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Alex Doyle, will nach einer Herztransplantation eigentlich nur sein Studium in Berlin aufnehmen. Doch nach einem Überfall auf Ihn und seine Freundin wird er von einem fremden Mann aufgesucht, der ihn davon überzeugt, dass es eine verborgene Gesellschaft mitten in Berlin gibt. Vampire, Werwölfe und viele Arten anderer Wesen, die Alex bisher nur aus Mythen und Legenden kannte, leben mitten unter den Bewohnern der Hauptstadt. Unerkannt für jeden, der nicht eingeweiht ist. Alex versucht sich noch in dieser Welt zurecht zu finden, als er Zeuge wird, wie einer seiner Professoren vor versammeltem Hörsaal tot zusammenbricht. Während alle von einem Herzinfarkt ausgehen ist Alex überzeugt, dass es sich um Mord handelt. Da ihm niemand glaubt, versucht er auf eigene Faust herauszufinden, um wen es sich bei dem Mörder handelt. Während Alex noch nach einem Sinn in den letzten Worten des Professors sucht hat der Mörder bereits sein nächstes Opfer ausgewählt.
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Seitenzahl: 495
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Christian Otte
Lazarus
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Prolog
Abschnitt 1
1
2
3
4
5
6
Abschnitt 2
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
Abschnitt 3
27
28
29
30
31
32
33
34
Abschnitt 4
35
36
37
Teaser
Impressum neobooks
„Herzlichen Glückwunsch!“, sagte der Mann im weißen Kittel zu dem nackten Mann auf dem Tisch in der Pathologie, „Sie sind soeben wieder auferstanden.“
Er zog eine Schublade an einem nahen Schreibtisch auf und holte zwei Gläser und eine Karaffe mit Whiskey daraus hervor, aus der er für beide großzügig einschenkte.
„Danke“, erwiderte der Auferstandene, als er das Glas aus Gewohnheit ablehnen wollte, „aber ich darf keinen Alkohol trinken.“
„Glauben Sie mir. Bei dem, was ich Ihnen gleich erzählen werde, wollen Sie auf keinen Fall nüchtern sein.“
„Wir kennen das Leben nicht, wie sollen wir den Tod kennen?“
Konfuzius
Der Regen hatte kurz nach Mitternacht eingesetzt. Marc hatte sich sein Motorrad geschnappt nachdem die Sonne untergegangen war und fuhr seither ohne festes Ziel umher. Inzwischen waren Stunden vergangen und aus dem anfänglich zögerlichen Regenschauer war ein ausgewachsenes Gewitter geworden. Doch er dachte nicht daran anzuhalten oder nach Hause zu Fahren. Das Gewitter würde ihn nicht aufhalten. Was war schon das bisschen Wasser. Auch die Dunkelheit war kein Problem. Er sah die Fahrbahn vor und unter sich. Er sah die Autos und Laster, die um diese Uhrzeit noch unterwegs waren. Er sah die Stadt, die er wie seine Westentasche kannte, am Rand seines Blickfelds an ihm vorbeiziehen. Ja, er sah mehr als genug. Und zum ersten Mal sah er für sich wieder eine Zukunft. Nach all den Jahren.
Er lenkte die Maschine zwischen zwei Autos hindurch, die grade mitten im Überholmanöver steckten. Er stellte sich vor, wie die Fahrer der beiden Autos über diesen rücksichtslosen Motorrad-Rowdy fluchten und musste unweigerlich lächeln. Noch vor wenigen Tagen hätte er an der Stelle der anderen Fahrer genauso reagiert. Damals hätte er aber auch nicht ein solch waghalsiges Manöver gefahren. Aber das alles schien Ewigkeiten her zu sein. Es war nicht nur ein anderer Tag, sondern ein anderes Leben. Jetzt fühlte es sich alles so viel intensiver an. Klang intensiver. Roch intensiver. Schmeckte es auch intensiver? Das galt es noch herauszufinden. Dass er keinen Hunger verspürte schob er auf das Adrenalin, das ihm diese Fahrt durch die Adern spülte. Hatte der alte Mann darüber etwas gesagt? Vielleicht hätte er ihm besser zuhören sollen, als sie sich gegenüberstanden. Aber so ein Geschenk bekommt man nicht alle Tage.
Schon als Kind unterm Weihnachtsbaum konnte Marc nicht erwarten seine Geschenke auszupacken. Sein Vater hatte ihm einmal eine Modelleisenbahn gekauft. Zwar wurde ihm erzählt, sie käme vom Weihnachtsmann, aber er wusste es besser. Er hatte seinen Vater mit dem großen Paket eine Woche zuvor auf dem Hof aussteigen sehen. Vater wollte ihm sagen, dass er vorsichtig sein sollte, weil es ein teures Spielzeug war, aber er hörte nicht zu. Er war zu aufgeregt und wollte gleich los spielen. So war es dieses Mal auch. Nur viel besser.
Das Motorrad kam ins Schlingern, als Marc durch eine Pfütze fuhr. Er fing die Maschine wieder ab, und im selben Moment kam ihm ein Gedanke. Es war Zeit. Zeit, die eigenen Grenzen kennen zu lernen. Marc wusste, wo der beste Platz dafür war. Er überlegte kurz welchen Weg er nehmen sollte, dann fuhr er mit seiner Maschine von der Autobahn ab.
Nach wenigen Minuten erreichte er die Schnellstraße, drehte den Gashebel bis zum Anschlag und fuhr in einem Zug über alle 3 Spuren. Hier war deutlich mehr Verkehr als er um diese Zeit erwartet hatte.
Marc überholte rechts, schnitt mehrfach Fahrzeuge beim Spurwechsel und freute sich über die Verärgerung der anderen Fahrer. Am Ende der Strecke wendete er auf einer Kreuzung und fuhr in Gegenrichtung weiter. Sechsmal wendete er und fuhr wieder zurück. Als er merkte, dass er Hunger hatte, war es ihm auch schon langweilig geworden. Ja, dachte er, ich habe definitiv Hunger. Auch sein Durst wurde langsam unangenehm. Marc wusste zwar nicht viel über das, was ihn noch erwartete, aber er war sich ziemlich sicher, was er nun zu tun hatte. Aber vielleicht war es doch besser, wenn er sich doch noch mal in Erinnerung rief, was der alte Mann ihm erzählt hatte.
Vor etwa einem Monat hatte ihn der alte Mann in seiner Stammkneipe angesprochen. Hätte Marc zu dem Zeitpunkt nicht aus Frust bereits sein fünftes Pils getrunken, wäre er ihm vielleicht merkwürdig vorgekommen. Der alte Mann passte nicht in die Kneipe. Sein Anzug sah eher nach feinem Restaurant oder Zigarren-Club aus. Seine ganze Erscheinung sagte, dass er – im Gegensatz zu den anderen Gästen – Geld hatte. Er sprach mit Marc in einem Tonfall, der ihm das Gefühl gab als wären sie alte Freunde. Marc konnte sich nicht erinnern, wie lange oder worüber sie genau sprachen. Er hatte nicht einmal mitbekommen, wie oder wohin der alte Mann verschwunden war. Hätte er die Bedienung hinter der Theke oder einen der anderen Gäste gefragt, hätte er keine Antwort erhalten. Den meisten in der Kneipe war es sowieso egal, wer sich noch darin aufhielt. Aber diesmal hatte wirklich niemand den alten Mann gesehen.
Am nächsten Tag fand Marc die Visitenkarte des alten Mannes auf seinem Couchtisch. Er wusste nicht, ob er sich wirklich mit ihm verabredet hatte. Aber er kam auch nicht auf die Idee den auf der Rückseite vermerkten Termin abzusagen oder zu ignorieren. Irgendetwas drängte ihn förmlich dazu.
Noch am selben Abend traf er den alten Mann in dessen Büro, das in einem Komplex mit mehreren Hundert anderen Büros lag. Der Alte wiederholte sein Angebot und erklärte Marc, was für Möglichkeiten und Verpflichtungen daraus erwuchsen. Es dauerte nicht lange, bis sich Marc entschlossen hatte, das Angebot anzunehmen. Dafür war es einfach zu gut.
Marc überlegte krampfhaft was die Anweisungen des Alten alles beinhalteten. Er hätte sie sich schriftlich geben lassen sollen oder wenigstens genauer zuhören müssen. Nun versuchte er sich zu erinnern, während er weiterhin mit Höchstgeschwindigkeit zurück, Richtung Autobahn raste. In seine Überlegungen vertieft übersah er die Bremslichter des Autos vor ihm. Im letzten Moment erkannte er, dass sich der Abstand gefährlich schnell verringerte. Er riss die Maschine instinktiv nach rechts. Bei seinem Versuch eine Kollision zu vermeiden stieß er gegen die Seite eines Fahrzeuges auf der Mittelspur. Die Maschine prallte ab, streifte den vorausfahrenden Wagen und begann zu taumeln. Er versuchte mit aller Gewalt die Kontrolle zurück zu gewinnen, doch es gelang ihm nicht. Die Kollision und das Wasser auf der Straße waren zu viel für die Reifen. Die Maschine mit ihm darauf stürzte und rutschte auf der regennassen Fahrbahn weiter. Er hörte das Knacken der Knochen in seinem Arm und seinem Becken, noch bevor der Schmerz einsetzte. Durch das Visier und den Regen hindurch konnte er sehen, dass das Motorrad, nun ohne ihn, weiter in eine Leitplanke krachte. Er spürte, wie sich am Asphalt seine Kleidung aufrieb, dann Haut, dann Fleisch. Er schmeckte wie sich Blut in seinem Mund sammelte, während seine Bewegung zu einem Ende kam.
Einem Impuls folgend hatte er die Augen geschlossen, nachdem er das Motorrad mit der Leitplanke kollidieren sah. Nun schoss ihm seine innere Stimme durch den Kopf, die ihn aufforderte seinen schmerzenden Körper zu ignorieren, die Augen zu öffnen und schnell von der Straße zu kommen. Als er die Augen öffnete, sah er das Profil der Reifen des Lastwagens, dessen Fahrer auf der nassen Fahrbahn nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.
Schwester Bianca sah von den vor ihr liegenden Unterlagen auf. Der größere der beiden Männer, die vor Ihrem Tresen standen, wiederholte seine Frage.
„Wo finden wir Doktor Hansen?“
„Einen Augenblick, ich werde ihn holen“, erwiderte Bianca und griff zum Hörer. Sie tippte die Nummer von Doktor Hansens Telefon. Während es klingelte musterte sie die beiden Besucher. Der Größere war muskulös, hatte markante Gesichtszüge und einen 3-Tage-Bart. In dem dunklen Anzug und mit seinen kurz geschorenen Haaren erinnerte er sie sehr an einen Türsteher. Aber dass er eine Brille mit abgedunkelten Gläsern in einem Gebäude trug fand sie übertrieben. Der kleinere von beiden sah aus wie eine jüngere Kopie seines Partners. Mit weicheren Gesichtszügen, weniger Muskeln und längeren Haaren, aber eine Ähnlichkeit war eindeutig zu erkennen.
„Hallo, hier sind zwei Herren für Sie auf Station 7 und sie ...“
„Ich bin sofort da.“
Dass der Doktor so schnell aufgelegt hatte war untypisch, aber in Krankenhäusern gab es immer etwas, das wichtiger war als zu telefonieren.
„Er wird gleich da sein. Setzen Sie sich doch!“, sagte sie und deutete auf ein paar zusammenstehende Stühle an der Wand.
Der größere Mann bedankte sich, aber Bianca konnte trotz seiner oberflächlichen Höflichkeit an seiner Stimme hören, dass er gereizt war. Und warum trug er innerhalb eines Gebäudes eine Sonnenbrille?
Der Besucher wandte sich zu dem kleineren Mann um, der sich auf einen der Stühle gesetzt hatte, ging auf ihn zu und blieb stehen.
„Wenn es stimmt, was Hansen vermutet ist die Kacke echt am Dampfen.“
„Aber es wird nicht besser, wenn du dich darüber aufregst. Setzt dich doch erst“, antwortete der Kleinere und tätschelte den Sitz neben sich.
„Ich habe eben lange genug gesessen.“
„Beruhige dich, du weißt, dass es nicht gut ist, wenn du dich so aufregst.“
Bevor der größere noch etwas erwidern konnte, wurde er von einem kleinen, schmalen Mann in Arztkittel unterbrochen.
„Sie sind von der Zentrale? “
„Ja, das sind wir. Doktor Hansen nehme ich an?“, sagte der Große und schüttelte die ihm entgegen gestreckte Hand.
„Richtig, folgen Sie mir.“
Das taten die beiden Männer auch. Um eine Ecke, ein Stück den Flur herunter, mit dem Fahrstuhl nach unten und einen langen Gang entlang.
Der Arzt öffnete die Tür zu einem gekachelten Raum und schaltete das Licht an. Der große Mann betrat den Raum, währen der kleinere vor der Tür stehen blieb.
„Kommst du nicht mit rein?“
„Du weißt wie ich darüber denke.“
Der Große zuckte mit den Schultern und ließ die Tür los, die er höflicher weise aufgehalten hatte.
Er trat neben den Doktor an den Tisch, auf dem der Leichnam lag, dessentwegen die Zentrale die beiden hergeschickt hatte.
„Das ist er“, sagte Hansen, während der große Mann Latexhandschuhe aus seinen Anzugtaschen fischte.
„Zeitpunkt des Todes?“
„Heute Morgen, kurz nach zwei ging der Anruf bei der Notrufzentrale ein. Die Verletzung war sofort tödlich.“ Dabei deutete er auf die Stelle, an der man an einem menschlichen Körper den Kopf erwarten würde.
„Haben sie irgendwelche weiteren Informationen, die nützlich sein könnten?“, fragte der Mann, der nun mit der rechten Hand im Brustkorb der Leiche herumtastete.
„Nur, was ich der Zentrale schon mitgeteilt habe. Name, Alter, Krankengeschichte, alles soweit korrekt.“
„Von wann ist sein Ausweis?“
Der Doktor nahm eine Akte von einem Tisch in der Nähe und blätterte darin herum.
„2 Jahre alt“, sagte er schließlich, als er die Kopie der Karte gefunden hatte.
Der Mann tastete inzwischen den Stumpf ab, der vom Hals übriggeblieben war. Er fand was er suchte, war darüber aber sichtlich nicht erfreut.
Er richtete sich auf, streifte die Handschuhe ab und ging zum Waschbecken in der Ecke.
„Sie hatten Recht“, sagte er an Hansen gewandt, während er sich darauf konzentrierte seine Hände zu schrubben.
„Dann nehme ich an: ' das übliche Prozedere'?“
„Ja, das ganze Programm. Ich schicke Ihnen eine Putzkolonne, die sollte in spätestens einer Stunde da sein.“
„Danke.“
„Ich danke Ihnen, Doktor Hansen.“
Der große Mann verließ den Saal und sprach mit jemandem über ein Mikrophon, das in seiner Brille eingebaut war, und beendete das Gespräch erst, als die beiden Männer im Anzug die Pathologie bereits verlassen hatten.
„Die Putzkolonne ist unterwegs und wird in 45 Minuten hier sein.“
„Also hatte Hansen Recht?“, es war eher eine Feststellung des kleineren Mannes als eine Frage.
„Ja, leider. Irgendjemand hat sich nicht an die Spielregeln gehalten.“
„Aber warum?“
„Das weiß ich nicht. Es ergibt keinen Sinn. Und genau das ist, was mich stört.“
Die beiden verließen das Klinikum durch das Forum, durch das sie auch hineingekommen waren.
„Hast du dich beruhigt?“, fragte der Kleinere.
„Ja“, grummelte der Große und setzte seine dunkle Brille ab. Seine Augen hatten jetzt wieder ihr menschliches Aussehen.
Der Wagon war dicht gefüllt. Etwas anderes hatte Anna auch nicht erwartet. Nicht um diese Zeit und nicht an dieser Station. Wenn andere Leute auf der Arbeit schon ihre erste Frühstückspause hatten, fuhren Studenten wie sie zur Uni. Klar gab es auch die eifrigen Studenten, die früh morgens um 8 Uhr zur ersten Veranstaltung gingen, weil diese leerer waren und man besser mit dem Dozenten in den Dialog treten konnte. Aber die meisten Vorlesungen begannen erst um 10 Uhr. Dementsprechend verstopften die meisten Studenten Wege, Straßen und U-Bahnen erst zu dieser Zeit.
Um sich herum hatte sie nur Schultern und Rücken auf Augenhöhe. Ihr Pferdeschwanz klemmte zwischen ihrem Rucksack und dem Mann hinter ihr. Sie hatte eigentlich kein Problem mit der Enge in Berliner U-Bahnen zur Hauptverkehrszeit, aber trotzdem empfand sie es heute extrem unangenehm. Vielleicht sollte sie auch früher zur Uni fahren. Der Gedanke kam ihr bekannt vor. Hatte sie sich das gleiche nicht auch am Anfang des letzten Semesters vorgenommen? Jetzt wo sie so darüber nachdachte, ja das klang plausibel. Offensichtlich hatte das Konzept die vorlesungsfreie Zeit nicht überlebt.
Die Türen öffneten sich und die Welle aus Studenten ergoss sich über den Bahnsteig und trug Anna Richtung Ausgang.
Sie versuchte sich möglichst nah an der Wand zu halten um nicht wie ein Ball hin und her geschmissen zu werden. Zum Glück für sie dauerte es nur einige Sekunden, bis sie wieder den Himmel über sich sah. Sie trat einen Schritt zur Seite, kaum dass sie die Treppe verlassen hatte. Sie versuchte ihre Jacke, das Tuch, das sie sich um den Hals gewickelt hatte, ihren Rucksack und Ihre Handtasche zu ordnen. Sie musste sich endlich angewöhnen, die wichtigsten Sachen aus ihrer Handtasche in den Rucksack zu packen um nur noch mit einer Tasche zur Uni zu gehen. Auch dieser Gedanke kam ihr vertraut vor.
Irgendwie hatte sich in dem Gedränge der Bahn ihr Tuch in einem der Reißverschlüsse verhakt und mit ihren langen braunen Haaren verknotet, während ihre Handtasche zwischen Ihren Rücken und den Rucksack gewandert ist. Sie wollte ihre Haare durch reines Ziehen befreien, aber der Schmerz verriet ihr, dass das keine gute Idee war.
Vorsichtig legte sie ihre Tasche ab und auf den Boden. Dann wickelte sie ihr Tuch langsam ab.
„Autsch“, das Tuch hatte sich doch schwerer mit Haaren und dem Reißverschluss verkettet, als sie es angenommen hatte.
Sie tastete an Ihren Haaren entlang, bis sie an die Stelle kam, an der ihr Tuch in den Reißverschluss überging.
„So ein Mist. Verdammte … Arg.“ Sie fluchte vor sich hin, wobei jeder neue Fluch lauter wurde, als der vorherige.
„Kann ich helfen?“
Sie drehte den Kopf um zu sehen, wer da fragte, und hätte sich bei dem Ruck fast die eingeklemmten Haare rausgerissen.
Ein junger Mann, sie schätzte ihn auf ebenso alt wie sich, also etwa 21, stand knapp einen Meter vor ihr.
„Oh ja danke.“ Sie nahm ungern Hilfe an, aber ohne könnte sie noch minutenlang mit ihrem Befreiungsversuch beschäftigt sein.
Er trat hinter sie, und befreite mit einem geschickten Griff ihre Haare und das Tuch aus dem Verschluss.
„Endlich, danke.“ seufzte sie und wickelte ihr Tuch wieder um, wobei sie darauf achtete, die Haare nicht mit einzuwickeln.
„Nichts zu danken“, sagte der Helfer und reichte ihr ihre Handtasche, die er aufgehoben hatte.
Noch ehe sie etwas Weiteres sagen konnte, hatte er sich schon wieder auf den Weg gemacht. Sie sah ihm noch einige Sekunden hinterher, bevor er in der Studentenwelle unterging, die sich auf das Hauptgebäude zubewegte.
Es dauerte 3 weitere Sekunden, bis ihr auffiel das ihre Handtasche offen war. Nach weiteren 2 hatte sie erkannt, dass ihr Handy und ihre Geldbörse fehlten.
Aus einem Instinkt heraus rief sie: „Stopp stehenbleiben!“
Hatte das eigentlich schon jemals funktioniert? Erst recht in einer Großstadt.
„Der Kerl hat mich beklaut.“
Was dachte sie sich dabei? Hatte das außer in den schlechten Krimiserien, die ihre Oma so gerne sah schon jemals zum Erfolg geführt.
„Verfickte Scheiße“, wollte sie leise sagen, doch ihre Stimme war noch laut.
Jetzt blieben wirklich einige Menschen stehen und drehten sich nach ihr um.
Na toll, dachte sie, keiner hilft, aber wenn man unhöflich wird glotzen alle. In ihrem Gedanken überhörte sie das Geräusch einige Meter weiter. Erst ein Klatschen, dann das Scheppern von Metall.
Sie versuchte erfolglos eine Träne zu unterdrücken. Nicht weil sie traurig über die verlorenen Dinge war, sondern wütend, dass ihr so etwas am ersten Tag des neuen Semesters passieren musste. An jedem anderen Tag wäre es genauso schlimm gewesen, aber trotzdem war heute blöd. Sie hockte sich hin und wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
„Sind das deine?“
Sie blinzelte die Tränen fort und sah nach oben. Jemand hielt ihr ihr Handy und Portemonnaie hin.
„J..Ja..Ja“, brachte sie stotternd hervor. Eine Hand wurde ihr gereicht um ihr aufzuhelfen.
„Aber wie …?“ Sie wusste nicht, was sie fragen wollte, geschweige denn, wie sie es fragen wollte.
„Ich glaube, sie braucht erst mal einen Tee“, hörte sie von der Seite eine zweite Stimme.
Anna war so perplex von dem was vorgefallen war, dass ihr erst wieder einfiel warum sie hier war – nämlich wegen der Vorlesung um 10 Uhr – als sie einige Minuten später mit einem Becher Tee an einem der Tische im Bistro der Uni saß. Die beiden Männer hatten sich mit Ihr an den Tisch gesetzt, der jüngere ihr gegenüber, der ältere an das Kopfende am Gang. Die beiden hatten sich als Alex und Ben vorgestellt. Alex, eigentlich Alexander Doyle, der wesentlich jünger aussah, als Anna es von einem 23-Jährigen erwartet hatte, war ein sportlicher Typ, sowohl vom Körperbau, als auch von seinem Kleidungsstil her. Seine verwuschelten, braunen Haare, seine schlanke Statur und sein Kapuzenpullover ließen sie unweigerlich an einen Surfer oder Snowboarder denken, auch wenn seine Haut zu blass war, um in letzter Zeit viel Sonne abbekommen zu haben. Ben, mit vollem Namen Benjamin Rupp, der etwa ein Jahrzehnt älter war, trug einen dunklen Anzug mit blauem Hemd. Seine Haare hatte er ebenso wie seinen Bart auf Millimeterlänge gestutzt. Im Gegensatz zu seinem Cousin Alex, sprach sein Aussehen eher von Bürojob, wenn auch sehr erfolgreich. Alex war es, der ihr die geklauten Sachen wiedergegeben hatte.
„Erklär' es mir nochmal. Wie kamst du darauf, dass ich gerade den Typen meinte?“, fragte sie. Sie musste es einfach noch ein weiteres Mal hören.
„Als du geflucht hast, haben alle in Hörweite den Kopf in deine Richtung gewandt!“, wiederholte Alex in einer Tonlage, die auf sie ungewöhnlich beruhigend wirkte. Vielleicht lag es am Tee, aber je mehr Alex sprach, desto entspannter fühlte sie sich.
„Bist du sicher, dass du keinen Schock hast? Oder Anzeige erstatten willst?“, fragte Ben, ebenfalls zum dritten Mal, während er einen Blick auf sein Handy warf.
„Ja, ähm, nein.“
„Verwirrung kann ein Anzeichen für einen Schock sein.“
„Verwirrung kann auch ein Anzeichen von verwirrenden Fragen sein.“
„Wolltest du nicht eine Geschichte erzählen.“
„Wenn du aufhörst verwirrende Zwischenfragen zu stellen.“
„Ich wollte ja nur helfen.“ Ben lehnte sich zurück und hob verteidigend die Hände.
„Also?“, fragte Anna, die nun endlich begreifen wollte was vorgefallen war.
Alex warf Ben einen Blick zu, der ihm sagen sollte, dass er sich aus der Erzählung raushalten solle und Ben antwortete mit seinem Schon-gut-mach-nur-Blick.
„Wie gesagt, alle haben sich umgedreht oder wenigstens geschaut, außer einem Mann.“
„Ich fand die pinkfarbene Handyhülle bei einem Kerl verdächtiger, aber ...ist ja nicht meine Geschichte.“
„Genau, auf jeden Fall ist der eine, der sich eben nicht umgedreht hat auffällig schnell weitergegangen. Schneller als der übliche Stadtgang.“
„Stadtgang?“
„Ja, wenn du mal Leute beobachtest haben die meisten 3 Gangarten: 'Schlendern', 'Gehen' und 'Stadtgang'. Stadtgang ist im Prinzip Gehen mit größerem Schritt, etwas gehetzter.“
„Interessante Theorie.“
„Wer unterbricht denn jetzt ständig die Geschichte?“
„Im Moment wieder du.“
Ben nippte an seinem Becher, damit Alex weitererzählen konnte.
„Als ich erkannt habe, dass er dir etwas geklaut haben musste und grade dabei war zu flüchten, habe ich ihn aufgehalten.“
„Mit einer geworfenen Flasche?“
„Genau.“
„Guter Wurf.“
„Danke.“ Anna hatte nicht gesehen, dass er den Dieb mit der Plastikflasche am Kopf getroffen hatte, wodurch dieser fiel und mit dem Kopf gegen einen Mülleimer prallte. Und solange sie nicht explizit danach fragte, würde er es ihr auch nicht erzählen. Sie nahm wohl an, der Dieb hätte – durch den Schreck getroffen worden zu sein – die Sachen einfach fallen lassen und sei auf und davon. Hoffentlich hat der Dieb aus den Schmerzen seine Lehren gezogen.
Ben ergriff das Wort, bevor die eingetretene Gesprächspause zu einem peinlichen Schweigen werden konnte.
„Ich verabschiede mich, ich habe nämlich noch Termine. Anna, war mir eine Freude dich kennen zu lernen.“
„Danke, ebenso“, verabschiedete sich Anna von ihm.
Mittlerweile hatte sich das Bistro gefüllt mit Studenten, die zwischen dem ersten und zweiten Block eine Kleinigkeit essen oder sich zum wach bleiben einen Kaffee holen wollten. Die Schlange an der Selbstbedienungstheke hatte eine beträchtliche Länge erreicht und endete im Foyer. Die beiden blieben noch einige Minuten sitzen und unterhielten sich. Schließlich verabschiedete sie sich zu ihrer ersten Vorlesung. Er begleitete sie noch bis zum Eingang, wo er in die entgegengesetzte Richtung gehen musste.
Der große Mann im schwarzen Anzug, der sie seit einer ganzen Weile im Blick hatte, war ihnen zwischen den Studenten nicht aufgefallen.
Die Türen des Fahrstuhls glitten nahezu lautlos auf. Vielleicht hätte er sich für ein Modell entscheiden sollen, das „Pling“ macht. Ohne Pling war es irgendwie kein richtiger Fahrstuhl. Aber bei der Renovierung der Wohnung hatte er daran nicht gedacht. Der Architekt hatte ihn auch nicht über die Möglichkeiten von Pling- und Nicht-Pling-Fahrstühlen aufgeklärt. Irgendwie enttäuschend.
Ben trat aus dem Fahrstuhl in seine Wohnung und legte seine Aktentasche auf die Kommode neben der Tür.
„Alex?“
„In der Küche.“
Ben betrat die Küche, wo sein Cousin gerade eine Paprika in Streifen schnitt. Er nahm sich eine Bierflasche aus dem Kühlschrank und setzte sich auf den Hocker an die Kücheninsel Alex gegenüber.
„Und?“
„Was und?“
„Na komm schon, ich habe doch diese Spannung zwischen euch gespürt.“
Alex konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Aha.“
„Nix aha, wir haben uns gut unterhalten, sie hat mir ihre Nummer gegeben und wir wollen am Wochenende was unternehmen.“
„Also doch aha.“
„Ich will es langsam angehen lassen.“
„Aber schlaf' nicht ein, während du es langsam angehen lässt. An Dates ist nichts verkehrtes und ein Date wird dich nicht umbringen. Das Schlimmste was passieren kann, ist dass du eine Abfuhr bekommst.“
„Sehr ermutigend. Ich weiß nur noch nicht, wie ich ihr das hier erklären soll.“
Ben drehte sich auf dem Hocker um, nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche und betrachtete aus der offenen Küche heraus seine Wohnung. Dann deutete er mit einer ausladenden Handbewegung in den Raum.
„Was ist falsch daran?“
„Es ist ein Penthouse.“
„Was ist verkehrt an einem Penthouse.“
„Ja toll, ich erzähle ihr, dass ich während meines Studiums bei meinem Cousin im Penthouse wohne.“
„Ja! Ja? Was ist daran verkehrt?“
Ben konnte nachvollziehen, was in Alex vorging. Er wollte aber die Konsequenz daraus nicht einfach akzeptieren. Bens Vater war Mitglied der Geschäftsführung eines großen, international erfolgreichen Unternehmens. Geld war in seinem Zweig der Familie seit er denken konnte nie ein Thema, es war einfach da. In seiner Jugend hatte er die Unterschiede zwischen dem kennen gelernt, was er selbst und was andere als normal empfanden. Seine Eltern hatten sich alle Mühe gegeben ihn und seine Schwester auf dem Boden zu halten und nicht zu einer dieser abgehobenen Jet-Set-Gören werden zu lassen, die in den letzten Jahren immer und überall in der Presse und den sozialen Medien auftauchten. Junge Menschen, deren einziges Talent war, die richtigen Eltern zu haben. Im Gegensatz dazu hielt Ben sich soweit es ging aus der Öffentlichkeit raus und nutzte seine ihm gegebenen Talente. Nachdem er in seiner Jugend, wie jeder andere, gegen den Status quo rebellierte, hatte er seine Freizeit hauptsächlich vor dem Computer verbracht, und dort weiter rebelliert. Innerhalb kürzester Zeit eignete er sich mehrere Programmiersprachen an und begann Viren, Trojaner, Würmer und alle anderen Arten von Schadsoftware zu schreiben. Mit 17 gehörte er der Gruppe an, denen in den 90ern das größte Gefahrenpotential zugeschrieben wurde. Er war das, was im Volksmund als Hacker bezeichnet wurde. Wie die meisten reizte ihn nicht das destruktive, sondern das konstruktive, die Herausforderung, das Erkunden von Grenzen und das Überwinden von Hindernissen. All seine Programme dienten dazu den Verantwortlichen zu zeigen, dass sie sich nicht so sicher fühlen sollten, wie sie es taten. Stattdessen wurden Hacker kriminalisiert. Es wurde nie gefragt, warum es einem Jugendlichen möglich war auf wichtige Daten zuzugreifen, sondern nur, wer so dreist war, es zu versuchen. Die Behörden hätten noch Jahre vergeblich versucht ihn zu finden, hätte er sich nicht entschieden, seinen größten Fund öffentlich zu machen. Er hatte wirklich geglaubt, er könnte irgendjemanden wachrütteln, indem er zeigte, wie groß die Arroganz der anderen war, wenn sie glaubten sicher zu sein. Er hatte jemanden wachgerüttelt. Das war das Opfer wert, das er dafür bringen musste.
Im Gefängnis hatte er zum ersten Mal erkannt, wie selbstverständlich ihm der Reichtum seiner Familie vorgekommen war. Nach seiner Entlassung besorgte er sich etwas Startkapital um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Er nutzte seine Kontakte, sammelte ein paar seiner begabtesten Freunde zusammen und entwickelte Programme zum Schutz von Computern. Von Hackern gegen Hacker. So baute er sich in kurzer Zeit ein eigenes erfolgreiches Unternehmen auf. So erfolgreich, dass er nicht mehr von seinem Vater abhängig war. Und das war es, was er mehr schätzte als das Geld: Unabhängigkeit.
Sein Unternehmen und mittlerweile anderen Geschäfte warfen genug ab, so dass er sich dieses Penthouse leisten konnte. Es war groß genug um noch jemanden darin wohnen zu lassen. So war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass er Alex anbot bei ihm zu wohnen, solange er in Berlin studierte. Aber er verstand auch, warum es für Ihn schwer war die Situation zu akzeptieren.
Im Gegensatz zu Ben hatte Alex weniger Glück gehabt. Alex war nicht im Überfluss aufgewachsen. Alex' Zweig der Familie gehörte zur klassischen Mittelschicht. Sein Vater, John, war arbeiten gegangen und seine Mutter, Maria, war Hausfrau. Als Alex 15 war starb sein Vater an einem angeborenen, aber unerkannten Herzfehler. Zwar hatte Bens Vater seiner Schwägerin finanziell helfen wollen, aber Alex Mutter war ebenso stolz und stur wie ihr Mann, und so hatte sie es strikt abgelehnt ohne Gegenleistung Geld anzunehmen. Alex hatte diesen Charakterzug von seinen Eltern zum Glück nicht geerbt. Im Gegensatz zu den beiden war er bereit Vernunft anzunehmen, wenn es an der Zeit war.
Nach dem Tod seines Vaters hatten Alex und seine Mutter sich noch ganz gut durchgeschlagen. Sie hatte ihren alten Job in der Buchhaltung wieder angenommen und er begann sich sein Taschengeld selbst zu verdienen. Doch der nächste Schicksalsschlag ließ nicht lange auf sich warten. Keine drei Jahr später wurde bei ihm derselbe Herzfehler festgestellt, an den er seinen Vater verloren hatte, so dass er sich in Behandlung begeben musste. Kurz danach trat bei Marias' Mutter der Pflegefall ein. Maria versuchte ihre Arbeit und die Pflege ihrer Mutter unter einen Hut zu bringen, doch schon bald war sie mit ihren Kräften am Ende. Es war trotzdem Alex, der sich an seinen Onkel wand und um Unterstützung bat. Bens Vater hatte ohne zu zögern geholfen, und so war das schwerste Stück Arbeit gewesen Maria davon zu überzeugen, die Hilfe anzunehmen. Im Nachhinein war sie froh, so viel Unterstützung durch Ihre Familie zu erhalten, auch wenn sie es nie zugeben würde.
Als Alex schließlich die Zusage zum Studium an der Technischen Universität in Berlin erhielt, wollte er zunächst in ein Studentenwohnheim. Wie sich jedoch herausstellte, war das nahezu unmöglich, da die Plätze im Wohnheim in keinem Verhältnis zu denen an der Uni standen. Diesmal war es Ben, der seine Hilfe anbot. Zwar wollte Alex lieber auf eigenen Beinen stehen, aber Bens Überzeugungskraft und seiner Fähigkeit Gegenargumente völlig zu ignorieren war es zu verdanken, dass er schließlich doch mit in das Penthouse zog.
Da saßen und standen sie nun. Die beiden Cousins, deren Leben kaum hätten unterschiedlicher verlaufen können. Der Student und der Hacker. In einem Penthouse, dass manchen Prominenten vor Neid erblassen lies.
„Es ist nichts verkehrt an einem Penthouse“, meinte Ben.
„Aber ein Bettelstudent, der bei seinem reichen Verwandten wohnt und sich von ihm aushalten lässt. Das wirkt verzweifelt und erbärmlich.“
„Klingt für mich eher nach Sitcom. Wenn sie fragt, sag ich habe dich unter Gewaltandrohung gezwungen.“
„Glaubst du, das würde sie mir abkaufen?“
„Vermutlich nicht, aber es lässt mich gefährlicher wirken. Und Frauen stehen auf böse Jungs.“
Ben nahm einen Schluck aus der Flasche und ignorierte Alex' halb vorwurfsvollen, halb belustigten Blick.
„Ich zieh mich um. Wann gibt’s Essen?“
„In etwa 30 Minuten“, sagte Alex und begann eine Zwiebel zu schälen.
Ben erhob sich wortlos, verließ die Küche und ging die Treppe zur Galerie hoch.
Ben streifte das Jackett ab, kaum dass die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Während er sein Hemd aufknöpfte betrachtete er die blauen Flecken, die darunter zum Vorschein kamen. Es würde noch einige Tage dauern, bis sie vollkommen verschwunden waren, aber wenigstens schmerzten sie nicht mehr. Es bestand kein Zweifel mehr daran, dass er alt wurde.
Auf Wunsch seiner Eltern, aber auch, weil es seinen eigenen Wünschen entsprach, hatten er und seine Schwester bereits als Kinder gelernt sich selbst zu verteidigen. Hauptsächlich, weil ihre Mutter Angst hatte, sie könnten entführt werden um ihren Vater zu erpressen. Er war tatsächlich nicht unbegabt, wenn man bedachte, dass er in der Schule eine Niete im Sport war.
Jetzt hatte ihn Alex gebeten, ihm ein paar Techniken beizubringen, und Ben tat das nur allzu gerne, da es für ihn eine gute Trainingsmöglichkeit mit flexibler Zeiteinteilung bot. Alex hatte in seiner Jugend, vor dem Tod seines Vaters, seine Zeit mit Parcours vertrieben, lange Handball gespielt, und sogar eine Weile eine koreanische Kampfsportart namens Hapkido praktiziert, aber er hatte weit weniger Erfahrung mit Verteidigungstechniken als Ben. Trotzdem war es ihm gelungen, den erfahreneren Ben einige Male hart genug zu treffen, um deutliche Spuren zu hinterlassen. Es musste einfach am Altersunterschied liegen.
Vladimir Wolk stand im Büro seines Vorgesetzten an einem Regal mit Büchern. Er war ein großgewachsener, muskulöser Mann, dessen pure Erscheinung jedem der ihm begegnete Respekt einflößen konnte. Auf den ersten Blick wirke er auf Fremde wie ein ehemaliges Mitglied einer Biker-Gang, dass sich nun als Bankangestellter im Anzug versuchte. Er blätterte gerade durch eine abgegriffene Abschrift eines Werkes von Bernoulli, den er aus dem obersten Regalfach neben dem Modell einer Doppelhelix genommen hatte, als jemand den Raum betrat.
„Ah, Wolk, da sind sie ja“, begrüßte der Mann, der sich schwer auf seinen Gehstock stützte, seinen Untergebenen, „wie ist die Lage im Fall Drakowski?“
„Leider nichts Neues“, sagte Wolk und stellte das Buch zurück an seinen Platz.
„Unsere Nachforschungen führen alle in eine Sackgasse. Wir können zwar nahezu das gesamte Leben des Unfallopfers rekonstruieren, aber wir finden keinen Berührungspunkt mit einem von uns.“
„Können wir es immer noch nicht eingrenzen?“, fragte der alte Mann und hinkte, den Stock mit dem langen weißen Griff, wie ein drittes Bein benutzend, hinter seinen Schreibtisch. Dort angekommen ließ er sich mit einem hörbaren Seufzer in seinen Sessel fallen.
„Das war ja der ursprüngliche Plan“, fuhr Wolk fort und setze sich in einen Sessel gegenüber. Er zog sein Sakko zurecht und strich seine Hose glatt.
„Aufgrund der beginnenden Umwandlungsphase haben wir uns erst auf die letzten 3 Monate vor seinem Unfall beschränkt. Ohne Ergebnis. Deswegen haben wir die Suche ja auch damals ausgeweitet.“
„Und immer noch kein Ergebnis?“, fragte der Vorgesetzte und lehnte sich vor.
Er stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und legte die Fingerspitzen zusammen. Wilhelm Schulz war der Abteilungsleiter der Aufklärungsabteilung und damit Wolks direkter Vorgesetzter. Wolk musste sich eingestehen, dass er nicht genau wusste, wie alt sein Chef war, die weißen Haare und das tief zerfurchte Gesicht mit der spitzen Nase ließen ihn auf Mitte 60 tippen. Intern trug er den Spitznamen „Adler“, den er der Angewohnheit verdankte über die Gläser seiner rahmenlosen Brille hinweg seine Gesprächspartner in Grund und Boden zu starren. Einer alten Geschichte zufolge hatte er es damit geschafft einigen der übelsten Verbrecher, der letzten Jahre Geständnisse zu entlocken. Das Problem lag vielmehr daran, dass er diesen Blick auch untergebenen Mitarbeitern gegenüber aufsetzte, so dass sie sich ständig beobachtet fühlten. Allerdings sprach die Erfolgsquote seiner Abteilung für sich. Kaum ein Fall der nicht aufgeklärt wurde.
Jetzt lag dieser Blick auf Wolk, den er, als einer von wenigen, nicht außer Fassung brachte.
„Wir haben alles probiert, was uns eingefallen ist. Wir haben Daisy sogar die kompletten Aufnahmen durchsehen lassen. Nichts. Es ist als ob die Umwandlung bei ihm natürlich eingesetzt hat. Wie die Pubertät.“
„Und wir wissen, dass das unmöglich ist“, resümierte der alte Mann und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
„Genau.“
„Und was haben Sie jetzt vor?“
„Ich werde den Fall abgeben. Ich habe da ein neues Projekt und dafür würde ich gern etwas mehr Zeit aufwenden. Vielleicht fällt mir etwas ein, wenn ich nicht die ganze Zeit daran denke.“
Schulz nickte.
„Exquisitorin Karamidou wird den Fall weiterbearbeiten. Sie war von Anfang an dabei und ...“
„Ich denke, das wird nicht notwendig sein. Sie haben jetzt knapp anderthalb Jahre an diesem Fall gearbeitet und sind nicht einen Schritt vorwärtsgekommen. Ich werde den Fall schließen.“
Wolk wollte protestieren, aber er wusste welche Argumente er hatte und welche Gegenargumente er zu hören bekommen würde. Diskussion sinnlos.
„Geht klar“, sagte er und erhob sich.
„Noch eins“, hielt ihn sein Vorgesetzter auf, „was ist das für ein neues Projekt?“
„Es geht um einen Feldversuch, den ich gern beobachten möchte.“
„Brauchen Sie etwas dafür? Wenn ich helfen kann, sagen Sie Bescheid.“
„Danke, aber ich habe alles was ich brauche. Auf wiedersehen.“
Mit seinem letzten Satz schloss sich die Tür hinter ihm.
Auf einem Sofa in der Nähe saß Melina Karamidou und blätterte in einer Zeitschrift, als Wolk aus dem Büro kam. Sie legte die Zeitschrift weg als er sich neben sie setzte.
„Und? Was hat Schulz gesagt?“
„Er will den Fall schließen.“
Sie drehte sich ihm zu.
„Aber das kann er nicht tun. Wir haben immer noch keinen Hinweis wie, ...“
Wolk hob beschwichtigend die Hand um sie zu unterbrechen.
„Das weißt du, das weiß ich, dass weiß er. Genau deswegen schließt er den Fall, weil nicht noch mehr Leute noch mehr Zeit in einen Fall ohne Lösung investieren sollen. Absolut verständlich, wenn auch frustrierend.“
„Das kannst du aber laut sagen.“ Sie schnaufte kurz verächtlich und drehte sich auf ihrem Platz wieder nach vorne. „Und wie geht es weiter?“
„Ich werde Meister Claudius aufsuchen und mit ihm über meinen Feldversuch sprechen. Er hatte da noch ein paar Anmerkungen“, sagte Wolk, während Melina vom Sofa aufstand. „Und morgen werde ich mit meinem Verbindungsmann Kontakt aufnehmen.“
„Alles klar. Dann viel Erfolg.“
Melina beugte sich zu Vladimir herunter, gab ihm einen Kuss und fügte hinzu: „Komm nicht zu spät nach Hause.“
Im Aufzug fuhr bereits einer der Weißkittel aus der Entwicklungsabteilung als Wolk dazu stieg. In seinen Armen balancierte er eine ganze Batterie aufgerollter Papiere.
„Moin, Roland.“ grüßte er etwas barscher als er es eigentlich wollte.
Roland von Braun registrierte den Unterton gar nicht, und war Wolk deswegen auch nicht böse. Er war wie immer viel zu sehr mit den Gedanken bei seiner Forschung, so dass er nur am Rande überhaupt mitbekam, dass sich noch jemand im Fahrstuhl befand.
„Oh, hallo Vladi. Wolltest du ins Labor?“
„Nein, ich bin auf dem Weg ins Allerheiligste.“ Wolk massierte sich die Schläfen um dem Kopfschmerz entgegenzuwirken, der sich gerade aufbaute.
„Oh, verstehe, ich hätte da aber noch etwas für dich. Kannst du gerade mitkommen?“
Wolk fischte sein Handy aus der Tasche und sah auf die Zeit auf dem Display.
„Klar. Ich habe eh noch etwas Zeit bis zu meinem Termin.“
Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich und Roland trat eilig hinaus. „Prima, folge mir.“
Wolk war sich sicher, dass Roland das auch gesagt hätte, wenn er abgelehnt hätte.
Das Labor hatte sich nicht viel verändert, seit Wolk hier gearbeitet hatte. Es hatte immer noch den leichten Geruch von Schwefel und Ammoniak. Die Wände waren noch immer weiß gekachelt und mit Zeichen und Symbolen versehen. Der massive Tisch an der Nordseite, auf dem ein Buch, aufgeschlagen lag, war größer als er ihn in Erinnerung hatte und ein Monitor war nun darin eingearbeitet. Unter dem Abzug in der westlichen Wand standen nebeneinander Reagenzgläser, Tiegel, Töpfe und kleine, verzierte Schalen mit Mineralien, Kräutern und allerlei Flüssigkeiten. Der Labortisch an der Südseite war halb mit einer kompliziert aussehenden Anordnung von Kolben, Glasröhren, Schläuchen und Bunsenbrennern zugebaut. Vermutlich mal wieder ein Versuch bei einer der Laborassistentinnen zu punkten. Aus seiner eigenen Zeit bei den Weißkitteln wusste er, dass es keinen Grund gab eine solch große und komplexe Apparatur hier im Labor aufzubauen. Einzig um einer der Laborassistentinnen durch umfassendes Wissen zu imponieren machte es Sinn. Nicht das es schon je geklappt hätte, aber einige Weißkittel waren in erster Linie Wissenschaftler durch und durch. Hochintelligent, ohne Frage, aber in der Interaktion mit anderen Menschen manchmal etwas schwerfällig.
Roland beugte sich über einen Glaskolben auf dem anderen Labortisch, während Wolk noch versuchte in den vorschriftsmäßigen Kittel zu schlüpfen. Wieso hatte man eigentlich alle Leihkittel mindestens eine Nummer zu klein für ihn angeschafft? Der Kolben stand auf einem steinernen Untersetzer, in den 3 konzentrische Kreise eingelassen waren. Der kleinste der Kreise war nur etwas größer als der Kolben, so dass dieser in der passenden Vertiefung genau mittig saß. Die Ringe waren nur knapp einen halben Zentimeter breit, mit allerlei Schriftzeichen, Runen und Symbolen versehen und schlossen direkt aneinander an. Der äußere und innere Ring waren aus verschiedenen Metallen gefertigt und die Zeichen waren eingeritzt worden. Der mittlere Ring war aus Acryl und weiße Zeichen waren im Inneren eingeschlossen.
In dem Glaskolben schwang eine schwarze Flüssigkeit hin und her, ohne dass der Kolben bewegt worden war. Auf den ersten Blick hätte man annehmen können, ein kleines Tier wäre in einen mit Teer oder Tinte gefüllten Kolben gefallen und versuchte daraus zu entkommen. Wolk wusste es besser, schließlich hatte er die Grundlagen für dieses Meisterwerk geschaffen.
„Ist es stabil?“ Der Forscher in Wolk meldete sich wieder zu Wort.
„So stabil, wie wir es haben wollen.“ antwortete von Braun, nicht ohne einen gewissen Stolz.
Wolk betrachtete die wabernde Flüssigkeit weiter gebannt. Er hatte so viele Fragen. Der Inhalt des Kolbens vor ihm war ein Meilenstein. Selbst in den Laboren der Organisation für die er arbeitete war es revolutionär. Aber hätte er sich jetzt auf eine fachliche Diskussion mit von Braun eingelassen, hätte er seinen Termin mit seinem Meister vergessen können, und das Abendessen mit Melina sowieso. Er entschied sich daher sein Treffen mit seinem Verbindungsmann auf nächste Woche zu verschieben und am nächsten Tag nochmal ins Labor zu kommen. Sein neues Projekt würde auch ein paar Tage später starten können.
Das Allerheiligste war die unterste Ebene der Zentrale. Der ganze Bau lag etwa 15 Meter unter der Erde und reichte mit seinen elf Stockwerken fast 60 Meter zusätzlich in die Tiefe. Auf der Ebene des Allerheiligsten hatten die 13 Meister, die im Rat saßen, ihre Räume. Die offizielle Bezeichnung der Sektion in der Wolks Meister sich aufhielt war UG 10-C. Den Namen „Allerheiligstes“ hatte die Abteilung wegen des Tresorraums in UG 10-A. In Anlehnung an den Tempel Salomons wurden dort besonders wertvolle, gefährliche und seltene Artefakte aufbewahrt. Das Artefakten-Archiv in UG 10-B war voller weniger gefährlicher Gegenstände, die häufiger von den Meistern benötigt wurden. Da es sich bei den Meistern in der Regel um alte Männer und Frauen handelte, zogen sie beim Bau der Zentrale mit den Artefakten in die unteren Räume. Auf diese Weise wurden sie ebenso gut wie die Artefakte von äußeren Einflüssen abgeschirmt und waren darüber hinaus in der Lage die Artefakte, die sie gerade brauchten, schnell zu bekommen.
Der Zutritt zum Allerheiligsten war nur auf ausdrückliche Einladung eines Meisters gestattet, und selbst jemand wie Wolk, der ein so enges Verhältnis zu seinem Meister hatte, wie kein anderer, musste sich das Procedere der Sicherheitsüberprüfung beim Eingang antun.
Er verließ den Aufzug, durchschritt den kurzen Tunnel und stellte sich auf die kreisförmige Markierung in der Sicherheitsschleuse, die daraufhin zu glühen begann. Der Wächter, der die Prozedur überwachte rührte keinen Finger, blinzelte nicht einmal, während Wolk in der Sicherheitsschleuse überprüft wurde. Wolk hasste diese Überprüfung. Nicht weil er der Ansicht war, sie sei überflüssig, auch nicht, weil die Sicherheitsschleuse klein genug war um Klaustrophobie in ihm auszulösen, sondern weil er dieses Engegefühl in der Brust erst wieder loswurde, wenn er die Ebene verließ. Ein Summen beendete die Überprüfung und der Wächter griff in ein Regal, an dem sich ein kleines Fach geöffnet hatte. Den daraus hervorgeholten silbernen Armreif reichte er wortlos Wolk, der diesen sofort umlegte. Da war sie wieder. Diese Enge. Wolk verließ den Kreis und ging zwischen den beiden steinernen Riesen durch, die die Tür zum Allerheiligsten bewachten.
In der Mitte des Allerheiligsten war ein kleiner Garten angelegt worden. Eine Oase der Ruhe an einem der stillsten Orte der Welt. Das Plätschern des künstlichen Wasserfalls unterstrich die Szene, hallte aber trotz der 9 Meter hohen Decke nicht nach. Beleuchtet wurde die gesamte Etage von der kleinen Glaskugel, die an dem künstlichen Himmel die Sonne darstellte. Um den Garten führte der Portikus, ein Säulengang, im Kreis an allen Türen der Etage vorbei. Vladimir ging bis zur Tür mit einem – in eine Marmorplatte eingelassenem – Gamma aus Bronze davor. Er klopfte und wartete das sich die schwere Eichentür öffnete.
Meister Claudius saß hinter seinem Schreibtisch. An den Wänden hatte sich im Laufe der Jahre eine gewaltige Sammlung von Büchern der unterschiedlichsten Fachgebiete angesammelt. Dort standen Bücher über Anatomie, neben Büchern über Alchemie, Neurochemie neben Numerologie, Astrophysik neben Astrologie. Das erste Mal in diesem Raum hatte sich Vladimir noch gefragt ob Meister Claudius diese Bücher alle gelesen hatte. Seiner Schätzung nach würde die gesamte Lebenszeit eines Menschen nicht reichen, all diese Bücher zu lesen, abgesehen davon, dass der Stoff teilweise in Bereiche eindrang, für die man zunächst mehrere Jahre hätte studieren müssen. Mittlerweile wusste er, dass es möglich war und dass Claudius wirklich den Inhalt aller Bücher kannte, verstanden hatte und bei Bedarf aus dem Gedächtnis abrufen konnte. Und für den seltenen Fall, dass er etwas nicht mit Sicherheit wusste kannte er den genauen Standort des Buches um es nachschlagen zu können. Ein bemerkenswertes Talent, aber für den Einsatz im Feld, wie Ihn Vladimir bevorzugte, nur bedingt geeignet.
Der Meister kritzelte auf einem Blatt auf seinem Schreibtisch herum, murmelte was er aufschrieb und winkte Vladimir mit der freien Hand zu sich heran, gab ihm aber gleich darauf mit Handzeichen zu verstehen, dass er warten solle. Vladimir nahm an einem Tisch in der Ecke neben der Tür Platz.
Meister Claudius war ein alter, glatzköpfiger Mann mit Hakennase. Vladimir stellte ihn sich manchmal, wenn er über seine Papiere gebeugt dasaß, mit Pelzkragen vor und dass er dann einem Geier zum Verwechseln ähnlichsah. Als sich sein Meister erhob und auf ihn zukam hatte sich Vladimir schon wieder so sehr an dieses Geierbild gewöhnt, dass ihn die gerade Körperhaltung kurz in seinen Gedanken zum Stocken brachte.
„Also“, setzte der Meister an und ließ sich auf den freien Platz am Tisch fallen, „was gibt es.“
Vladimir wollte gerade beginnen zu erzählen, als er merkte wie sich sein Hals zuzog. Er räusperte sich, setzte neu an, doch bekam kein Wort heraus. Noch einmal räusperte er sich, doch das Gefühl, dass ihm jemand den Hals zudrückte um ihn vom Reden abzuhalten wurde stärker.
„Oh, entschuldige.“ Meister Claudius ging zu einem Tisch an der Wand und legte einen armlangen Stock in eine mit Vlies ausgelegte Schachtel. Sobald er die Schachtel schloss, lies das Kratzen in Vladimirs Hals nach.
„Gehen wir ein Stück, ich muss den hier noch zurückbringen“, sagte Claudius und klemmte sich den Kasten unter den Arm.
Sie hatten den Kasten in das Archiv zurückgebracht und umkreisten den Portikus zum zweiten Mal. Vladimir hatte seinem Meister alles über seinen zurückliegenden Fall erzählt und das dieser von seinem Vorgesetzten geschlossen wurde. In der Struktur der Organisation war es vorgesehen, dass jeder Mitarbeiter 2 Leuten unterstand, seinem Vorgesetzten, der ihm in Bezug auf seine Aufgaben Anweisungen geben durfte, und seinem Meister, der für Ihn Lehrer und Ansprechpartner bei allen Arten von ethischen und moralischen Dilemmata war. Deswegen hatte sich Vladimir für die vor ihm liegende Aufgabe mit seinem Meister absprechen wollen.
„Und du bist sicher, dass dieser junge Mann dazu bereit ist?“, wollte Meister Claudius wissen.
„Wahrscheinlich nicht. Aber wer ist das schon?“ Vladimir dachte an seine eigene Vergangenheit und daran, wie schwer die Wahrheit für ihn war, als er sie erfuhr.
Er war in einem Waisenhaus in Moskau aufgewachsen. Eine seiner frühesten Erinnerung war ein Nachmittag als er 11 Jahre alt war. Vladimir war damals ein Einzelgänger, schmächtig und ohne Freunde. Ein typischer Außenseiter. Ein paar ältere Jungen lauerten ihm nach der Schule auf. Sie hatten ihn schon lange spüren lassen, dass er anders war, doch hatten keine Ahnung wie recht sie damit haben sollten.
Ihre Namen hatte er in der Zwischenzeit vergessen, aber er erinnerte sich noch gut, wie sie ihn zu dritt am Boden festhielten, während der vierte und größte auf ihn einschlug. Es war das erste Mal, dass die Wut in ihm die Kontrolle übernahm.
Später würden die Jungen erzählen, dass Vladimir völlig grundlos ausgerastet und auf sie losgegangen sei. Er sei ein wahnsinniger und gefährlich. Sie würden erzählen, dass er ihnen heimtückisch aufgelauert und mit herumliegenden Pflastersteinen auf sie eingeschlagen hätte. Er hätte ein Messer gezogen und ihnen damit tiefe Schnittwunden zugefügt. Die Wahrheit, dass ein schmächtiger Elfjähriger, allein und ohne Hilfsmittel, vier ältere Jungen krankenhausreif geschlagen hatte, würden sie nie erzählen. Weniger aus gekränktem Stolz, sondern aus Angst.
Anna war am Verzweifeln. Es mochte ein Klischee sein, aber sie zog bereits seit einer halben Stunde Outfit um Outfit aus ihrem Kleiderschrank und betrachtete sich selbst damit im Spiegel. Ihre Zwillingsschwester Lena saß auf dem Bett zwischen dem „Nee“-Haufen und dem „Vielleicht“-Stapel.
„Wie ist das hier?“, fragte Anna und hielt sich ein rotes Kleid vor den Körper.
„Etwas gewagt,“ erwiderte Lena, die gerade einen Pullover aus dem „Nee“-Haufen fischte.
„Also nicht gut?“
„Du bist doch sonst nicht so nervös vor einem Date.“
„Es ist ja auch kein Date.“
„Wenn es kein Date ist, würde ich das da nicht anziehen.“
Anna verzog den Mund zu einem leichten Schmollen und schmiss dann das Teil auf den „Nee“-Haufen.
„Hast du noch irgendwas, was du mir leihen würdest?“
„Nichts Passendes für ein Nicht-Date.“
Anna griff ihre Wasserflasche von der Kommode und nahm einen tiefen Schluck.
„Vielleicht brauchst du was Stärkeres als Wasser?“
„Was ich brauche ist eine Eingebung.“
„Hol' dir mal ein Bier aus der Küche und bring mir gleich eins mit.“
Anna warf sich einen Bademantel über und ging zum Kühlschrank. Vom Küchenfenster konnte man in die gegenüberliegende Wohnung sehen. Bei dem pubertierenden Jungen und einem Vater am Rande der Midlifecrisis, die dort wohnten, wollte sie nicht schon wieder von der Frau und Mutter der beiden angekeift werden, weil sie in ihrer eigenen Wohnung in Unterwäsche umherlief.
Von den 2 Flaschen aus dem Kühlschrank machte sie eine direkt auf und setzte sich an den Küchentisch. Lena hatte nicht ganz unrecht. Normalerweise, wenn Anna ausging, war sie nicht so nervös. Auch nicht, wenn es sich um ein Date handelte. Aber das hier war kein Date, also zumindest sollte es keins sein. Eigentlich wollte sie sich nur bei Alex bedanken, dass er ihr geholfen hatte. Auf die Frage, wie sie sich dafür bedanken könne, hatte er geantwortet, dass sie sich von ihm zum Essen einladen lassen solle. Und sie hatte zugestimmt. Vielleicht stand sie dabei wirklich unter Schock, aber abzulehnen war ihr nicht in den Sinn gekommen. Sicher, Alex war sympathisch, höflich und – wenn er denn sprach – lustig, soweit sie das aus ihrer einen Unterhaltung mitgenommen hatte, aber eigentlich nicht wirklich ihr Typ. Aber da war etwas in seiner Stimme, dass ihren Verstand umnebelte und ihren Körper zum Vibrieren brachte. Metaphorisch gesprochen.
Sie sah kurz an sich runter und überlegte ihre Dessous gegen etwas weniger aufreizendes zu tauschen um ganz sicher zu gehen, dass aus dem Nicht-Date nicht doch noch ein Date wurde. Allerdings war sie gerade so froh sich schon für ein passendes Set entschieden zu haben, dass sie es nicht riskieren wollte zu spät zu kommen, weil sie nochmal ganz bei 0 anfing.
„Ich glaube ich habe was“, hörte sie Lena aus ihrem Schlafzimmer flöten.
Sie stellte ihre Flasche ab und nahm die geschlossene mit. Auf dem Bett hatte Lena eine Kombination aus Jeans, T-Shirt und Strickjacke in blau und schwarz gelegt. Auch die passenden Schuhe hatte sie schon vor das Bett gestellt.
Alex sah auf die Uhr. 20 nach 8. Um 8 waren sie an der U-Bahn-Station verabredet gewesen. In ihrer SMS hatte sie geschrieben, dass es ein paar Minuten später werden würde. In 2 Minuten würde die nächste U-Bahn aus ihrer Richtung einfahren. Er hatte schon schlimmeres überstanden, da würden ihn 22 Minuten Warten nicht umbringen. Er sah auf die Anzeige, die von der Decke hing. Noch eine Minute bis zur Einfahrt des Zuges. Als er aus dem Tunnel das Kreischen der Metallräder auf den Schienen hören konnte stand er von der Bank auf, auf die er sich gesetzt hatte und rieb sich den Hintern um das taube Gefühl loszuwerden. Er fragte sich, darum um alles in der Welt man diese Bank aus dem härtesten Holz gemacht und mit dem unbequemsten Lack überzogen hatte. Ben hatte einmal laut darüber nachgedacht aus diesen Komponenten schusssichere Westen, Panzerschränke oder Fahrzeugkarosserien fertigen zulassen. Mit dem fehlenden Gefühl in seinem Hintern war er sich nicht mehr sicher ob es ein Scherz gewesen war.
Die Bahn fuhr ein und Alex erkannte, dass Anna in einem der vorderen Waggons stand. Er ging ihr entgegen und stand bereits in der Nähe der Tür, bevor diese aufging.
„Entschuldige die Verspätung“, sagte sie und streichelte ihn zur Begrüßung versöhnlich am Arm.
„Gar kein Problem. Wollen wir?“, lächelte er zurück und deutete in Richtung Ausgang. Er glaubte ein leichtes Glühen an ihr zu bemerken. Vielleicht hatte er auch einfach nur Hunger.
Wenig später saßen sie an einem Tisch in einer dunklen Ecke eines Indischen Restaurants. Die Kellnerin hatte gerade die Kerze angezündet und die Karten gebracht, als sie mit den üblichen Floskeln über den Verlauf der ersten Uniwoche, sowie wortreicher Entschuldigungen von Anna wegen ihrer Verspätung fertig waren.
„Darf es schon etwas zu trinken sein?“, fragte die Kellnerin und zückte ihren Bestellblock.
„Für mich ein Bier“, preschte Anna vor.
„Groß oder klein?“
„Klein bitte.“
„Und für mich bitte ein großes Wasser“, bestellte Alex, als die Dame noch das Bier auf ihrem Block kritzelte.
„Großes Wasser ist bei uns eine Flasche“, erklärte sie und deutete mit ihren Händen die Größe der Flasche an.
„Das wäre mir sehr recht, danke.“
Als die Bedienung mit den Getränken wiederkam hatten sich beide schon auf ihr jeweiliges Gericht geeinigt und bestellten.
„So, und jetzt erklär' mir doch mal bitte“, forderte Anna, „warum man deinen Vornamen deutsch ausspricht, wenn dein Nachname aus dem angelsächsischen kommt.“
„Na, so ungewöhnlich ist das nicht. Schließlich bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen.“
„Aber Doyle ist nicht unbedingt ein Name, den man in Deutschland häufig antrifft.“
„Ja, das ist richtig“, sagte Alex, nahm eine möglichst aufrechte und steife Haltung an und benutzte seinen sonst nicht vorhandenen britischen Akzent.
„Oh, der edle Herr. Like a Sir.“
Alex hob die Nase etwas an. „Ich denke doch, man kann von Ladies und Gentleman eine gewisse Noblesse erwarten.“ Augenblicklich wollte er sich Ohrfeigen. In seinem Kopf hatte noch kurz zuvor alles so gut geklungen. Er hielt es für eine prima Idee den affektierten Engländer herauszukehren. Aber jetzt war er sich nicht so sicher, ob er affektiert genug war, um deutlich zu machen, dass es ein Witz sein sollte. Sie begann zu grinsen. Zum Glück. Und auch er konnte ein Grinsen nun nicht länger unterdrücken. Das widersprach seiner Rolle ein wenig.
„Noblesse hört man auch nur noch selten“, lachte Anna.
„Um alles zu erklären muss ich weiter ausholen“, begann Alex und holte tief Luft. Hauptsächlich der dramatischen Pause wegen und um seinen Akzent wieder zu unterdrücken.
„Mein Großvater war Brite und nach dem Krieg einige Zeit in Deutschland stationiert. Er hatte eine Liaison mit einer Deutschen. So kurz die Liaison auch war, war sie doch umso fruchtbarer. Als das Kind geboren war, war mein Großvater wieder in England. Er hat erst kurz vor seinem Tod erfahren, dass er ein Kind in Deutschland hat.“
„Und das war dein Vater“, folgerte Anna, als Alex einen Schluck trank.
„Leider daneben. Das Kind war Bens Vater. Mein Vater ist das Kind aus der Ehe unseres Großvaters mit meiner Großmutter, die er nach seiner Rückkehr nach England kennenlernte und heiratete. Mein Vater hat irgendwann alte Unterlagen und Bilder seines Vaters durchgesehen und ist dabei auf Bens Großmutter gestoßen. Er hat Kontakt aufgenommen und dadurch erfahren, dass er einen Halbbruder hat. Den wollte er dann besuchen. Erstmal zum Kennenlernen, und danach noch ein paar Mal. Und irgendwann hat er auf einer dieser Besuchsreisen meine Mutter kennen gelernt.“
„Ok, dann bedeutet das, dein Vater ist Engländer und für deine Mutter nach Deutschland umgezogen.“
„Irgendwie romantisch“, seufzte Anna.
„Ich will aber nicht die ganze Zeit über mich reden, was ist mit dir?“, fragte Alex, in der Hoffnung sie von weiteren Fragen zu seinem Namen abzulenken.
„Was soll mit mir sein?“, fragte Anna verdutzt.
„Ich habe dir grade meine halbe Familiengeschichte erzählt. Ich habe keine Lust den ganzen Abend nur über mich zu reden. Erzähl mir was über dich. Was machst du so?“, hakte Alex nach und goss sich aus der Wasserflasche nach um ihr Zeit zu geben nachzudenken und zu antworten.
Anna ließ etwas hören, das wie ein leichtes Seufzen klang und antwortete: „So viel gibt es nicht zu sagen. Ich studiere jetzt im 3 Semester Wirtschaftsrecht. Habe eine Zwillingsschwester mit der ich zusammen wohne. Treibe in meiner Freizeit viel Sport, liebe klassische Musik. … Tja. ... Das war es eigentlich auch schon. … Was ist so lustig?“ Bei der Erwähnung ihrer Wohnsituation hatte Alex unweigerlich lächeln müssen.
„Entschuldige, mir ist bei deiner Aufzählung nur der Gedanke gekommen, dass das eine typische Beschreibung ist, wie man sie in einem Onlineprofil findet. Möglichst viele Allgemeinplätze und möglichst wenig Informationen.“
„Was willst du damit sagen?“
„Sagen will ich nichts. Ich habe nur etwas festgestellt. Du hättest mir etwas darüber sagen können, dass du in deiner Freizeit Tennis spielst. Dass du klassische Musik nicht nur liebst, sondern auch selber Geige spielst. Du hättest auch eure Katze erwähnen können. All das hast du nicht getan. Ich schließe daher ...“
„Moment“, unterbrach ihn Anna, „woher weißt du das? Das steht nicht mal bei Facebook?“ Sie war sich gerade nicht sicher, ob sie schockiert oder verwirrt war. Woher konnte er das wissen? Unweigerlich tauchte das Wort „Stalker“ vor ihrem inneren Auge auf.
„Entschuldige bitte, wenn du so freundlich wärst dich wieder zu setzen, werde ich es dir erklären.“ Anna hatte sich bereits erhoben und nach ihrer Tasche gegriffen um unter Protest das Restaurant zu verlassen, doch jetzt setzte sie sich wieder hin. Sie wollte es wohl genauer wissen.
„Als wir von der Bahn hier her gegangen sind hast du dein Gewicht hauptsächlich auf den linken Fuß gelagert. Als du die Jacke ausgezogen hast konnte ich erkennen, dass dein linker Arm beweglicher ist als dein rechter. Das deutet auf die typische Tennismuskulatur und eine kürzlich verheilte Sportverletzung hin. Alternativ hätten es auch Verletzungen vom Kampfsporttraining sein können, aber ich hielt Tennis für wahrscheinlicher. Dass du Geige spielst sehe ich an dem Striemen an deinem Kinn. Die kleine Schramme an der rechten Augenbraue, die Tierhaare an deinem Ärmel und Kratzer an deiner Handkante deuten auf eine Katze.“
„Wow, das... war... erstaunlich“, stotterte Anna, die nun zusammengesunken in ihrem Stuhl saß.
Noch bevor sie wieder Worte fand stelle die Kellnerin einen Korb mit frittiertem Brot und einen mit Besteck auf den Tisch.
„Erstaunlich höre ich da nicht allzu oft“, sagte Alex und deutete der Kellnerin ihm eine weitere Flasche Wasser zu bringen. Anne nippte kurz an ihrem Bier und fragte: „Was hörst du sonst?“
„Normalerweise eine Beleidigung oder das Klatschen einer Ohrfeige.“
Anna prustete in ihr Glas.
„Du hast nicht wirklich viel Erfahrung mit Gesprächen mit Frauen, oder?“
Anna hatte Recht, aber das könnte er ihr auch später noch genauer erklären.
„Lag ich mit irgendwas falsch?“, wollte Alex wissen.
„Ja, wir haben 2 Katzen“, korrigierte Anna.
„So nah dran“, fluchte Alex leise.
Während sie sich trocken tupfte stellte sie eine der Fragen, die Alex eigentlich umgehen wollte: „Netter Trick. Du hörst das bestimmt ständig, aber bist du verwandt mit dem Schriftsteller Doyle, der Sherlock Holmes erfunden hat?“
Alex druckste etwas herum, nickte dann aber.
„Wirklich? Dass überrascht mich doch.“
„Ja, ist ein entfernter Verwandter. Bedauerlicherweise fand mein Vater, dass er irgendwie diese Verbindung deutlich machen müsse.“
„Und wie?“, fragte Anna, die endlich die Flecken getrocknet und für nicht so schwerwiegend befunden hatte.
Alex seufzte. „Mein voller Name lautet Alexander Conan Doyle.“
„Warum nicht gleich Arthur?“
„Weil meine Mutter ihn davon überzeugen konnte, dass ein Kind in Deutschland mit dem Zweitnamen Conan schon genug gestraft sei und stattdessen lieber den Vornamen seines Großvaters tragen sollte.“
„Kluge Frau“, schmunzelte Anna und griff nach dem Brot um es in der Mitte durchzureißen.
Der Abend entwickelte sich besser als beide erwartet hatten. Zur Freude Annas hatte sich Alex in der Zeit, die er wegen seines Herzfehlers in Behandlung war, einen umfangreichen Kenntnisstand zum Thema Literatur angeeignet. Neben den kompletten Werken von Sir Arthur Conan Doyle, die ihm seine Mutter, aus – seiner Überzeugung nach – sadistischen Motiven, mitgebracht hatte auch Klassiker wie Dantes „Göttliche Komödie“, Melvilles „Moby Dick“, Tolkins „Herr der Ringe“ und Dostojewskis „Der Idiot“. Insgesamt hatte er sich in seiner Zeit in Behandlung durch die halbe Weltliteratur gelesen. So hatten sie ein Thema an dem sie sich den Abend entlang hangeln konnten ohne sich zu sehr in persönliche Details zu verlieren. Natürlich hatte er ihr nicht erzählt, warum er so viel Zeit hatte, so viele Bücher zu studieren. Das war ihm dann doch etwas zu privat für den Anfang. Alles in allem war es ein sehr erfolgreiches Nicht-Date, so dass ihr Alex' Frage nach einer baldigen Wiederholung ein spontanes und ehrliches „Gerne doch.“ entlockte.
Als sie das Restaurant verließen, schlenderten beide in Richtung U-Bahn-Station. Sie waren so in das Gespräch vertieft, dass ihnen die beiden jungen Männer zwischen den Passanten nicht auffielen, die ihnen folgten.
Erst als sie in eine ansonsten entvölkerte Straße abbogen erhaschte Alex einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel auf die beiden. Vielleicht war es nur Zufall, dass die beiden in gleichbleibendem Abstand in dieselbe Richtung gingen, aber riskieren wollte er trotzdem nichts, so beschleunigte er seinen Schritt etwas und Anna passte ihre Geschwindigkeit an, jedoch ohne etwas zu sagen. Er überlegte kurz, welches der beste Weg zur Station war. Es waren nur noch etwa 200 Meter bis zu einer S-Bahn-Überführung, danach rechts und noch etwa 500 Meter. Während sie sich in einem Monolog über die Werke Hermann Hesses ausließ sah er noch einmal zurück. Die beiden hatten ihren Abstand verringert. Der eine steckte gerade ein Handy in seine Jacke.
Als er wieder nach vorne sah, wäre er fast in einen kleinen, muskelbepackten Glatzkopf gelaufen, der plötzlich unter der Überführung aufgetaucht war.
„'tschuldigung, habt ihr Feuer?“, fragte der Glatzkopf.