Kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit - Piret Paal - E-Book

Kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit E-Book

Piret Paal

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Beschreibung

Die Bevölkerung ist bezüglich Herkunft, Staatsangehörigkeit, Muttersprache, kultureller Prägung und Religionszugehörigkeit vielfältiger geworden. Dies erfordert eine Öffnung für die kulturelle Vielfalt auch in der Hospiz- und Palliativarbeit. Es ist hospizlicher Anspruch, die kulturspezifischen Bedürfnisse von kranken Menschen am Lebensende und deren Familien so weit als möglich zu erfüllen. Das Buch zeigt theoretische und praktische Grundlagen und gibt eine Orientierung für Qualifizierungsmaßnahmen zur kultursensiblen Begleitung und zur Netzwerkarbeit mit ausgewählten Fachdiensten und Communities.

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UmsorgenHospiz- und Palliativarbeit praktisch

Bd. 1:            Schulung ehrenamtlicher Hospizbegleiter (Gratz, Mayer, Weidemann; ISBN: 978-3-17-029940-5)

Bd. 2:            Auf dem Weg zur Kooperationsvereinbarung (Kittelberger, Gratz, Rösch; ISBN: 978-3-17-029944-3)

Bd. 3:            Trauerbegleitung organisieren (Meyer, Brüning-Wolter, Fischinger, Mallmann, Rudert-Gehrke, Stockstrom; ISBN: 978-3-17-029948-1)

Bd. 4:            Hospiz- und Palliativversorgungsnetzwerke gestalten (Rösch; ISBN: 978-3-17-030770-4)

Bd. 5:            Die Schätze des Alters heben (Bergmann, Kittelberger; ISBN: 978-3-17-031883-0)

Bd. 6:            Hospizkultur und Palliativkompetenz in stationären Einrichtungen entwickeln und nachweisen (Rösch, Kittelberger; ISBN: 978-3-17-031891-5)

Bd. 7:            Führen und Leiten in Hospiz- und Palliativarbeit (Rösch, Schwermann, Büttner, Münch, Schneider, Gratz; ISBN: 978-3-17-032982-9)

Bd. 8:            Palliative Fallbesprechung etablieren (Gratz, Schwermann, Roser; ISBN: 978-3-17-032990-4)

Bd. 9:            Kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit (Paal, Grünewald, Rizzi, ISBN: 978-3-17-032986-7)

Piret Paal, Gabriele Grünewald, E. Katharina Rizzi

Kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit

Konzepte und Kompetenzen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032986-7

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-032987-4

epub:   ISBN 978-3-17-032988-1

mobi:   ISBN 978-3-17-032989-8

Inhalt

 

 

Die Autoren

Vorwort

1 Theoretische Grundlagen und Überlegungen aus der Praxis

1.1 Kulturbegriffe

1.2 Hospiz- und Palliativkultur (nicht) verstehen

1.3 Das Prinzip der Vielfalt

1.4 Migrationshintergründe verstehen

1.5 Die Bedeutung von Zuwanderung für die Hospiz- und Palliativarbeit

2 Voraussetzungen und Qualifizierung für kultursensible Begleitung

2.1 Die Vorbereitung von Haupt- und Ehrenamtlichen

2.2 Anpassungen in der Begegnung

2.3 Wissen um die individuelle Migrationsbiografie

2.4 Hintergrundwissen über Religionen und Traditionen

2.5 Essen – ein Mittel gegen Heimweh

2.6 Zuhören, wertschätzen und aushalten

3 Vernetzung und Kooperation

3.1 Kultursensible Unternehmenskultur in Institutionen und Organisationen

3.2 Öffentlichkeitsarbeit

3.3 Muttersprachliche Begleitung und Beratung

3.4 Multikulturelle Ehrenämter

3.5 Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften und Communities

3.6 Kooperation mit Hausärzten, Pflegediensten und anderen fachspezifischen Diensten in der Patientenversorgung

3.7 Bestattungsdienste

4 Zusammenfassung und Ausblick

Dank

Literatur

Die Autoren

 

Dr. Piret Paal ist Ethnologin, sie hat sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin während ihrer Zeit beim Hospizdienst DaSein mit dem Thema Palliative Care für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund intensiv befasst.

Gabriele Grünewald ist Sozialpädagogin und als Palliative-Care-Fachkraft seit 17 Jahren in der ambulanten Hospizarbeit engagiert. Im Hospizdienst DaSein hat sie als fachliche Leitung der Sozialen Arbeit u. a. die Verantwortung für den Fachbereich kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit.

E. Katharina Rizzi ist medizinisch-pflegerische Palliative-Care-Fachkraft und seit über 25 Jahren neben der Qualifizierung der Mitarbeiter/-innen für die Entwicklung des Hospizdienstes DaSein maßgeblich verantwortlich und hat die Geschäftsführung inne.

Vorwort

 

Ein »Sterben in der eigenen Häuslichkeit« zu ermöglichen ist eines der prioritären Ziele der Hospizarbeit und Palliativversorgung. Oftmals verkürzt auf ein »Sterben zuhause« markiert es eines der Grunddilemmata der sogenannten »kultursensiblen Hospizarbeit«, die seit einigen Jahren die Hospizbewegung beschäftigen.

Selbst für »Einheimische« ist die Frage, wo sie denn »zuhause« sind, nicht trennscharf zu beantworten. Ist »zuhause« ein Ort, vielleicht sogar mehrere Orte, ist »Heimat« ein Gefühl oder eine geographische Gegebenheit, die per GPS lokalisiert werden kann? Machen vertraute, geliebte Menschen oder Dinge aus einem »Ort« ein »Daheim«, kann man »in sich selbst zuhause sein« und dann sein Zuhause sozusagen »mit auf Reisen nehmen«? Wie lange dauert es eigentlich, bis aus einem »Wohnort« ein »Zuhause« wird? Lässt sich letztendlich »Beheimatung erzeugen« und wie macht man das? Indem man die Gegebenheiten des Herkunftslandes nachzugestalten versucht oder indem man die Menschen an die neue Heimat zwangsanpasst?

Wie wichtig ist dabei Sprache, wie wichtig Rituale, wie essentiell die Kultur und welche Bedeutung hat eigentlich die Ernährungsweise?

All diese und noch viele weitere Fragen stellen sich, wenn man in den letzten Monaten und Jahren die Flüchtlingsströme beobachtet, die Berichterstattung in den Medien und die politische Diskussion einigermaßen aufmerksam verfolgt oder aber einfach nur die Realität der »Gastarbeiter« etwas näher betrachtet. Menschen aus anderen Ländern Zuflucht und vielleicht sogar eine neue Heimat zu geben, ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit.

Was nun, wenn diese Menschen – egal ob sie gerade erst bei uns angekommen sind oder schon in der zweiten oder gar dritten Generation bei uns und mit uns wohnen, leben und arbeiten – schwer krank werden und letztendlich sterben?

Können wir davon ausgehen, dass wir mit der deutschen Idee des »hospitium«, also der »Gastfreundschaft«, ganz selbstverständlich auch den Wünschen und Bedürfnissen dieser Menschen, unseren Gästen und Mitbürgern aus zum Teil fernen Ländern und Kulturen gerecht werden können? Wie sehr »taugt« die deutsche Hospizkultur für die Versorgung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen, die in Deutschland mehr oder weniger freiwillig »gestrandet«, »eingereist«, »asylsuchend«, »geduldet« oder »staatenlos« sind oder aber schon in der dritten Generation bei uns leben und trotzdem immer noch Fremde sind? Wie sehr gelingt uns das solange sie gesund sind und wie sehr kann es uns in Krankheit und Sterben gelingen?

Die Geschichte der Integration ist eine Geschichte des Scheiterns im Großen und der Erfolge im Kleinen, so scheint es auf den ersten Blick. Etwas, das der Hospizbewegung irgendwie auch wieder vertraut ist, dauerte es doch Jahrzehnte, bis die Ideen von Hospizarbeit und Palliativmedizin »salonfähig« und »politikkompatibel« wurden und dennoch konnte im Kleinen Tag für Tag, Patient für Patient viel erreicht und ein Umdenken in Gang gesetzt werden.

Das macht Mut für das Thema »Kultursensible Hospizarbeit«. Mit diesem Buch geben wir Hinweise auf Bedenkenswertes, zeigen in der Praxis Erprobtes und versuchen das Spannungsfeld, in dem sich kultursensible Hospizarbeit bewegt, aufzuzeigen und darin Orientierung zu geben.

Dabei ist »Kultursensibilität« dem Hospizler keinesfalls fremd, ist er es doch gewohnt, sich auf Menschen und Situationen einzulassen und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das kann und wird auch gelingen, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht, zu einem anderen Gott betet, keinen Schleier trägt oder gerne Schweinefleisch ist. Man muss sich darauf einzustellen lernen und sich von der Vielfalt bereichern lassen.

Dr. Erich Rösch

Geschäftsführer des Bayerischen Hospiz- und Palliativverbandes

 

 

 

 

 

1          Theoretische Grundlagen und Überlegungen aus der Praxis

Kultur hat in der Gesellschaft eine normgebende Funktion, sie beeinflusst unser Verhalten, unsere Raum- und Zeitwahrnehmung, unsere Kommunikation mit anderen Menschen und damit unsere grundsätzliche Lebenshaltung. Die Kultur leitet unser Denken, definiert, was annehmbar und was unannehmbar ist, ist also richtungsweisend für unsere bewussten und unbewussten Gedanken und Handlungen und hat Einfluss auf unsere Entscheidungen sowohl als Individuum als auch als Teil eines Kollektivs (Purnell 2002).

Wie wir mit den vielfältigen Erwartungen umgehen, die tagtäglich an uns als Mitglieder der globalen Community, der lokalen Gemeinde, in der wir leben, sowie im Berufsleben, im Familien- und Freundeskreis gestellt werden, hängt auch von unseren individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen ab. Je abhängiger wir davon sind, den Erwartungen von Gesellschaft und Familie jederzeit zu entsprechen, umso weniger können wir autonome Entscheidungen treffen (Bausinger 1984). Im vertrauten Kulturkontext wissen die Menschen sehr gut, was von ihnen erwartet wird, was sie tun dürfen oder unterlassen sollten. Sie sind sich bewusst, dass Entscheidungen, die mit den Gesellschaftsnormen nicht im Einklang sind, zu Konsequenzen führen und wie diese aussehen. So darf davon ausgegangen werden, dass die Identität eines Menschen von seiner kulturellen Umwelt geprägt wird (Galanti 2000).

Dieses Buch trägt den Titel »Kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit«. Dabei geht es nicht nur darum, kulturelle Vielfalt als eine Tatsache zu verstehen und anzuerkennen. Es geht vor allem darum, Kultursensibilität als Grundhaltung, Fähigkeit und Ziel von Hospizarbeit und Palliative Care zu leben (Koffman 2014).

Kultursensibilität

Kultursensibilität bedeutet nicht nur, Entfremdung und Stereotypisierung zu vermeiden, sondern auch, einen anderen Menschen als Individuum wahrzunehmen, ungeachtet dessen, wie jemand heißt, welche Hautfarbe, welchen Akzent, kulturellen Hintergrund, sozialen Status, welche Gewohnheiten, Lebensweise und Weltanschauung er hat, oder welcher Glaubensrichtung er folgt.

Die im Buch dargelegten Gedanken beruhen auf Beobachtungen der Autorinnen, auf ihren Arbeitserfahrungen im Hospiz und auf im Jahr 2016 mit Palliativpatient/innen durchgeführten Interviews (Paal und Bükki 2017). Zitate aus diesen Interviews wurden verwendet, um theoretische Erörterungen zu untermauern. Weiterhin werden Handlungsmöglichkeiten für die Praxis formuliert.

1.1       Kulturbegriffe

Was genau verstehen wir unter Kultur?

In der Kulturtheorie wird die Kultur des Öfteren der Natur gegenübergestellt. Unter Natur verstehen wir alles, was natürlich, das heißt ohne menschliches Zutun entstanden ist. Das Gegenteil von Natur stellt die Kultur dar, die im weitesten Sinn für alles steht, was der Mensch selbst gestaltet und hervorbringt, und im engeren Sinn für ein System von Normen, Regeln und Gewohnheiten, die das Zusammenleben und Verhalten einer Gesellschaft, eines Kollektivs leiten (Helman 2000). Die Kultur ist mit einem Eisberg verglichen worden, von dem nur ein Teil mit bloßem Auge wahrnehmbar ist. Zum Verständnis kann die Fisch im Aquarium-Metapher helfen: Wenn wir ohne Wasser, in unserem Fall ohne Kultur, auskommen müssen, bekommen wir erst eine Vorstellung davon, wie sehr wir sie um uns herum brauchen (Trompenaars und Hampden-Turner 2012).

Der Begriff Kultur ist so vielfältig besetzt, dass er als Containerbegriff bezeichnet werden kann. Er kann sowohl für die schönen Künste (Musik, Malerei) stehen, für eine bestimmte gesellschaftliche Norm (Demokratie) als auch für die innere Entwicklung eines Menschen in Richtung eines neuen und besseren Ichs (Moral, Höflichkeit, Aufmerksamkeit, Kenntnisse) (Tylor 2005 (1871), S. 358).

Definitionen von Kultur, die versuchen, diese als eine Sammlung von gemeinsamen anerkannten Werten und Verhaltensweisen eines Kollektivs zu bestimmen, verallgemeinern und gehen vom Modell einer homogenen Gruppe oder einer Gesellschaft aus (Trompenaars und Hampden-Turner 2012, S. 52). Da jedoch heutige Gesellschaftsstrukturen vielfältig sind, bereichert von Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, ist es sinnvoller, nicht eine einzige, sondern unterschiedliche, jeweils vom Kontext abhängige Definitionen zu verwenden (Sarría-Santamera 2016). Häufig genannte Begriffe, wenn über kulturelle Verschiedenheit gesprochen wird, sind »interkulturell«, »multikulturell«, »transkulturell« und manchmal sogar »hyperkulturell«.