Lange Vermisst - Eine Kate-Burkholder-Story - Linda Castillo - E-Book

Lange Vermisst - Eine Kate-Burkholder-Story E-Book

Linda Castillo

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Beschreibung

Wer hat Angela Blaine gesehen? Die junge Frau verschwand spurlos vor zwanzig Jahren. Nur ihre blutigen Kleider fand man am Ufer des Flusses. Kate Burkholder und John Tomasetti ermitteln und stoßen dabei auf ein lange gut gehütetes Geheimnis. Spannend und bewegend: ›Lange Vermisst‹ ist eine spannende und unterhaltende Kurzgeschichte, die im Land der Amischen spielt.

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Seitenzahl: 66

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Linda Castillo

Lange Vermisst

Eine Kate-Burkholder-Kurzgeschichte

Aus dem Amerikanischen von Irmengard Gabler

FISCHER digiBook

Inhalt

Lange Vermisst. Eine Kate-Burkholder-Kurzgeschichte

Manche Dinge ändern sich nie. Dazu gehört das leuchtende Herbstlaub, das in Ohio im Land der Amischen die sanften Hügel überzieht. Es ist Mitte Oktober, und der Nordosten des Staates ist eine schimmernde Collage aus Orange-, Rost- und Rottönen. Seit ich hier lebe, bin ich schon unzählige Male diese Straße entlanggefahren, aber ich kann mich immer noch nicht daran sattsehen. Jede Fahrt unterscheidet sich grundlegend von der anderen, und so sauge ich auch diese mit einem Blick in mich ein, der atemberaubend und neu ist. Ich sehe, wie das Licht schräg durch die Bäume fällt und dabei die Blätter in Brand setzt. Wie die Morgennebel wie Rauchschwaden über dem Waldboden schweben. Dann der unerwartete Anblick eines amischen Bauern, der mit seinem Pferdegespann das Getreide erntet. Das Schauspiel der herabfallenden Blätter, die in einem Strudel gefangen über den Asphalt wirbeln, als seien es kleine Kreaturen, die dem bevorstehenden Winter zu entkommen suchen.

Ich heiße Kate Burkholder und leite die Polizeieinheit in Painters Mill, Ohio, einer kleinen ländlichen Gemeinde im Herzen von Amisch-Land. Ich sitze neben State Agent John Tomasetti in dessen Chevrolet Tahoe, und wir sind unterwegs zu einem zweitägigen Erholungsurlaub in einer kleinen Frühstückspension, eine Stunde von meinem Wohnort entfernt. Ich sollte mich eigentlich freuen auf die längst überfällige Ruhephase und die Gelegenheit, endlich ein wenig Freizeit mit dem Mann zu verbringen, den ich liebe. Wenn das nur so einfach wäre!

Ich lebe eigentlich schon viel zu lang, um angesichts der Aussicht, das Wochenende mit einem Mann zu verbringen, den ich seit fast drei Jahren kenne, die Nerven zu verlieren, und neige weder zu übertriebener Ängstlichkeit noch zu Panikattacken. Tomasetti ist schließlich mein bester Freund. Er ist mein Geliebter und mein Vertrauter, und ich bewundere ihn sehr. Wir haben gemeinsam bereits einige schwierige Fälle gelöst – Mord, Entführung und all die unschönen Dinge, die mit solchen Verbrechen einhergehen –, doch aus unerfindlichen Gründen jagt mir die Aussicht, zwei Nächte in einer gemütlichen Pension mit ihm zu verbringen, ohne den Puffer der Arbeit zwischen uns, eine Heidenangst ein.

Vielleicht weil ich tief im Inneren spüre, dass die Anspannung, die mir im Nacken sitzt, weniger mit dem bevorstehenden Wochenende zu tun hat als mit unserer Beziehung, deren Zukunft mir mehr bedeutet als mein Leben. Die kommenden zwei Tage sollen darüber entscheiden, sie gleichsam auf eine neue Stufe heben. Ich habe wenig Erfahrung darin und bin mir daher nicht sicher, ob ich dieser Aufgabe überhaupt gewachsen bin.

»Du kaust doch an irgendetwas herum.«

Seine Stimme holt mich aus meinen Gedanken. Ich mustere ihn verstohlen und bin nicht nur von seinem Anblick gerührt, sondern mehr noch von der Tiefe meiner Gefühle für ihn.

»Ich kaue nicht herum«, sage ich, »ich denke nach. Ein großer Unterschied.«

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast auf die Idee kommen, dass du einen Rückzieher machen willst.«

»Soll das etwa heißen, ich bin ein Angsthase?«, frage ich.

Er lächelt. »Mach keine Witze über eine Frau, die besser schießt als du!«

Der Spruch entlockt mir ein Grinsen. »Ich glaube, ich kann ein Wochenende allein mit dir verkraften. Ich hab einfach nur …«

»Bammel?«

Das Wort klingt kindisch, und ich komme mir reichlich albern vor. Ich will ihm sagen, dass »Bammel« etwas für Schulmädchen ist und ich schon lange keines mehr bin. »Ich bin es nun mal nicht gewohnt, mir eine Auszeit zu nehmen.«

Er wirft mir einen belustigten Blick zu. »Oder ein ganzes Wochenende dein Bett mit einem Mann zu teilen.«

»Das auch.«

»Wenn es dich tröstet, Chief, das ist auch für mich Neuland.«

»Dann haben wir zumindest gleiche Voraussetzungen.«

Das Geplänkel wirkt wie eine sanfte Nackenmassage, und ich merke, wie sich meine Anspannung allmählich löst. »Ich bin froh, dass du mir dabei hilfst, die Dinge zu relativieren, Tomasetti.«

»Jederzeit.«

Wir fahren einen Hügel hinauf, von dem aus man ein üppig bewaldetes Tal überblickt, und sehen hinunter auf ein schimmerndes Meer aus Rot, Gelb und Gold. Ahornbäume und schwarze Walnussbäume, glänzend wie geschliffene Diamanten, fliegen an meinem Fenster vorbei. Wir erreichen den Talgrund und überqueren eine alte Stahlbrücke voller Graffiti, die sich über den Rouge River spannt. Wir fahren an einem Fuhrwerk der Amischen vorbei und dann an einem urtümlichen Schild, das uns den Weg zum Maple Creek Inn weist.

»Gleich sind wir da.« Tomasetti biegt nach links auf einen schmalen Kiesweg.

Alte Bäume neigen sich über den Wagen und blockieren die helle Nachmittagssonne. Zu meiner Rechten hält der träge Fluss Schritt mit unserem Wagen. Ich sehe die Rauchschwaden eines Holzfeuers über den Baumkronen, dann rückt das alte Bauernhaus in Sicht. Es ist ein großes, zweistöckiges viktorianisches Gebäude mit einem Kamin aus rotem Backstein und einem Blechdach. Eine Veranda, geschmückt mit hängendem Farn und Tontöpfen voller fröhlich gelber Chrysanthemen, umschließt drei Seiten des Hauses. Hübsche rote Gartenstühle laden Gäste dazu ein, sich hinzusetzen und den Fluss zu betrachten. Weitere Sitzgelegenheiten gibt es auf einer gefliesten Terrasse unterhalb der Veranda, wo um einen gewaltigen bronzenen Kaminofen mehrere Bänke stehen.

Tomasetti parkt den Wagen auf einer Kiesfläche hinter dem Haus, die ein verbeultes Holzschild als Gästeparkplatz ausweist. »Könnte ‘ne Weile dauern, bis wir uns an so viel Ruhe und Frieden gewöhnt haben«, kommentiert er.

»Typisch Stadtmensch.«

Mit schiefem Lächeln stellt er den Motor ab, und wir steigen aus. Kühle Herbstluft schlägt mir entgegen, dazu vielstimmiger Vogelgesang. Nicht eine Wolke ist am Himmel zu sehen, aber das dichte Blätterdach über uns filtert das Licht. Ich kann den Fluss jetzt riechen, eine angenehme Mischung aus feuchter Luft, nasser Erde und welkem Laub.

Tomasetti greift sich meine Reisetasche und schultert dann die seine. Wir überqueren die Kiesfläche und betreten einen gepflasterten Weg, der auf den Vordereingang des Hauses zuführt.

»Man kann am Fluss entlang wandern«, sagt er. »Und nicht weit von hier gibt es mehrere Lokale. Ich dachte, wir erkunden den Wald und fahren dann zum Essen in die Stadt.«

»Klingt toll.«

Der Duft eines Holzfeuers umschmeichelt meine Geruchsnerven, als wir die Stufen zur Veranda hinaufsteigen. Tomasetti öffnet mir die Tür, und wir betreten einen großen Empfangsbereich, der wie die Wohnstube eines Bauernhauses aus den 1890er Jahren anmutet. Die Aromen von heißem Apfelmost und Zimt liegen in der Luft. Ein geflochtener Teppich, wahrscheinlich eine Handarbeit der Amischen, bedeckt die ausgetretenen Holzdielen. Zur Linken blicke ich in einen großen Raum mit Fenstern, die bis an die Decke reichen und eine Aussicht auf die dunklen Wasser des Flusses bieten. In einem massiven Steinofen knistert und prasselt ein Feuer.

Hinter der Theke steht eine grauhaarige Frau in blauem Kleid und weißer Schürze. Auf dem Kopf trägt sie eine filigrane kapp. Sie hat sich einen altmodischen Telefonhörer unter das Kinn geklemmt und ein Hotelregister aufgeschlagen vor sich liegen. Ihre Kopfbedeckung weist sie als Mennonitin aus. Sie nimmt Augenkontakt mit uns auf und lächelt; dabei hebt sie den Finger, um uns wissen zu lassen, dass sie sich gleich um uns kümmern wird.

Tomasetti stellt unsere Taschen auf den Boden. Aus einem angrenzenden Zimmer tritt ein Mann, dem der Vollbart bis an die Taille reicht und der eine Ladung Holzscheite und Reisig im Arm hält. Ich schätze ihn auf etwa sechzig. Er trägt eine dunkelgraue Arbeitshose mit Hosenträgern, ein graues Arbeitshemd, einen schwarzen Mantel und dazu einen flachen Hut mit Krempe.

»Ah, Gäste! Hab euch nicht kommen sehen.« Er geht neben dem Ofen in die Knie und stapelt die Scheite auf ein schmiedeeisernes Gestell. »Willkommen in Maple Creek.«

Tomasetti stellt sich vor, und die beiden Männer schütteln einander die Hände.

»Ich heiße Harley Hilty. Meine Frau und ich sind die Besitzer dieser Pension.«

Ich strecke ihm die Hand hin, und er drückt sie fest und freundlich. »Ein schönes Anwesen.«

»Fannie und mir gefällt es hier. Sie hat die Farm vor dreißig Jahren von ihrem grossdaddi