Küss mich, Verräter! - Michelle Celmer - E-Book

Küss mich, Verräter! E-Book

Michelle Celmer

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Beschreibung

Ein unentschuldbarer Betrug! Grace Winchester wollte nie wieder ein Wort mit Roman Slater wechseln. Ihr Herz hat er gebrochen, und er hat versucht, ihre Familie zu ruinieren. Doch jetzt verlangt ihr Vater, dass Grace mit dem Verräter zusammenarbeitet … und ihre schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Denn der umwerfend attraktive Privatdetektiv hat noch immer dieselbe Wirkung auf sie wie damals: Sie stellt sich vor, wie er sie liebt, wie er sie in erotische Welten entführt. Und sie könnte schwören, dass ihr unwiderstehlicher Feind dasselbe denkt …

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Seitenzahl: 208

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Back in the Enemy’s Bed“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1999 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Victoria Werner

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723958

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Grace bewahrte Ruhe.

Als die jüngste der Winchester-Töchter hatte sie vielleicht eine privilegierte und behütete Kindheit genossen, aber als Erwachsene war sie durchaus keine verwöhnte Erbin. Sie hatte hart dafür gearbeitet, sich als Modedesignerin einen Namen zu machen. Außerdem war sie bekannt und geachtet, weil sie sich für die Rechte von Frauen einsetzte. In einer von Männern dominierten Welt war sie über die Jahre zu der Überzeugung gelangt, dass es absolut nichts gab, was sie nicht auch tun konnte.

Von einer Sache vielleicht abgesehen: Sie konnte ihrem Vater keinen Wunsch abschlagen.

Sutton Lazarus Winchester, der unangefochtene König des Chicagoer Immobiliengeschäfts, war kein Mann, der ein Nein akzeptierte. Ein strenger Blick aus seinen durchdringenden grünen Augen, und die Menschen taten, was er wollte. Aber der Skandal, in dessen Mittelpunkt die Familie seit einigen Monaten stand, hatte seinen Tribut ebenso gefordert wie die schwere Krankheit.

Grace spürte, dass seine Kraft nachließ, und hoffte, dass ihr Vater Erbarmen mit ihr hatte. Nur dieses eine Mal. Das, was er von ihr verlangte, war wirklich ihr schlimmster Albtraum.

„Daddy, ich möchte das nicht.“

Ihr Vater thronte hinter dem großen Schreibtisch in seinem Büro in der Winchester-Villa und wandte den Blick nicht vom Bildschirm. Er war schon seit Monaten krank. Meistens war er zu schwach, um das Bett zu verlassen, aber heute hatte er einen guten Tag. Es war sogar ein Hauch Farbe auf den eingefallenen Wangen zu erkennen.

„Wir müssen alle manchmal tun, was wir eigentlich nicht möchten, Prinzessin. So ist das Leben.“

Am liebsten hätte Grace wie ein maulender Teenager mit dem Fuß aufgestampft, so wie früher, wenn die Eltern ihr etwas verweigert hatten, was zugegebenermaßen nicht sehr oft vorgekommen war. Sie war das Baby der Familie, und sie brauchte nur einmal mit den langen dunklen Wimpern zu klimpern, schon bekam sie, was sie wollte. Aber was er jetzt von ihr verlangte? Seine Bitte hatte sie zutiefst erschüttert.

Roman Slater kommt, um mit mir zu sprechen. Ich möchte, dass du dabei bist.

Roman Slater war ein angesehener Privatdetektiv. Seine Firma Slater Investigation Services war im ganzen Mittelwesten bekannt. Und er war der einzige Mann auf der Welt, mit dem Grace nie wieder ein Wort wechseln wollte, das hatte sie sich geschworen.

Roman Slater war der Mann, der ihr Herz erobert und geschworen hatte, sie für immer zu lieben. Der Mann, der sie und ihre Familie auf übelste Weise hintergangen hatte. Und das nicht nur einmal, sondern gleich zweimal.

Solange Grace denken konnte, hatten Menschen sie benutzt, um über sie Zugang zu ihrem Vater zu bekommen, aber sie hatte gedacht, Roman sei anders. Sie hatte geglaubt, dass er sie wirklich liebte und ihr vertraute. So wie sie ihm vertraut hatte.

Ein großer Fehler.

„Ich verstehe nicht, was ich bei diesem Treffen soll“, sagte sie zu ihrem Vater. Falls sie auf eine Erklärung gehofft hatte, dann wartete sie vergebens. Sutton Winchester war darüber erhaben, seine Wünsche zu begründen. Das hatte er noch nie getan.

„Du bleibst.“ Sein Ton war leicht gereizt. Es war der Tonfall, den sie kannte, wenn sie seine Geduld zu sehr auf die Probe stellte.

Langsam drang die grauenvolle Wahrheit in ihr Bewusstsein. In wenigen Minuten würde Roman hier sein. In Fleisch und Blut. Hier, im Büro ihres Vaters.

Eine Woge der widersprüchlichsten Gefühle erfüllte Grace, sodass ihr fast schwindelig wurde. Der Instinkt riet ihr, auf der Stelle zu verschwinden und sich zu verstecken. Sie wusste, dass es rein körperlich unmöglich war, aber dennoch überkam sie das Gefühl, als würde sich ihr Herz ganz klein zusammenkrampfen.

Bevor ihr Vater sie zu sich bestellt hatte, war der Tag rundum gut gewesen. Ihre neue Taschenkollektion war der Renner in den Boutiquen der USA, und ihre neue Mode-App lief auf Smartphones und Tablets auf der ganzen Welt. Abgesehen davon, dass sie kaum Zeit für sich hatte und sich gelegentlich ein wenig einsam fühlte, hatte sie keinen Grund, sich zu beklagen. Und nun schien ihr Leben plötzlich völlig aus dem Ruder zu laufen.

Warum sie? Warum konnte nicht ihre Schwester Eve an dem Meeting teilnehmen? Eve war die Geschäftsführerin des Familienunternehmens Elite Industries, das Sutton vor vielen Jahren gegründet und zu einem Milliarden-Dollar-Imperium gemacht hatte.

Roman hatte im Auftrag von Brooks Newport versucht, ihrem Vater und über ihn auch Elite Industries zu schaden. Es war ein Skandal epischen Ausmaßes gewesen.

Falls es in Chicago eine Familie auf Augenhöhe mit den Winchesters gab, dann waren es die Newports – genauer gesagt die drei Brüder Brooks, Graham und Carson. Sie waren ebenfalls in der Immobilienbranche tätig und hatten es im Laufe weniger Jahre zu Selfmade-Millionären gebracht.

Besonders Brooks hatte es sich zum Ziel gesetzt, Sutton Winchester zu vernichten. Sutton, seine Firma und seine Töchter Eve, Nora und Grace. Das hätte die heiße Affäre zwischen Eve und Graham Newport fast scheitern lassen, aber nur fast, denn inzwischen stand fest, dass die beiden heiraten würden.

Roman Slater hatte Brooks geholfen, die Schmutzkampagne gegen die Winchesters zu organisieren. Als ob er ihrer Familie nicht schon genug geschadet hätte! Sieben Jahre nach dem ersten Skandal, den er inszeniert hatte und bei dem die Winchesters schließlich von aller Schuld freigesprochen worden waren, war er nun also zurück. Und wieder waren furchtbare Gerüchte in Umlauf gebracht worden, die jeder Grundlage entbehrten. Letztlich hatte nicht Sutton den Schaden davon, sondern Brooks, weil er nun als widerwärtiger, machthungriger Intrigant dastand.

„Wieso triffst du dich überhaupt mit Roman nach all den Lügen, die er mit Brooks über uns verbreitet hat?“, fragte Grace ihren Vater. „Hast du schon vergessen, wie er unseren Namen durch den Schmutz gezogen hat? Zweimal! Und all die schrecklichen Dinge, die sie dir unterstellt haben!“

Falls sie darauf gesetzt hatte, seinen Zorn zu wecken, wurde sie enttäuscht. Sutton zuckte nicht mit der Wimper.

„Nichts ist vergessen“, versicherte er ihr ruhig.

Grace bewunderte ihren Vater, aber sie kannte auch seine Fehler. Und davon besaß er mehr als genug.

Sutton Winchester hatte sein Leben lang aus dem Vollen gelebt. Er liebte die Frauen und den Alkohol, war egoistisch und arrogant, aber niemals wäre er so tief gesunken, eine Frau zu vergewaltigen. Und für vier der fünf unehelichen Kinder, die Brooks ihm unterstellte, hatte sich der DNA-Test als negativ erwiesen. Bei Brooks’ Bruder Carson war das Testergebnis allerdings eindeutig positiv gewesen.

Grace und ihre Schwestern mussten sich noch an den Gedanken gewöhnen, dass sie einen Halbbruder hatten. Suttons zahllose Affären waren kein Geheimnis, aber Grace hatte den Eindruck, dass seine Beziehung zu Cynthia Newport mehr als eine Affäre gewesen war. Sie wusste, dass die Ehe ihrer Eltern ein rein finanzielles Arrangement gewesen war, aber der Gedanke tat weh, dass Sutton eine andere Frau als ihre Mutter geliebt haben sollte.

Genug davon. Grace war die ganzen Gerüchte und Vermutungen leid. Sutton würde an Krebs sterben, und sie wollte einfach nur, dass er in Frieden gehen konnte.

Nicht nur, dass der Skandal abträglich war für die Gesundheit ihres Vaters, er war auch riskant für die Firma. Wenn die Angriffe auf Suttons Ruf nicht aufhörten, lief das Unternehmen Gefahr, einige seiner größten Auftraggeber zu verlieren. Es war Eve bisher gelungen, die Firma sehr erfolgreich zu führen, aber nachdem sie nun von Graham Newport schwanger war, wurde alles noch komplizierter.

Und das hatten sie nur Roman Slater zu verdanken und seinen zweifelhaften Fähigkeiten als Privatdetektiv. Wenn Grace an den Schmerz dachte, an das Leid und die Demütigungen, denen er ihre Familie ausgesetzt hatte, dann stieg Zorn in ihr auf.

Und Zorn war ihr im Moment allemal lieber als ein flatterndes Nervenkostüm.

„Was ist, wenn Brooks ihn hierher geschickt hat, um noch mehr Geheimnisse auszugraben?“ Sie hoffte, ihren Vater mit Argumenten zur Vernunft zu bringen. „Dann kann er unserem Ruf den Rest geben.“

Sutton wandte den Blick vom Bildschirm und sah sie mit den gleichen grünen Augen an, die ihr jeden Morgen aus dem Spiegel entgegenschauten. Für einen Fünfundsechzigjährigen war er in hervorragender körperlicher Verfassung gewesen, bis Anfang des Jahres Lungenkrebs bei ihm festgestellt worden war. Inzwischen hatte die Krankheit unverkennbar ihre Spuren hinterlassen. Obwohl er eine Kämpfernatur war, hatte sich der Krebs auf die Lymphknoten ausgebreitet. Seine Ärzte konnten nur noch wenig für ihn tun.

„Nicht Roman hat um dieses Treffen gebeten“, erklärte ihr Vater. „Ich habe ihn eingeladen.“

Grace brauchte einen Moment, um diese Information zu verarbeiten. Und dann tat sie etwas, was sie sonst noch nie getan hatte: Sie wurde laut.

„Was sollte denn das, Daddy? Nach allem, was die Familie hinter sich hat? Wie konntest du auch nur erwägen, den Mann in unser Haus zu holen?“

„Ich muss es tun“, erklärte er fest.

Sein Blick enthielt dabei eine Spur Resignation, was Grace fast das Herz brach. Sutton zeigte sonst nie Schwäche. Kaum jemals hatte sie Tränen bei ihm gesehen oder erlebt, wie er die Fassung verlor. Ebenso selten hatte sie ihn wirklich zornig erlebt. Aber dieses stumme Eingeständnis einer Niederlage war mehr, als sie ertragen konnte.

Sie spürte, wie ihr Zorn verflog. Sie musste daran denken, dass ihrem Vater nur noch eine begrenzte Zeit blieb. Wochen, vielleicht wenige Monate. Niemand konnte es genau sagen. Falls das Treffen mit Roman ihm so wichtig war, dann musste sie seinen Wunsch respektieren. Zum Teufel mit ihrem Stolz – und mit ihren Nerven. Es ließ sich nicht leugnen, dass ihr bei der Vorstellung, Roman wiederzusehen, die Hände feucht wurden.

Das unvermittelte Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. Unwillkürlich kontrollierte sie den Sitz ihrer Frisur. Plötzlich wünschte sie sich, ihr Haar offen statt im Knoten zu tragen. Sie wusste selbst nicht, wieso.

Als die Assistentin ihres Vaters die Tür öffnete, strich Grace sich nervös den Versace-Rock glatt und verschränkte die Hände dann hinter dem Rücken, damit niemand sah, dass sie zitterten.

„Roman Slater, Sir.“

Grace hatte den Eindruck, als würde sich der Raum plötzlich um sie drehen. Ihr Puls raste, und sie verspürte das dringende Bedürfnis, die Flucht zu ergreifen. Aber ihre Knie waren so weich, dass sie es wohl nicht einmal bis zur Tür geschafft hätte.

„Bitten Sie ihn herein“, sagte Sutton.

Grace stand wie erstarrt da. Sie hielt den Atem an, als der Fluch ihres Lebens mit einer Lässigkeit eintrat, als sei es die natürlichste Sache der Welt, wieder bei ihr aufzutauchen.

Er trug eine schwarze Hose, ein am Hals offen stehendes weißes Hemd und eine Sportjacke, die seine breiten Schultern, die kräftigen Arme und die schmalen Hüften betonte. Alles Designerstücke.

Es war unverkennbar nicht mehr der Roman, der als Collegestudent Jeans und T-Shirts getragen und sich nicht um irgendwelche Modetrends gekümmert hatte. Jetzt, als Inhaber einer angesehenen Firma, kleidete er sich seiner Rolle entsprechend. Nur sein Haar passte nicht dazu. Es war eine Spur zu lang und etwas zu zerzaust, aber dennoch blieb der Eindruck eines erfolgreichen Geschäftsmanns.

Grace erwartete, Zorn zu verspüren, aber stattdessen empfand sie etwas, das sie selbst zutiefst überraschte: Erleichterung.

Einige Jahre, nachdem Roman sie das erste Mal hintergangen hatte, war er bei einem Militäreinsatz verschollen gewesen, und es hieß, er sei umgekommen. Grace war am Boden zerstört, trotz allem, was zwischen ihnen gewesen war. Zu der Zeit hätte sie alles dafür gegeben, ihn zurückzubekommen. Alles, um das Geschehene rückgängig zu machen. Er war zum Militär gegangen, nachdem sie ihn verlassen hatte. Hätte sie ihm verziehen und wären sie zusammengeblieben, würde er vielleicht noch leben, das dachte sie damals.

Die Schuldgefühle hatten ihr über viele Monate zugesetzt, bis sie aus den Nachrichten erfuhr, dass Roman zusammen mit einigen anderen Soldaten überlebt hatte und sich im Mittleren Osten als Gefangener bei einem Ableger von Al Quaida aufhielt. Wahrscheinlich wurde er dort gefoltert. War dieses Schicksal vielleicht noch schlimmer als der Tod? Würden sie ihn zuerst foltern, um ihn dann umzubringen?

Grace grübelte jede Nacht. Sie verlor den Appetit und nahm in einer Woche vier Kilo ab, und sie fühlte sich so müde und deprimiert, dass sie sich kaum um ihre Arbeit kümmern konnte. Sie hörte auf, sich die Nachrichtensendungen anzusehen oder die Zeitungen zu lesen. Sie verdrängte Roman, so gut es eben ging, aus ihren Gedanken, auch wenn es keinen Tag gab, an dem sie nicht wenigstens einmal an ihn dachte.

Irgendwann waren Roman und seine Kameraden aus dem Lager befreit worden. Als sie wusste, dass er wieder in den USA war, überkam sie ein Gefühl wohltuenden Friedens. Sie konnte den Zorn auf ihn jetzt loslassen. Irgendwie waren sie quitt.

Doch das war eine schreckliche Art, die Situation zu betrachten. Ihr gebrochenes Herz und der beschmutzte Ruf ihrer Familie waren nichts, verglichen mit Wochen der Gefangenschaft und Folter. Das hätte sie selbst ihrem ärgsten Feind nicht gewünscht.

Bei Licht betrachtet, war er allerdings genau das.

Denn dann hatte Brooks Newport mit Romans Hilfe eine Medienkampagne gestartet, die nicht nur ihren Vater vernichten sollte, sondern auch sie selbst und ihre Schwestern. Der Gedanke daran entfachte wieder den alten Zorn in Grace.

Und doch war sie jetzt erleichtert, Roman zu sehen?

Was zum Teufel war los mit ihr?

„Roman.“ Sutton erhob sich langsam und reichte seinem Gegner die Hand.

Romans kurzes Zögern schien seine Feindseligkeit noch zu unterstreichen. „Sutton.“ Die Verachtung in seinem Ton war unmissverständlich.

„Sie erinnern sich an meine Tochter Grace“, fuhr Sutton fort.

Roman war immer attraktiv gewesen. Jetzt wirkte er wie ein griechischer Gott mit seinem markanten Kinn und den breiten Schultern. Seine Nase war offenbar gebrochen worden, und er hatte einige Narben im Gesicht. Eine begann an der Schläfe und lief hinüber zur linken Braue, um gefährlich nahe am Auge zu enden. Eine zweite Narbe lief über die Stirn und verschwand unter dem Haaransatz. Einige Frauen ließen sich davon vielleicht abschrecken, aber in Graces Augen erhöhte das nur seinen Sex-Appeal.

Dann musste sie daran denken, wie er diese Narben bekommen hatte, und dass es wahrscheinlich weitere gab, die sie nicht sehen konnte. Prompt überkamen sie wieder die alten Schuldgefühle.

„Grace.“

Der Klang seiner tiefen Stimme löste aus unerfindlichen Gründen einen Schauer prickelnder Erregung in ihr aus.

Oh nein! Ausgeschlossen!

Keine normale Frau würde sich hingezogen fühlen zu einem Mann, der versucht hatte, sie zu ruinieren.

Er reichte ihr die Hand, und sie ergriff sie spontan. Sie bedauerte die Geste augenblicklich, aber es war zu spät. Er schüttelte ihre Hand kräftig, und sie tat es ihm gleich. Es war, als hätten sie einander etwas zu beweisen.

Roman schien sie reizen zu wollen, damit sie etwas sagte oder die Hand zuerst zurückzog. Den Gefallen würde sie ihm jedoch nicht tun.

Sie atmete erleichtert auf, als er ihre Hand schließlich mit dem Hauch eines Lächelns freigab.

Roman wandte sich an ihren Vater. Seine Miene verriet nun gereizte Ungeduld. Es war ganz eindeutig nicht seine Idee gewesen herzukommen.

„Wir wollen gleich zum Punkt kommen, Sutton. Wieso bin ich hier?“

Sutton ließ sich langsam wieder in seinen Sessel sinken und deutete auf die zwei Stühle vor seinem Tisch. „Entspannen Sie sich. Nehmen Sie Platz.“

Roman verschränkte die Arme vor der Brust. „Sagen Sie einfach, was los ist. Sie meinten, Sie hätten wichtige Informationen für einen meiner Mandanten. Für wen?“

Grace war nun auch neugierig. Was hatte ihr Vater vor? Und wieso hatte er es ihr nicht schon vorher gesagt, damit sie nicht so im Dunkeln tappte? War es vielleicht nichts Geschäftliches? Etwas Persönliches?

„Soweit ich weiß, suchen Sie immer noch nach dem Vater von Graham und Brooks Newport“, bemerkte Sutton.

Roman zuckte die Schultern. „Das tue ich. Ja, und?“

„Ich kann Ihnen vielleicht helfen.“

„Sie wollen mir helfen?“ Roman lachte ungläubig. „Ist das ein Witz? Sie haben mich bei meinen Nachforschungen immer wieder behindert, und nun wollen Sie mir helfen? Das kaufe ich Ihnen nicht ab.“

„Das kann ich Ihnen nicht verübeln, Roman, aber im Interesse Ihres Mandanten sollten Sie mich anhören. Ich habe Informationen, die ihnen helfen könnten.“

Roman kniff die Augen zusammen. „Okay. Was für Informationen sind das?“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen.“

Roman schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihre Spielchen satt, Sutton.“

„Es ist kein Spielchen. Ich kann Ihnen helfen, aber ich muss mit den Newports selbst sprechen. Ich habe viel darüber nachgedacht, seit sie mit Carson bei mir waren.“

„Und wieso bin ich dann hier?“

„Ich möchte, dass Sie ein Treffen arrangieren. Sobald die Zwillinge Zeit haben. Mit beiden.“

Grace sah ihn überrascht an. Er wollte seine Gegner hierher einladen? Zu sich nach Hause? Und sie hatten sich schon einmal getroffen? Griff der Krebs jetzt auch sein Gehirn an?

„Graham und Brooks stehen im Moment nicht sehr gut zueinander“, sagte Roman. „Als Grahams zukünftiger Schwiegervater sollten Sie sich das vorstellen können.“

„Das kann ich. Deswegen habe ich ja Sie eingeschaltet. Ich bin überzeugt, dass Sie die beiden zur Vernunft bringen können.“

Roman schien sich da nicht so sicher zu sein. Grace teilte seine Skepsis.

Grahams heimliche Affäre mit ihrer Schwester Eve hatte das Verhältnis der Brüder sehr belastet. Da Graham jetzt ein Kind mit Eve erwartete, hatte seine Aversion gegen die Winchesters sich gelegt, aber Brooks setzte seinen Feldzug fort. Das führte natürlich zu Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern. Gerade versuchte Brooks, seinen Halbbruder Carson – Suttons unehelichen Sohn – mit in seine Vendetta hineinzuziehen, indem er darauf bestand, dass Carson für das kämpfen sollte, was von Rechts wegen ihm gehörte, nämlich ein Viertel des Winchester-Vermögens.

Aber wenn Graham und Brooks jetzt erfuhren, dass Sutton bereit war, über ihren leiblichen Vater zu sprechen, den sie schon so lange suchten, dann würden sie ihre Differenzen vielleicht vergessen.

„Wieso sagen Sie es nicht Graham und lassen ihn die Information an seinen Bruder weitergeben“, schlug Roman vor. „Brooks wird vielleicht auf ihn hören.“

„Nein“, sagte Sutton. „Es muss hier sein, in meinem Büro mit den Zwillingen.“

„Aber wieso, Daddy?“ Grace hatte es gar nicht laut sagen wollen und war selbst überrascht über ihre Frage. Auch Roman sah erstaunt in ihre Richtung.

„Ich muss es einfach tun“, sagte Sutton leise und betrachtete sie mit einem Ausdruck, der nur als Zärtlichkeit zu bezeichnen war.

Die Verletzlichkeit in seinem Blick ließ sie weich werden. Sie fühlte sich gezwungen, etwas zu tun, was sie nie wieder hatte tun wollen – mit Roman reden.

Sie hielt Romans eisigen Blick ruhig stand und versuchte, den Zorn wiederzufinden, den sie verspürt hatte, als er hereinkam. Musste er so hart und kalt und abweisend blicken? Vielleicht hatte er das beim Militär gelernt. Denn der Roman, den sie kannte, hatte sie nie so angesehen. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, dass er die Stimme gehoben hatte, wenn sie sich einmal stritten, was sie nur sehr selten getan hatten, wenn sie es recht bedachte.

Ihre Beziehung war sehr entspannt gewesen. Bis zu dem Moment, als sie erfuhr, dass er sie hintergangen hatte.

Dann hatte sie ihn angeschrien. Und das Schlimmste war gewesen, dass er nicht zurückschrie. Er hatte einfach nur dagestanden und stumm die Verantwortung für das übernommen, was er getan hatte.

Obwohl er sich nie mit Worten entschuldigt hatte, war das Bedauern ihm deutlich anzumerken gewesen. Es hätte jedoch keinen Unterschied gemacht, wenn er es gesagt hätte. Keine Entschuldigung konnte sein Verhalten wiedergutmachen und den Schmerz ungeschehen machen, den er verursacht hatte. Aber wenn ihr Vater dieses Treffen wollte, dann sollte er es bekommen.

Grace konnte bissig sein, aber sie kannte Roman gut genug, um zu wissen, dass sie damit nichts erreichen würde. Also schluckte sie ihren Stolz hinunter. Sie tat es für ihren Vater.

„Du weißt, dass es meinem Vater nicht gut geht. Wenn er dieses Treffen möchte, dann sollte es dazu kommen. Was müssen wir tun, um dich dazu zu bringen, uns zu helfen?“

Ihr Vater berührte sie leicht am Arm und sagte fest: „Vielen Dank, Prinzessin, aber lass mich das machen.“

2. KAPITEL

Prinzessin?

Roman widerstand der Versuchung, die Augenbrauen hochzuziehen. Es überraschte ihn nicht, dass Gracie für ihren Vater eintrat. Sie war schon immer Suttons kleines Mädchen gewesen. Das hatte er vor langer Zeit am eigenen Leibe erfahren müssen. Wenn es um ihre Loyalität ging, dann standen ihr Vater und ihre beiden Schwestern ganz vorn.

Roman hatte den Eindruck, dass dem alten Mann nicht mehr viel Zeit blieb. Der Gewichtsverlust und auch die fahle Haut sprachen Bände. Roman hatte es bei seinem eigenen Vater erlebt, als er fünfzehn Jahre alt war, und dann fünf Jahre später bei seiner Mutter.

Sutton Winchester hatte exzessiv gelebt, er hatte die Frauen und den Alkohol geliebt und im Beruf viel Stress gehabt. Das alles rächte sich jetzt.

Roman konnte kein Mitleid mit dem Mann aufbringen.

Sutton wandte sich ihm wieder zu. „Werden Sie das Treffen arrangieren?“

Was bildete der Mensch sich eigentlich ein? Wie kam er dazu, etwas von ihm zu fordern? Er schuldete Sutton Winchester absolut gar nichts. „Äh … nein. Das werde ich nicht.“

„Ich werde Sie gut dafür bezahlen.“

Suttons Angebot brachte Roman nur noch mehr auf. Er schüttelte den Kopf. „Vergessen Sie es.“

„Was wollen Sie? Nennen Sie Ihren Preis.“

Er öffnete den Mund, um dem alten Kerl zu sagen, dass er nichts besaß, womit er ihn locken könne, als er plötzlich innehielt.

Er sah zu Gracie hinüber, die seinem Blick auswich. Er dachte an die vielen Male, als Sutton versucht hatte, seine Beziehung zu Gracie zu sabotieren, weil Roman als Sohn eines Soldaten in seinen Augen nicht gut genug war für seine Tochter. Aber Roman hatte seither einen langen Weg hinter sich. Jetzt brauchte Sutton ihn, und er hatte eindeutig nichts zu verlieren.

Er sah wieder zu Gracie hin und ließ seinen Blick betont an ihr hinauf- und hinunterwandern. „Wie wäre es mit einer Stunde allein mit Ihrer Tochter?“

Gracie sah ihn einen Moment fassungslos an, bevor sie frostig fragte: „Um was genau zu tun?“

Er lächelte spöttisch. „Was auch immer mir in den Sinn kommt.“

Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Es hatte ihr tatsächlich die Sprache verschlagen. Das war eine Premiere. Es überraschte ihn selbst, welche Genugtuung er bei dem Gedanken empfand.

„Das war ein Scherz“, ergänzte er trocken. „Ich möchte nur reden.“

„Ich habe nichts mit dir zu reden“, konterte sie und warf dabei einen nervösen Blick zu ihrem Vater hin.

Würde Sutton sie dazu zwingen? Er wusste, was zwischen seiner Tochter und Roman vorgefallen war. Würde er sie jetzt wirklich zwingen, mit ihm zu sprechen?

„Ich gebe Ihnen fünfzehn Minuten mit ihr“, erklärte Sutton kühl.

Roman schluckte eine Bemerkung hinunter, die ihm auf der Zunge lag. Der Bastard war bereit, seine eigene Tochter zu verkaufen!

„Daddy!“ Gracie sah ihren Vater entsetzt an.

„Fünfundvierzig Minuten.“ Roman ignorierte ihren flehenden Blick.

„Zwanzig.“

Es war unfassbar!

Das Geschacher musste Grace wie ein schlechter Traum vorkommen – als würde sie verkauft wie ein Stück Vieh.

„Dreißig Minuten und keine weniger“, sagte Roman. „Das ist mein letztes Wort. Sonst können Sie selbst sehen, wie Sie klarkommen, alter Mann.“

Sutton war eitel. Die Bezeichnung alter Mann musste ihn verletzen, aber er ließ sich nichts anmerken. „Deal“, sagte er trocken.

Der Mann besaß wirklich weder Skrupel noch Moral. Gracie hatte ihm ihre Hilfe angeboten, aber wenn Roman ihre fassungslose Miene betrachtete, dann bezweifelte er, dass sie an eine solche Situation gedacht hatte. Die Frage war: Würde sie sich darauf einlassen?

Sutton mochte keine Skrupel haben, aber Roman hatte sie. „Was meinst du, Gracie? Dreißig Minuten, um über alte Zeiten zu reden?“

Roman sah, dass sie am liebsten abgelehnt hätte. In diesem Moment bekam Sutton einen Hustenanfall, der ihn nach Luft ringen ließ.

Grace legte ihm die Hand auf die Schulter, bis der Anfall vorüber war. Dann sagte sie beschwichtigend: „Natürlich mache ich es.“

„Ich werde sehen, was ich tun kann“, versicherte Roman nun Sutton. „Aber ich kann nicht versprechen, dass Graham und Brooks einverstanden sind herzukommen.“

„Falls jemand sie dazu bringen kann, dann Sie“, sagte Sutton.

Ein Kompliment? Das grenzte doch wirklich an ein Wunder.