Kurt Landauer - Der Präsident des FC Bayern -  - E-Book

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Beschreibung

Unter seiner Präsidentschaft gewann der FC Bayern 1932 seine erste Deutsche Meisterschaft. 1933 wird er als Jude gezwungen zurückzutreten, 1938 nach Dachau deportiert; später kann er in die Schweiz fliehen. Viele seiner Geschwister kommen im Holocaust um. Doch nach dem Krieg kehrt er nach München zurück, auch zum Verein – denn Fußball ist sein Leben.

Von Kurt Landauers Privatleben war bislang nur wenig bekannt. Er war seit 1927 mit Maria Baumann, der Haushälterin seiner Familie, liiert. Ein Verhältnis, das lange geheim blieb. Trotz der drohenden Denunziation nach den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen hielt sie als Nicht-Jüdin an der Liebesbeziehung fest, auch während Landauers Emigration riss der Kontakt nie ab. Aus der Schweiz schrieb er der Geliebten einen langen Brief, seinen »Lebensbericht«, in dem er ihr Rechenschaft gibt über ihre Beziehung und sie bittet, ihn zu heiraten.

Dieser »Lebensbericht« und andere Briefe des Paars bis 1948, als sie wieder zusammen in München leben, zusammen mit den aufschlussreichen Kommentaren der Herausgeberinnen sowie vielen privaten Fotos und Dokumenten, zeichnen das eindrückliche Bild einer deutsch-jüdischen Beziehung bis in die Nachkriegszeit.

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Titel

Kurt Landauer

Der Präsident des FC Bayern

Lebensbericht und Briefwechsel mit Maria Baumann

Herausgegeben von Jutta Fleckenstein und Rachel Salamander unter Mitarbeit von Lara Theobalt und Lilian Harlander im Auftrag des Jüdischen Museums München

Mit zahlreichen Abbildungen

Insel Verlag

Übersicht

Cover

Titel

Inhalt

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Inhalt

Cover

Titel

Inhalt

Vorwort

Lebensbericht

Briefe zwischen Kurt Landauer und Maria Baumann, 1946-1947

Briefe zwischen Kurt Landauer, Maria Baumann und Maria Klopfer, 1947-1948

Baumann – Klopfer

Baumann – Klopfer

Landauer – Baumann

Landauer – Baumann

Landauer – Baumann

Baumann – Klopfer

Baumann – Klopfer

Baumann – Klopfer

Baumann – Klopfer

Baumann – Klopfer

Landauer – Baumann

Baumann – Klopfer

Bildteil I

Anhang

Landauer und der

FC

Bayern

Kurt Landauer in

Clubnachrichten des F. ‌C. Bayern E. ‌V. München

, Nr. 2, Dezember 1926

Dr. Ivo Schricker an Maria Klopfer, Zürich, 17. April 1939

Kurt Landauer, München, den 20. September 1947

Sitzung des Sportausschusses, 29. August 1949

Sitzung des Ausschusses für Leibesübungen und Sport, 1. Februar 1950

Kurt Landauer in

Clubzeitung des F. ‌C. Bayern München E. ‌V.

, Nr. 6, Juni 1950

Bildteil II

Weitere Dokumente und Briefe

Ehrenkreuz für Frontkämpfer, 1. ‌März 1935

Denunziation Franz Landauer, 1938

Maria Klopfer, Genf, Hotel Regina, 26. September 1944

Maria Klopfer, Genf, Hotel Regina, 26. September 1944

Maria Klopfer, Genf, Hotel Regina, 24. Februar 1945

Military Government an Siegfried Herrmann, 11. März 1947

Jewish Committee an Siegfried Herrmann, 27. März 1947

Kurt Landauer, Genf, 23. ‌November 1948

Henny Siegel an Maria Landauer, Haifa, 1971

Editorische Bemerkungen

Aufbewahrung der Originale

Art und Erhaltungszustand der Dokumente

Lücken im Briefwechsel

Wiedergabe der Briefe, Angaben und Korrekturen im Text

Dank

Literatur

Quellenangaben zu den Fußnoten

Quellen

Bildnachweis

Register

Fußnoten

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Vorwort

»Aber der Bayern wegen komme ich ja nicht, da ist schon ein ganz ganz anderer Anziehungspunkt!!«Kurt Landauer

Der hier erstmals veröffentlichte Lebensbericht Kurt Landauers und der Briefwechsel mit seiner späteren Frau Maria Baumann rücken beide in ein vollkommen neues Licht. Nicht nur zeigen die Schriftstücke den ganz privaten Kurt Landauer und eine bisher zu Unrecht unbekannte Maria Baumann. Der Nachlass ist vor allem auch ein bedeutendes zeitgeschichtliches Dokument, in dem sich der biographische Kosmos zweier außergewöhnlicher Lebensgeschichten im gesamtgesellschaftlichen Kontext widerspiegelt. Sie begegnen sich Ende der 1920er Jahre in München, trennen sich während Landauers Emigration in der Schweiz und finden sich wieder im München der Nachkriegszeit.

Kurt Landauer (1884-1961) schrieb Fußballgeschichte. Er führte den FC Bayern München als Präsident 1932 zum ersten Mal zur Deutschen Meisterschaft. Ab 1901 Spieler im Verein, wurde er bereits 1913 zum ersten Mal Präsident und nahm eine Vorreiterrolle bei der Professionalisierung des Fußballs ein. Noch im Juli 1932 erneut zum Präsidenten gewählt, sah sich Landauer nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten am 22. März 1933 als Jude gezwungen, seinen Rücktritt zu erklären. Er überlebte die Schoa im Genfer Exil, seine Geschwister Leo, Paul, Franz und Gabriele wurden ermordet. Kurt Landauer zählt zu den wenigen Emigranten, die trotz der leidvollen Erfahrungen in ihre Heimat zurückkamen und blieben. Sein Fußballverein stellte die Verbindung zu seinem Leben vor 1933 her und 1947 wurde Kurt Landauer erneut Vereinspräsident.

Die Lebensgeschichte Maria Baumanns (1899-1971), seit 1927 mit Kurt Landauer liiert, ist bisher kaum bekannt. Sie entstammte einem anderen Milieu, einer anderen Schicht. In Memmingen im Allgäu als drittes von acht Kindern geboren, der Vater Fabrikarbeiter, die Mutter Köchin, übernahm sie schon früh Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister. Mit knapp 14 Jahren trat sie ihre erste Stellung als Hausmädchen in Frankfurt an, erhielt dort eine solide Ausbildung als Hauswirtschafterin. Über Berlin wechselte sie 1927 nach München, mit 27 Jahren begann sie im Hause der Landauers als Hilfsköchin und verliebte sich in den 43-jährigen Kurt Landauer. Trotz der drohenden Denunziation nach den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen hielt sie als Nicht-Jüdin an der Liebesbeziehung fest und stand in allen schwierigen Situationen der Familie Landauer bei. Auch während Kurt Landauers Emigration riss der Kontakt nie ab.

Zum Leidwesen Maria Baumanns nahm eine weitere Frau eine wichtige Rolle in Landauers Leben ein. Im Briefwechsel nennt er sie »Frau Maria«, Maria Klopfer, geborene Klauber. Ihr hatte er vor dem Ersten Weltkrieg Hoffnung auf eine Heirat gemacht. Sie entstammte der wohlhabenden jüdischen Familie Klauber, die Besitzer des Spitzenhauses Rosa Klauber war. Doch Landauers Vater hielt die Beziehung nicht für standesgemäß und Maria Klauber heiratete 1913 den Bankier und Hotelbesitzer Theodor Klopfer. Maria Klopfer wurde Landauers Rettung. 1939 verhalf sie ihm gerade noch rechtzeitig zur Ausreise in die Schweiz. Die langen Jahre der Emigration von 1939 bis 1947 verbrachte er mit ihr und ihren Eltern in Genf. Marias Brüder und ihr Ehemann sicherten Landauers Schweizer Lebensunterhalt. Auch als Landauer und Maria Klopfer 1947 Genf verließen – Landauer in Richtung München und Maria Klopfer zu ihrer Familie nach New York –, blieben sie in Verbindung.

70 Jahre nach Kurt Landauers Rückkehr nach München entschloss sich die Nichte von Maria Baumann, den umfassenden Briefwechsel dem Jüdischen Museum München zu übergeben und ihn damit der Forschung, aber auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ihn ergänzt ein 77-seitiger handschriftlicher Lebensbericht, eine Art Lebensbilanz, die der ehemalige Bayern-Präsident Landauer Ende 1944, Anfang 1945 in seinem Exil in Genf für seine langjährige Geliebte Maria Baumann verfasste. Zu viel war unausgesprochen und ungeklärt zwischen den beiden, der Lebensbericht sollte dem Abhilfe leisten. Mit einem Heiratsantrag an Maria Baumann endet der Lebensbericht. Neben den 25 erhaltenen Briefen der beiden enthält das Konvolut acht Briefe von Maria Baumann an Maria Klopfer. Die Schriftstücke zeugen von Einzelschicksalen, in denen sich Alltägliches mit »Weltgeschichte« verflicht.

Die vorliegende Kommentierung verortet den Lebensbericht und die Briefe in der jüdischen Geschichte und Kultur Münchens. Worterklärungen, historische Einordnungen und die Biographien der genannten Personen entfalten eine weit über sie hinausgehende thematische Bandbreite. Der Briefwechsel führt in die Forschungsfelder jüdische Familiengeschichte, Geschichte der Verfolgung, der Emigration und Remigration, zeigt Fußballgeschichte und ist nicht zuletzt eine ungewöhnliche, einzigartige Liebesgeschichte.

»Ich bin nie fromm gewesen, nicht einmal gläubig, heute vielleicht sogar weniger denn je […]«1, schreibt Landauer, und später »[…] in die Synagoge werde ich nicht mehr gehen, das hatte ich mir hier [in Genf] angewöhnt gehabt … und auch wieder radikal abgewöhnt.«2 Im ersten Teil des Lebensberichtes erzählt Kurt Landauer von einer gar nicht so kurzen, glücklichen Ära in der jüdisch-deutschen Geschichte. Seine Vorfahren lassen sich bis ins 17. Jahrhundert ins schwäbische Hürben zurückverfolgen. Sein Großvater zog in die Stadt München, sein Vater erhielt 1884 das Bürgerrecht und stieg als Kaufmann mit seinem Textilgeschäft Damenmode Otto Landauer in das Münchner Bürgertum auf. Kunst- und kulturbeflissen pflegten die Landauers Kontakt zu Künstlern und Literaten. Kurt Landauer erlebte Kindheit und Jugend im Kaiserreich. Er kämpfte als deutscher Patriot wie viele Juden als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg für sein Vaterland. Als nicht praktizierender und assimilierter Jude hielt er sich nicht an die religiösen Vorschriften, somit konnten auch keine Konflikte mit seinem Verein auftreten, zum Beispiel anlässlich von Fußballspielen am Samstag. Das jüdische Gebot schreibt hier eine strikte Schabbatruhe vor, sodass nach jüdischem Ritus an diesem Tag keine Spiele ausgetragen werden dürfen.

Ein kurzer Exkurs in die Fußballgeschichte beleuchtet eine weitere Seite der Persönlichkeit Kurt Landauers. Bereits 1901 spielte er in der zweiten Mannschaft des FC Bayern als Torwart. Während seiner Banklehre in Lausanne lernte Landauer nicht nur perfekt Französisch; in der internationalen Stadt mit vielen englischen Internatsschülern und Studenten stieß er schon früh auf den Fußball, wie er im Mutterland England gespielt wurde. In Mitteleuropa trat der Fußball zunehmend in Konkurrenz zu Turnen und Fechten, und englische Lehrer erwiesen sich als Vermittler der neuen Sport- und Lebenskultur, die nicht nur Schweizer Elite-Internate, sondern auch die technischen und kaufmännischen Fachschulen eroberte. Religion, Politik und Weltanschauungen sollten beim Fußball außen vor bleiben, der Sport vielmehr der Völkerverständigung dienen. Mit diesen Maximen wurde Kurt Landauer einer der Visionäre des deutschen Fußballs, doch damit gleichzeitig ein Kontrahent der traditionell konservativ und nationalistisch ausgerichteten Turnbewegungen und Sportvereine. Das Spiel gedieh in einer anglophilen und weltoffenen Atmosphäre. Das erklärt, warum die in die moderne bürgerliche Gesellschaft strebenden Juden sich darin besonders stark engagierten: als Gründer, als Förderer, als Fans, als Spieler und Trainer. Als »Pioniere der Moderne« war der Fußball für sie von großer Attraktivität. »Sie wollten mitspielen und nicht als Juden in Erscheinung treten«3, konstatiert der Soziologe Detlev Claussen. Viele der Fußballpioniere beim FC Bayern gehörten als Angestellte und Kaufleute wie Landauer dem Bürgertum an. Nach Josef Pollack und Benno Elkan, Mitbegründer des FC Bayern, war Landauer 1901 eines der ersten jüdischen Mitglieder. 1932, im letzten Finalspiel vor der Machtübergabe an Hitler, sind zwei Juden die Meistermacher: der europaweit bekannte Trainer Richard Kohn, der sich, um nicht gleich als Jude identifiziert zu werden, Dombi nannte, und Kurt Landauer.

Herauszustellen ist Landauers ehrenamtliches Engagement als Fußballfunktionär. Er agierte bereits 1904 im Präsidium als Schriftführer und 1913 erstmals als Präsident des FC Bayern. In seiner Amtszeit vervierfachte er die Mitgliederzahl von 400 bis Ende der 1920er Jahre auf 1600, unter die katholische Mehrheit mischten sich Protestanten und Juden. Während die mehr als 120 inzwischen vom Verein recherchierten jüdischen Mitglieder, meist Kauf- und Geschäftsleute, einfache aktive oder passive Mitglieder waren, stiegen nur wenige Juden in die Vereinsleitung auf, etwa als Beisitzer oder Kassier. Im Unterschied zu anderen Vereinen leistete sich der FC Bayern mit Landauer nur einen einzigen jüdischen Funktionär, der auf eine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit im Vereinsvorstand blicken konnte. Im Anhang der Briefedition finden sich zwei der zahlreichen überlieferten Texte des Fußball-Vielschreibers Landauer. Sie dokumentieren seine Fußball-Visionen und zeigen, wie stark er den FC Bayern und seine Entwicklung in den Anfangsjahrzehnten prägte. So organisierte er z. ‌B. internationale Freundschaftsspiele mit Vereinen wie MTK Budapest und Tottenham Hotspur, Servette FC Genève und FC Basel, damit die Spieler des FC Bayern ihre Spielweise professionalisieren konnten. Er verpflichtete Trainer aus der angelsächsischen und österreichisch-ungarischen Spielkultur wie William J. Townley, Kálmán Konrád und Richard Dombi, um den anderen Vereinen der Liga einen Schritt voraus zu sein. Er stritt für Unfallversicherungen und Massageräume für die Spieler und trat für Spielergehälter ein, damit diese, vom beruflichen Alltag entlastet, sich besser dem Fußball widmen konnten. Über Jahre warb er bei den Fußballverbänden für seine Ideen zur Modernisierung und Professionalisierung des Fußballs.

Landauers Konzept führte schließlich zum Erfolg: Im Finale in Nürnberg gewann der FC Bayern 1932 gegen Eintracht Frankfurt mit 2:0 und sicherte sich zum ersten Mal die Deutsche Meisterschaft. Hierzu Landauer in den Clubnachrichten: »Bayern München, Deutscher Meister! Das ist das Fazit unseres Berichtsjahres über die sportlichen Geschehnisse. Wir wollen das sportlich Wertvollste, das ist der Deutsche Meisterschaftssieg, vorwegnehmen, denn er überschattet alles andere. […] Stellte schon das vergangene Jahr Anforderungen an die Clubleitung, die [als] außergewöhnlich zu bezeichnen gewesen sind, so übertrifft das Heurige seinen Vorgänger noch um ein Bedeutendes. Die erschreckende Zunahme der Arbeitslosigkeit, die traurige Wirtschaftslage, die Nöte überall, die Zerrissenheit im Volke: all das war nicht dazu angetan, um die Geschehnisse besonders hoffnungsvoll zu betrachten. Es galt vor allen Dingen, eine rasche Anpassungsfähigkeit bei allen besonders gelagerten Dingen zu beweisen, um sofort einer neuen Situation gewappnet gegenüber zu stehen. Und wir können sagen, daß es uns gelungen ist, das Vereinsschiff über die gröbsten Fährnisse sicher hinweg zu steuern.«4

Die Vereinsleitung in der Saison 1931/32, mit den Meistermachern Kurt Landauer, Siegfried Herrmann und August Harlacher, stehen bereits unter den Auspizien der Zeit. Wie Landauers gesamtes Umfeld der »alten Bayern« hatten alle drei als Soldaten im Ersten Weltkrieg gedient, waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg beim FC Bayern eingetreten und nun seit mehr als 20 Jahren Vereinsmitglieder. Jedoch August Harlacher, Angestellter der Hypotheken- und Wechselbank, trat schon am 1. Juli 1930 in die NSDAP ein, also wenige Tage vor der Wahl Landauers zum Präsidenten und seiner eigenen in den Vorstand des FC Bayern. Somit gehörte er zu den ersten 300 ‌000 Mitgliedern der völkisch-antisemitischen Partei.

In seinem Lebensbericht schreibt Landauer später: »Dann trat DAS Ereignis ein, das alles für uns von Grund auf umwandeln sollte.« Es war der 30. Januar 1933. Hitler wird zum Reichskanzler gewählt. Für die Juden beginnt sich die Schlinge zuzuziehen. Am 21. März ist in den Münchner Neuesten Nachrichten zu lesen: Konzentrationslager für politische Gefangene in Dachau eingerichtet. Am 22. März 1933 tritt Kurt Landauer als Präsident des FC Bayern zurück. Er schreibt lapidar: »Mit Aufregungen aller Art gingen die Monate Februar und März hin.«5 Es ist davon auszugehen, dass Maria Baumann und er die politischen Zuspitzungen miteinander umfassend besprochen haben. Der Lebensbericht konzentriert sich mehr auf Diffamierungen und Ausgrenzungen im Beruf und im Privaten. Die Entbürgerlichung Kurt Landauers beginnt: seine Entlassung im Knorr & Hirth Verlag 1933, er fängt als Versicherungsvertreter an. Erfolglos von Haus zu Haus zu gehen, bezeichnet er als die beruflich unglücklichste Zeit. Schließlich kommt er in der Wäschefabrik Rosa Klauber unter. Nach der Pogromnacht wird er im November 1938 verhaftet und ins KZ Dachau deportiert.

Anhand von Kurt Landauers Biographie tut sich das ganze nationalsozialistische Schreckenspanorama auf: Denunziation, Diffamierung, Enteignung und Verfolgung bis hin zur Vernichtung. Die Schicksale seiner Geschwister und anderer jüdischer Familien Münchens werden sichtbar. Vier Geschwister Landauers, eine Schwägerin und einer seiner Neffen werden ermordet – auch viele Angehörige der Familie Klauber und jüdische Mitglieder des FC Bayern wie z. ‌B. der Jugendleiter, Otto Albert Beer. Im Rückblick schreibt er: »Leider, leider ist man damals zu kurzsichtig gewesen, leider, leider war man immer der Meinung gewesen, dies und jenes könne nicht geschehen, und man wiegte sich in der Hoffnung, dass man selbst als alter Frontkämpfer nicht unter Sonderbestimmungen fallen würde.«6

Kurt Landauers Bericht zeigt, dass er im Genfer Exil sehr gut über die Lage im nationalsozialistischen Deutschland informiert war. Er hörte ausländische Sender, las über Konzentrationslager, Deportationen und von Gaskammern. Umso mehr wusste er Maria Baumanns Leistungen und ihre Haltung zu schätzen. In ihr sah er einen Menschen, der sich in »wundervoller Weise benommen« hat. Maria Baumann gehörte zu den wenigen Münchnerinnen und Münchnern, die den Bedrohten und Verfolgten bedingungslos halfen. Sie dachte früh über eine gemeinsame Auswanderung nach, stellte für Landauer einen Visumsantrag im amerikanischen Konsulat und reagierte bei den immer schlimmer werdenden Restriktionen der Nationalsozialisten mit Trost und mit in der deutschen Gesellschaft kaum noch anzutreffender Mitmenschlichkeit. Trotz der drohenden Denunziation nach den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen 1935 hielt sie als Nicht-Jüdin an der verbotenen Liebesbeziehung zu Landauer fest, arbeitete weiter im Haushalt der Landauer-Geschwister und unterstützte seine Familie auch nach seiner Emigration mit besten Kräften. Sie bewahrte für Landauers Schwester Henny nach deren Emigration Gemälde auf und blieb bei seinen anderen Geschwistern in ihrer immer auswegloseren Lage in München bis zu ihrer Deportation. Sie hielt den Kontakt zu Kurt Landauer mit Briefen nach Genf aufrecht. Allein dadurch brachte sie ihr eigenes Leben immer wieder in Gefahr.

Die Schweiz wurde Landauers Rettung. Doch der Briefwechsel macht zugleich den Umgang der Schweiz mit Zuflucht Suchenden sichtbar. Nur mit Unterstützung von Maria Klopfer, deren Ehemann und ihren Brüdern in New York erhielt Landauer eine Einreisebewilligung. Wenige, nur etwa 1400 jüdische Flüchtlinge mit ehemals deutscher Staatsbürgerschaft, konnten eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung vorweisen. Sie mussten gleichzeitig ein Visum für einen anderen, nächsten Zielort angeben. Nur die Finanzierung durch seine Freunde sicherte Landauer den Aufenthalt in Genf von 1939 bis 1947, ohne dass er Bittsteller bei jüdischen Organisationen in der Schweiz werden oder Arbeitsdienst in einem von den Hilfsorganisationen eingerichteten Arbeitslager leisten musste. Die Beschreibung seines monotonen Genfer Alltags in großer Einsamkeit und totaler Abhängigkeit von den Klaubers, sein ängstliches Warten auf Nachrichten aus der Heimat und die nur mehr spärlichen Kontakte zu früheren Bekannten aus dem Fußball-Leben zeigen, dass er auch im Exilort Schweiz ein Entwurzelter war. Er fieberte dem Kriegsende entgegen.

Für die Remigrationsforschung stellen der Lebensbericht und der spätere Briefwechsel die wichtige Frage, inwieweit Rückkehrer bereit waren, ihre Leidenserfahrungen auszublenden, um im Postnazideutschland wieder ihren rechtmäßigen Platz einnehmen zu können. Die meisten Verfolgten entschieden sich anders als Kurt Landauer und blieben in der Emigration, wie auch Maria Klopfer und ihre Eltern, die nach dem Genfer Exil in Amerika ein neues Zuhause fanden. Nur 57 Münchnerinnen und Münchner7 kamen wie Landauer in ihre Geburtsstadt zurück. Kurt Landauer wählte als Präsident des FC Bayern sogar wieder das gesellschaftliche Umfeld des Vereins, aus dem er nach 1933 nach und nach verdrängt worden war.

Bereits in der Schweiz konfrontierten ihn Briefe aus Deutschland mit dem Problem, wie er nach dem Krieg und der Schoa mit seinen ehemaligen nicht-jüdischen Geschäftspartnern und Vereinskollegen umgehen sollte. Viele dieser Briefe ließ er unbeantwortet, bei anderen »fällt es mir schwer, keine Antwort zu geben, noch schwerer aber, die richtige, ohne verletzend wirken zu müssen.«8

Kurt Landauer entschied sich schließlich 1947 für ein München, in dem die Asymmetrie der Erfahrungen krasser nicht sein konnte: auf der einen Seite standen die, die dem Nationalsozialismus gedient hatten, auf der anderen der von diesem Regime Verfolgte, der alles verloren hatte – seine Familie, sein Bürgerrecht und seine materielle Existenz.

Kurt Landauer suchte seinen Ort nicht in der jüdischen Gemeinschaft Münchens. Diese setzte sich in ihrer großen Mehrheit aus osteuropäischen Juden zusammen, die überhaupt erst nach der Schoa nach Deutschland gekommen waren. Das Münchner Vorkriegsjudentum hatte aufgehört zu existieren. In nur einem Punkt trat er als Jude auf, nämlich als Verfolgter des NS-Regimes: er strengte ein jahrelang dauerndes sogenanntes Wiedergutmachungsverfahren an.

Kurt Landauer ging sehr weit, um sich in der deutschen Gesellschaft konfliktfrei wieder zu positionieren. Er schrieb entlastende eidesstattliche Erklärungen für Entnazifizierungsverfahren, überzeugte nach 1947 als Vereinspräsident »alte Bayern«, darunter auch solche, die in der NSDAP gewesen waren, in den Verein zurückzukommen. Er unternahm Fahrten für den Verein, unter anderem mit Dr. Otto Schmitz, obwohl er wusste, dass dieser sich an der »Arisierung« des Bankhauses Gebr. Marx, dem Besitz eines anderen Mitglieds des FC Bayern, Siegfried Salomon Marx, beteiligt hatte. Als er trotz eindeutiger Rechtslage in seinem sogenannten Wiedergutmachungsverfahren erst nach vielen Jahren erste Zahlungen für das verlorene Vermögen seiner Familie erhielt, unterstützte er den FC Bayern 1955 großzügig. Maria Baumann schreibt im Juli 1948, nach der erneuten Wahl Landauers zum Präsidenten, an Maria Klopfer: »Er wäre ein sehr einsamer und menschenscheuer Mensch, wenn er die Beschäftigung nicht hätte, die jeden Tag seinen vollen Einsatz verlangt. Ein Jahr leitet er schon den Club und gestern erhielt er die volle Anerkennung dafür.«9

Sosehr Landauer für den Fußball und seinen Verein lebte, so dokumentiert der Briefwechsel doch vor allem eine sehr besondere Liebesgeschichte. Er legt Zeugnis ab von einer nicht standesgemäßen Beziehung zwischen einem Münchner aus großbürgerlicher Familie und einem Hausmädchen, von einer im Nationalsozialismus verbotenen Beziehung zwischen einem Juden und einer Nicht-Jüdin, die als »Rassenschande« galt, und wir lesen von einer acht Jahre das Exil überdauernden, lebensrettenden Liebe in Briefen. Landauer schreibt: »Es ist immer ein eigen Ding mit unseren Briefen gewesen und es wird wohl nicht zu oft vorgekommen sein oder noch sich ereignen, dass zwei Liebende ihre Korrespondenz in einer solchen Form abwickeln müssen.«10 Beide glaubten an eine gemeinsame Zukunft und in ihrer Korrespondenz versicherten sie sich ihrer Liebe und Treue. Es war Maria Baumann, für die Kurt Landauer nach München zurückkehrte. »Aber der Bayern wegen komme ich ja nicht, da ist schon ein ganz ganz anderer Anziehungspunkt!!«11

Kurt Landauer und Maria Baumann heirateten 1955 in München.

1Siehe S. 110.

2Siehe S. 144.

3Claussen 2006, S. 63.

4Club-Nachrichten, Juli 1932, S. 28-34.

5Siehe S. 50.

6Siehe S. 48.

7Sinn 2008, S. 103.

8Siehe S. 178.

9Siehe S. 269.

10Siehe S. 102.

11Siehe S. 143.

Lebensbericht

Geliebte Maria!

Briefe zwischen Kurt Landauer und Maria Baumann, 1946-1947

Genf, den 2. April 1946.

Meine liebe und gute Maria!

Heute wurde mitgeteilt, dass der Postverkehr mit Deutschland wieder aufgenommen worden ist.[171]  Es ist so selbstverständlich, dass ich Ihnen[172]  zum ersten möglichen Termin schreibe. Ihnen sage, dass ich viel, viel an Sie gedacht habe, dass ich in Gedanken mit Ihnen gewesen bin noch und noch, und dass ich mir zuweilen arge Sorgen gemacht habe, dass ich so gar nichts von Ihnen habe hören können. Ich weiß nicht, wo Sie sind, was Sie treiben, wie es Ihnen geht, kurz, ich erwarte voll Ungeduld Ihre Zeilen. Wie geht es Ihren Schwestern, Ihren Brüdern, den Schwägern und Schwägerinnen, den kleinen Nichtlein und Neffen? Sie sehen, ich will so vieles von Ihnen wissen. Sind die Schwäger alle zurück? Von Elfriede[173]  hörte ich einmal, dass der Seftl[174]  es nicht sei. Und was macht Frau Males Mann[175] ?

Von Elfriede hatte ich vor vier Wochen einen recht netten Brief, aber sie wusste ebenso wenig von Ihnen wie ich selbst. Von Frau Eichler[176]  habe ich gestern gehört, dass Sie eventuell bereit sind, dem Knechtle[177]  seinen Haushalt wieder vorzustehen. Sie können sich nicht vorstellen, liebe Maria, wie sehr mich diese Nachricht erfreut hat und auch bewegt hat. Man darf vorderhand wenigstens noch nicht daran denken. Ich weiß nun so gar nicht, inwieweit Sie unterrichtet sind, was mich selbst betrifft, ich habe auch keine Ahnung, ob Sie jemals von mir Post erhalten haben. Versuche, Ihnen Mitteilungen zu machen, habe ich verschiedene unternommen. Zuletzt sollte Sie in Memmingen ein Bekannter besuchen, der ab Zürich nach München gefahren ist über Memmingen im Auto. Ich habe nun von ihm gehört, dass von einer ganzen Menge Leute, die er um die Adresse frug, ihm niemand sagen konnte, wo das Haus in Hoppenried[178]  sei, und da er nicht zu viel Zeit verlieren konnte, musste er unverrichteter Dinge nach München fahren. Vielleicht hat er Ihnen aber zwischenzeitlich geschrieben, da er auch Freund Herzing aufsuchen wird, so könnten Sie vielleicht von diesem von mir hören. Also im Sommer will ich nach München und, wenn es klappt, dann zum Herbst wieder für ganz. Was sagen denn Sie dazu, Maria? Ist es Ihnen recht und halten Sie es für gut und vernünftig? Aber ich muss ja wieder einmal zu arbeiten beginnen.

Elfriede ist in der Lage, Ihnen Lebensmittelpakete zu senden, wenn Sie sie bei ihr anfordern und ihr vor allen Dingen mitteilen, was Sie haben wollen. Ich habe Elfriede heute davon unterrichtet und ihr ausführlich geschrieben.

Von [den] Franz'schen Sachen ist ein Koffer an mich unterwegs mit Kleidern und Wäsche,[179]  ich weiß nicht, ob ich sie tragen kann, denn er ist doch viel stärker gewesen als ich und auch größer. Wollen einmal sehen. Übrigens bin ich mit meiner Gewichtszunahme recht zufrieden, von den bislang verlorenen 60 (!) Pfündern habe ich doch schon wieder ca. 18 zurückgewonnen, immerhin etwas. Gesundheitlich geht es mir recht ordentlich, aber die Nerven sind nicht mehr so stark, wie sie ehedem gewesen sind. Man hat doch zu viel mitmachen müssen und das einfachste und bescheidenste Leben, das man nunmehr seit sieben Jahren führt, trägt das Seinige dazu bei. Aber ich darf beileibe nicht klagen, was müsstet dann erst Ihr alle sagen?

Von Familie Klopfer-Klauber ist nichts Neues zu berichten. Vielleicht war die alte Dame seit Jahren nicht mehr so schlecht beisammen als gerade zurzeit, sie regt sich sehr auf, dass ihre Söhne der Reihe nach sie besuchen werden und ihr Schwiegersohn.[180]  Auch der alte Herr ist krank gewesen, hatte Grippe, in seinem Alter nicht mehr ganz so einfach. Frau Maria pflegt und hegt ihre beiden »Säuglinge« mit der bekannten Sorgfalt und reibt sich dabei auf. Elli ist auch verheiratet,[181]  Lotte hat ihren zweiten Buben bekommen.[182] 

Wissen Sie, dass ich Universalerbe meines Bruders Franz geworden bin? Leider ist das Wertvollste seiner Sachen in Holland gestohlen worden. Es ist nicht so einfach, seine Ansprüche in dieser Erbschaft geltend zu machen. Die Henny ist genau das nämliche S…weib geblieben, das sie immer war. Wir sind sehr weitgehend auseinandergekommen gewesen, vorigen Monat hat sie mir zum ersten Male Geld geschickt, 100 Dollars!!!

Nun will ich für heute Schluss machen, damit der Zensor nicht gleich zu viel Arbeit an meinem Briefe hat, darum auch der größere Zeilenabstand.[183]  Und nun, liebste Maria, lassen Sie bitte bald, bald von sich hören, ich warte sehnsüchtig auf Ihre Zeilen. Grüßen Sie mir die Baumann'schen alle. Seien Sie selbst aber innig und herzlichst gegrüßt in unveränderter treuer Gesinnung

von Ihrem alten, immer gleichen Herrle.

Genf, den 24. April 1946.

Geliebte Maria!

Es scheint wirklich gleich geblieben zu sein bei unserer Korrespondenz, nämlich: Ich warte, um Ihnen zu schreiben, dann entschließe ich mich doch und prompt am nächsten Tage kommt Nachricht von Ihnen. So geschehen mit meiner Karte vom 17. April. Am 18. April kam dann endlich, endlich Ihre erste Nachricht, Ihr lieber Brief vom 2. April, und heute derjenige von Frau Eichler.

Also zunächst einmal, meine liebe, gute Maria, vielen, vielen und herzlichen Dank. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie mir zumute gewesen ist, als ich Ihre Zeilen gelesen habe. Ich konnte mich nicht ganz zurechtfinden mit Ihrem Brief vom 2. April, denn Sie hatten sicherlich angenommen, dass ich über alles schon informiert gewesen sei. Aber dem war leider nicht so. Es sind traurige Dinge, die ich da erfahren musste. Vor allen Dingen der Tod des Bruders Max hat mich sehr beeindruckt, armer Mann hat so früh von hinnen gehen müssen und Frau und Kinderlein allein lassen.[184]  Nehmen Sie noch nachträglich mein herzlichstes Beileid entgegen. So hat Ihre Familie diesem fürchterlichsten aller Kriege ihren Tribut zahlen müssen: die gute Mutter, den Vater und zu guter Letzt noch den Bruder. Dann hat mich geradezu erschreckt, dass Sie krank, und zwar ernstlich krank gewesen waren. Nun hoffe ich doch, dass es wieder besser geht, schonen Sie sich nur ordentlich, muten Sie sich vor allen Dingen nicht zu viel zu und sehen Sie zu, dass Sie bald wieder zu richtigen Kräften kommen. Bis ich dann da sein werde, müssen Sie wieder ganz bei guter Gesundheit sein, gut aussehen und wieder die alte Maria sein. Gell!

Also meine Einreisegenehmigung von der amerikanischen Militärbehörde in München habe ich bereits in Händen, das ist die Hauptsache. Die anderen noch nötigen Dinge sind im Laufe, wie lange sie dauern, kann ich natürlich nicht sagen, aber ich hoffe doch, dass ich zu Pfingsten da sein kann.[185]  Ja, Maria, wer hätte das gedacht, dass wir uns unter solchen Umständen wiedersehen werden. Aber die Hauptsache ist und bleibt, dass wir beide innerlich unverändert geblieben sind. Es wird sich dann alles andere schon finden. Ich habe mir die Reise so gedacht, dass ich zuerst nach Memmingen kommen werde, dorten einige Tage verbringe, wenn es möglich ist, im schönen Ried in Mutter Baumanns Haus. Aber das überlasse ich Ihnen. Wir können meine Pläne durchbesprechen und dann werde ich in München weitersehen. Auf alle Fälle kehre ich zuerst noch einmal nach Genf zurück, bevor ich mich zu irgendetwas endgiltig entschließe. Sie werden verstehen, dass ich hier nicht meine Zelte abbrechen kann, ohne dass ich weiß, wie es in München für mich ausschauen wird. Den Willen zum Zurückgehen habe ich unbedingt und einen Weg zum Leben dorten wird es für uns beide auch geben. Franz hat gut vorgearbeitet und ich bin gerührt von so viel Freundschaft und Treue, wie Sie und er mir entgegenbringen. Aber Ihr seid eben aufrechte und ehrliche Menschen, auf die man sich halt verlassen kann. Und dieser Gedanke ist mehr als schön.

Von Elfriede und Walter[186]  hatte ich einen sehr herzlichen Brief vom 16. April, angekommen schon am 20. April. Ich hatte ihnen den Vorschlag gemacht, dass ich es übernehmen würde, den beiden Familien von hier aus durch Hilfskomitees Lebensmittelpakete zu senden,[187]  worauf ich heute Geld von ihnen zu diesem Zwecke bekommen habe. Demzufolge habe ich heute folgende Pakete zur Versendung aufgegeben: Karl Schuler und Lisa Förch in Merchingen[188]  1 großes und ein kleines Paket; an Sie, liebe Maria, 2 große und ein kleines Paket. Bitte schreiben Sie an Herrn Schuler, dass die beiden Pakete an seine Adresse gesandt worden sind und dass er sie zwischen sich und Frau Förch aufteilen soll. Die Pakete für Sie gehören allen Baumännern, also nach Burtenbach und nach Memmingen. Sie werden es schon zweckmäßig verteilen. Da aber die kleinen und die großen Pakete nicht von derselben Stelle aus geschickt werden, so werden sie wohl auch zu verschiedenen Zeiten ankommen. Jedenfalls wünsche ich guten Empfang und ebensolchen Appetit für Jung und Alt, Groß und Klein.

Elfriede hatte von Memmingen überhaupt noch nichts gehört gehabt und war froh, durch mich Nachricht zu haben. Nun werde ich heute wieder ausführlich schreiben, Walter hat von den Seinigen schon einige Male Bericht bekommen, der Schwager von ihm ist ja erfreulicherweise wieder zurück. Dass es Ihr Schwager Mich [Michael Unterweger] auch ist, hat mich sehr gefreut, denn für ihn hatte ich mich immer gesorgt. Und nun hat er wieder ein Mädelchen, in der heutigen Zeit für eine Mutter hart, drei kleine Kinder zu haben.[189]  Hoffentlich sind sie alle gesund.

Es ist gut, dass Sie sich von Illigs[190]  in Freundschaft getrennt haben, ich habe nie so ganz begriffen, dass Sie dorten gearbeitet haben. Denn Frau Maria hat mir erzählt, dass ihre ganze Familie Patienten bei ihm gewesen sind und bereits im Jahre 1933 (!) fortgeblieben sind, weil er schon damals Ortsgruppenleiter gewesen war.[191]  Herr Kl.[192]  hatte sich mit ihm auseinandergesetzt, d. ‌h. ihm gesagt, warum die Familie nicht mehr kommen würde!! Aber die Hauptsache ist doch gewesen, dass Sie es dorten gut gehabt haben, und anscheinend haben Sie doch auch ein ganzes Zeug voll Sach[en] lernen können in seiner Praxis.

Hier geht alles wie gewohnt seinen gewohnten Gang. Natürlich warte ich fieberhaft auf meine diversen Genehmigungen zur Reise und gedanklich bin ich schon ganz in meinen Vorbereitungen drin. Herrgott, Maria, was wird das werden, wenn wir nach so, so langer Zeit wieder Aug in Aug gegenüberstehen, da wird das Herz bis zum Halse hinauf klopfen, Ihnen sowohl als mir. Und was wird es alles zu erzählen geben! Und dann werden wir wohl beide feststellen müssen, dass der Krieg nicht spurlos an uns vorübergegangen ist und dass wir älter denn sieben Jahre geworden sind. Aber Hauptsache ist und bleibt, dass wir innerlich die Gleichen geblieben sind!

Sie schrieben von Lelle etwas. Haben Sie von ihrem Tode etwas Authentisches gehört?[193]  Denn ich habe nie irgendwelche Bestätigung erhalten, wie ja all die, die durch Deportation umgekommen sind, wohl niemals als Tote registriert worden sind. Sie sind eben einfach verschwunden und damit ist ihr Los besiegelt.

Von den 3 Kl. soll ich Sie recht, recht herzlich grüßen, speziell von Frau Maria. Also Elli ist nicht nur verheiratet, sondern sie erwartet auch im Sommer schon ein Baby.[194]  Sie muss in ihrem Leben enorm tüchtig sein, genau wissen, was sie will, und sehr gut vorwärtsgekommen sein. Die alte Dame hatte zu Ostern ihren 80. Geburtstag, sie ist recht schlecht zurzeit beisammen, die Aufregung über den bevorstehenden Besuch ihrer Söhne und Schwiegerkinder geht nicht spurlos an ihr vorüber. Frau Maria ist sehr abgearbeitet und übernervös.

Ja, da fällt mir gerade ein, dass Elfriede die Krawattennadel von Leo erwähnt, ich habe nie gewusst gehabt, dass Sie die ihr gegeben hatten. Was sind Sie doch für ein prächtiger Mensch, Maria! Ernst Klauber wird sie mir mitbringen.[195] 

Auf Ostern bin ich wieder mit Jugend beschäftigt gewesen, wie all die Jahre hindurch. Dieses Mal hatte ich Basler und es ist recht nett gewesen. Das Turnier war ganz groß aufgezogen, international: eine englische, eine italienische, fünf französische und fünf schweizerische Mannschaften. Sieger die Engländer vor den Italienern und der Schweiz.[196]  Übrigens, weil wir gerade von Fußball reden, so meinten Sie, es stünden mir alle Türen offen, ich bräuchte nur zu kommen. Ja, liebe Maria, zuvörderst kommt nun die Arbeit, denn gefaulenzt habe ich lange genug und ich muss doch trachten, dass wir Geld zum Leben verdienen, wir beide.

Von Amsterdam habe ich einen großen Koffer voll Kleider und Wäsche von Franz bekommen, was ich alles sehr gut gebrauchen kann, und merkwürdigerweise passen mir die Kleider von Franz ausgezeichnet. Sie wissen ja, Franz war immer sehr gut gekleidet. Am Freitag kommt Tillys Schwester[197] , die auch in Amsterdam lebt und zurzeit bei Freunden in Bern ist, auf Besuch auf drei Tage zu mir. Sie wohnt in meiner Pension*, damit sie auch sehen kann, wie einfach und bescheiden ich die ganzen Jahre hindurch gelebt habe.

Nun ist Schluss für heute. Lassen Sie bitte recht, recht bald wieder von sich hören. Hoffentlich berichtet mir Ihr nächster Brief, dass Sie gesundheitlich wieder auf der Höhe sind. Jeder Tag bringt unser Wiedersehen näher und darauf freu ich mich unbändig. Alles, alles Gute, recht viele freundliche Grüße an Ihre Geschwister. Ihnen selbst aber die herzlichsten und liebsten Grüße, liebe Maria, von Ihrem

alten und getreuen Herrle.

* auf ihre Kosten!

Genf, den 24. Oktober 1946.

Meine liebe und gute Maria!

Haben Sie recht vielen herzlichen Dank für Ihren großen und ausführlichen Brief vom 24. September, nein, Depp, der ich bin, vom 9. Oktober, abgestempelt am 10. Oktober und heute bei mir eingetrudelt, also ziemlich rasch gereist. Ich habe mich mit Ihren aufgeschlossenen Zeilen sehr gefreut, das heißt eigentlich nicht die Zeilen waren aufgeschlossen, sondern der Sinn, in dem sie geschrieben worden sind. Sie verstehen schon, wie ich es meine.

Also wieder ein Paket ist angekommen, und zwar von Ernst Klauber, das freut mich. Frau Maria und ich haben ihn gebeten bei seinem Hiersein, er möchte Ihnen doch Lebensmittel senden und haben eigens betont, dass Sie so viel[e] kleine Neffen und Nichten haben, was man bei der Zusammenstellung der Sendung berücksichtigen möchte. Sie sehen, das hat man getan. Dass Sie gleich gedankt haben, ist sehr lieb von Ihnen und macht auf Ernst einen guten Eindruck, denn er ist ein gar weicher Mensch. Die Haslacher[198]  Adresse habe ich mir vorgemerkt und sofort versucht, dass man Ihnen die Sachen schicken kann. Ich werde sehen, ob es vielleicht auf diese Weise geht. Schade darum, dass die guten Dinger so lange unbenützt liegen bleiben müssen, wo viele große und kleine hungrige Mäuler, darunter ein ganz, ganz liebes, vergebens darauf warten. Inzwischen ist mir von Frau Alice[199]  schon ein neues Paket für mich avisiert worden, werde mal sehen, ob es etwas Passendes für das liebe Bimbesle ist. So wird aus dem angedachten Geburtstagsgeschenk ein solches für Weihnachten werden. Dass das eine ausstehende Paket aus Dänemark über Zürich immer noch nicht bei Ihnen eingetroffen ist, tut mir leid, ich habe heute sofort bei der Züricher Firma reklamiert.[200]  Da Sie nichts wegen der »Palästina Pakete« (hahahahaha!!!!) schreiben, so denke ich, dass es erst in meinem Brief vom 1. Oktober steht, dass diese palästinensischen Pakete von Ihrer Elfriede sind.[201] 

Übrigens weil ich gerade meinen Brief vom 1. Oktober erwähne, es ist noch einer vom 14. Oktober an Sie unterwegs. Somit ist wieder gute Ordnung in unsere Korrespondenz gekommen und dem ist gut so. Bis auf die beiden Oktober-Briefe sind somit alle meine Geschreibsel bei Ihnen eingetroffen und ich denke, dass auch von Ihnen nichts fehlt. Ich muss Ihnen abermals ein großes Kompliment machen, wie gut und fast fehlerlos Sie mit der Maschine schreiben, da sind Sie mir schon über, denn leider habe ich früher viel besser geschrieben, jetzt mache ich viele Fehler, die alle auf eine gewisse Nervosität schließen lassen.

Von Franz Herzing hatte ich letzte Woche einen sehr ausführlichen Brief, das heißt, eigentlich war der Brief von »ihra«[202]  (frei nach Margot Strassberger[203] ), er hatte ihn nur diktiert. Es hat sich in meiner Sache nichts Neues ergeben, auch Kolm[204]  konnte nichts erreichen, so muss es eben ruhen bis zum Frühjahr und da komme ich dann ganz bestimmt, so oder so. Das heißt also entweder auf Besuch und wenn das nicht geht, dann für ganz. Denn hier kann es ja so nicht mehr weitergehen. Alle meine Bemühungen, Arbeit zu finden, sind fehlgeschlagen. Dadurch dass ich mir nicht allzu große Hoffnungen gemacht habe, ist meine Enttäuschung nicht groß. Sie verstehen es doch, liebe Maria, dass ich im Winter nicht kommen will, es hat keinerlei Sinn, denn da wäre das Eingewöhnen wohl auch zu schwierig und dann denke ich mir, dass der Winter im nächsten Jahre vielleicht doch erträglicher sein wird. So hofft man wenigstens allenthalben. Aber ich bin abgekommen vom Briefe von Franz. Er hat jetzt durch Kolm den Oberrabbiner ‌(!) von München[205]  für meine Angelegenheit zu gewinnen verstanden, der ihm Unterstützung zugesagt hat. Auch will er es wieder durch die sportlichen Organisationen versuchen. Einmal wird es schon werden. Ich weiß ja, dass man sehr, sehr strenge ist mit der Genehmigung, es gibt Leute, die seit Monaten darauf warten, die es viel eiliger haben, und können nichts erreichen.

Die Pakete, die die Herzingsbekommen haben, haben anscheinend Wunder gewirkt und der Franz ist, da er etwas Zusätzliches zum Essen hat, handsamer[206]  geworden. Sie können sich nicht denken, wie begeistert er über diese Lebensmittel schreibt. Glauben Sie mir, liebste Maria, wenn ich könnte, wie ich wollte, das heißt, wenn das lausige Geld nicht wäre, sowohl Sie wie die Lingers [Franz und Elisabeth Herzing] bekämen alle Monate ihr Päckchen. Denn ihr seid immer so anständig, so treu in Eurer Freundschaft gewesen, Ihr seid Euch immer gleich geblieben in Eurer hochanständigen Gesinnung, dass Ihr es wert seid, dass man Euch hilft, wo immer es nur geht. Seien Sie versichert, ich habe Ihnen Ihre wundervolle Treue niemals vergessen, in ganz schwarzen Tagen, [von] denen es hier auch viele gegeben hat, habe ich mich daran aufgerichtet und gehofft, dass einmal der Tag und die Zeit kommen wird, da ich Ihnen das alles wieder vergelten darf. Ihnen zeigen, dass es nicht umsonst gewesen ist, dass Sie Ihre Treue keinem Unwürdigen bewahrt haben!!

Dass Franz Sie nicht teilhaben lässt an den Bemühungen wegen meiner Ein- bezw. Rückreise, nimmt mich eigentlich wunder, weiß ich doch, dass er immer große Stücke auf Sie gehalten hat. Noch mehr wunder nimmt mich allerdings, dass er sich so gerne mit Betty unterhält, denn außer einem gewissen Humor hat doch die Betty wenig Intelligenz und auch keinerlei Bildung, die einen Vergleich mit der Ihrigen aushalten könnte. Oder sollte es der »Vorbau« sein, der unserem Franz so gefällt, denn für derlei »rundliche Dinger« hat er immer eine gewisse Schwäche gehabt. Na ja, mit 62 Jahren reißt man keine Bäume mehr aus!!

Von Julius[207]  und Henny bekam ich dieser Tage einen Brief, dass er wieder gut bei seiner Süßen angekommen ist. Von Henny kein Wort, dass sie sich meine Lage doch anders vorgestellt habe oder dass sie mir in Zukunft helfen wolle, nichts, rein gar nichts darüber, auch er hat diese Sachen nicht mehr erwähnt. Ich habe sie die ganze Zeit über, da ich in Genf war, nicht gebraucht, und werde sie auch die paar Monate, da ich noch da bin, nicht mehr brauchen. Aber sie dürfen nicht glauben, dass in der Erbschaftssache Franz auch nur ein Stück oder ein Pfennig Geld zu ihnen kommen wird, ich werde darin als Universalerbe unerbittlich sein und ihnen selbst da nichts geben, wo ich nach Willen des Verstorbenen es tun sollte, weil es auch hier zweierlei Auslegungen gibt. Aber das werde ich Ihnen einmal alles mündlich auseinandersetzen. Oh mei, Maria, was wird es da alles zwischen uns zu erzählen geben und was werden wir alles vernehmen müssen, von dem der eine so wenig eine Ahnung hatte wie der andere. Ich wollte, es wäre schon so weit. Ich freue mich manches Mal unbändig auf Sie und bedenke dabei gar nicht die Unzulänglichkeiten, die ich in Kauf nehmen muss. Aber mit (beidseitigem) gutem Willen wird alles richtig und gut werden. Davon bin ich felsenfest überzeugt und dieser Optimismus hat auch sein Gutes. Aber wieder zurück zu den »lieben« Siegels. Ich habe noch einmal Ihre Adresse wegen der »Huranscheen«[208]  geschrieben und ich nehme an, dass man sie demnächst absenden kann, wenn sie nicht wieder eine Ausrede haben werden. Wissen Sie auch, was mir der Siegel während seines zweimaligen Aufenthalts in Genf (beim Kommen und beim Fortfahren) aufgewartet hat? Einmal eine Tasse Kaffe[e] und einmal zwei Glas Bier. Aus Äpfi Amen.[209]  Doch großartig!

Was Ihren Bericht in der Neuen Zeitung anbelangt, so ist es schon so und doch ist es ein bisserl übertrieben. Ja gewiss, man kann hier alles so ziemlich haben und doch hat es in manchen Artikeln Knappheit, weil die Fremden aus Frankreich, England und Amerika hauptsächlich sich richtiggehend eingedeckt haben. Ich glaube es gerne, dass wenn jemand aus dem zerstörten Deutschland hierherkommt, die schönen Auslagen sieht, sieht, was es alles gibt, wirkliche Waren, keine Attrappen, dass er dann meint, im Traumlande zu sein. Ja die Schweiz ist ein Paradies, hier gelebt zu haben während des Krieges, gehörte zu den ganz seltenen Glücksfällen. Aber Sie müssen sich nichts denken wegen meines Einlebens in München, ich kann mich gut umstellen, zudem habe ich ja hier mehr als einfach und bescheiden gelebt, und dann sind ja Sie da, die mir helfen werden, dass ich mich wieder gut zurechtfinden kann. Ich habe darin nicht die mindeste Angst.

Dass es all den Ihrigen verhältnismäßig gut geht, hat mich riesig gefreut zu hören. Ihr Baumanns seid immer ordentlich und anständig gewesen, fleißig und genügsam. Ich hoffe auch, dass die Angelegenheit mit Mich [Michael Unterweger] sein gutes Ende finden wird. Wegen einer eventuellen Geldstrafe müssen Sie sich auch keine Gedanken machen, bin ich erst einmal da, dann können Sie in dieser Beziehung auf mich rechnen.[210]  Sie haben so viel für meine Geschwister getan, dass es nur selbstverständlich ist, dass ich mit gleicher Münze zurückzahle. Ich würde es auch tun, ohne vorhergehende Konsequenz, weil ich ja Ihnen damit helfe! Gestern hatten wir immer noch sehr schönes, sehr warmes Wetter, wie die ganzen Tage seither, der Genfersee zeigte sich nochmal in seiner ganzen herbstlichen Pracht und keine Jahreszeit ist hier so schön als der Herbst. Heute dagegen mahnt der nahende Winter, Kalt und Bise[211] !

Lassen Sie es sich gut gehen, Liebes, bleiben Sie gesund, wie schön wär's jetzt, seinen Winterschlaf zu halten und dann aufzuwachen, wenn es Frühjahr ist und ich da bin.

Herzliebe Grüße Ihr altes Herrle.

Genf, den 26. November 1946.

Meine herzensgute, beste Maria!

Heute kam Ihr so sehr lieber Brief vom 9. November → keinangenehmes Datum!,[212]  abgestempelt vom 11. November, in meinen Besitz. Ich sage Ihnen meinen allerherzlichsten Dank. Dass Sie gut und dass Sie immer hilfsbereit gewesen sind, das habe ich stets gewusst und das habe ich Ihnen immer verdankt. Dass Sie aber so viel für uns, nicht nur für mich, getan haben, ja das habe ich mir nicht denken können. Sie haben sich dadurch einen unauslöschlichen Dank erworben und ich hoffe und wünsche zuversichtlich, dass die Zeit nicht mehr ferne sein wird, dass ich Ihnen auch in Taten den Beweis meiner Dankbarkeit geben kann. Für heute sei Ihnen gesagt, dass mich Ihre Zeilen zu Tränen gerührt haben und dass es für Sie selbst, Ihr ganzes Wesen, die Vornehmheit Ihrer Denkungsweise spricht, dass Sie niemals eine Silbe von alldem erwähnt haben. Das sind Sie, wie Sie eben sind, der feine Mensch, den ich in Ihnen stets verehrt habe. Es ist also doch nicht umsonst gewesen, wie meine Gefühle zu Ihnen immer gewesen sind, Gefühle, die sich in nichts verändert haben. Für heute nur noch innigen und aufrichtigen Dank!

Es ist so selbstverständlich, dass es keiner Worte bedarf: Wenn Sie etwas von mir haben wollen, ich bin ganz zu Ihrer Verfügung. Ich hoffe, dass Ihnen mit meiner Erklärung gedient ist.[213]  Wenn Sie notariell bestätigt sein muss, so wenden Sie sich an Justizrat Sigmund Pospischil[214] , München, Lachnerstraße 18 oder 19, er kennt meine Unterschrift und wird gerne das machen, was Sie brauchen. Er ist ein Freund von Klauber-Klopfers. Ansonsten könnten Sie sich an Neuland[215]  wenden oder aber einen Anwalt von Bayern, den Ihnen Herzing nennen wird und der auch meine Schrift kennt. Neuland kennt sie nicht!

Übrigens, Franz Herzing und Bayern! Mit Ihrem Brief zusammen kam auch eine Karte von Frau Liesel[216] , dass ihr Mann durch die Bayern einen richtigen Auftrieb erhalten hat, weil er das Gefühl hat, noch zu etwas wert zu sein und noch nicht ganz zum alten Eisen zu gehören.[217]  Das freut mich für ihn, nur würde ich ihm mehr Erfolge wünschen, denn es gibt nichts als Niederlagen am laufenden Bande und jeden Sonntagabend registriere ich am Radio eine neuerliche.[218]  Bis ich dann in München sein werde, sind die Bayern aus der obersten Spielklasse[219]  ausgeschieden und werden sich mit dem Wacker[220]  treffen können. Aber der Bayern wegen komme ich ja nicht, da ist schon ein ganz ganz anderer Anziehungspunkt!!

Wegen Schäfers handelt es sich schon um Arier,[221]  nicht um Juden, aber ich dachte es mir schon, dass die damals in Frankfurt und nicht in Offenbach waren. Dass Sie in Burtenbach eine gute Zeit hatten, freut mich für Sie und für Malchen [Amalie Unterweger]und ihre Familie. Ich kann es mir denken, dass es für Ihre Schwester nicht einfach ist, mit drei kleinen Kindern zu leben bei dieser Not und Armut, die allüberall herrscht in Deutschland. Jetzt kann man mit Recht sagen: »Das alles danken wir unserem Führer.«

Nein, Maria, in die Synagoge werde ich nicht mehr gehen, das hatte ich mir hier angewöhnt gehabt ‌… und auch wieder radikal abgewöhnt. Das Warum werde ich Ihnen einmal mündlich ausführlich erklären und ich bin sicher, dass Sie mich verstehen werden. Es hat seinen tieferen Grund, der einleuchtend ist und wohlbegründet.

Sobald ich von Ihnen gehört habe, dass der Inhalt der beiden Pakete von Elfriede das Doppelte von dem war, was Sie mir zuerst mitgeteilt haben, werde ich an Elfriede wieder schreiben. Ich glaub's gerne, dass sie viel für Sie und die Ihrigen tut, man könnte so viel tun und möchte es auch so gerne tun, aber es geht und geht halt nicht wegen dem stinkerdem (verzeihen Sie den harten, aber richtigen Ausdruck!) Gelde. Sie glauben gar nicht, was ich von Leuten Briefe aus München bekomme, die mir in gar keiner Weise früher verbunden gewesen sind, die sich nun meiner in herzlichster Weise erinnern, viel zu klagen haben über Not und Hunger, aber doch nicht sich getrauen um ein »kapet«[222]  (frei nach Unterweger junior) zu betteln. Ich antworte einfach gar nicht, weil ich das nicht kann, mich mit jemanden zu unterhalten, von dem ich genau [weiß,] dass ich ihm gleichgiltig bin, und der nur etwas möchte von mir. Und wenn ich schreibe, ich bin leider finanziell nicht in der Lage irgendetwas zu tun, so glaubt man mir es doch nicht. Denn Schweiz ist doch gleichbedeutend mit Geld und Gutgehen, kein Mensch kann sich vorstellen, wie bescheiden ich leben musste und wie sehr ich sparen muss, wie wenig ich mir selber gönnen kann. Dabei ist es hier enorm teuer, es wird immer teurer.

In der Pension ist es um vieles besser geworden in der letzten Zeit, wir haben ein junges Schweizer Mädchen, das die Küche besorgt, und zwar recht schmackhaft und abwechslungsreich, die Kost erinnert mehr an unsere süddeutsche Küche und auch das Mädchen, das die Zimmer macht, ist ordentlich, beide sind aus der deutschen Schweiz. Mir selbst geht es ordentlich, ich nehme immer noch zu, nicht an Geist natürlich, sondern nur an Bauchesfülle, aber nicht dass Sie meinen, ich hätte meinen ehemaligen Ranzen wieder. So weit will ich es nicht mehr kommen lassen. Aber ich wiege doch schon wieder meine 75 Kilos. Und wie schaut es in dieser Beziehung eigentlich bei Ihnen aus, liebe Maria? Haben Sie wieder zugenommen seit Ihrer Erkrankung im vergangenen Jahre, ich denke doch, im Ried geht es mit der Verpflegung besser als z. ‌B. in München. Und wie geht es den übrigen Baumanns? Ich hoffe, dass alles wohl ist. Man kann nur immer an alle, die einem etwas wert sind, mit Wehmut denken, denn ich weiß es, dass der Winter heuer schwer sein wird. Man friert und hat nicht genug zum Essen, also ist die Kälte noch viel schlechter zu ertragen. Da wäre es halt schön, wenn man einen Winterschlaf halten könnte. Denken Sie sich mal da aus, Sie halten den Ihrigen jetzt bis zum Monat Mai, dann wachen Sie auf und »Ihr« Herrle erscheint. Das wäre doch schön und so einfach! Aber das geht halt leider nicht und so werden wir auch diese Monate noch herumbringen und dann wird das Wahrheit werden, auf was man sich schon so lange freut und das man schon so lange ersehnt.

Wir haben es bis jetzt recht gut mit dem Winter getroffen, ein einziges Mal hatten wir auf einen Tag eine Temperatur unter null und zwar nur ein einziges Grädlein. Wir hatten sogar noch ausgesprochene Herbsttage mit 8-10 Grad über null und Sonnenschein. Da freuen sich nicht nur Holz und Kohlen, sondern auch mein Geldbeutel, denn ich brauche noch nicht zu heizen. Auch hier ist die Elektrizität knapp und es sind arge Einschränkungen zu verzeichnen. Ab abends 8 Uhr hat jede Lichtreklame und Schaufensterbeleuchtung zu unterbleiben, die elektrische Raumheizung ist während des ganzen Tages verboten und Warmwasserzubereitung nur einmal wöchentlich erlaubt. Sie sehen, auch die Sonne hat Flecken!! Aber gerade in Genf ist es ja gut auszuhalten, da es hier nie sehr kalt ist.

Familie Kl. lässt für Ihre freundlichen Grüße bestens danken. Es geht so so la la. Los ist immer etwas. Zur Zeit ist Frau Maria marode, denn sie bekam den Nagel am großen Zecha[223]  entfernt und nächste Woche, den am anderen Fuß. Sie kann daher in keinen Schuh und hat Schmerzen. Der alten Dame geht es wieder besser, aber der alte Herr ist halt sehr, sehr alt geworden, er hat so gar kein Gedächtnis mehr und kann nichts mehr alleine machen, braucht für alles Hilfe. Ich möchte nie so alt werden, man ist sich nur selbst und seiner Umwelt zur Last. Den Amerikanern und Palästinensern[224]  geht es allen gut, schreiben fleißig.

Mit meiner Stellung ist es anscheinend nichts geworden, denn man hat mir überhaupt keine Antwort gegeben, obwohl man es mir versprochen hat. Auch diese Monate werden noch vorüber gehen, gell Maria!

Fußballerisch ist hier auch große Flaute, denn es wird ein richtiger Bockmist zusammengespielt, aber am Sonntag bin ich da beim Wetsspiel [sic] wie es sich so gehört und auch wenn das Spiel schlecht ist, es ist halt Fußball und Zerstreuung.

Nun, liebste Maria, lassen Sie bald wieder von sich hören, Sie wissen, der Tag, an dem ein Brieflein von Ihnen kommt, ist für mich ein Feiertag. Bleiben Sie gesund und guter Dinge! Seien Sie innigst und herzlich gegrüßt in allzeit treuem Gedenken von

Ihrem dankbaren, alten Herrle.

Genf, den 16. Dezember 1946.

Meine liebe und gute Maria!

Am 10. Dezember habe ich Ihnen geschrieben, weil ich für Weihnachten und Neujahr nicht mehr länger zuwarten wollte. Und am 14. Dezember kam dann Ihr lieber, ausführlicher Brief vom 27. und der zweite vom 23. November in meinen Besitz. Zuerst, wie immer, recht vielen und herzlichen Dank dafür. Überflüssig zu sagen, dass mich Ihre lieben Zeilen sehr, sehr erfreut haben. Am selben Tage, also am 10. Dezember, habe ich auch an die Herzings geschrieben und einen Tag vor dem Ihrigen ist auch ein Brief von Franz angekommen. Doch davon später.

Also das Paket zu Schneiders[225]  ist angekommen, und zwar ist es eigentlich sehr rasch in Ihrem Besitz gewesen. Sie bestätigen mir die Dinge, die darin gewesen sind. Es fehlen mir aber zwei Sachen, nämlich: Reis und Butter in Dose. Ich nehme an, dass das Mägdle, das liebe, in ihrer Freude vergessen hat, gerade diese beiden wertvollen Sachen aufzuzählen (Reis z. ‌B. ist etwas, das man hier in der Schweiz schon seit langer Zeit nicht mehr bekommt!). Dann hätte mich natürlich auch sehr interessiert, ob und wie viel Sie für Zoll bezahlen mussten. Weil wir gerade von den Paketen sprechen, so möchte ich Ihnen so ganz im Vertrauen mitteilen, dass ich am Samstag wieder eines an Schneiders abgeschickt habe für Sie, kleiner wie das letzte, aber mit guten Sächelchen drin. Ich hoffe, dass Sie es zumindest zu Neujahr noch erhalten werden. Lassen Sie es sich gut schmecken und seien Sie versichert, dass es Ihnen von »Herzen vergunnt ist«, ich habe die Dinge von Ernst Klauber erhalten, habe für mich selbst genügend und mache mir eine Freude daraus, sie Ihnen zu schicken. Also bitte so die Sendung aufzufassen. Was die beiden Kleiderpakete anbelangt, so ist mir ein kleines Missgeschick unterlaufen. Nämlich ich habe einen Wollhandschuh heraußen gelassen. Es ist also möglich, dass Sie diesen vor dem Paket erhalten, weil ich versucht habe, Ihnen ihn direkt zusenden zu lassen. Damit Sie dann wissen, was dieser Handschuh zu bedeuten hat. Dass die Pakete, die ich Ihnen im Auftrage von Elfriede von hier aus über Schweden schicken ließ,[226]  die reichhaltigsten und die schönsten gewesen sind, hat mich sehr gefreut zu hören. Sie dürfen dabei auch nicht vergessen, dass es auch die teuersten gewesen sind. Also für diesen hohen Preis muss man schon auch etwas Außergewöhnliches verlangen.

Nun will ich auf Ihren lieben Brief im Einzelnen eingehen: Dass es schlecht aussieht drinnen, das weiß ich leider. Man liest es aus jedem Brief, den man erhält, Sie gehören zu denjenigen Menschen, die am wenigstens jammern und sich am wenigsten beklagen. Auch darin sind Sie eben der vornehme Charakter, der Sie immer gewesen sind, geblieben. Denn nicht wahr, man kann ja damit nichts besser machen und Sie wissen es auch so, dass ich helfen will, wo immer ich nur kann. Viel mehr wollen als können. Aber Sie dürfen ja auch nicht vergessen, dass diese Wintermonate die schlimmsten sind, sehen Sie zwei Monate sind schon fast vorbei, kommen noch die schlechten Monate Januar und Februar, wenn im März die Sonne scheint, dann hat sie doch schon etwas Wärme und dann ist ja die Aussicht, dass bald der Winter endgiltig vorbei ist. Aber Sie denken sich nun, ja mein Herrle hat leicht reden von seinem warmen Stübchen in Genf aus und von seinem im Gegensatz zu uns immerhin reich bestellten Mittags- und Abendtisch. Aber das müssen Sie mir schon glauben, dass ich sehr, sehr mitfühle mit all den Menschen, die unschuldig sind an dem, was über sie gekommen ist, die anständig geblieben sind in ihrer Gesinnung. Aber keinerlei Erbarmen habe [ich] mit denen, die so ganz und gar einverstanden waren mit dem tausendjährigen Reich, ihre Vorteile daraus gezogen hatten und keinerlei innere Regung hatten mit dem Schicksal derer, die von dem Hitlerregime so unsagbar schwer getroffen worden sind.

Also, Maria, da haben Sie wieder einmal zu rosig gesehen, wenn Sie mich schon an meinem Arbeitstisch wähnten und schaffele. Es ist endgiltig nichts geworden aus besagter Stellung, nach vierwöchentlichem [sic] Warten bekam ich eine sehr höflich gehaltene Absage, die ich mir natürlich auch nicht auf den Hut stecken kann. Das Betrübliche ist halt nur das, dass es sich wieder einmal mehr erwiesen hat, dass man nicht mehr einen Mann von über sechzig Jahren einstellen will, ich kann's ja begreifen, denn hierzulande ist ja das Angebot an jüngeren Kräften gerade in dem, was ich suche, sehr groß. Ich bin nicht deprimiert gewesen, habe mich zuvor schon keinen Illusionen hingegeben, denn ich hatte ja schon Absagen gehabt, sozusagen am laufenden Bande, aber immerhin hatte man mir bei meiner persönlichen Vorstellung einige Hoffnungen gelassen.

Sie fragen nach dem Zipperlein[227] . Erfreulicherweise kann ich Ihnen mitteilen, dass ich davon schon seit mindestens vier, kann auch sein schon fünf Jahren, vollständig verschont geblieben bin. Das macht natürlich einerseits aus, dass ich ja um so vieles schlankerer [sic] geworden bin, und dann doch auch wieder das mehr als bescheidene Leben in Bezug auf Essen. Sehen Sie, Maria, ich nehme in meiner Pension wöchentlich 14 Mahlzeiten und ich bekomme nur viermal, seit neuester Zeit sogar (!) fünfmal Fleisch. Und dabei sind die Portionen nicht groß, aus einer Fleischportion, wie sie früher von dem Bimbesle auf den Tisch gebracht worden ist, könnte ich bestimmt zweimal, wenn nicht sogar dreimal hier essen. Und dann trinke ich gar keinen Alkohol. Nicht etwa, dass ich Abstinenzler geworden sei, beileibe nicht, aber Bier oder Wein kosten Geld und jeder Franken, ja sogar jede 10 Centimes unnütz ausgegeben, sind eben zu viel. Wenn ich mal eingeladen bin, so trinke ich sehr gerne Bier oder Wein oder ein Schnäpslein, also Kostverächter bin ich nun ganz und gar nicht geworden. Aber wissen Sie, was ich mir angewöhnt habe? Kaffeetrinken. Nicht dass Sie meinen, ich sitze jeden Nachmittag im Kaffeehaus, oh beileibe nicht, aber des Morgens als Frühstück nehme ich Kaffee und ich muss sagen, er bekommt mir recht gut und schmeckt mir auch dementsprechend. Mein Gewicht ist jetzt die letzten Monate stabil geblieben, ich wiege nun 75 Kilos und auf diesem Gewichte möchte ich bleiben. Nicht mehr zunehmen. Wissen Sie, sonst wirke ich direkt aufreizend, wenn ich erst einmal nach München komme.

Das mit Servette[228]  stimmt nicht. Auch Franz schrieb mir, dass Servette in München spielen sollte, da könnte ich doch mitkommen. Die Sache war so: Eine Alte-Herren-Mannschaft war von einem Delegierten des Internationalen Roten Kreuzes aufgefordert worden, gegen eine Münchner repräsentative Alte-Herren-Mannschaft ein Wohltätigkeitsspiel in München im Laufe des Monats Dezember zu spielen. Mit dem Spielführer dieser Servette-Mannschaft[229]  bin ich sehr gut bekannt, ich bin öfter bei ihm zu Hause zum Abendessen eingeladen. Er sprach mir davon und hat sofort gesagt, dass ich der Reisebegleiter sein soll. Ich habe mich mit Ivo Schricker[230] , mit dem ich bekanntlich sehr gut bin, in Verbindung gesetzt, denn die Fifa muss ja ein internationales Spiel genehmigen. Aber Deutschland ist bekanntlich aus der Fifa ausgeschlossen worden[231]  und somit ist ein Spielverkehr nicht denkbar, zudem gibt auch der Schweizer Fußball-Verband seine Einwilligung nicht. Ich hatte mich natürlich so sehr gefreut darauf, wir wären in Camions[232]  über Lindau–Buchlohe gefahren, das heißt nur bis Buchlohe, dann wäre mein Wege weiter nach Memmingen gegangen. Schön ausgedacht, aber leider, leider blieb's nur beim Wunsche.

Franzens Brief sprach eigentlich nur von Sorgen in zweifacher Hinsicht. Zuerst das mit seiner Wohnung und dann die Bayern. Das mit der Wohnung scheint doch wieder im Geleise zu sein. Und mit den Bayern, da schaut es wirklich schlimm genug aus. Letzten Sonntag gegen die Karlsruher 1:2 verloren, gestern in München gegen die Ulmer 0:1, da gibt es nicht mehr viel zu hoffen.[233]  Ich kann natürlich nicht beurteilen, wo und an wemenem der Fehler liegt, und wie eine Besserung erzielt werden kann.

Von Dürrmeier habe ich nie etwas gehört,[234]  ich vergaß auch Ertl[235]  nach ihm zu fragen.

Seit gestern ist es empfindlich kalt geworden, so kalt deshalb, weil die Bise wieder bläst, aber wir haben nur minus 4 Gräder, also gegen die Eurigen 12-14 kein Vergleich, aber es genügt auch so. Natürlich war ich trotzdem beim Fußball und habe Franzens schönen Pelzmantel angehabt, da sehe ich fürnehm aus und [er] passt wie angemessen.

Nun, liebste Maria, noch einmal alles, alles erdenklich Gute und Liebe für Weihnachten und Neujahr. Für heute viele, viele herzliebe Grüße vonIhrem alten Herrle.

Genf, den 21. Dezember 1946.

Geliebte Maria!

Diesen Brief wollte ich Ihnen schon seit langer Zeit schreiben, ich habe ihn immer wieder hinausgeschoben. Es hat aber keinen Sinn, weiterhin zuzuwarten. Sein Inhalt ist ernst und aufrichtig, er erheischt eine Antwort von Ihnen, ebenso ernst und ebenso aufrichtig. Da ich Sie genau kenne, da ich weiß, dass Sie ein durchaus ehrlicher Mensch sind, so weiß ich auch genau, dass die Antwort, die Sie mir geben, ehrlich ist.

Es handelt sich um meine Rückkunft. Ich sehe ein, dass es nicht gehen wird, wie ich mir es ausdachte, zunächst einmal auf einen oder zwei Monate. Also muss ich handeln, und zwar dergestalt, dass ich hier definitiv meine Zelte abbreche und sie definitiv in München oder Grainau[236]  aufschlage. Damit wäre ich mit mir im Reinen.

Sie können sich denken, dass es für mich ein Entschluss ist, der schwerwiegend ist. Es gibt kein Zurück mehr. Es gibt hier nur mehr ein Entweder oder ein Oder. Das weiß ich genau. Wenn ich zurückgehe, so tue ich es nicht, um meine alte Heimat wiederzusehen oder weil mich eine gute Stellung lockt oder weil ich mit Herzings