Landeskundevermittlung in DaF-Lehrwerken aus China und Deutschland - Pei Pei - E-Book

Landeskundevermittlung in DaF-Lehrwerken aus China und Deutschland E-Book

Pei Pei

0,0
36,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Didaktik für das Fach Deutsch - Deutsch als Fremdsprache, DaF, Note: 1,0, Universität Kassel, Sprache: Deutsch, Abstract: Im heutigen Fremdsprachenunterricht wird nicht nur Sprache, sondern auch Kultur im Hinblick auf soziale Zusammenhänge vermittelt. Das heißt, es werden unbestritten Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur eines anderen Landes durch die Sprachvermittlung transportiert, da der Sprachunterricht von jeher und mit verschiedener Intention auch dem Ziel der Vermittlung von Kenntnissen über das Land und den soziokulturellen Hintergrund der Zielsprache verpflichtet ist. Anders als in Deutschland ist Fremdsprachenunterricht erst seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 ein integraler Bestandteil der Schul- und Hochschulbildung. Die Didaktik Deutsch als Fremdsprache in China, darunter auch Landeskunde der deutschsprachigen Länder, bildet kein eigenes theoretisches System. Landeskunde erhielt in China lange Zeit wenig Wertschätzung. Während in Deutschland seit den 1960er Jahren verschiedene Ansätze der Landeskunde entwickelt worden sind, bleibt der faktische Ansatz in China von Anfang an ein vorherrschendes Konzept (vgl. Li 2007: 65). In den letzten Jahren wird jedoch große Aufmerksamkeit auf die neue Orientierung der landeskundlichen Didaktik geschenkt. Das Lehrwerk spielt eine entscheidende Rolle im Fremdsprachenunterricht, insbesondere für ein von der Zielsprache weit entferntes Land wie China, um die soziokulturellen Bezüge systematisch zu vermitteln. Bis heute liegt noch keine wissenschaftliche Analyse der Vermittlung der Landeskunde in DaF-Lehrwerken in China vor. Aus eigenen Erfahrungen im Studium in China ist mir bekannt, dass im Unterricht meistens Daten und Zahlen über deutschsprachige Länder gelehrt werden. Diese Erfahrungen haben mich motiviert, ein chinesisches und ein deutsches DaF-Lehrwerk unter landeskundlichem Aspekt zu untersuchen, die zu der jeweiligen neuen Lehrwerkgeneration gehören. Dabei soll ein Vergleich unter folgenden Fragestellungen geleistet werden: Welche landeskundlichen Informationen und Kenntnisse über die deutschsprachigen Länder werden sowohl in dem chinesischen als auch in dem deutschen Lehrwerk vermittelt? Welche nicht? Nach welchen didaktischen Ansätzen werden die landeskundlichen Inhalte in beiden DaF-Lehrwerken gestaltet? Gibt es landeskundliche Elemente in beiden DaF-Lehrwerken, die die interkulturelle Kompetenz der Lernenden trainieren können? Meine Intention ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Vermittlung der Landeskunde zwischen den chinesischen und deutschen DaF-Lehrwerken zu untersuchen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2016

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Impressum:

Copyright (c) 2015 GRIN Verlag / Open Publishing GmbH, alle Inhalte urheberrechtlich geschützt. Kopieren und verbreiten nur mit Genehmigung des Verlags.

Bei GRIN macht sich Ihr Wissen bezahlt! Wir veröffentlichen kostenlos Ihre Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten.

Jetzt beiwww.grin.com

Inhaltsverzeichnis

 

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Einleitung

1 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht

1.1 Definition der Landeskunde

1.1.1 Terminologische Veränderung der Landeskunde

1.1.2 Inhaltliche Bestimmung der Landeskunde

1.2 Historische Entwicklung der Landeskunde

1.3 Landeskundliche Ansätze

1.3.1 Kognitiver Ansatz

1.3.2 Kommunikativer Ansatz

1.3.3 Interkultureller Ansatz

2 Landeskunde im chinesischen DaF-Unterricht

2.1 DaF-Unterricht in China

2.1.1 Historischer Hintergrund

2.1.2 Institution – DaF an Hochschulen und Universitäten

2.1.3 Lehrwerke

2.2 Landeskunde im DaF-Unterricht in China

2.2.1 Historische Entwicklung

2.2.2 Didaktische Ansätze

2.2.3 Curriculare Vorgabe

2.2.4 Lehrwerke, Themenbereiche und Textsorten

3 Methodik der Lehrwerkanalyse zur Landeskunde

3.1 Lehrwerkforschung, Lehrwerkanalyse und Lehrwerkkritik

3.1.1 Situation der Lehrwerkforschung, Lehrwerkanalyse und Lehrwerkkritik

3.1.2 Methodik der Lehrwerkanalyse

3.2 Lehrwerkanalyse zur Landeskunde

3.3 Analysemethodik und Untersuchungskategorien

3.3.1 Methodik

3.3.2 Hypothese

3.3.3 Kriterienkatalog

3.3.4 Auswahl der Lehrwerke und Begründung

4 Lehrwerkanalyse Studienweg Deutsch und Berliner Platz

4.1 Das chinesische DaF-Lehrwerk Studienweg Deutsch

4.1.1 Aufbau und Konzeption des Lehrwerks

4.1.2 Themenauswahl

4.1.3 Zielgruppe

4.1.4 Zur Gestaltung der landeskundlichen Inhalte

4.1.5 Interkulturalität

4.1.6 Zusammenfassung

4.2 Das deutsche DaF-Lehrwerk Berliner Platz

4.2.1 Aufbau und Konzeption des Lehrwerks

4.2.2 Themenauswahl

4.2.3 Zielgruppe

4.2.4 Zur Gestaltung der landeskundlichen Inhalte

4.2.5 Interkulturalität

4.2.6 Zusammenfassung

5 Ergebnisse der Lehrwerkanalyse

Schlussfolgerung und Ausblick

Bibliographie

Erklärung: Kennzeichnung übernommener Textstellen

 

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

 

Abbildung 1: „Eisbergmodell“ der Kultur (Caspari 2007: 70)

 

Tabelle 1: Benennungen der Landeskunde in Publikationen seit dem 19. Jahrhundert (Holzäpfel 2000: 26)

Tabelle 2: Drei landeskundliche Ansätze (Weimann/Hosch 1993: 515)

Tabelle 3: Studienmotive 2003 der Germanistikstudierende mit Bachelor- und Masterabschluss (jeweils Mehrfachnennung möglich) (Fan/Li 2007: 200)

Tabelle 4: Phasenmodell zum Verhältnis qualitativer und quantitativer Analyse (Mayring 2010: 21)

Tabelle 5: Auflistung der Titel und Themen in Studienweg Deutsch 1

Tabelle 6: Häufigkeit der in Studienweg Deutsch 1. Kursbuch vorliegenden Textsorten

Tabelle 7: Auflistung der Titel und Themen in Berliner Platz 1

Tabelle 8: Häufigkeit der in Berliner Platz 1. Lehr- und Arbeitsbuch 1 vorliegenden Textsorten

Tabelle 9: Darstellung der Themen in beiden Lehrwerken

 

Einleitung

Im heutigen Fremdsprachenunterricht wird nicht nur Sprache, sondern auch Kultur im Hinblick auf soziale Zusammenhänge vermittelt. Das heißt, es werden unbestritten Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur eines anderen Landes durch die Sprachvermittlung transportiert, da der Sprachunterricht von jeher und mit verschiedener Intention auch dem Ziel der Vermittlung von Kenntnissen über das Land und den soziokulturellen Hintergrund der Zielsprache verpflichtet ist. In der Geschichte der Fremdsprachendidaktik in Deutschland ist die Diskussion über die Landeskundevermittlung umstritten und hat zu heftigen Kontroversen geführt (vgl. Neuner 1994a: 15). Seit den 1960er und 1970er Jahren wird die Landeskunde im Fremdsprachenunterricht in ihre Bezugswissenschaften einbezogen und ist aus heutiger Sicht in der Fremdsprachendidaktik ein „Kernbereich“ (Caspari 2007: 70) geworden.

Anders als in Deutschland ist Fremdsprachenunterricht erst seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 ein integraler Bestandteil der Schul- und Hochschulbildung. Die Didaktik Deutsch als Fremdsprache in China, darunter auch Landeskunde der deutschsprachigen Länder, bildet kein eigenes theoretisches System. Landeskunde erhielt in China lange Zeit wenig Wertschätzung. Während in Deutschland seit den 1960er Jahren verschiedene Ansätze der Landeskunde entwickelt worden sind, bleibt der faktische Ansatz in China von Anfang an ein vorherrschendes Konzept von Landeskunde (vgl. Li 2007: 65). In den letzten Jahren wird jedoch große Aufmerksamkeit auf die neue Orientierung der landeskundlichen Didaktik geschenkt.

Das Lehrwerk spielt eine entscheidende Rolle im Fremdsprachenunterricht, insbesondere für ein von der Zielsprache weit entferntes Land wie China, um die soziokulturellen Bezüge systematisch zu vermitteln. Bis heute liegt noch keine wissenschaftliche Analyse der Vermittlung der Landeskunde in DaF-Lehrwerken in China vor. Aus eigenen Erfahrungen im Studium in China ist mir bekannt, dass im Unterricht meistens Daten und Zahlen über deutschsprachige Länder gelehrt werden. Diese Erfahrungen haben mich motiviert, ein chinesisches und ein deutsches DaF-Lehrwerk unter landeskundlichem Aspekt zu untersuchen, die zu der jeweiligen neuen Lehrwerkgeneration gehören. Dabei soll ein Vergleich unter folgenden Fragestellungen geleistet werden:

- Welche landeskundlichen Informationen und Kenntnisse über die deutschsprachigen Länder werden sowohl in dem chinesischen als auch in dem deutschen DaF-Lehrwerk vermittelt? Welche nicht?

- Nach welchen didaktischen Ansätzen werden die landeskundlichen Inhalte in beiden DaF-Lehrwerken gestaltet?

- Gibt es landeskundliche Elemente in beiden DaF-Lehrwerken, die die interkulturelle Kompetenz der Lernenden trainieren können?

Meine Intention ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Vermittlung der Landeskunde zwischen den chinesischen und deutschen DaF-Lehrwerken zu untersuchen.

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit stellt sich wie folgt dar: Im ersten Kapitel wird ein Überblick über die Forschungsströmungen zur Landeskunde in Deutschland gegeben. Dabei wird zunächst der Begriff der Landeskunde bestimmt. Danach wird die historische Entwicklung der Didaktik der Landeskunde dargestellt. Im Anschluss werden drei landeskundliche Ansätze näher erläutert, der Kognitive Ansatz, der Kommunikative Ansatz sowie der Interkulturelle Ansatz.

Im zweiten Kapitel wird ein Abriss über den Forschungsstand zur Landeskunde im chinesischen DaF-Unterricht vorgestellt. Darüber hinaus wird sowohl die Situation des chinesischen DaF-Unterrichts seit dem 18. Jahrhundert skizziert als auch ein Überblick über das didaktische Konzept für Landeskunde in China dargestellt.

Im dritten Kapitel wird ein eigenes Kriterienraster für die Lehrwerkanalyse unter dem Aspekt Landeskunde festgelegt. Dabei wird eine Erhebung des aktuellen Standes der Lehrwerkforschung und Lehrwerkanalyse erfolgen. Anhand einer Darstellung der Kriterien bisheriger Lehrwerkanalyse zur Landeskunde werden Hypothese und Kriterienkatalog meiner Untersuchung ermittelt.

Im vierten Kapitel werden ausgewählte DaF-Lehrwerke aus China und Deutschland für den Anfangsunterricht analysiert.

1 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht

 

Heutzutage wird nicht bestritten, dass der Fremdsprachenunterricht über Hintergrundinformationen des Zielsprachenlands hinaus soziokulturelles Wissen vermitteln und die Voraussetzungen schaffen soll, dass ein Sprachenerwerb zum Kulturlernen, das heißt zum Verstehen der Kultur wird. Landeskunde wird aus diesem Grunde zu einem wichtigen Thema des Fremdsprachenunterrichts (vgl. Wójcik 2009). Für Krumm (1994a: 28) bedeutet Fremdsprachenlernen die Suche nach dem „Zugang zu einer anderen Kultur“. Diese Meinung wird auch von Leupold (vgl. 2007: 127) vertreten, indem er auf die enge Verbindung zwischen Sprache und landeskundlichem Wissen hinweist. Der Sprachenunterricht beschränkt sich nicht auf das Lehren und Erwerben von sprachlichen Strukturen, sondern ist auch dem Ziel der Vermittlung von Wissen über das Land und über die Kultur der Zielsprache verpflichtet.

 

Neuner (vgl. 1994a: 15) ist der Meinung, dass die Bestimmung der Landeskunde in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik der einzige Aspekt war, der zu so heftigen Kontroversen geführt hat. Deshalb wird in diesem Kapitel die aktuelle Diskussion um die Landeskunde in Bezug auf folgende Fragen erörtert:

 

1) Was ist Landeskunde? Landeskunde wird in der Fremdsprachendidaktik auf unterschiedliche Weise definiert. Stets wird diskutiert, worum es sich bei der Landeskunde handelt, aber wirkliche Klarheit besteht nicht (vgl. Holzäpfel 2000: 13). In Abschnitt 1.1 werden zunächst die terminologischen Veränderungen der Landeskunde sowie die inhaltliche Bestimmung der Landeskunde erläutert.

2) Wo beginnt Landeskunde? Der historischen Entwicklung der Landeskunde in Deutschland ist der Abschnitt 1.2 gewidmet.

3) Welche didaktischen Ansätze der Landeskunde gibt es? Im Abschnitt 1.3 stehen die unterschiedlichen Ansätze im Vordergrund.

 

1.1 Definition der Landeskunde

 

Holzäpfel (2000: 13) stellt fest:

 

Wenn man über Landeskunde schreibt, scheint es fast schon Usus zu sein, dass man sich zunächst einmal beschwert über die wahrhaft dramatische Forschungslage und über zahlreiche Ansätze, die sich zwar über die Jahre hinweg etabliert haben, die aber scheinbar keine zufriedenstellenden Lösungen für die landeskundlichen Probleme liefern können.

 

Von Schmidt (1980: 289) wird Landeskunde als ein „(Un-)Fach“ bezeichnet, ebenso von Gürttler und Steinfeld (1990: 250) als ein „unmögliches Fach aus Deutschland“. Ist Landeskunde ein Fach, ein unabhängiger Lehr- und Forschungsbereich, eine „inhaltliche Komponente eines jeden Fremdsprachenunterrichts“ (Ehnert/Wazel 1996: 273), ein „Prinzip, das sich durch die Kombination von Sprachvermittlung und kultureller Information konkretisiert und durch besondere Aktivitäten über den Deutschunterricht hinaus wirken soll“ (ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht 1990: 60) oder sogar ein „pädagogisches Programm“ (Bettermann 1998: 13)? Mit Recht bezeichnet Pauldrach (1992: 4) die Auseinandersetzung um die Landeskunde als eine „unendliche Geschichte“. Zu der Frage, was Landeskunde sein sollte, gibt es keine „letzte[n] Antworten“ (ebd.: 15). Es gibt sogar eine ablehnende Haltung, Landeskunde überhaupt als Fach anzuerkennen.

 

Im Zusammenhang damit lässt sich die Frage nach der Umbenennung der Landeskunde stellen, die im Folgenden näher erläutert wird.

 

1.1.1 Terminologische Veränderung der Landeskunde

 

In der Geschichte der Fremdsprachendidaktik fallen häufig sehr unterschiedliche Namen zur Bezeichnung der Vermittlung landeskundlichen Wissens auf, die dafür in zahlreichen Publikationen verwendet werden. Dadurch entsteht, wie Holzäpfel (2000: 25) feststellt:

 

ein terminologisches Potpourri [...], das zum einen den Unterschied zwischen der Beschäftigung mit Landeskunde auf universitärer Ebene widerspiegelt und diese in Opposition zur tatsächlichen Unterrichtspraxis setzt. Zum andern drücken die Benennungen auch einen thematischen Schwerpunkt aus, etwa Landeskunde vs. Leutekunde.

 

Holzäpfel (ebd.: 26) fasst die konkurrierenden Benennungen in folgender Tabelle zusammen:

 

Tabelle 1: Benennungen der Landeskunde in Publikationen seit dem 19. Jahrhundert (Holzäpfel 2000: 26)

 

 

 

Er (ebd.: 26ff.) ordnet die verschiedenen Bezeichnungen für Landeskunde in die folgenden vier Kategorien, wobei sowohl der Fremdsprachenunterricht als auch das Fremdsprachenstudium berücksichtigt werden:

 

1) Verschiedene -kunden: Realienkunde, Kulturkunde, Wesenskunde, Landeskunde, […] Deutschlandkunde, Leutekunde.

2) Das Modell Landes-X: Landeswissenschaften, Landeswissenschaft.

3) Alternativen: Kulturwissenschaft, Deutschlandstudien.

4) Attribuierungen: interkulturell, integrativ.

 

In den 1970er Jahren widmeten die Universitäten den neuen Inhalten und Gegenstandsbereichen des Fremdsprachenunterrichts und der Landeskunde und Kulturwissenschaft in den Fremdsprachenphilologien ihre Aufmerksamkeit (vgl. Lüsebrink 2007: 61).

 

Im Hochschulbereich wird der Terminus Landeskunde parallel in Verbindung mit Begriffen wie Kulturwissenschaft, Cultural Studies, Area Studies, Intercultural Studies oder Interkulturelle Kommunikation eingesetzt (vgl. Leupold 2007: 128). Landeskunde bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Teildisziplin innerhalb eines universitären Faches, wie zum Beispiel der Anglistik, der Romanistik oder der Slawistik, sowie der Germanistik (vgl. Lüsebrink 2007: 61).

 

Nachdem er die verschiedenen Alternativen zum Landeskundekonzept vorgestellt hat, schreibt Holzäpfel (vgl. 2000: 39): Landeskunde sei ein Begriff, der trotz aller Debatten dehnbar genug sei, jede Facette der Diskussion in sich aufzunehmen.

 

1.1.2 Inhaltliche Bestimmung der Landeskunde

 

Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen, was Landeskunde eigentlich bedeutet und was davon im Fremdsprachenunterricht gelehrt werden soll (vgl. Biechele/Padrós 2003: 8). Im Folgenden sollen Ansichten über Landeskunde von verschiedenen Autoren aufgezeigt werden.

 

Walter (1981: 17) bezeichnet die Landeskunde als „den Sachunterricht in den Fremdsprachen. Ihre Inhalte fördern Textverständnis und mündliche Kommunikationsfähigkeit und dienen als Ersatz für Erfahrung mit den Ländern und Sprechern der Zielsprache; sie betreffen sowohl Sozial- als auch Sachwissen.“

 

Für Solmecke (1982: 3) bedeutet Landeskunde „ein spezifisch auf den Fremdsprachenunterricht bezogener Begriff und meint ganz allgemein den Einbezug kultureller Informationen über Zielsprachengemeinschaften als curricularen Bestandteil der Vermittlung einer Fremdsprache […]“.

 

Buttjes (1995: 142) dagegen weist darauf hin, dass Landeskunde „alle Bezüge auf die Gesellschaft(en), deren Sprache im Fremdsprachenunterricht gelernt wird“, meint. Solche soziokulturellen Bezüge tauchen im fremdsprachlichen Curriculum immer dann auf, wenn den Lernenden die fremde Sprache in ihrem ursprünglichen Verwendungszusammenhang dargestellt wird. Es gibt weniger enge Begriffe von Landeskunde in der Geographie (Länderkunde) und in der Geschichtswissenschaft (Geschichtliche Landeskunde) (vgl. ebd.: 142).

 

In den ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht (1990: 60) ist Landeskunde folgendermaßen umschrieben:

 

Landeskunde im Fremdsprachenunterricht ist ein Prinzip, das sich durch die Kombination von Sprachvermittlung und kultureller Information konkretisiert und durch besondere Aktivitäten über den Deutschunterricht hinaus wirken soll, z.B. durch Austausch und Begegnung. [...] Landeskunde ist nicht auf Staaten- und Institutionenkunde zu reduzieren, sondern bezieht sich exemplarisch und kontrastiv auf den deutschsprachigen Raum mit seinen nicht nur nationalen, sondern auch regionalen und grenzübergreifenden Phänomenen.

 

Erdmenger (1996: 21) nennt Landeskunde als „eine Disziplin, die überwiegend in Verbindung mit Sprache, Sprachstudium und Sprachunterricht auftritt“. Landeskunde ist das Kenntnis über diejenigen Länder, in denen die zu lernende Sprache gesprochen wird (vgl. ebd.: 21).

 

Pütz (1998: 356) bezeichnet als Landeskunde „das minimale und daher didaktisch relevante Ziel einer Maximierung von Kenntnissen über ein unbekanntes Land.“

 

Laut Picht (1995: 67) kreist die Diskussion „meist um den ominösen Begriff ‚Landeskunde‘, der viel Verwirrung stiftet“. Er geht dabei von der Meinung aus, dass alle Offenbarungen einer Kultur Teile eines Ganzen sind, deren Gestalt und Bedeutung durch das Zusammenwirken historischer und funktionaler Verbindungen zwischen verschiedenen Aspekten dieser Kultur bedingt sind. Das Ganze bestimmt also die Teile, die Wechselbeziehung der Teile wiederum das Ganze.

 

Um den Begriff Landeskunde näher zu erläutern, soll die Aufmerksamkeit hier auf den Bereich Kultur gerichtet werden. Caspari (vgl. 2007: 70) erklärt Kultur anhand folgender Visualisierung:

 

 

Abbildung 1: „Eisbergmodell“ der Kultur (Caspari 2007: 70)

 

Wie im Bild erkennbar ist nur der kleinere, über der Wasseroberfläche liegende Teil der Kultur sichtbar. Der primäre Gegenstand der Landeskunde besteht auch aus diesem Teil. Der größere Teil des Eisbergmodells ist unsichtbar und oft auch unbewusst.

 

Nach Biechele und Padrós (vgl. 2003: 145, 147) haben sich drei Kulturbegriffe in den deutschsprachigen Ländern entwickelt, nämlich ein traditioneller Kulturbegriff, ein erweiterter Kulturbegriff und ein offener Kulturbegriff. Im Abschnitt 1.3 werden diese Kulturbegriffe ausführlicher aufgezeigt, die eng mit den drei landeskundlichen Ansätzen zusammenhängen.

 

Für diese Arbeit wurde die Landeskunde-Definition von Bischof, Kessling und Krechel (1999: 7) zugrungegelegt: „Der Begriff Landeskunde umfasst ganz unterschiedliche Bereiche: Kultur, Geschichte, Geographie, Politik, dann das Wissen um Alltagssituationen [...], kurz ‚alles, was man braucht, um sich in einem fremden Land weniger fremd zu fühlen‘ [...].“ Nach den drei Autoren geht es bei Landeskunde nicht nur um faktisches Wissen über die Zielkultur, sondern auch „um Wertvorstellungen, Glauben, Konzepte von Raum und Zeit, um Einstellung-en“ (ebd.). Daher fallen drei wichtige Perspektiven der landeskundlichen Ansätzen auf, die in Abschnitt 1.3 betrachtet werden, nämlich die faktische Landeskunde: Kultur, Geschichte, Geographie, Politik; die kommunikative Landeskunde: das Wissen um Alltagssituationen; und die interkulturelle Landeskunde: alles, was man braucht, um sich in einem fremden Land weniger fremd zu fühlen. Nicht zuletzt besitzt der Begriff zwei Neuorientierungen der Entwicklung der Landeskunde seit den 1990er Jahren: die Einbeziehung der Lernerperspektive und die interkulturelle Orientierung der Landeskunde.

 

Dennoch ist nicht zu vernachlässigen, dass es heute immer noch schwierig ist, eine genaue und befriedigende Bestimmung des Begriffs Landeskunde zu finden. Leupold (2007: 128) ist der Ansicht, dass die Entwicklung der Landeskunde keine didaktisch-methodische Begründung erfahre, sondern eindeutig politische Ereignisse der Zeit dafür ausschlaggebend seien. Um darzustellen, wie aktuelle gesellschaftliche und politische Ereignisse die Vorstellungen von Landeskunde beeinflussen, wird im nächsten Abschnitt ein historischer Überblick über die Entwicklung von Ende des 19. Jahrhunderts bis heute gegeben.

 

1.2 Historische Entwicklung der Landeskunde

 

In diesem Unterkapitel soll dargelegt werden, welchen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterschiedliche landeskundliche Konzeptionen zur Zeit ihrer Entstehung unterlagen. Nicht davon zu trennen ist die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik, denn die Inhalts- und Begriffsbestimmung der Landeskunde wird im Zusammenhang mit der Entwicklung fachdidaktischer Konzepte immer wieder intensiv diskutiert (vgl. Kim 2003: 17).

 

Schon im Jahr 1658 schrieb Comenius in seinem Werk Orbis Sensualium Pictus, dass die Schule „ein wahrhaftiger Schauplatz der sichtbaren Welt“ (zit. nach Leupold 2007: 128) sein soll. Leupold (ebd.) ergänzt Comenius‘ Meinung dahingehend, dass die Visualisierung der Wörter der deutschen Sprache den Weg über die ausschließliche Vermittlung der sprachlichen Struktur hinaus auf kulturelle Gegebenheiten weise.

 

Laut Lüsebrink (vgl. 2007: 60) kommt dem landeskundlichen Wissen im Fremdsprachenunterricht seit dem 19. Jahrhundert eine wesentliche Rolle zu. Auch Holzäpfel (vgl. 2000: 15) vertritt diese Auffassung dahingehend, dass alle Untersuchungen den Beginn der Landeskunde auf das Ende des 19. Jahrhunderts festlegen. Der Begriff Landeskunde wurde in der Fremdsprachendidaktik zum ersten Mal um 1870 in der Diskussion um das Werk Frankreich und die Franzosen von Karl Hillebrand (1873) benutzt (vgl. Lüsebrink 2007: 60).