudem hilft die ausgeprägte hermeneutische Kompetenz der Kulturwissenschaft hinsichtlich der kulturübergreifenden Bedeutung von Schlüsselbegriffen dabei, die Tradition und Tradierung von Wissensbeständen, Erkenntnis- und Wahrnehmungsmustern zu analysieren.

Wie unterschiedlich kulturelle Nachhaltigkeit heute verstanden wird, zeigen mehrere Publikationen. Ein Abschlussbericht des europäischen Forschungsnetzwerks (COST – European Cooperation in Science and Technology, Dessein et al. 2015) weist ebenso wie ein wegweisender Aufsatz, den Joost Dessein und Katriina Soini 2016 vorlegten, nach, dass Kultur ein wichtiger Faktor in Bemühungen um nachhaltige Entwicklung ist, da Kultur ökologische, soziale und ökonomische Aspekte von Nachhaltigkeit integriert. Besonders aufschlussreich ist auch die von Katriina Soini und Inger Birkeland vorgelegte Analyse verschiedener Verwendungen des Begriffs ‚kulturelle Nachhaltigkeit‘ in wissenschaftlichen Publikationen (Soini & Birkeland 2014; Banse et al. 2011), weil sie die Wichtigkeit kultureller Werte in den jüngsten Nachhaltigkeitsdebatten ins Zentrum rückt (Soini & Birkeland 2014, 214) und aufzeigt, dass kulturelle Nachhaltigkeit häufig sehr unterschiedlich verwendet wird, „from both narrow (culture as art and heritage) to broad (culture as a way of life; network of meanings)“ (Soini & Birkeland 2014, 218). Kultur wird zuweilen als Instrument aufgefasst, um ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu erreichen (Soini & Birkeland 2014, 220); andere Forscher*innen verstehen kulturelle Nachhaltigkeit neben der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit als vierte Säule der Nachhaltigkeit (vgl. Hawkes 2001; Krainer & Trattnigg 2007; Krainer & Heintel 2012). Für Hildegard Kurt und Bernd Wagner umfasst kulturelle Nachhaltigkeit „gleichberechtigt zu den drei Säulen Ökonomie, Ökologie, Soziales auch Kultur als quer liegende Dimension“ (2002, 13) und hat integrative Wirkung. Das heisst, dass kulturelle Nachhaltigkeit als Querschnittsthema der ökonomischen, ökologischen und sozialen Komponenten von Nachhaltigkeit verstanden wird, weil jede Art der Thematisierung immer kulturell vermittelt ist, d.h. auf bestimmten Wahrnehmungsmustern, Erkenntnismethoden, Wissensbeständen und Werten beruht. In diesem Verständnis ist Kultur nicht nur ein Instrument, sondern die notwendige Grundlage für die Erreichung nachhaltiger Entwicklungsziele, was schlussendlich zu einem neuen Paradigma in der Nachhaltigkeitsdebatte führt: „culture is considered in terms of a new, overarching concern or even a new paradigm in sustainable development thinking“ (Soini & Birkeland 2014, 221). Dieses neue Paradigma geht konsequent von der Naturzugehörigkeit des Menschen aus, was epistemologische Umorientierungen zur Folge hat. Hier liegt ein umfassender Kulturbegriff zugrunde, der nicht nur ‚kulturelle Vielfalt‘ und die Künste meint, sondern die ganze Lebensweise von Menschen im Netzwerk und Austausch mit ihrer Umwelt, ihrem Gebrauch semiotischer Systeme und Medien sowie ihre Konstruktionen von Welt und Werten. In diesem Sinne verstehen auch Torsten Meireis und Gabriele Rippl (2019) Kultur und schlagen vor, die kulturelle Dimension von Nachhaltigkeit nicht als vierte Nachhaltigkeitssäule aufzufassen, sondern Kultur als den alle anderen Dimensionen umfassenden Horizont zu verstehen. Gemäss Meireis und Rippl ist Nachhaltigkeit ohne Rückbezug auf „inner dimensions of sustainability“ (Horlings 2015), d.h. auf eine Wertedebatte und -orientierung, nicht zu denken, und Kultur damit der zentrale Faktor, wie Werte gebildet und vermittelt werden.

3. Zentrale Konzepte kultureller Nachhaltigkeit

3.1 Kulturökologie – kulturelle Ökologie – literarische Ökologie

Einen wegweisenden Beitrag zur Debatte um kulturelle Nachhaltigkeit hat Peter Finke mit seinem Konzept der ‚Kulturökologie‘ geliefert. Unter Verweis auf den Biologen Jakob von Uexküll versteht Finke Kultur als „ein Evolutionsprodukt der Natur“ und plädiert dafür, der Naturökologie die Kulturökologie an die Seite zu stellen. Anhand ökologischer Fragestellungen untersucht die Kulturökologie „Systeme im menschlich-kulturellen Raum“, indem sie „die Innenwelten des Menschen mit seinen kulturellen Umwelten in Beziehung setzt und hierbei von den in der Biologie […] erprobten Grundmustern ökologischen Denkens profitiert“ (Finke 1998, 294). Finkes Theorie kultureller Ökosysteme (1993 und 2006) beruht auf der Grundlage, dass bei der Analyse kultureller Handlungsfelder und Prozesse „Strukturen sichtbar werden, die den Binnenstrukturen und Außenbeziehungen von Ökosystemen auffällig ähneln und wahrscheinlich Relikte eines evolutionären Erbes sind, das die Kultur aus ihren Anfängen in der Natur bis heute mitgenommen und nur an der Oberfläche vielfach institutionell überformt hat.“ (Finke 1998, 295). Wichtige kulturelle Ökosysteme sind etwa die Literatur, die Kunst, die Architektur. Finke versteht diese zwar als Quellen kultureller Kreativität, die „der kulturellen Evolution nicht nur Ausdruck verleihen, sondern den Prozeß ihrer weiteren Entwicklung antreiben“ (Finke 1998, 295), er überträgt also Begriffe aus der Ökologie auf den kulturellen Bereich, „ohne jedoch“, wie Gabriele Dürbeck und Urte Stobbe richtig anmerken, „Hinweise auf eine spezifisch ökologische Interpretation von Kunstprodukten zu geben“ (2015, 12).

Hubert Zapf knüpft an Finkes Konzept von Kulturökologie, Gregory Batesons ‚ecology of the mind‘ (1972) und die Systemtheorie an und unterstreicht die enge Verzahnung von Kultur und Natur, macht aber darüber hinaus das ökologisch-systemische Denken für die Kultur- und Literaturwissenschaft fruchtbar (2002, 2008, 2016a, 2016b, 2019a, 2019b). Die von ihm entwickelten Konzepte der ‚kulturellen Ökologie‘ und ‚literarischen Ökologie‘ plädieren für eine enge Kollaboration von Natur-, Geistes- und Kulturwissenschaften, weil darin der Schlüssel für die Bewältigung von Umwelt- und ökologischen Problemen liege. Für Zapf sind Literatur, Kunst und andere Formen kultureller Kreativität wichtige symbolische Medien, um das Verhältnis zwischen Umwelt und Innenwelten stetig neu zu kalibrieren und so neue Optionen für die Zukunft zu schaffen. Denn Kunstwerke, Filme und Literatur – so Zapf – repräsentieren Natur-Kultur-Verhältnisse nicht nur, sie sind auch eine ökologische Kraft, die grössere kulturelle Systeme beeinflusst und so Kreativität, Innovation und Selbsterneuerung ermöglicht (vgl. Zapf 2008, 852). Kulturelle Produkte wie beispielsweise Klimawandelliteratur oder ökologische Utopien und Dystopien sind genauso wie guerilla gardening als gesellschaftliche Gegendiskurse zu verstehen, die ein Sensorium für gesellschaftliche Fehlentwicklungen bereitstellen und zur kritischen Reflexion einladen. Literatur etwa leistet „in ihrer ästhetisch-imaginativen Transformation von Wirklichkeit nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zu einem Diskurs, sondern stellt auch selbst eine nachhaltige Form kultureller Praxis dar“ (Zapf 2019b, 361). Zapf, ein Wegbereiter des Ecocriticism5 der ersten Stunde, arbeitet aus seiner kulturökologischen Perspektive verschiedene Bedeutungen der Literatur für den Nachhaltigkeitsdiskurs heraus und diskutiert, wie imaginative Texte zum einen Kritik an dominanten anthropozentrischen Narrativen üben und zum anderen „eine Form von regenerativer Energie in der Kultur“ sind, eine „Quelle erneuerbarer kreativer Energien für immer neue Generationen von Lesern“ (Zapf 2019b, 361), die „fehlgeleitete[] Werte, Konzepte und Ideologien, die in der Kultur- und Zivilisationsgeschichte zur Entstehung und Eskalation der ökologischen Krise beigetragen haben“, reflektiert und imaginativ aufarbeitet (Zapf 2019b, 363): „Dies gilt vor allem für die Trennung und radikale Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Geist und Körper, Kultur und Natur“ (Zapf 2019b, 363). Die Auflösung dieser fehlgeleiteten Dualismenbildung (Geist-Körper, Kultur-Natur) wird von der kulturökologischen Perspektive befördert, wobei in diesen Prozessen Formen der künstlerischen und literarischen Imagination eine besonders wichtige Rolle spielen. Das zukunftsfähige kreative Potenzial literarischer Texte liegt eben nicht nur in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Aspekten von Nachhaltigkeit, sondern darüber hinaus in ihrer eigenen „kreativen kulturellen Praxis“ (Zapf 2019b, 366). Literarische und andere künstlerische Auseinandersetzungen mit Kontinuität und Erneuerung, mit Zivilisationskritik und Zukunftsimagination sowie die ästhetische Transformation üblicher Geist-Körper- und Kultur-Natur-Dichotomien in komplexe, konnexive Vorstellungen der Wechselbeziehungen von Mensch und nicht-menschlicher Umwelt sind essenziell, da sie einen „Gegendiskurs zum linearen anthropozentrischen Fortschrittsnarrativ [bilden], das zu den Krisen der gesteigerten Moderne bis hin zur Weltrisikogesellschaft geführt hat“ (Zapf 2019b, 369; vgl. auch Buell 2005).

Ein Beispiel für kulturelle Nachhaltigkeit aus dem literarischen Bereich liefert die kanadische Autorin Margaret Atwood mit ihrer MaddAddam-Romantrilogie (2003, 2009, 2013). Letztere lotet mögliche zukünftige Lebensbedingungen in einer zerstörten Umwelt und unter einem korrupten, menschenverachtenden, totalitären sozio-politischen System aus. Sie erlaubt es Leser*innen, eine postpandemische Welt kognitiv, normativ und emotional zu erleben. Atwood beschreibt guerilla- und urban gardening-Projekte als nachhaltige Formen von Gartenbau und Landwirtschaft und als dringliche Optionen alternativer Lebensführung, die Respekt für Natur und Tiere miteinschließt und die Mensch-Natur-Beziehung, den Umweltschutz sowie alternative Formen der Ökonomie und Gemeinschaftsbildung zentral setzt. Sie lädt Leser*innen dazu ein, die eigene Lebensführung zu reflektieren und sich u.U. sogar in Nachhaltigkeitsprojekten und für nachhaltigere Lebensformen zu engagieren. Kulturelle Produkte haben folglich das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten und zur Entwicklung einer neuen, ökologisch orientierten Ethik beizutragen, die den anthropozentrischen Fokus traditionell ausgerichteter Ethiken durch einen ersetzt, der die nicht-menschliche Welt, d.h. Natur und Tiere miteinschließt (s.u. 3.2; vgl. Rippl 2019a, 223–224; Zapf 2008, 854).

Kulturelle Nachhaltigkeit lässt sich auf besonders fruchtbare Weise nicht nur im Zusammenhang mit Literatur, sondern auch anhand anderer kultureller Produkte wie Kunstwerke, Filme, religiöse Narrative etc. diskutieren, da diese un-/ökologische Vorstellungen verhandeln, aber auch prägen können. Seit den 1970er-Jahren erfährt z.B. ökologisch orientierte bildende Kunst, häufig Eco-Art genannt, weltweit zunehmende Aufmerksamkeit (Weintraub 2015). Eco-Art macht auf verschiedene innovative Weisen, etwa über eine spezifische Themen-, Format- oder Materialwahl, auf die Dringlichkeit von Nachhaltigkeit aufmerksam (Kagan 2011 und 2019). Beispiele sind Robert Smithsons Installationen in Wüstenlandschaften oder George Steinmanns gesellschaftspolitisch relevante transdisziplinäre Installationen, die darauf abzielen, im Zeitalter des Anthropozäns Nachdenken und damit ethisches, nachhaltigeres Verhalten zu initiieren. Auch Eduardo Kacs ‚bio art‘, dessen biotechnologische Kunstpraktiken in Labor stattfinden, wo Bakterien und andere lebende Organismen verwendet und modifiziert werden, ist in unserem Zusammenhang zu nennen. In seinem Werk Natural History of the Enigma (2003–2008) verschmolz der Künstler seine eigene DNA mit den genetischen Komponenten einer Petunie und nannte das hybride Wesen ‚plantimal‘. Ein weiteres Beispiel ist Carsten Hoellers SOMA-Installation im Berliner Hamburger Bahnhof 2010 (cf. Hildebrandt 2011).

Interessanterweise lässt Atwood im zweiten Roman ihrer Trilogie, The Year of the Flood (2009), eine Künstlerin auftreten, Amanda Payne, die sich genau wie die oben genannten Gegenwartskünstler*innen der ‚bio/land art‘ verschrieben hat und monumentale Installationen aus Tierknochen oder vergifteten toten Tieren kreiert, die sie in der Form von riesigen Großbuchstaben zu Wörtern wie ‚KAPUTT‘ anordnet, mit Sirup übergießt, Insekten daraufsetzt und schließlich aus der Luft Fotos schießt, die dann in Galerien für reiche Kunstliebhaber*innen ausgestellt werden. Mit ihrer kryptischen, vergänglichen Bio-Schrift verbindet die Künstlerin Natur und Kultur aufs Engste und fasst mit dem Wort ‚KAPUTT‘ nicht nur die geschilderte postpandemische Lage des Planeten Erde zusammen, sondern verweist darüber hinaus auf die prekären sozialen und politischen Umstände. Indem Atwood ihren Leser*innen zahlreiche Beschreibungen nicht-menschlicher Natur präsentiert und darüber hinaus mit ihren Öko-Ekphrasen6 der ‚bio/land art‘ Amanda Paynes den Dualismus zwischen Natur und Kultur auflöst, trägt sie zu Nachhaltigkeit bei: Erstens präsentiert sie eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Gefühlen und Meinungen, die ihre Figuren zu ökologischen Fragen an den Tag legen; zweitens implementiert ihre Romantrilogie ökologische Konzepte im sozialen Imaginären (s.u. 3.2), was den Leser*innen erlaubt, unterschiedliche Lebensstile fiktiv zu erleben; drittens präsentieren ihre Romane eine Form von Ethik, die es den Leser*innen ermöglicht, über ökologisch nachhaltiges Verhalten und Technologien nachzudenken. Kulturell nachhaltig sind Atwoods Romane aber auch deshalb, weil eine so berühmte Autorin wie Atwood durch die Preise, die ihre Werke erhalten, und aufgrund ihrer großen Präsenz in der Öffentlichkeit und den Massenmedien selbst für kulturelle Nachhaltigkeit sorgt.

Neben Romanen wie Atwoods The Year of the Flood oder Don DeLillos Underworld (1998), der sich mit der technisch-ökonomischen Globalisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt und neben Abfalldeponien, Müllhalden, Ablagerungen von Giftmüll und der ‚waste art‘ der Künstlerin Klara Sax in langen Ekphrasen auch die Unterwelten des kulturell Verdrängten Amerikas beschreibt (vgl. Zapf 2019b, 373–374), dürften Science-Fiction-Filme wie James Camerons Avatar (2009) ebenfalls grossen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie wir unseren Planeten Erde, die rasante Globalisierung, den Kampf um Ressourcen und unsere Beziehung zur nicht-menschlichen Natur denken. Sich mit solchen kulturellen Produkten auseinanderzusetzen heisst, sich auf abweichende Vorstellungen von einem guten Leben und einer nachhaltigen Zukunft einzulassen, ohne andere Sichtweisen vorschnell abzutun, sondern sich der Komplexität unserer Welt zu stellen. Im Sinne einer kulturellen und literarischen Ökologie lässt sich festhalten, dass die kulturwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung Visionen möglichen Handelns und Erlebens analysiert, wie sie besonders im fiktionalen Bereich, aber auch in anderen Narrativen zu finden sind, wo durch kreatives Experimentieren eine kulturelle Erneuerung der Gesellschaft ständig antizipiert wird und Kontinuität und Innovation austariert werden.

3.2 Kulturelle Nachhaltigkeit – Ökologisches Imaginäres – Wertebildung

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass sich die kulturwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung intensiv mit unmittelbar normativen Fragen beschäftigt, weil gerade kulturelle Produkte, die komplexes Lebenswissen und zentrale Werte wie Respekt vor der Natur sowie die Vorzüge kultureller Diversität vermitteln, die gesellschaftliche Implementierung von Lebenswissen und Werten allererst gewährleisten. Ein grundsätzlicher Beitrag der Kulturwissenschaft zur Nachhaltigkeitsdebatte liegt also in der Auseinandersetzung mit der Frage: Was für ein Leben wollen wir in Zukunft führen und auf welche Grundwerte verständigen wir uns (vgl. Wellner 2019)? Als ein normatives Konzept reichen die Implikationen von Nachhaltigkeit tief in den kulturellen Haushalt von Gesellschaften hinein. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen und Entwicklungen innerhalb der Nachhaltigkeitsforschung und -politik verdeutlicht, wie sehr vorgenommene Korrekturen des Nachhaltigkeitskonzepts und der Nachhaltigkeitspolitik der wichtigen Einsicht geschuldet sind, dass nachhaltiges Verhalten eng mit kulturellen und (von Kultur geprägten) persönlichen Werten zusammenhängt. Bei der Entwicklung einer nachhaltigeren Gesellschaft spielen Werte wie Umweltschutz, Generationengerechtigkeit oder nachhaltige Bildung eine zentrale Rolle, weil das Wertebewusstsein menschliche Handlungsweisen prägt. Kulturelle Produkte nehmen in diesem Zusammenhang eine Schlüsselfunktion ein, weil Literatur, Film oder religiöse Narrative Werte entwickeln, formen und verhandeln und in der Folge konstitutiv für unsere ethischen Entscheidungen und unser Handeln sind. In diesem Zusammenhang ist Charles Taylors Konzept des ‚sozialen Imaginären‘ von Interesse. Dieses ‚soziale Imaginäre‘ besteht, so Taylor, aus Narrativen, Bildern und Ideen, die von vielen Leuten geteilt werden und soziale Praktiken ermöglichen: „making possible social practices and a widely shared sense of legitimacy“ (Taylor 2004, 23). Taylor erklärt seine Präferenz für den Begriff des ‚Imaginären‘ durch sein Interesse daran, wie sich Leute, d.h. große Gruppen von Menschen, wenn nicht sogar von einer ganzen Gesellschaft (und eben nicht nur gebildete Wissenschaftler*innen), ihre soziale Umwelt vorstellen. Die geteilten Vorstellungen finden meist nicht in Theorien, sondern in Bildern, Geschichten und Legenden ihren Ausdruck („ordinary people ‚imagine‘ their social surroundings, and this is often not expressed in theoretical terms, but is carried in images, stories, and legends“, Taylor 2004, 23). Das soziale Imaginäre ist komplex und hat faktische wie normative Anteile: „Such understanding is both factual and normative; that is, we have a sense of how things usually go, but this is interwoven with an idea of how they ought to go, of how missteps would invalidate the practice.“ (Taylor 2004, 24) In aktuellen Diskussionen über kulturelle Nachhaltigkeit wird in Anlehnung an Taylor häufig der Begriff des ‚ökologischen Imaginären‘ verwendet (Meireis & Rippl 2019b), was sich aufgrund der normativen Dimension anbietet. Der Begriff des ‚ökologischen Imaginären‘ dient dazu, die tiefgreifende Formung unserer kognitiven, normativen und emotionalen Wahrnehmung von Umweltthemen und Nachhaltigkeit durch kulturelle Produkte wie Bilder, Filme, graphic novels und Narrative zu beschreiben, die dann aufgrund ihrer normativen Dimension geteilte Handlungsoptionen eröffnen.

Dass sich Nachhaltigkeit trotz aller Anstrengungen bislang nicht etablieren konnte, dürfte damit zusammenhängen, dass den kulturellen Aspekten der Nachhaltigkeit, und insbesondere normativen, mit Werten zusammenhängenden Aspekten unseres Verhaltens, bislang nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde: „Reflexion auf und Kommunikation über das, was man für gut hält, und die angemessenen Umstände und Bedingungen seiner Umsetzung – genau darum geht es ja in der Ethik – scheint also alles andere als überflüssig“ (Meireis 2019b, 279). Torsten Meireis plädiert für eine „Ethik der Nachhaltigkeit“, welche nötig ist,

weil Menschen sich nicht nur der Frage stellen müssen, worauf sich der Gegenstandsbereich der Nachhaltigkeit eigentlich erstreckt, sondern auch derjenigen, woher ihre Kriterien stammen und wem oder was gegenüber wer eigentlich aus welchen Gründen in welcher Weise verpflichtet ist. Ethik, so die vorläufige Definition, ist die Reflexion auf moralische Vorstellungen über das Gute und Richtige, das Böse und Falsche. […] Ethik kann die moralischen Konflikte nicht einfach auflösen, aber sie stellt Werkzeuge bereit, die bei der Lösung helfen können, indem sie normative Probleme identifiziert. (Meireis 2019b, 280–281)

Eine stärkere Berücksichtigung kultureller Dimensionen der Nachhaltigkeit, die verstärkte Diskussion von Werten und die Entwicklung konkreter Verfahren normativer Abwägung würden der Tatsache Rechnung tragen, dass unsere Vorstellungen von Nachhaltigkeit und einem guten Leben in bestimmte Vorstellungen von Welt eingebettet sind. Daraus folgt, dass Kultur „den Horizont [bildet], in dem Wertorientierungen, normative Präferenzen, Vorstellungen und Bilder des richtigen und guten Lebens überhaupt gewonnen werden können“ (Meireis 2019b, 289; vgl. auch Rippl 2019b).

3.3 Kulturerbe – Kulturelles Gedächtnis

‚Kulturelle Vielfalt‘ ist ein Begriff, der in Zeiten zunehmender Globalisierung eine neue normative Qualität erhalten hat und als positives Konzept von Universalisierungstendenzen abgesetzt wird. Wie bereits erwähnt, versteht die UNESCO Kultur und kulturelle Nachhaltigkeit in einem engeren Sinne als kulturelle Diversität, die es zu schützen gilt; dies impliziert die Förderung und Bewahrung des Kulturerbes – des materiellen (Landschaften, Bauten oder Kunstwerke) sowie immateriellen (überlieferte Traditionen, kulturelle Ausdrucksweisen wie Rituale und Feste, Wissensformen und -praktiken im Umgang mit der Natur) – und der regionalen kulturellen Vielfalt. Angesichts der zahlreichen vom Vergessen bedrohten Traditionen und der jüngsten Attacken auf materielle Kulturgüter – man denke an die vandalistische, aggressive Zerstörung von Kulturgütern in Palmyra durch den Islamischen Staat (IS) (A. Assmann 2019) – ist dieses Verständnis von kultureller Nachhaltigkeit zweifelsohne von großer Bedeutung.

Ein kulturelles Nachhaltigkeitskonzept umfasst jedoch weitere Überlegungen, die seit den 1980er-Jahren in Debatten zum „kulturellen Gedächtnis“ zum Tragen kommen. Als Medien des kulturellen Gedächtnisses (A. Assmann 1999) reflektieren Archive, Bibliotheken und Museen, aber auch nicht-materielle Systeme wie Kanones (vgl. Rippl & Winko 2013) als Archive kultureller Werte kulturelle Wissensbestände. Sie bewahren Wissen, ermöglichen die Kommunikation über lange Zeiträume hinweg und reichen gespeichertes Wissen an spätere Generationen weiter. Da Datenträger im Laufe der Zeit ihre ‚Lesbarkeit‘ verlieren, sind gerade im digitalen Zeitalter Fragen kultureller Nachhaltigkeit von größter Bedeutung. Während sich die UNESCO im world heritage-Programm, d.h. in Weltkulturerbe-Projekten zum einen dem Naturerbe (z.B. in Form von singulären, gefährdeten Landschaften) und zum anderen dem Kulturerbe (hauptsächlich in Form von historischen Stätten und Bauwerken) widmet und Nationalbibliotheken (etwa die British Library) gleichermaßen wie Unternehmen (z.B. Google) Digitalisierungsprojekte von großem Umfang vorantreiben, um Wissensbestände für Nutzer*innen auf der ganzen Welt sowie spätere Generationen zu sichern, also eine vorwiegend materielle kulturelle Nachhaltigkeit betreiben, kann das Konzept des ‚kulturellen Gedächtnisses‘ als Projekt einer materiellen wie immateriellen, multimedialen Nachhaltigkeitsforschung verstanden werden. Theorien des kulturellen Gedächtnisses untersuchen Kultur „in einer diachronen Dimension als einen symbolischen Selbst-Reproduktionsprozess. […] Kultur erweist sich in dieser Sicht als ein langfristiges und dynamisches Projekt, bei dem Symbole kodiert, tradiert, bekämpft, durchgesetzt, verändert, rekonstruiert und nicht zuletzt: vergessen werden“ (A. Assmann 2013, 76). Im Zentrum der Theorien des kulturellen Gedächtnisses steht, so Aleida Assmann, „die Frage nach dem Kernbestand kultureller Überlieferung, der mit großem Aufwand über Generationen und Jahrhunderte tradiert wird“ (2013, 80). Das kulturelle Gedächtnis beruht – ähnlich wie die Kanonforschung – auf Verfahren der Auswahl und Wertzuschreibung und ist auf überzeitlichen, dauerhaften Bestand ausgelegt. Die Forschung zum kulturellen Gedächtnis untersucht folglich nicht nur dessen Inhalte, sondern auch die kulturellen Kontexte, die gesellschaftlichen Institutionen, mediale Überlieferungsformen, die komplexen Aushandlungs- und Stabilisierungsprozesse – kurzum die „Wertperspektive“ einer Gemeinschaft (J. Assmann 1988, 14).

Mit der kulturellen Gedächtnisforschung ist eine weitere wichtige Funktion der (hier: historischen) Kulturwissenschaft mit Blick auf Nachhaltigkeit benannt: die Erforschung und das Aushandeln von Bedeutung der Vergangenheit für das Verstehen der Gegenwart sowie dem Bereithalten von Information, die beim Entwerfen einer lebenswerten Zukunft und der dafür nötigen Reflexion und Auseinandersetzung mit den leitenden Werten unverzichtbar ist. Das umfasst die kritische Reflexion auch der Werte, die Fehlentwicklungen wie Ausbeutung der Natur, Klimaerwärmung, Neoliberalismus etc. allererst ermöglichten. Gerade eine (historische) Kulturwissenschaft ist durch ihre Kompetenz in der Analyse kultureller Produkte dafür prädestiniert, mögliche Probleme der Zukunft, ja die Zukunftsfähigkeit der menschlichen Zivilisation zu verhandeln. Durch den Fokus auf die Vergangenheit und die Diskurse, die diese konstruieren, lotet sie verschiedene Vorstellungen von Zukunft aus (vgl. LeMenager & Foote 2012, 576).

3.4 Nachhaltige, zukunftsträchtige Bildung

Um über Nachhaltigkeit zu forschen und sie zu unterrichten, braucht es eine Transformation der üblichen disziplinären Herangehensweise an Problemstellungen. Der Klimawandel z.B. ist der Gegenstand der Klimaforschung, aber er hat etliche soziale, ökonomische und kulturelle Aspekte, die es mitzureflektieren gilt (Siperstein et al. 2017). Gleiches gilt für ein Thema wie das Wachstumsparadigma. Eine Fachgrenzen überschreitende Interdisziplinarität, so wie sie heute etwa von den Environmental Humanities gefördert wird, erlaubt es, komplexe Themen differenzierter und von mehreren Perspektiven aus zu betrachten. Die Environmental Humanities sind ein noch junges multidisziplinäres Forschungsgebiet, das sich vor ca. zehn Jahren herausgebildet hat, heute jedoch global präsent ist; es plädiert für innovative, integrative Forschungsansätze, welche dem technisch-naturwissenschaftlichen Verständnis der Umweltkrise eine sozial-, kultur- und geisteswissenschaftliche Sichtweise an die Seite stellen (Heise et al. 2017; Emmett & Nye 2017). So soll der zentralen Rolle der Kultur, der Geschichte, der Geisteswissenschaften und der Künste Rechnung getragen werden, denn es sind die Akteure dieser Felder, die unser Verständnis der ernsten globalen ökologischen Krisen (z.B. radioaktive Verschmutzung, bedrohliche Zunahme von Plastikabfällen nicht nur in den Weltmeeren, Artensterben, Ressourcenknappheit oder extreme Wetterbedingungen), d.h. unser ökologisches Imaginäres, unsere Vorstellungen (z.B. des Natur-Kultur-Verhältnisses), unsere Gefühle (Weik von Mossner 2017), unser Verstehen und Deuten, formen und uns zudem anhalten, uns mit ethischen Fragen auseinanderzusetzen.

Die kritische, fächerübergreifende Auseinandersetzung mit Umweltdiskursen und der Bedeutung symbolischer Repräsentationen von Umweltproblemen in der heutigen multikulturellen, von neuen digitalen Massenmedien geprägten globalen Welt ist von großer Wichtigkeit, weil nur so dringend notwendige globale Transformationen ermöglicht werden können, die den Bedürfnissen aller Völker in einer vielschichtigen, durch Machtverhältnisse, ungleiche Ressourcenverteilung, Neokolonialismus und einen aggressiven Kapitalismus geprägten Welt Rechnung tragen. Neben der zentralen Rolle, die der Interdisziplinarität zugesprochen wird, gilt es auch transdisziplinäre Überlegungen miteinzubeziehen, welche auf eine verstärkte, engere Interaktion von Wissenschaft und gesellschaftlichen Prozessen und Akteuren setzen (Schneidewind & Singer-Brodowski 2014). Es gilt die Produktion und den Umgang mit Wissen neu zu denken, indem „auf die Integration von gesellschaftlichen Akteuren und ihren Wissensbeständen“ gesetzt wird, um die „Verbindung von Fakten und Werten“ (Ott 2019, 97) zu fördern. Cordula Ott fasst mit Blick auf nachhaltige Entwicklung zusammen:

Insgesamt ist transformative Forschung also ein wertegeleitetes Arbeiten mit dem Zweck, die Zieldimensionen Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft gesamtgesellschaftlich auf allen Ebenen zu integrieren und dabei wirksame, legitimierte, gerechte Regelwerke für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Und dennoch: Transformative Forschung räumt die disziplinäre und interdisziplinäre Wissenschaft keinesfalls aus. Das Erarbeiten von wissenschaftlichem Wissen, Fakten und Beweisen bleibt ihre ureigene Aufgabe. (Ott 2019, 100–101)

Damit rückt ein weiterer Aspekt kultureller Nachhaltigkeit in den Blick: Die Kulturwissenschaft sollte gemeinsam mit Bildungseinrichtungen zur Erarbeitung eines operationalisierbaren Begriffs von ‚kultureller Nachhaltigkeit‘ beitragen, den man in Curricula implementieren kann. Mit Blick auf Schulen stellt sich ebenfalls die kulturwissenschaftlich dringliche Frage, wie Schulkinder das Wechselverhältnis und „Spannungsfeld von Mensch und Natur“ (Wanning & Stemmann 2015, 258) in diachroner wie synchroner Perspektive zu analysieren lernen. Im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsunterricht kann die kulturwissenschaftliche Perspektive auf die Mensch-Natur-Verhältnisse, so wie sie kulturelle Produkte konstruieren, „durch die ästhetische Sensibilisierung ein vertieftes ökologisches Bewusstsein“ bei Schulkindern hervorbringen (Wanning & Stemmann 2015, 259–260), denn Lernen und das Gelernte können das Verhalten ändern und neue Wege in die Zukunft öffnen. Die Germanistin und Didaktikerin Berbeli Wanning betont den engen Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Bildung: „Bildung und Nachhaltigkeit gehören immer dann ganz eng zusammen, wenn es darum geht, den Menschen zu einem Teil der Lösung zu machen und nicht ausschließlich zur Ursache des Problems“ (Wanning 2019, 295). Nur so kann Umweltwissen in Umwelthandeln übersetzt und eine „new participative epistemology“ (Sterling 2001, 19) und eine „transformative literacy“ (Scholz 2011) entwickelt werden, die zu kontinuierlichen Transformationsprozessen führen. Denn es ist offensichtlich, dass Bildung und Erziehung, samt den Institutionen Schulen und Hochschulen, eine tragende Rolle im angestrebten Transformationsprozess hin zu einer echten nachhaltigen Entwicklung innehaben (vgl. Wanning 2019, 296–301). ‚Umwelterziehung‘, ‚globales Lernen‘ (Lernen mit einem Welthorizont) und ‚Global Citizenship Education‘ (Erziehung zur Weltbürgerschaft) sind wichtige Konzepte, die in diesem Zusammenhang intensiv diskutiert werden und auf die globale Problemstellung hinweisen, welche die gesamte Menschheit betrifft. Neben Wissen über die Verflechtungen ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Einflüsse werden zunehmend auch kognitive, emotionale, empathische und ethische Prozesse berücksichtigt, die sich aus dem gegenwärtigen Zustand der Natur und den damit einhergehenden wirtschaftlichen und technischen Problemen ergeben (vgl. Wanning 2019, 296). Insbesondere scheint eine Orientierung der Bildung an umweltbezogenem Wertebewusstsein und Wertevermittlung notwendig, da Werte die Haltung und das Handeln von Menschen formen und bestimmen. In diesem Bereich sind Fächer wie z.B. Literatur- und Kunstunterricht, Philosophie, Religion und Ethik von besonderer Bedeutung, da diese zudem vernetztes Denken und kritisches Reflektieren besonders fördern. Wie wichtig es ist, bei Überlegungen zur nachhaltigen Bildung den kulturellen Bereich miteinzubeziehen und damit die beiden getrennten Bereiche der Natur- und Geistes-/Kulturwissenschaften interdisziplinär enger zu verknüpfen, liegt auf der Hand, wird jedoch nicht immer von Bildungspolitiker*innen gefördert, wenn die Bildung für nachhaltige Entwicklung in Lehrplänen marginalisiert und einseitig MINT-Fächer ins Zentrum gestellt werden. Um die planetaren Grenzen unserer Erde ins Bewusstsein zu rücken, braucht es jedoch gerade ein interdisziplinäres Wissen, das die Reflektion von Naturwissenschaften durch die Geistes- und Kulturwissenschaften und umgekehrt erlaubt. Nur so kann die enge Vernetzung zwischen Mensch und Natur erkannt und der Dialog über Grundwerte wie Gerechtigkeit, Toleranz, Schutz der Schwachen, die Wahrung kultureller und biologischer Vielfalt, die Partizipation an gesellschaftspolitischen Entscheidungsprozessen und die Fokussierung auf die wichtige Frage nach dem guten Leben gefördert werden. Die Aufwertung der Künste und die Förderung des Bewusstseins von deren imaginärem, innovativem Potenzial und schließlich die Schulung interkultureller Kompetenzen, die den Dialog zwischen Kulturen ermöglichen und so den vielfachen Verflechtungen unserer globalen Welt Rechnung tragen, das sind auch die Charakteristika einer zukunftsfähigen Kultur, die Hildegard Kurt und Bernd Wagner benannt haben (2002, 14).

4. Fazit

Die zentrale Bedeutung der Kulturwissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung dürfte deutlich geworden sein. Eine der dringlichsten Aufgaben von Politik, Medien, bildungspolitischen Institutionen, Schulen und Hochschulen wird es in Zukunft sein, die zahlreichen Facetten der Nachhaltigkeit – insbesondere auch der kulturellen Nachhaltigkeit – in interdisziplinären Gesprächen zwischen Öffentlichkeit und Spezialist*innen, zwischen Naturund Kulturwissenschaft auszuloten und dabei insbesondere eine vertiefte Diskussion der normativen, d.h. die Werte betreffende, Seite der Nachhaltigkeit anzustoßen. Gerade eine inter- und transdisziplinär agierende Kulturwissenschaft kann dabei helfen, „epistemologische Lücken“ der natur- und technikwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung zu schließen, eine kontinuierliche, „kreative[] Selbsterneuerung von Sprache, Wahrnehmung, Imagination und Kommunikation“ (Zapf 2015, 177) anzustoßen und das Gespräch über gesellschaftlich dringliche Themen wie die kulturellen Folgen der Umweltproblematik, der digitalen Revolution oder der sich rasch wandelnden Medienlandschaft mit der breiten Öffentlichkeit zu intensivieren (Wilke 2015, 102). Kultur ist die zentrale Kategorie in der Konzeptualisierung nachhaltiger Entwicklung, sie verlangt, wie Verena Holz und Ute Stoltenberg vorschlagen, dass „Nachhaltigkeitsfragen“ nicht nur „als akademische, politische oder Schulfragen“, sondern vielmehr als „Lebensfragen“ erkannt werden, weil nur so eine „Partizipation an der Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung“ erreicht werden kann (Holz & Stoltenberg 2011, 18; s.a. Sorgo 2011).

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