Lassiter 2616 - Des Romero - E-Book

Lassiter 2616 E-Book

Des Romero

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es gibt Banditen, denen man aufgrund ihrer Schandtaten jede Menschlichkeit absprechen will. Es gibt aber auch Banditen, die wüten schlimmer als der Teufel. Und bei Tyler Jameson schien es sich genau um einen solchen Mann zu handeln. Das Dossier der Brigade Sieben las sich wie eine Chronik des Blutes.
Waren die Zeilen schon erschreckend genug, wurde Lassiter vom neuesten Telegramm aus Washington geradezu gelähmt. Mehrmals hatte er es durchgelesen, immer in der Hoffnung, einen Passus falsch verstanden oder etwas Wesentliches übersehen zu haben. Schlussendlich aber kam die Ernüchterung: Man hatte ihn von dem Fall abgezogen - ohne nachvollziehbare Begründung!
Lassiter zerknüllte das Schreiben und warf es fort. Er witterte Verrat!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Ein eisenharter Hundesohn

Vorschau

Impressum

Eineisenharter Hundesohn

von Des Romero

Es gibt Banditen, denen man aufgrund ihrer Schandtaten jede Menschlichkeit absprechen will. Es gibt aber auch Banditen, die wüten schlimmer als der Teufel. Und bei Tyler Jameson schien es sich genau um einen solchen Mann zu handeln. Das Dossier der Brigade Sieben las sich wie eine Chronik des Blutes.

Waren die Zeilen schon erschreckend genug, wurde Lassiter vom neuesten Telegramm aus Washington geradezu gelähmt. Mehrmals hatte er es durchgelesen, immer in der Hoffnung, einen Passus falsch verstanden oder etwas Wesentliches übersehen zu haben. Schlussendlich aber kam die Ernüchterung: Man hatte ihn von dem Fall abgezogen – ohne nachvollziehbare Begründung!

Lassiter zerknüllte das Schreiben und warf es fort. Er witterte Verrat!

Wie konnte es sein, dass – nach Lassiters Einschätzung – einer der gefährlichsten Männer, denen er jemals im Nacken gesessen hatte, ungeschoren davonkommen sollte? Die Erklärung der Brigade-Verantwortlichen, es gäbe dringlichere Missionen, konnte ihn unter diesen Umständen nicht überzeugen. Vor allem, weil Lassiter bereits die nötige Vorarbeit geleistet und den Aufenthaltsort von Tyler Jameson auf fünfzig Meilen um Phoenix eingegrenzt hatte.

In Washington wusste man, dass Lassiter einer heißen Fährte folgte – und dennoch wollte man ihn nun überraschend anderswo einsetzen. Es mochte sein, dass man knapp an Agenten war und diese möglichst gewinnbringend einzusetzen gedachte. Es mochte aber ebenso gut sein, dass irgendein Senatsmitglied sein Veto eingereicht hatte und gezielt zu verhindern suchte, Jameson dem Henker auszuliefern.

Wahrscheinlich würde Lassiter niemals erfahren, welche seiner Annahmen der Wahrheit entsprach. Er war weder ein Politiker, noch war er in der Lage, die Strukturen der Brigade Sieben zu durchschauen. Einzig aufgrund seiner angeborenen Wachsamkeit, die er im Zuge seiner Tätigkeit außerordentlich sensibilisiert hatte, blieb ein mehr als fader Beigeschmack bezüglich seiner neuen Anweisungen.

Anweisungen, denen er nicht gedachte nachzukommen! Eine Bestie wie Tyler Jameson durfte nicht auf freiem Fuß verbleiben. Und ganz gleich, was Lassiters Vorgesetzte verlangten, würden sie sich damit abfinden müssen, dass er eine einmal aufgenommene Spur nicht mehr aus den Augen verlor.

Ein Agent der Brigade Sieben war ein Befehlsempfänger, aber auch absolut konsequent in der Ausübung seiner Tätigkeit. Gab man ihm ein Ziel, wich er nicht davon ab, und sollte es auch sein Leben kosten. So hatte man es ihm eingetrichtert. Es war eine eiserne Vorgabe, um überhaupt in die Nähe des Agentenstatus zu gelangen.

Ein bitteres Lächeln umspielte Lassiters Züge. Man behandelte ihn wie einen abgerichteten Hund, dem ein Stück Fleisch vor die Nase geworfen wurde, nach dem er aber keinesfalls schnappen, geschweige denn es fressen durfte. Auf dieser Grundlage konnte sich weder Vertrauen bilden, noch war es möglich, die Ausbildungskriterien durchzusetzen.

Mit Groll im Leib schwang sich Lassiter auf den Rücken seines Grauschimmels und verließ Apache Junction. Sein nächstes Ziel hieß Scottsdale. Dort würde er mit seinen Ermittlungen beginnen und sich näher und näher an Tyler Jameson herantasten.

Boston, Massachusetts, 1858

»Verschwinden Sie, Marzini! Mit Ihren Fertigkeiten können Sie nicht davon ablenken, dass Sie nicht dem wahren Glauben angehören! Tummeln Sie sich unter Ihresgleichen, oder gehen Sie nach New York! Dort schert man sich wenig darum, dass Sie Katholik sind!«

Es war bereits die dritte Abfuhr an diesem Tag gewesen, die Enzo Marzini erhalten hatte. Nur zu gerne hätte er in der Töpferei gearbeitet, doch die Kunstfertigkeit seiner Hände unterlag den strengen Vorgaben der Puritaner. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft und schienen Boston fest in ihrer Hand zu halten. Und fast war Marzini geneigt, dem Vorschlag des Vorarbeiters zu folgen und nach New York umzusiedeln. Seiner Familie aber wollte er die Strapazen nicht zumuten. Und vor allem wollte er sich vor ihr nicht eingestehen, als Vater und Ehemann versagt zu haben.

Gebeugten Hauptes schlenderte der Italiener durch die Straßen der großen Stadt, bar jeder Hoffnung, heute, morgen oder übermorgen eine feste Arbeit zu finden. Abgesehen von Handlangertätigkeiten, die ihn nie länger als drei oder vier Tage über Wasser gehalten hatten, war in den zwei Jahren seit seiner Ankunft in Boston keine entscheidende Veränderung eingetreten.

Er fragte in mehreren Läden nach Essensresten, die man wegschmeißen wollte, sammelte ein wenig Brot, Käse und halb verdorbenes Fleisch ein und machte sich auf den Weg nach Hause. Bei einer Suppenküche machte er Halt, ging dann aber weiter. Er wollte sich nicht sättigen, ehe auch seine Gattin und sein sechsjähriger Sohn Speisen erhalten hatten. Sollte das Essen nicht für alle reichen, würde er nochmals losziehen.

Mit trüben Gedanken schritt er die Stufen zu dem Mehrfamilienhaus empor, zog die Tür auf und betrat das Treppenhaus. Im vierten Stock klopfte er an die Tür und wurde nach wenigen Sekunden von seiner Frau Maria empfangen. »Da bist du ja endlich«, sagte sie in gebrochenem Englisch. »Ich hoffe, du bringst gute Neuigkeiten.«

Wortlos hielt Enzo Marzini die Papiertüte in die Höhe, in der sich die Almosen befanden. Dann ging er in die Küche, begrüßte seinen Sohn Giuseppe und setzte sich.

»Papa!«, stieß der Kleine aus. »Wir wollen einen Kuchen backen! Mama hat Mehl und Eier von einem Nachbarn bekommen. Und ich darf ihr helfen!«

Abwesend tätschelte Enzo den Kopf seines Sohnes und nahm das Essen aus der Tüte. Das Fleisch roch streng, am Käse befanden sich weiße und grüne Flecken. Einzig das Brot wirkte auf den ersten Blick genießbar, auch wenn es nicht mehr frisch war.

Maria Marzini bemerkte die Niedergeschlagenheit ihres Mannes und streichelte über seinen Handrücken. Es sollte eine aufmunternde Geste sein, doch ihre wahren Gefühle konnte und wollte sie nicht verbergen. »Wir kommen auf keinen grünen Zweig!«, sagte sie. »Es wäre besser gewesen, wir wären in Palermo geblieben.«

In einer dramatischen Geste hob Enzo Marzini seine Arme. »Sì, cosa vuoi che faccia? Nessuno mi vuole! È nelle mani di Dio! Non so cosa fare!« Er war aufgebracht und betrachtete es als Schande, die ihm Anvertrauten nicht angemessen versorgen zu können.

Maria gebot ihm Einhalt. »Rede bitte in Gegenwart unseres Sohnes nicht in unserer Muttersprache!«, hielt sie ihm vor. »Er soll als Amerikaner aufwachsen und ihre Redensweisen erlernen.«

»Lo imparerà per strada!«, erwiderte Enzo Marzini, sichtlich mitgenommen.

»Nein!«, zischte Maria. »Die Sprache der Straße ist nicht die, die wir sprechen. Giuseppe soll sich kultiviert ausdrücken. Es wird ihm Vorteile verschaffen, wenn er dereinst erwachsen ist. Und er soll voller Stolz die Familientradition in sich bewahren. Wir mögen nicht viel haben, aber wir besitzen Ehre.«

Dem konnte sich Enzo Marzini nicht verschließen. »Allora ok!«, sagte er. »Du hast Recht! Wir wollen dem Jungen ein Vorbild sein. Er soll es einmal besser haben.«

Argwöhnisch betrachtete die junge Maria das Fleischstück. »Ich weiß nicht, ob wir es essen sollten. Wenn wir krank werden, wird sich niemand um Giuseppe kümmern.«

»Wirf es auf den Ofen und brate es, bis es schwarz ist«, entgegnete Enzo. »Es ist alles, was ich euch heute bieten kann.«

Giuseppe beugte sich über das Fleisch und schnüffelte daran. »Das stinkt! Ich esse nur Brot und Käse.«

Mit einem Messer entfernte Maria den Schimmel von dem Käse, schnitt eine Scheibe von dem Block ab und legte sie auf einen Teller. »Nimm dir, Giuseppe. Und sag mir, wie viel Brot du möchtest.«

Es zerriss Enzo das Herz. Sie lebten schon viel zu lange von Abfällen, und nicht einmal die reichten, allen den Hunger zu nehmen. Es musste etwas geschehen. Seit zwei Jahren lebten sie von den Dingen, die andere fortwarfen.

»In New York könnte es uns womöglich besser gehen«, warf Enzo entgegen seiner ursprünglichen Überzeugung ein. »Es gibt dort viele italienische Familien. Und es gibt einflussreiche Landsleute, die für unser Wohl sorgen würden...«

Es entstand eine Pause, gefolgt von Marias gestrengem Blick. »Weshalb wohl sind wir aus Palermo geflohen?«, fragte sie anklagend. »Dort gab es ebenso Hunger wie auch diese einflussreichen Landsleute, die uns nur knechten wollten. Du glaubst vielleicht, du hättest das eine Elend nur gegen ein anderes ausgetauscht, doch in Amerika haben wir bessere Chancen. Sie werden kommen. Wir dürfen nur nicht aufgeben.«

Während Giuseppe sich von seiner Mutter Brot reichen ließ, den Käse drauflegte und mit Heißhunger aß, entfaltete sich in Enzo Marzinis Gedanken eine düstere Zukunft.

Und jede Nuance seiner Vorstellungen sollte sich in den nächsten Jahren erfüllen...

Scottsdale war eine Stadt im Aufbau, hochgezogen im Wüstensand und voller hektischer Betriebsamkeit. An allen Ecken und Enden wurde gebaut. Der Handel schwang sich empor, die Straßen waren erfüllt von geschäftigem Treiben, Fuhrwerken mit Waren aller Art und Rindertrecks. Obwohl Lassiter bezweifelte, dass sich ausgerechnet hier wichtige Handelsrouten entwickeln würden, ließen sich die Einwohner nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Für den Mann der Brigade Sieben waren diese Bestrebungen allerdings von zweitrangiger Bedeutung. Er war gekommen, um Tyler Jameson in die Enge zu treiben, festzusetzen und notfalls sogar zu töten.

Wie nicht selten zuvor zog es Lassiter zuerst in den nächstgelegenen Saloon. Nicht nur, um dort einen Drink zu sich zu nehmen, sondern vor allem, um Informationen zu erhalten. Nirgendwo anders kamen derart viele Gesellschaftsschichten zusammen, die aus jedem Ressort zu berichten wussten. Wenn man auf der Suche nach Neuigkeiten war, bot ein Saloon die besten Chancen, sie auch zu erhalten.

Dieses Mal aber sah es so aus, als müsste Lassiter sich erst einer anderen Angelegenheit widmen. Schon von außerhalb des Saloons hörte er eine schrille Frauenstimme, grölendes Gelächter und anzügliche Bemerkungen.

»Jetzt zeig doch mal deine Titten!«, hallte eine Stimme an Lassiters Ohren. »Ein Weibsbild allein in einem Saloon will doch sowieso nur das eine!«

Lassiter stieß die Schwingtüren auf und trat in den Schankraum. Er entdeckte eine brünette Lady, die von grobschlächtigen Gestalten umringt war. Immer mal wieder zupfte einer an ihrer Kleidung, wobei das Girl sich zwar wehrte, dem Ansturm der Belästigungen aber dennoch nicht Herr wurde.

Beherzt stieß Lassiter die Schwingtüren des Saloons auf und rief in den Saal: »Gibt's keinen in eurer Gewichtsklasse, mit dem ihr euch messen könnt?«

Es dauerte einen Moment, bis die Typen begriffen, dass Lassiter mit ihnen sprach. Schon trat ein abgerissener Kerl mit dürrer Hakennase und verschlagen glitzernden Augen vor, um sich hämisch grinsend vor dem Ankömmling aufzubauen. Lässig schob er seine Daumen unter den Revolvergurt, drehte sich noch einmal kurz zu seinen Kumpanen um und schaute Lassiter im Anschluss herausfordernd an. »Wen haben wir denn hier?«, raunte er spöttisch. »Wenn das mal nicht ein harter Hurensohn ist, der es gleich mit vier Kerlen aufnehmen will...«

»Lasst die Frau in Ruhe, und euch wird nichts geschehen«, erwiderte Lassiter.

Als Reaktion ertönte grölendes Gelächter. Einer der vier schlug sich auf die Schenkel und japste: »Der Typ ist 'n Brüller! Ich mach mir gleich in die Hosen, Darren!«

Der Anführer der Gruppe hob beide Hände und wischte sich imaginären Staub vom Hemd. Dann ballte er seine Rechte und strich mit der linken Handfläche über die Fingerknöchel. »Tja, Mister«, meinte er zu Lassiter, »ich habe nicht gerade den Eindruck, dass Sie irgendwen mit Ihrem Geschwätz beeindrucken. Deshalb sollten wir das Reden wohl besser sein lassen...«

Ansatzlos schoss seine rechte Faust vor, war direkt auf Lassiters Gesicht gerichtet und hätte ihm vermutlich die Nase zertrümmert, wäre der Mann der Brigade Sieben nicht auf eine derartige Attacke vorbereitet gewesen. Er fing den Hieb fast schon spielerisch mit der Linken ab, verdrehte dem Angreifer den Arm und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Anschließend stieß er Darren von sich und winkte der Lady zu, die schreckensstarr am Tresen lehnte.

»Kommen Sie zu mir, Ma'am«, rief Lassiter ihr zu. »An meiner Seite wird Ihnen nichts geschehen.«

»Du bleibst schön hier!«, zischte einer der Aufwiegler und packte die Frau beim Arm. »Wage es ja nicht, auch nur einen Schritt zu machen!«

»Pass auf das Miststück auf, Lou!«, raunte Darren. »Die anderen kommen zu mir! Es gibt da einen Drecksack, der um Prügel gebettelt hat!«

Lassiter hob eine Hand und führte nachdenklich seinen Zeigefinger zum Mund. »Raufbolde wie euch kenne ich zur Genüge«, meinte er. »Deshalb mache ich auch immer dasselbe, wenn ich auf sie treffe. Zuerst schalte ich den Anführer aus. Dann bleiben noch zwei übrig, die denken, eine Chance zu haben. Sobald auch sie am Boden liegen, sucht der Letzte sein Heil in der Flucht.«

Bösartig fletschte Darren seine Zähne und stürmte vor. Dieses Mal versuchte er mit Rechts anzutäuschen, um einen linken Haken anzubringen. Indes, sein Angriff ging ins Leere. Vom eigenen Schwung getragen, schoss er an Lassiter vorüber und erhielt zu allem Überfluss noch einen Tritt in den Hintern.

Nur zwei Sekunden vergingen, da griff der Nächste an. Statt einen Faustschlag abzufeuern, trat er zu. Lassiter parierte das heransausende Bein, zerrte daran und brachte den Angreifer aus dem Gleichgewicht. Haltlos knallte er auf den Rücken, während sein Kumpan über ihn hinwegsprang und sich mit einem Panthersatz auf Lassiter warf. Die beiden Männer krachten auf die Dielen des Saloons, überschlugen sich und rollten einige Yards über die Bretter. Lassiters Linke umklammerte die Gurgel seines Widersachers, während seine Rechte ihm unters Kinn donnerte.

Aufheulend flog der Kerl zur Seite, knallte gegen die Beine von Darren, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, und brachte den Anführer zu Fall. Der schmetterte auf den Untergrund, fühlte sich gleichzeitig von Lassiter beim Schopf gepackt und in die Höhe gerissen.

»Vielleicht kann ich dir ja doch noch ein bisschen Vernunft in den Schädel hämmern«, knurrte Lassiter und schlug zu. Seine Faust krachte unterhalb der Nase in Darrens Gesicht, ließ den Mann torkeln und fassungslos Zähne spucken.

Doch immer noch konnte einer es nicht lassen, sich mit dem Brigade-Agenten zu messen. Derjenige, der Lassiter angesprungen hatte, setzte zum Frontalangriff an. Seine geballten Hände quirlten wie die Fäuste eines Boxers die Luft, bis er zum alles entscheidenden Hieb ansetzte. Der wischte allerdings an Lassiters Gesicht vorbei und zeitigte als einzige Wirkung, dass ihm ein Schlag in die Rippen versetzt wurde.

Der Mann keuchte, hustete und spuckte galligen Schaum aus. Taumelnd wankte er von links nach rechts und wieder zurück. Letztlich wurde er von dem entsetzten Lou, der die Lady, die er bewachen sollte, einfach stehen ließ, gepackt und aus dem Saloon geschleift. Auch Darren sowie sein Begleiter verspürten offenbar keinen Drang, die Auseinandersetzung fortzuführen und suchten das Weite.

Mit verengten Lidern schaute Lassiter ihnen nach, bevor er sich an die verschüchterte Frau wandte. »Geht es Ihnen gut? Haben die Kerle Ihnen etwas angetan?«

Verhalten schüttelte die Brünette ihren Kopf und wirkte von einem Moment auf den anderen wie ausgetauscht. Sie brachte sogar ein breites Lächeln zustande. »Denen haben Sie aber ordentlich eingeheizt«, meinte sie fröhlich. »Ich heiße übrigens Trisha, falls es Sie interessiert. Ich bin Puritanerin.«

Zweifelnd hob Lassiter eine Braue. »Sind Sie sicher, dass dies der richtige Ort für ein keusches Mädchen ist?«

»Keusch?« Trisha machte einen abfälligen Laut. »Das haben sich die greisen Kirchenoberen bloß ausgedacht, damit sie noch Jungfrauen ihres Alters beglücken können.«

Lassiter konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und kam zu der Auffassung, dass das junge Ding womöglich nicht ganz unschuldig daran war, von den vier Kanaillen bedrängt worden zu sein. »Ich denke, es ist besser, wenn Sie nach Hause zu Ihren Eltern gehen, Miss.«

»Ich bin vierundzwanzig und kein Kind mehr, Mister!«, schnappte Trisha. »Und mit Sicherheit bin ich nicht von zu Hause ausgebüchst, um jetzt reumütig wieder zurückzugehen, weil mich ein paar Idioten angegrabscht haben!« Einige wenige Augenblicke des Schweigens folgten, dann fragte sie: »Wie heißen Sie eigentlich?«

»Lassiter. Einfach nur Lassiter.«

»Uuuhhh!«, machte Trisha mit leuchtendem Blick. »Hört sich ganz schön verwegen an. Für gestandene Mannsbilder wie Sie eins sind, muss jeder Tag ein Abenteuer sein.«

»Ich kann mich über Langeweile nicht beschweren.«

Spontan schlug Trisha mit der Hand auf den Tresen und bestellte einen Whiskey. Sie ergriff das gereichte Glas und schüttete seinen Inhalt in einem Zug ihre Kehle hinab. Mit dem Handrücken wischte sie sich über den Mund und stieß auf. »mein Pferd steht vor dem Eingang«, sagte sie aus heiterem Himmel. »Wann brechen wir auf? Oder übernachten wir in einem Hotel?«

Lassiter schüttelte sich, als hätte er einen Schwall kalten Wassers abbekommen. »Wir?«, fragte er gedehnt. »Wieso habe ich gerade mehrmals das Wort ›wir‹ gehört?«