Kummer's Kurze - Rolf Kummer - E-Book

Kummer's Kurze E-Book

Rolf Kummer

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Beschreibung

Tragen Füchse Turnschuhe? Wie überzeugt man einen New Yorker Richter von seiner Unschuld? Und warum lassen sich zwei Polizisten im Morgengrauen frisch gebackenen Obstkuchen schmecken? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie in Rolf Kummers fröhlichen Kurzgeschichten. In einer Anekdote regnet es Konfetti auf die Geschichtslehrerin, in einer anderen setzt sich Kummer mit der Covid-Impfstrategie der Schweizer Gesundheitsbehörde auseinander. Die Großmutter tritt auf, Eltern, Brüder, Töchter, Onkel, Tanten, Cousinen und natürlich auch seine große Liebe. 33 erlebte und erdachte Geschichten hat Kummer in seinem ersten Buch vereint – 33 Mal nimmt er die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise durch sein Land und sein Leben. Und schließlich taucht auch noch eine Botschaft aus dem All auf …

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99146-951-3

ISBN e-book: 978-3-99146-952-0

Lektorat: Karolin Leyendecker

Umschlagfoto: Liselotte Kummer

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Zitat

***

„Drum geh’ nicht zum Fürst,

wenn du nicht gerufen würst!“

Dies war der Lieblingsspruch eines meiner ersten Vorgesetzten bei der Generaldirektion PTT1. Erläuternd sagte er mir dazu: „Einfach machen, nur nicht immer fragen. Man wird mich zweifelsohne rufen, wenn man mit meinen Entscheiden nicht einverstanden sein sollte.“

1 Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe

Diese Haltung habe ich mir, wo immer möglich, ebenfalls zu eigen gemacht und es bis zum heutigen Tag nie bereut.

***

Vorwort

Die Idee zum Schreiben dieses Buches ist bei mir kurz nach meiner Pensionierung im Mai 2019 entstanden.

Seit jeher beobachte ich sehr gerne das Verhalten meiner Mitmenschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Gestützt auf solche Beobachtungen und Erinnerungen schrieb ich meine Kurzgeschichten in diesem Buch nieder. Sie entsprechen einerseits voll und ganz wahren, von mir erlebten Begebenheiten, andererseits habe ich verschiedene Erlebnisse oder Feststellungen mit meiner Fantasie angereichert.

Die 33 Kurzgeschichten sowie die kurzen oder etwas längeren Zwischentöne sollen zum Nachdenken, Schmunzeln oder beidem anregen. Warum gerade 33 und nicht 30 oder 40? Der Grund ist ein einfacher: Als Familie wohnten wir über 20 Jahre in einem Haus mit der Nummer 33. Die Zahl 33 ist somit zu einer Familienzahl geworden und sie wird es auch bleiben.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viel Freude mit diesem Buch.

1 - Die Polizei, dein Freund und Genießer

Unsere liebe Mutter war eine sehr gute Köchin. Oft hat sie uns Kindern von ihrem Haushaltslehrjahr erzählt, wo sie in ihren jungen Jahren in die Geheimnisse der Küchen- und Haushaltsarbeit eingeweiht worden war. Als Familie durften wir täglich von diesen sorgfältig erlernten und nachhaltigen Fähigkeiten profitieren. Wir wussten alle die Kochkunst unserer Mutter zu schätzen. Sie verstand es auch, immer wieder Neues auszuprobieren und uns dann als erste Versuchspersonen einzusetzen. Wir wurden nie enttäuscht.

Die Früchtewähen waren ganz klar eine der vielen kulinarischen Stärken meiner Mutter. So kamen wir als Kinder und als Familie während des ganzen Jahres immer wieder in den Genuss, frisch gebackene Früchtewähen zu kosten. Die Lebensdauer solcher Wähen war jeweils äußerst kurz. Kaum waren sie auf dem Tisch, sei es zum Mittag- oder zum Abendessen, schon verschwand Stück für Stück durch unsere Mäuler in den Verdauungstrakten unserer hungrigen Körper. Zwetschgen-, Aprikosen-, Rhabarber- oder Kirschenkuchen, um nur ein paar Sorten aufzuführen –, alle erfuhren das Schicksal eines kurzen Daseins. Meine Mutter musste uns Kinder bzw. Jugendliche jeweils bändigen, damit auch die zum Essen eingeladenen Personen ein Stück der köstlichen Wähe genießen konnten. Bei solchen Mahlzeiten gab es nie Reste. Nie!

Diese Früchtewähen waren auch bei unserer Verwandtschaft ein Renner. An schönen Tagen trafen wir uns regelmäßig an Wochenenden in unserem in schöner Natur gelegenem Garten2. Häufig waren wir zwischen 15 und 20 Personen am Tisch. Zum Dessert tischte dann unsere Mutter die erwähnten Früchtewähen auf, mit und ohne Rahm. Alle waren stets begeistert und füllten ihre Mägen bis in die hinterste Ecke mit diesen Köstlichkeiten. Auch dankten immer alle unserer Mutter für diese große und mit viel Liebe vollbrachte Arbeit. Damit die Wähen an einem Sonntag rechtzeitig für den Transport in den Garten bereit waren, stand unsere Mutter häufig bereits sehr früh am Sonntagmorgen in der Küche.

2 Unser Garten in Riehen lag im sogenannten „Schlipf“, im unteren Teil des Tüllinger Berges, nahe der Grenze zu Deutschland.

Viele Jahre später, als unsere Mutter allein in einer kleineren Wohnung lebte, kam es, dass an einem frühen Sonntagmorgen, draußen war es noch finster, ein Polizeifahrzeug langsam an ihrem Wohnblock vorbeifuhr. Die beiden diensttuenden Polizisten im Fahrzeug wunderten sich, dass bereits um diese Zeit in einer Wohnung Licht brannte. Da zu dieser frühen Stunde nicht gerade viel los war auf den Straßen und es auch allgemein recht ruhig war, entschieden sich die beiden Hüter des Gesetzes, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie parkierten den Polizeiwagen am Straßenrand und klingelten an der Haustür der Wohnung, in der das Licht brannte. Die Tür ging auf und unsere Mutter sah verdutzt in die Gesichter der beiden freundlich lächelnden Polizisten. „Ist etwas Schlimmes passiert?“, fragte sie sofort und etwas erschrocken. „Nein, nein, überhaupt nicht“, beruhigten die Uniformierten unsere Mutter. „Wir haben nur das Licht in Ihrer Wohnung gesehen und wollten sicherheitshalber nachschauen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist“, antworteten sie fast im Chor. Unsere Mutter konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, erklärte den frühen Besuchern den Grund und bat sie in die Küche. Die beiden Polizisten sagten beim Eintreten in die Wohnung, dass es ausgezeichnet riechen würde. Die Frage, ob sie gerne ein Stück frische Früchtewähe essen möchten, beantworteten die Gesetzeshüter sofort mit einem: „Ja, sehr gerne.“ Also setzten sie sich an den runden Küchentisch.

Und dann erging es den beiden Polizisten wie uns allen. Es blieb nicht nur bei einem Stück. Oh, nein. Schließlich war die ganze Wähe weg. Die beiden Polizisten bedankten sich überschwänglich und verließen gut genährt, gestärkt und noch besser gelaunt die Wohnung. Kaum hatte unsere Mutter die Wohnungstür wieder verschlossen, musste sie allerdings nochmals in die Hosen bzw. in den Rock und backte eine neue Früchtewähe, um die behördlich verspiesene Wähe zu ersetzen.

Der unerwartete Besuch der beiden Gesetzeshüter war natürlich das Tagesgespräch an diesem sonnigen Sonntag in unserem Garten. Wir haben uns alle amüsiert über dieses nicht alltägliche Erlebnis unserer Mutter.

Die beiden Polizisten haben selbstverständlich ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen vom frühmorgendlichen Früchtewähen-Erlebnis erzählt. So kam es, dass sich ab und zu an einem Sonntag im Morgengrauen eine Polizeipatrouille zur Wohnungstür unserer Mutter verirrte.

***

Der liebe Gott sieht alles.

Doch unsere lieben Nachbarn sehen noch viel mehr.

Von Hand geschriebene Inschrift auf einer Holztafel, die gut sichtbar an einem Mobilheim auf einem Campingplatz im Oberwallis angebracht war.

***

2 - Fuchs, du hast den Schuh gestohlen

Als Kinder haben wir im Kindergarten oft aus voller Kehle das bekannte Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ gesungen. 60 Jahre später musste ich aufgrund folgender Begebenheit wieder an dieses Kinderlied zurückdenken.

An einem wunderbaren Spätsommerabend im September 2023 fuhren meine Frau und ich mit unseren Fahrrädern, wohlgemerkt keine E-Bikes, auf die Sankt Petersinsel3. Um diese Zeit waren nur noch sehr wenige Fußgänger unterwegs. Wir genossen die herrliche und friedliche Abendstimmung, die größtenteils unberührte Natur und die Ruhe. Einfach großartig. Wir kommen immer wieder gerne hierher, um mit unseren Stahlrössern4eine Runde auf dieser Halbinsel im Bielersee zu drehen. Dabei können wir jedes Mal allerlei Tiere und Naturschauspiele beobachten und fotografieren.

3 Die Sankt Petersinsel ist eine Halbinsel im Bielersee, ein sehr beliebtes Ausflugsziel.

4 Fahrräder

Bei der Schiffsstation im Norden der Petersinsel liegt eine kleine, malerische Bucht. Dort fuhren wir auch heute wieder hin und setzten uns beim Sunset-Bistro an einen der mehrheitlich freien Tische. Das Bistro war geschlossen, aber Tische und Stühle standen noch draußen und luden zum Ausruhen ein. Nebst uns waren nur noch ein paar wenige Personen anwesend, die sich im kühlen Wasser des Bielersees erfrischten oder auf den Liegestühlen die letzten Sonnenstrahlen genossen. Wir nahmen unsere Äpfel aus dem Rucksack und sogen die Abendstimmung und den faszinierenden Blick über den See in uns auf.

Und plötzlich tauchte er auf. Ein kleiner Fuchs schlich sich aus dem Wald hinter uns hervor und spazierte frisch-fröhlich und ohne irgendwelche Hemmungen oder Berührungsängste zwischen den Stühlen und Tischen des Bistros umher. Er schnupperte ständig am Boden. Es war offensichtlich, dass der kleine Kerl hungrig und auf Nahrungssuche war. Wir alle beobachteten das schlaue Tier und wunderten uns über dessen Zutraulichkeit. Er war fit und sicher auf den Beinen; wir hatten also keine Tollwut zu befürchten.

Völlig unerwartet schnappte sich der junge Fuchs einen der unter einem Tisch stehenden Turnschuhe eines Badegastes und verschwand damit im Wald. Meine Frau hatte dies beobachtet und rief: „Er hat sich einen Turnschuh geschnappt!“ Gleichzeitig konnte sie sich ein Lachen wegen des Verhaltens dieses kleinen Fuchses nicht verkneifen. Der Mann, dem der Turnschuh gehörte, kam so rasch wie möglich aus dem Wasser und lief barfuß hinter meiner Frau dem diebischen Fuchs nach. Dieser rannte nicht einfach mit seiner Beute davon, nein. Er hielt immer wieder inne, schaute zurück in Richtung meiner Frau und des beraubten Badegastes. Als der kleine Fuchs sich das nächste Mal umblickte, zog meine Frau mit ihrem Apfelrest die Aufmerksamkeit des frechen Räubers auf sich. Sie zeigte ihm das Obststück und warf es in der Nähe des Fuchses in den Wald. Der hungrige, flinke Fuchs ließ sofort den Turnschuh aus seiner Schnauze fallen und sprang in die Richtung, wo der Apfelrest zu Boden gefallen war. Das war die Gelegenheit für den Besitzer des Turnschuhs, diesen sofort einzukassieren, bevor es sich der kleine Fuchs wieder anders überlegen sollte. Glück gehabt. Der Mann nahm seinen Turnschuh auf und lief damit erleichtert zurück an den See. Der hungrige Fuchs hatte in der Zwischenzeit das Obststück meiner Frau gefunden und verspeiste es genüsslich und umgehend.

Der kleine Fuchs hatte etwas zu essen und der Badegast war wieder im Besitz seiner zwei Turnschuhe. Eine echte Win-win-Situation, dank meiner Frau, die rasch und mindestens so schlau wie der kleine Fuchs reagiert hatte.

Der Badegast bedankte sich bei meiner besseren Hälfte für ihr gekonntes und überlegtes Eingreifen. Das war ja noch mal gut gegangen. Es hat nicht viel gefehlt und der kleine Räuber wäre mit dem erbeuteten Turnschuh auf Nimmerwiedersehen im Wald verschwunden.

Den kleinen, zutraulichen Fuchs haben wir übrigens nie mehr zu Gesicht bekommen. Vielleicht hatte er genug von Turnschuhen und suchte sich ein Revier, in dem er essbare Beute machen konnte.

***

Gott hat die Zeit erschaffen,

von Eile hat Er nichts gesagt.

Diese Worte hat mein lieber Vater in ganz unterschiedlichen Situationen immer wieder geäußert. Er war stets der ruhende Pol der Familie, auch in hektischen Situationen.

***

3 - Die Gipfelstürmer

Als Jugendliche verbrachten wir mehrmals die Ferien in Grindelwald im Berner Oberland. Nach dem Tod unseres Vaters machte meine Mutter zusammen mit uns, unserer Großmutter und einer unserer Tanten Urlaub in Grindelwald. Wir alle liebten die fantastische Bergwelt rund um diesen damals noch wenig vom Touristenstrom überfüllten Ort. Wir mieteten eine Wohnung in einem heimeligen Chalet. Vom kleinen Balkon aus sahen wir direkt auf die Eigernordwand. Wir liebten es, auf dem Balkon stehend die heftigen Berggewitter zu beobachten, Blitz und Donner zu sehen und zu hören. Das war stets ein ganz besonderes Spektakel mit der Eigernordwand im Hintergrund. In unseren Ferien erkundeten wir zu Fuß die herrliche Region rund um diesen bekannten Touristenort. Schlussendlich glaubten wir, alle erreichbaren Ausflugsziele in- und auswendig zu kennen.

Mein Bruder Däni und ich suchten deshalb eine neue sportliche Herausforderung in dieser Gegend und fanden sie schließlich im Gipfelstürmen. Wir wählten ein Ziel aus und versuchten dann, es zu Fuß so rasch wie möglich zu erreichen. Dabei wollten wir die auf den gelben Wegweisern angegebenen Marschzeiten immer wesentlich unterbieten. Meist waren wir nach der Hälfte oder nach zwei Dritteln der angegebenen Zeit am Ziel. Wir waren immer mit gutem Schuhwerk unterwegs, meistens jedoch ohne Trinkwasser und Proviant. Auch Trekkingstöcke kannte man damals noch nicht. Wir waren beide fit wie ein Turnschuh und brauchten keine Hilfsmittel, um unseren hoch gelegenen Zielen entgegenzustreben. Es war stets eine große Genugtuung für uns, wenn wir wieder eine neue Rekordzeit aufgestellt hatten. Oben auf dem Berg genossen wir die Aussicht, machten eine kurze Pause und rannten dann möglichst rasch wieder ins Tal hinunter. Ja, wir rannten! Sie haben richtig gelesen. Wir erklommen die verschiedenen Gipfel im Laufschritt, also rannten wir die Wege logischerweise auch wieder hinunter.

Unsere Mutter, Großmutter und Tante nahmen immer wieder mit Erstaunen zur Kenntnis, wie rasch wir in der Hügel- und Bergwelt rund um Grindelwald unterwegs waren. Auch Herr Bleuel, der Besitzer des Chalets, in dem wir unsere Wohnung gemietet hatten, bekam schließlich davon Wind und sprach uns auf unsere Rekorde an. Er war in Grindelwald aufgewachsen, ein erfahrener Berggänger und kannte deshalb mit seinen 65 Jahren die Region um einiges besser als wir Feriengäste aus dem Unterland. Er war von unseren Rekorden nicht so begeistert wie die Familie. In den Bergen müsse man sich Zeit nehmen, es gäbe immer wieder Gefahren, die lauern. Es könne rasch etwas passieren und dies meist dann, wenn man es nicht erwarte. Er schlug uns eine gemeinsame Wanderung zur Stier­egghütte5vor. Diese Wanderung führe über Leitern am Grindelwaldgletscher vorbei. Das tönte natürlich für meinen Bruder und mich nach einem kleinen Abenteuer und wir sagten Herrn Bleuel sehr gerne zu, nachdem wir das Einverständnis unserer Mutter eingeholt hatten.

5 2005 löste sich unterhalb dieser Hütte eine Moräne. Wegen dieses Hangabrisses sind heute nur noch Reste der Grundmauern der Stieregghütte an der Abrisskante sichtbar.

Bereits am folgenden Morgen, zu früher Stunde, marschierten wir zwei jungen Gipfelstürmer mit Herrn Bleuel los. Unsere Rucksäcke waren vorbildlich mit Proviant und Wasserflasche gefüllt. Wir wanderten, kein Laufschritt. Herr Bleuel brauchte keine Karte, er kannte die heiklen Passagen und gab uns stets die nötigen Verhaltensanweisungen. Höhepunkt dieser Wanderung war ganz klar der Aufstieg über verschiedene Leitern, welche an steilen Felsen montiert waren und nahe am oberen Grindelwaldgletscher vorbeiführten. Gott sei Dank waren mein Bruder und ich schwindelfrei. An den Leitern lautete die Devise unseres privaten Bergführers: „Langsam aufsteigen, Stufe um Stufe, immer gut mit beiden Händen an den Sprossen festhalten, nicht oder nicht zu viel hinunterschauen.“ Ohne irgendwelche Sicherung stiegen wir Sprosse um Sprosse höher. Dieser Aufstieg war für meinen Bruder und mich ein großartiges, unvergessliches Erlebnis. Oben angekommen folgten noch ein paar Kilometer Fußmarsch in einer herrlichen Bergwelt. Herr Bleuel öffnete uns auf seine Art die Augen für die Wunder der Natur. „Wenn ihr in den Bergen die Wanderwege ständig nur hinauf- und hinunterrennt, habt ihr Gipfelstürmer nichts von all’ den Schönheiten wirklich gesehen.“ Wie Recht hatte er doch mit dieser Aussage.

Dieses tolle Erlebnis mit Herrn Bleuel hat dazu geführt, dass mein Bruder und ich die Gipfelstürmerei an den Nagel hängten und von nun an unser Wandertempo wieder der Allgemeinheit anpassten.

***

Nur nicht hetzen.

Die Arbeit läuft einem nicht davon.

Diese Aussage habe ich in einem beliebten Restaurant gelesen. Wie wahr, ich kann das nach all’ den Jahren im Berufsalltag vollumfänglich bestätigen.

***

4 - Die Kaffeekühe

Im Herbst 1973 war unsere Cousine Elisabeth mit uns in den Ferien in Grindelwald. Elisabeth war damals sieben Jahre alt. Sie war ein aufgewecktes Mädchen und sehr interessiert an allem, was um sie herum geschah. Dank des herrlichen Wetters konnten wir zur Freude aller jeden Tag ausgedehnte Spaziergänge und Wanderungen in dieser wunderbaren Bergwelt unternehmen.