Lassiter 2604 - Des Romero - E-Book

Lassiter 2604 E-Book

Des Romero

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Beschreibung

Mit den Informationen, die Lassiter von Gill Halmore erhalten hat, macht er sich auf den Weg nach Texas, um Brody Graham endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Doch der intrigante Börsenspekulant ist nicht ganz so unvorbereitet, wie man annehmen könnte.
Neben Florence Warne und dem asiatischen Kämpfer Tierén hat er noch eine furchterregende Waffe in der Hinterhand, gegen die kein Gegner gewappnet ist. Und so bahnen sich gleich mehrere Auseinandersetzungen an - jede geeignet, den einstigen Brigade-Agenten fünf Fuß unter die Erde zu bringen.
Die Frage ist nicht mehr, ob Lassiter überlebt, sondern wie lange er seinen Tod hinauszögern kann!


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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Die Wurzel allen Übels

Vorschau

Impressum

Die Wurzelallen Übels

von Des Romero

Bedrücktes Schweigen herrschte im Konferenzzimmer des Eckhauses auf der Wallstreet. Einige der einflussreichsten Männer in New York saßen beisammen, doch bereits seit Minuten hatte niemand das Wort ergriffen. Erst als Brody Graham Anstalten machte, seine Stimme zu erheben, gebot Andrew Carnegie ihm Einhalt.

»Es haben sich Dinge ereignet, die unsere Geschäfte stören«, begann der Stahlmogul. »Deswegen sind wir heute hier: Um das Problem einzukreisen und zu beseitigen!«

Unwillkürlich zuckte Graham zusammen. Auf der Stelle war ihm klar, dass Carnegie genau wusste, wer ihm und den anderen Investoren Schwierigkeiten bereitet hatte. Und wie zur Bestätigung richtete sich der Blick seines Mentors auf Brody Graham.

»Sie wirken überrascht«, meinte Carnegie. »Ich hatte angenommen, die Gerüchte wären bereits bis zu Ihnen vorgedrungen.«

»Gerüchte?«, gab sich Graham verständnislos. »Ich muss gestehen, dass ich nicht im Bilde bin.«

Es war John Pierpont Morgan, der die Argumentation Carnegies fortsetzte. »Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind!«, entfuhr es ihm ungehalten. »Die Schlagzeilen der Tagespresse sind Ihnen wohl entgangen, was?«

Es versetzte Graham, der sich als Börsenspekulant einen zweifelhaften Ruf erworben hatte, einen Stich in die Magengrube. Natürlich hatte er einen Blick in die New York Times geworfen, aber nicht erwartet, dass man das Schmierentheater eines nach Aufmerksamkeit heischenden Reporters in seinen Kreisen für voll nahm. Zumal es nur eine hauchdünne Beweislage gab und dreiviertel des Artikels sich in Mutmaßungen ergingen. Teilweise entsprachen sie sogar der Wahrheit, doch das konnte Brody Graham unmöglich zugeben.

»Eine Posse!«, gab er daher zur Antwort. »Wie nicht anders zu erwarten war, wenn man bedenkt, dass wir alle, die wir maßgeblich den Exchange Market bestimmen, stets unter öffentlichem Beschuss stehen. Es scheint zu einem Volkssport avanciert zu sein, uns in ein schlechtes Licht zu stellen. Dennoch frage ich mich, weshalb sich nun sämtliche Blicke der verehrten Anwesenden auf mich richten...«

Andrew Carnegie schaute den Börsenspekulanten an, als hätte er gerade seinen einzigen Sohn verloren. Er musste zweimal ansetzen, um seine Erwiderung zu formulieren. »Gerade in Zeiten wie diesen«, sagte er mit belegter Stimme, »ist es wichtig, die Balance zu halten. Wir werden tagtäglich mit Vorwürfen konfrontiert, die uns nachsagen, wir würden uns an der Not der Menschen bereichern. Aus Sicht der Betroffenen ist es sogar die einzige Möglichkeit, die ständig wachsende Armut zu rechtfertigen. Ein Schurke muss herhalten, dem man die Last der Verantwortung aufbürdet...«

Graham unterbrach, freudig die Arme in die Höhe reckend. »Na, dann ist ja alles wie immer! Gehen wir über zum Tagesgeschäft.«

J.P. Morgan schnaufte lautstark durch die Nase. Er wischte sich mit einem blütenweißen Tuch die Stirn ab, knüllte es achtlos zusammen und ließ es in einer seiner Anzugtaschen verschwinden. Dann beugte er sich über den Tisch und wedelte mit einem Stapel Papiere. »Was ich hier in meiner Hand halte, ist der vollständige Artikel der Times. Er ist um einige entscheidende Zeilen länger als die abgedruckte Version. Und das haben wir nur meinen guten Beziehungen zum Chefredakteur zu verdanken, der mich gestern Abend noch angerufen hat. Ich muss wohl nicht betonen, dass der Mann vor Sorge schier aufgelöst schien und einfach nicht glauben konnte, was sein Untergebener in seiner Schreibstube zusammengeklimpert hatte. Als ich Mister Carnegie davon berichtete, hat er unverzüglich um eine Zusammenkunft gebeten.«

Allmählich wurde es Brody Graham mulmig. Er hätte seinen linken Arm gegeben, um jetzt schon zu wissen, was die hohen Herren in der Runde hinter seinem Rücken besprochen hatten. Genützt hätte es ihm kaum etwas – und man würde ihn sicher nicht lange im Unklaren lassen.

»Es ist die Rede von einem Mann namens Hunter«, setzte Andrew Carnegie das Gespräch fort. »Er ist – beziehungsweise besser: war –Kapitän der Fregatte Lillywhite Lilith. Das Schiff ist vor fünf Tagen im Hafen der Bowery Bay in die Luft geflogen. Verbunden mit diesem Attentat auf die US-Navy war ein nahezu bodenloser Fall amerikanischer Staatsanleihen.«

Das Blut in Brody Grahams Adern wollte sich in Eis verwandeln. Seit der Name »Hunter« erwähnt worden war, hatte er den Ausführungen Carnegies schon gar nicht mehr zugehört. Ihm war jedoch bewusst, dass ein weiterer Name fallen würde.

»Trotz des fallenden Kurses«, nahm Carnegie den Faden seiner Bestandsaufnahme wieder auf, »kam es zu massiven Aufkäufen dieser praktisch über Nacht wertlos gewordenen Papiere. Unserer Meinung nach steckt dahinter ein Mann, der absolut sicher sein musste, dass seine Investition ihm gigantische Gewinne beschert. Ein Insider also, von dem wir alle annehmen, dass er nicht unerheblichen Einfluss auf die Ereignisse in der Bowery Bay genommen hat...«

Noch versuchte Graham, Kaltblütigkeit zu bewahren. Bisher waren nur Vermutungen ausgesprochen worden. Trotz allem bewegte er sich auf dünnem Eis. Auf ihn wirkte es, als wäre der Richterspruch bereits erfolgt.

»Kapitän Hunter hat sich selbst der Bestechung überführt und sein verschüttetes Gewissen wieder hervorgeholt«, sprach John Pierpont Morgan. »Ohne seine Aussage, die er gegenüber dem Reporter der Times geäußert hat, wüssten wir nicht, wer für unsere Misere verantwortlich ist.«

Scharf sog Brody Graham die Luft ein. Hunter, dieser elende Verräter, der fürstlich bezahlt worden war, um über die Anbringung der Sprengladungen hinwegzusehen, hatte sein Schweigen gebrochen und ihn ans Messer geliefert. Leugnen machte keinen Sinn mehr. Graham war überführt und konnte auch nicht mit Milde rechnen. Doch in seinem Verstand formte sich eine flammende Rede, die er diesem illustren Kreis noch an den Kopf werfen wollte.

»Ja!«, stieß er aus. »Ja zu allem! Ich wollte nebenher ein kleines Vermögen verdienen und habe getan, was Sie alle seit vielen Jahren praktizieren! Stellen Sie sich selbst nicht als moralisch einwandfrei hin, während das Wort ›Moral‹ für Sie nur ein abstrakter Begriff ist! Sie sind diejenigen, die die Gesellschaft zersetzen, aber mich stellen Sie an den Pranger! Diese widerliche Heuchelei ist kaum zu ertragen und wird durch den Fakt noch abstoßender, dass ich Ihnen allen seit Jahren erhebliche Gewinne eingefahren habe. Niemand von Ihnen hatte damit ein Problem. Doch kaum möchte ich auch für mich ein wenig beiseiteschaffen, ist der Aufschrei groß!«

Atemlos sah Brody Graham zu, wie sein Fürsprecher, Andrew Carnegie, sich behäbig aufrichtete und mit den Fäusten auf der Tischkante abstützte. Die Kälte in seinen Augen fuhr dem Börsenspekulanten bis ins Mark. »Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie sich nebenbei ein paar Dollars dazuverdienen«, sagte er in gemäßigtem Tonfall. »Das ist Teil unseres Geschäfts und wird von jedem toleriert. Wir können es nur nicht vertragen, in Misskredit gebracht zu werden, da es ohnehin schon schwer genug ist, die aufgebrachte Öffentlichkeit von unseren hehren Absichten zu überzeugen. Und so, wie sich die Sache darstellt, haben Sie nicht nur uns, sondern Amerika einen schlechten Dienst erwiesen. Man könnte Sie des Hochverrats bezichtigen und auf der Stelle exekutieren. Ganz zu schweigen davon, in welchem Licht der Stock Exchange Market zukünftig erscheint...«

Der modrige Geruch des Todes breitete sich aus. Kapitän Hunter hatte alles verdorben und ihn, Brody Graham, in eine Situation katapultiert, die ihm nur wenig Alternativen fürs Überleben bot. »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte er tonlos. »Werden Sie mich den Behörden ausliefern?«

Carnegie und Morgan wechselten einen kurzen Blick, dann wandte sich der Mann, der die amerikanische Stahlindustrie fest in seinen Händen hielt, wieder seinem Schützling zu. »In Anbetracht der Verdienste, die Sie geleistet haben, räumen wir Ihnen einen Aufschub ein.« Ein leises Kopfschütteln Carnegies ging in Richtung von Graham, als könnte der Industrielle immer noch nicht fassen, derart hintergangen worden zu sein. »Verlassen Sie die Vereinigten Staaten! Suchen Sie sich eine neue Heimat. Sie haben zwei Tage, ehe wir zu unserem Selbstschutz den Präsidenten informieren. Ab diesem Zeitpunkt werden Sie ein Staatsfeind sein, der mit allen rechtlichen Mitteln verfolgt wird. Und falls Sie Ihren Häschern ins Netz gehen, brauchen Sie sich keine weiteren Gedanken über Ihre Zukunft zu machen.«

Das war er also – der Schuldspruch! Diejenigen, die mehr Leid und Elend auf dem Kerbholz hatten, als Graham sich jemals hatte vorstellen können, opferten den Mann, der ihre Integrität erneut herstellen konnte. Sie würden sich reinwaschen von der Verbindung zu ihm, in der Öffentlichkeit tiefste Betroffenheit an den Tag legen und ein paar Kinderheime errichten, um mit weißer Weste dazustehen.

Dieses verlogene Pack! Brody Graham konnte die Gefühle gar nicht in Worte fassen, die ihn gegenwärtig erschütterten. Er wollte nur weg! Weg von den Leuten, die ihn unter den Absätzen ihrer Stiefel zertraten, wenn er ihnen nicht mehr nützlich war.

Dennoch bewahrte er seine Würde, stand wortlos auf und verließ das Konferenzzimmer. Auf dem Weg nach draußen malte er sich bereits aus, wie er diese Herrschaften würde büßen lassen. Aber in New York würde er dazu keine Chance erhalten.

Warme Sonnenstrahlen empfingen Brody Graham auf dem Boardwalk. Kurz schloss er die Augen und genoss die angenehmen Temperaturen. Bald aber besann er sich wieder auf seinen Plan. Viel Zeit hatte man ihm immerhin nicht zugesprochen.

In seiner Wohnung stopfte er alle nötigen Habseligkeiten in eine Reisetasche und schickte anschließend im Telegrafenamt eine Nachricht nach Maryland, wo er seine Mitarbeiterin und ehemalige Pinkerton-Agentin Florence Warne wusste, die sich Cipriano Ferrandini zur Brust genommen hatte. Das Geschäft mit der so genannten »Golden Coal« konnte anlaufen, auch wenn Graham kaum – wenn überhaupt – etwas davon haben würde.

Sein letzter Ausweg sollte nun wohl doch Austin in Texas werden. Und er würde auch nicht seinen asiatischen Zögling Tierén vergessen. Dieser mochte ihm noch wertvolle Dienste erweisen, wenn es gegen jene ging, die ihn brutal abgeschrieben hatten.

Die Informationen von Gill Halmore waren Gold wert, auch wenn Lassiter nicht sicher war, ob er der Frau in allen Belangen über den Weg trauen konnte. Der Verdacht, dass sie Verbindungen zu übergeordneten Institutionen unterhielt, war nicht auf Anhieb von der Hand zu weisen. Darüber konnte auch nicht ihre sexuelle Verflechtung hinwegtäuschen. Dass sie jedoch mit Brody Graham zusammenarbeitete und dies auch noch beiläufig zugegeben hatte, gab Lassiter schon zu denken.

Immerhin hatte er von ihr den Hinweis erhalten, dass Brody Graham auf dem Weg nach Austin war und Florence ihn dabei vermutlich begleiten würde. Das wiederum legte den Schluss nahe, dass Texas für Graham ein wichtiges Bindeglied nach New York darstellte. Was der Banker dort aber wirklich wollte, musste Lassiter erst in Erfahrung bringen.

Über die Baltimore & Ohio Railroad fand er einen direkten Anschluss an die Union Pacific, die ihn über die Atchison, Topeka & Santa Fé Railroad direkt nach Texas bringen würde – geschätzt mindestens einen Tag früher als seine Kontrahenten.

Noch einmal ließ Lassiter die Geschehnisse der vergangenen Tage vor seinem inneren Auge Revue passieren. Er hatte den Reichen und Mächtigen zwar auf die Finger geklopft, aber keinen wirklichen Sieg davontragen können. Bis auf die Machenschaften von Brody Graham hatte er keinen Ansatzpunkt gefunden, den Tycoons ein Schnippchen zu schlagen. Und daran würde sich wohl auch nichts ändern. Er musste sich mit dem zufriedengeben, was er zu bewältigen vermochte. Ein frustrierendes Ergebnis, aber nichts, was einen Mann seines Formats aus der Bahn werfen konnte. Auch ein Sieg über Graham war ein Schlag in die Gesichter derjenigen, die sich für unantastbar hielten.

Müde von den letzten Kämpfen warf Lassiter einen Blick aus seinem Zugabteil auf die vorbeirasende Landschaft. Je weiter er in den Westen des Landes vordrang, desto spärlicher wurde die Bebauung. Es ging fort von den dicht gedrängten Häusern in überfüllten Städten und den qualmenden Schloten riesiger Fabrikanlagen hin zu den Orten, wo die Natur die Oberhand hatte und der Mensch ein Individuum war und keine Nummer auf einer Lohnliste.

Mit Wehmut dachte Lassiter an Christopher und konnte dabei nicht verheimlichen, den Schwarzen ins Herz geschlossen zu haben. Das war umso verwunderlicher, da sie sich nur sporadisch und immer rein zufällig getroffen hatten, ohne eine tiefere Bindung zueinander aufbauen zu können. Doch das Wenige, was Lassiter über den alten Recken des Bürgerkriegs wusste, hatte ausgereicht, ihn in den Gedanken des großen Mannes zu verewigen. Und so sinnlos Christophers Tod sich auch darstellte, so heldenhaft war er gewesen. Ohne zu zögern, hatte er sich für einen jungen Minenarbeiter geopfert.

Die Zeit verging, und bald schon signalisierte der Zugführer die Einfahrt in den Bahnhof von Clarkesville. Mit schrillem Quietschen brachten die Bremsen den Zug schließlich zum Stehen.

Es würde einige Stunden dauern, bis Lassiter in seinen Anschlusszug umsteigen konnte, daher suchte er den nächsten Saloon auf und beschloss, sich einige Whiskeys zu gönnen. Er wollte eine Menge davon trinken, um während der Weiterfahrt in angenehmen Schlummer zu fallen.

Dass Lassiter noch nicht in seiner angestammten Heimat angekommen war, zeigte sich bereits bei einem Blick auf das Schild eines Etablissements, das im Westen einfach nur »Saloon« geheißen hätte, in Clarkesville aber den hochtrabenden Namen »Floating over the Heavens« trug. Vielleicht, so überlegte Lassiter, war er zur falschen Tageszeit gekommen, denn mit einem Schweben über den Himmeln hatte der Laden herzlich wenig zu tun.

Nur vereinzelt waren Gäste zu sehen, die dazu auch noch den Eindruck erweckten, von einer durchzechten Nacht übriggeblieben zu sein. Zwei verschanzten sich hinter einer aufgeschlagenen Zeitung, wobei nicht zu erkennen war, ob sie diese lasen oder darunter ein Nickerchen machten. Ein dritter Gent lag quer auf der Treppe ins Obergeschoss und hielt sich mit der Linken an einem Geländerstab fest, mit der Rechten an einer Schnapsflasche. Am Tresen hockten drei Gestalten, die sich derart langsam bewegten, wenn sie nach ihren Gläsern griffen, dass es fast schon aussah, als wären sie Bestandteil eines Stilllebens.

»Wir haben geschlossen!«, ertönte eine Stimme. »Kommen Sie kurz vor Sonnenuntergang wieder, dann können Sie bis in die frühen Morgenstunden durchfeiern!«

»Ich möchte bloß ein paar Drinks«, erwiderte Lassiter und beäugte den Kerl, der plötzlich und unerwartet hinter der Theke aufgetaucht war und sich mit elegantem Schwung ein Geschirrtuch über die Schulter warf. »Geben Sie mir gleich eine ganze Flasche, dann können Sie ungestört weiterarbeiten.«

Der Barkeeper trug ein frisches weißes Hemd, darüber eine schwarze Weste. Er war hochgewachsen, schlank und mit einem Gesichtsausdruck gesegnet, der für gewöhnlich nicht dafür sorgte, dass sich der Saloon füllte. Gereizt verdrehte er die Augen und holte schwer atmend zu einer Erklärung aus. »Es mag Ihnen vorkommen, als wäre dieser Saloon für Laufkundschaft geöffnet, aber ich kann Ihnen versichern, dass der Schein trügt. Die Herren, die Sie sehen, beehren uns bereits seit Jahren regelmäßig, was ein Grund dafür ist, dass meine Leute sie noch nicht hinausgeworfen haben. Für Sie, Mister, gilt diese Regelung jedoch nicht. Deshalb fordere ich Sie letztmalig auf, unser Lokal zu verlassen.«

»Ich gehe mit der Flasche nach draußen«, bekräftigte Lassiter. »Sie werden gar nicht bemerken, dass ich überhaupt anwesend bin.« Entschuldigend breitete er seine Arme aus und fügte hinzu: »Mein Zug geht erst in einigen Stunden. Ich dachte, ich könnte mir bei Ihnen ein wenig die Zeit vertreiben.«

Unwillig schürzte der Barkeeper seine Lippen. »Sie hören, was ich sagte, aber die Worte scheinen nicht bei Ihnen anzukommen. Wir haben geschlossen! Wenn Ihnen langweilig ist, suchen Sie sich ein Café oder halten ein Schläfchen am Bahnhof. Ich habe eine harte Nacht hinter mir und keinerlei Interesse, mich mit Ihnen zu beschäftigen. Ein Stammkunde werden Sie allemal nicht werden, also brauche ich Ihnen nicht den Hintern nachzutragen.«

Ein letztes Mal versuchte Lassiter, die schlechte Stimmung zu kippen, und wedelte mit einem Zehn-Dollar-Schein. »Ich kann bezahlen! Geben Sie mir die Flasche, und wir werden auf ewig Freunde sein. Es ist ja nicht so, dass ich von Ihnen ein lebenswichtiges Körperteil verlange.«

Für wenige Augenblicke kreuzten sich die Blicke der beiden Männer, dann warf der Barkeeper sein Geschirrtuch beiseite und verschwand eiligen Schrittes in einem Nebenraum.

Er kam nicht zurück – dafür aber ein Kerl, der wie ein fleischgewordenes Gebirge wirkte. Es war ein Schwarzer, dessen muskulöser Oberkörper nur von einer offenen Lederweste bedeckt wurde. Um die Stirn hatte er ein rotes Tuch geschlungen, das seinen kahlen Schädel umkränzte. Seine Arme hatten den Umfang der Oberschenkel eines Erwachsenen. Um seine Taille spannte sich ein breiter Gürtel, der seine ausgeprägten Bauchmuskeln betonte.