Leather & Lark - Hass und Liebe liegen nah beieinander - Brynne Weaver - E-Book
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Leather & Lark - Hass und Liebe liegen nah beieinander E-Book

Brynne Weaver

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Beschreibung

Wenn Hass in Leidenschaft umschlägt …

Auftragskiller Lachlan »Leather« Kane sehnt sich nach Ruhe. Er will die Vergangenheit vergessen, die ihn zu einer tödlichen Waffe gemacht hat. Der Unterwelt zu entkommen, scheint jedoch aussichtslos. Zumindest bis Lark Montague, die Tochter seines Geschäftspartners, ihm einen Deal anbietet: Wenn er sie heiratet, wird sie für seine Freiheit sorgen. Das Problem? Er kann sie nicht ausstehen. Lark ist der Sonnenschein, der durch jede dunkle Wolke bricht, hinter der sich Lachlan zu verstecken versucht. Doch ihre vermeintlich heile Welt steht vor dem Zusammenbruch – etwas, das Lachlan nur zu gut kennt. Inmitten von Intrigen und Mordanschlägen fällt es beiden zunehmend schwer, zwischen vorgespielten Gefühlen und echter Leidenschaft zu unterscheiden. Aber die Schatten der Vergangenheit sind lang. Jemand sinnt auf Rache. Und Blut wird fließen.

Die sinnlich-spannende Dark RomCom endlich auf Deutsch! TikTok made me buy it!

Die Ruinous-Love-Serie:

Teil1: Butcher & Blackbird - Selbst die dunkelsten Seelen sehnen sich nach Liebe

Teil 2: Leather & Lark - Hass und Liebe liegen nah beieinander

Teil 3: Scythe & Sparrow - Die große Liebe erscheint manchmal im finstersten Moment

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 543

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Buch

Auftragskiller Lachlan »Leather« Kane sehnt sich nach Ruhe. Er will die Vergangenheit vergessen, die ihn zu einer tödlichen Waffe gemacht hat. Der Unterwelt zu entkommen, scheint jedoch aussichtslos. Zumindest bis Lark Montague, die Tochter eines wichtigen Kunden, ihm einen Deal anbietet: Wenn er sie heiratet, wird sie für seine Freiheit sorgen. Das Problem? Er kann sie nicht ausstehen. Lark ist der Sonnenschein, der durch jede dunkle Wolke bricht, hinter der sich Lachlan zu verstecken versucht. Doch ihre vermeintlich heile Welt steht vor dem Zusammenbruch – etwas, das Lachlan nur zu gut kennt. Inmitten von Intrigen und Mordanschlägen fällt es beiden zunehmend schwer, zwischen vorgespielten Gefühlen und echter Leidenschaft zu unterscheiden. Aber die Schatten der Vergangenheit sind lang. Jemand sinnt auf Rache. Und Blut wird fließen.

Die Autorin

Brynne Weaver ist Nummer-1-New York Times-Bestsellerautorin. Ihre Romane wurden weltweit in über 15 Länder verkauft. Brynne ist bereits um die Welt gereist, hat mehr streunende Tiere aufgenommen, als ihrem Mann lieb ist, und ihre Liebe zu schwarzen Komödien, Horror und Romance durch Literatur und Film genährt. Bei all ihren Abenteuern hat sich das Schreiben wie ein roter Faden durch Brynnes Leben gezogen. Ihre Romane sind eine unwiderstehliche Mischung aus Dark RomCom, spicy Romance und fesselnder Spannung, die Brynne mit Geschichten verbindet, die Genres sprengen und Leser*innen begeistern.

Brynne Weaver

Leather

&

Lark

Hass und Liebe liegen nah beieinander

Ruinous Love

Band 2

Roman

Aus dem Amerikanischen von Marie Rahn

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe LEATHER & LARK erschien erstmals 2024 bei Zando, USA.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Deutsche Erstausgabe 01/2025

Copyright © 2024 by Brynne Weaver

Published by Arrangement with Raelene Samms

c/o THEWHALENAGENCYLTD., 500 Post Rd East, 2nd Fl., Ste. 240, Westport, CT 06880 USA

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright © 2025 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur based on a template by Qamber Designs

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-32317-2V002

www.heyne.de

Warnung zu diesem Buch

Leather & Lark ist eine Dark RomCom, die euch hoffentlich bei allem Wahnsinn zum Lachen bringen wird, aber trotzdem ist sie ziemlich düster, daher lest sie bitte nur, wenn ihr sie verkraften könnt. Solltet ihr Fragen zu der folgenden Liste haben, zögert bitte nicht, euch bei mir zu melden: entweder über brynneweaverbooks.com oder über einen meiner Social-Media-Kanäle (am aktivsten bin ich bei Instagram und TikTok).

Augäpfel, aber keine Augenhöhlen – bitte sehrZähne und ZahnnebenprodukteVielleicht wird euch Pizza und Bier verdorben. Und Smoothies. Tut mir aber nicht leid.SchneekugelnAutokannibalismus? Willkommen zu einer Diskussion, auf die ihr niemals gekommen wärt.Zahlreiche Waffen und scharfe oder spitze Gegenstände, darunter Dartpfeile, Scheren, Schusswaffen, Sägen, Messer, Mixer, ein Schleifgerät und ein AusschälungslöffelAbgetrennte FingerVielleicht seht ihr das Werkeln mit Epoxydharz in einem ganz neuen Licht.Zusammenstöße von FahrzeugenErtrinken in verschiedenen FormenTödliche Krankheit eines geliebten MenschenDetaillierte Sexszenen mit unter anderem (aber nicht nur) Erwachsenenspielzeug, Luftabschnüren, hartem Sex, leichten Demütigungen, Sex in der Öffentlichkeit, Pegging, Lob KinkErwähnungen von elterlicher Vernachlässigung und Kindesmisshandlung (ohne Details)Erwähnung von sexueller Gewalt gegen Kinder (ohne Details)Religiöse Anspielungen/TraumataNicht jugendfreie Sprache mit drastischen Ausdrücken, darunter jede Menge Blasphemie. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!Ein verletzter Hund (ohne Details, und es geht ihm gut, versprochen!)Jede Menge Todesfälle … dies ist die Liebesgeschichte zwischen einem Auftragskiller und einer Serienmörderin, also bleibt das wohl nicht aus.

Playlist

Nutzt den QR-Code, um die Playlist zu hören.

Prolog: Feuerwerk

»I Only Have Eyes For You«, The Flamingos

Kapitel 1: Abgetaucht

»TUNNELVISION«, Melanie Martinez

»444«, Ashley Sienna

Kapitel 2: Ins Schwarze

»Underground«, MISSIO

»Pulse«, Young Wonder

Kapitel 3: Guillotine

»Cuz You’re Beautiful«, Kiyashqo

»BITE«, Troye Sivan

Kapitel 4: Der Keim

»November«, PatrickReza

»Shutdown«, Hudsun

Kapitel 5: Fäden

»SLOWDANCINGINTHEDARK«, Joji

»Lay Your Cards Out«, Polica

Kapitel 6: Leytonstone

»Stay with Me«, Kevin Olusola

»Don’t Leave«, Snakehips & MO

Kapitel 7: Gerechtigkeit

»Laalach«, TroyBoi

»Fall Away« (feat. Calivania), UNDREAM

»Above the Clouds«, Luca

Kapitel 8: Reibung

»Who Do You Want«, Ex Habit

»How Soon Is Now« (feat. Dresage), AG

Kapitel 9: Ruiniert

»One of Your Girls«, Troye Sivan

»Love Made Me Do It«, Elise

Kapitel 10: Trophäen

»Kiss and Collide«, Blondfire

»Downtown«, Allie X

Kapitel 11: Hologramm

»Pilgrim«, MO

»Seconds«, Ghost Loft

Kapitel 12: In Nomine Patri

»O.D.D.«, Hey Violet

»Blur«, MO

Kapitel 13: Netzwerk

»If You Wanna«, Kiyashqo

»Everybody’s Watching Me (Uh Oh)«, The Neighbourhood

Kapitel 14: Retreat

»Superstar«, MARINA

»Love Me«, Jane XO

»Front to Back«, Buku

Kapitel 15: Signale

»Can’t Forget You«, NEVRKNØW

»Too Deep«, Kehlani

Kapitel 16: Loblieder

»Fears«, MTNS

»Never Enough«, TWOLANES

Kapitel 17: Aufwärts

»Fight!«, Ellise

»Soft to Be Strong«, MARINA

Kapitel 18: Rampenlicht

»Don’t Dream It’s Over«, Kevin Olusola

»TALKMEDOWN«, Troye Sivan

»Ruinous Love«, T. Thomason

Kapitel 19: Entblößt

»Close«, (feat. Tove Lo), Nick Jonas

»Tranquilizer«, (feat. Adekunle Gold) TroyBoi

Kapitel 20: Auf allen vieren

»Make You Mine«, Madison Beer

»Make Me Feel«, Elvis Drew

Kapitel 21: Sektion

»Arms of Gold« (feat. Mia Pfirrman), Tape Machines

»Dangerous« (feat. Joywave) (Oliver Remix), Big Data

»Back to the Wall«, TroyBoi

Kapitel 22: Verirrte Seele

»Alone«, (Slow Edit), BLVKES

»New Religion«, MARGARETWHO

Kapitel 23: Letzte Verteidigung

»Immortal«, MARINA

»Dizzy«, MISSIO

Kapitel 24: Erscheinung

»Triggered«, Chase Atlantic

»We Appreciate Power« (feat. HANA), Grimes

Kapitel 25: In der Hitze des Gefechts

»Twisted«, MISSIO

»Work«, ionnalee

»Locked«, Welshly Arms

Kapitel 26: Erneuerung

»Liability« (feat. Astyn Turr), Tape Machines

»My My My!«, Troye Sivan

»Believe In Love«, MARINA

Epilog: Zaubertrick

»Afterlife«, Hailee Steinfeld

BONUS: Anschnallen!

»Troublemaker« (feat. Izaya), OMIDO

»Love U Like That«, Lauv

Dieses Buch ist für alle, die die Eiscreme in Butcher & Blackbird nicht abgeschreckt hat und die bei der Triggerwarnung zu der Pizza dachten: Aber das kann sie doch nicht ernst meinen … oder?

PrologFeuerwerk

Lark

»Dies sind die Konsequenzen deiner Taten, Schätzchen«, sage ich und wickle die Lunte der Feuerwerkskörper ab, die zwischen Andrews Schenkeln stecken.

Seine schrillen Schreie werden vom Klebeband über seinem Mund gedämpft.

Wenn man mich ansieht, würde man es mir nie zutrauen, doch es stimmt: Ich genieße seine Entsetzensschreie.

Andrew versucht, sich brüllend aus dem Stuhl zu befreien. Mit breitem Grinsen weiche ich von der Wiese zurück in Richtung Waldsaum, sodass ich zwar die Panik in seinen Augen sehen kann, aber von dicken Baumstämmen geschützt bin, wenn ich ihn allein auf der Lichtung zurückgelassen habe. Gehetzt stößt er Atemwölkchen aus seinen Nasenlöchern, die in den sternübersäten Nachthimmel aufsteigen.

»Weißt du, wieso du da mit den Feuerwerkskörpern an deinem Schwanz sitzt und ich hier drüben mit der Lunte stehe?«, rufe ich ihm zu.

Erst schüttelt er den Kopf, dann nickt er, als könnte er nicht entscheiden, welche Antwort ihn erlöst. Dabei gibt es für ihn keine Erlösung.

»Wenn ich dir das Klebeband abreißen würde, kämst du mir wahrscheinlich mit Beteuerungen, es täte dir ja so so leid, dass du mit Savannah gevögelt hast, als ich nicht da war, in unserem Bett …«

Er nickt eifrig, aber sein üblicher Bullshit wird vom Klebeband aufgehalten. Es tut mir ja so leid, verdammt, ich tu’s nie wieder, ich schwöre, ich liebe dich … bla, bla, bla.

»Aber deswegen sind wir eigentlich nicht hier.«

Andrew starrt mich blinzelnd an, als versuchte er, dahinterzukommen, was ich meine. Doch als mein Grinsen richtig fies wird, gerät er vollends in Panik. Vielleicht liegt es an meinen Worten, vielleicht auch am hämischen Glitzern in meinen Augen. Vielleicht liegt es daran, wie ich ihn anstarre, ohne zu blinzeln. Oder daran, wie ich lache, als ich mit dem Daumen das Rädchen vom Feuerzeug in meiner Hand drehe. Vielleicht liegt es an all dem zusammen, dass er sich vor lauter Angst anpisst. Sein Urin rinnt ihm seine nackten, zitternden Beine hinunter und glänzt im Mondlicht.

»Ja, ja, Schätzchen. Ich kenne deine Geheimnisse. Und zwar alle.«

Ohne den Blick von Andrew zu lösen, nähere ich das brennende Feuerzeug der Lunte.

»Ach, fuck! Das hätte ich ja fast vergessen.« Ich lasse die Flamme ausgehen. Vor lauter Erleichterung und Hoffnung sackt Andrew in sich zusammen.

Hoffnung. Er ist wirklich rührend naiv.

Vermutlich darf ich nicht so hart über ihn urteilen. Schließlich hatte ich auch mal Hoffnung. Hoffnung, was uns betraf.

Aber es war auch naiv von mir, zu glauben, Andrew mit seinem Bad-Boy-Gehabe wäre der Richtige für mich. Ich fand seine beiden gut platzierten Tattoos scharf. Mit seinen ständig zerzausten Haaren sah er cool aus, als wäre ihm alles egal. Es störte mich nicht mal, dass er keinen Job behalten konnte, obwohl ich echt nicht weiß, warum. Irgendwie redete ich mir ein, er wäre eben ein echter Rebell.

Dann vögelte er mit unserer Freundin Savannah, als ich gerade nicht in der Stadt war, und mir wurde klar, dass er kein Rebell ist.

Sondern ein Loser.

Und nicht nur das. Als ich herausfand, dass er mich betrogen hatte, klaute ich sein Handy und entdeckte, wie sehr ich mich die ganze Zeit in meinem angeblichen Freund geirrt hatte. Ich fand Nachrichten an Mädchen, von denen einige viel zu jung waren, um zu wissen, dass man sich nicht in die Hände eines sexy Drummers begibt, nur weil er einen »schön« nennt und mit Aufmerksamkeit bedenkt. Er war nicht nur ein Bad Boy.

Er war ein verficktes Raubtier.

Ein Raubtier, das einfach meine Schutzmaßnahmen unterwandert hatte. Dabei hatte ich mir vor Jahren eins geschworen:

Nie wieder.

Als ich jetzt den Blick zum Himmel hebe, sehe ich etwas ganz anderes als die Sterne. Ich spüre nicht mal die Wut und den Widerwillen, die mich überkamen, als ich durch Andys Telefon scrollte. Stattdessen bestürmt mich die Erinnerung an die grauen Türme des elitären Ashbourne Collegiate Institutes, deren Kupferspitzen zu den Sternen zielten. Selbst jetzt noch, Jahre später, kann ich die Angst heraufbeschwören, die mich die ganze Zeit dort heimsuchte. Es war ein Palast voller düsterer Räume und widerwärtiger Geheimnisse. Eine Festung des Leidens.

Raubtiere wie Andrew bevölkern unsere wunderschöne Welt wie eine gottverdammte Heuschreckenplage. Manchmal scheint mir, als gäbe es nirgendwo einen Ort, der frei davon ist, nicht mal Festungen wie Ashborne, die doch sakrosankt sein sollten. Schön und erhaben. Abgeschieden. Sicher. Doch wie in der Natur sind die verlockendsten Dinge oft die giftigsten.

Und Mr. Laurent Verdon, der Leiter des Kunstbereichs von Ashbourne, machte ein paar sehr verlockende Versprechungen.

Bedauern erfüllt mich, Bedauern über den Tod von Mr. Verdon. Aber nicht so, wie man meinen könnte.

Ich hätte ihn selbst umbringen sollen.

Und jetzt muss meine beste Freundin Sloane für den Rest ihres Lebens diese Last und die Konsequenzen dafür tragen.

Als ich immer fester die Augen zusammenkneife, sehe ich glitzernde Lichtpunkte. Doch als ich sie wieder öffne, habe ich die Vergangenheit sicher verstaut. Damals war ich ohnmächtig. Jetzt bin ich es nicht mehr.

Raubtiere locken einen mit Versprechungen. Doch mein Versprechen ist ganz schlicht.

Nie.

Wieder.

Das wirkt vielleicht eher fad und langweilig, dafür ist die Umsetzung meines Versprechens verdammt spektakulär.

Ich atme tief ein und fülle mich mit der reinigenden Herbstluft. Dann grinse ich Andrew an und wühle in meiner Tasche, bis ich endlich den Lautsprecher finde und ihn mit meinem Handy kopple.

»Atmosphäre ist bei so was hier wirklich wichtig, findest du nicht auch?«, frage ich, als ich Firework von Katy Perry starte und auf volle Lautstärke drehe.

Vorhersehbar? Ja.

Perfekt? Auch ja.

Ich singe mit und gebe mir keine Mühe, mein Grinsen zu unterdrücken. Auch wenn Andrew keine Chance hat, wie Katy singt, wird er ganz sicher einen Funken in sich spüren.

»Tja, ich schätze, es ist Zeit, mit der Show zu beginnen. Und du weißt, was du getan hast. Genau wie ich. Wir wissen beide, dass ich dich damit nicht davonkommen lassen darf. Wie ich schon sagte, Baby«, rufe ich ihm über die Musik hinweg zu und zucke die Achseln, »Konsequenzen.«

Zum verzweifelten Gebrüll von Andrew zünde ich die Lunte.

»Ciao, Schätzchen. Es war … schon was«, rufe ich über die Schulter zurück und suche Schutz im Wald.

Andrews Schreie passen wunderbar zum Crescendo der Musik und dem Knall der Feuerwerkskörper, die in die Nacht explodieren. Sein Untergang wird umrahmt von einem großartigen Spektakel aus bunten Funkenflügen, gleißendem Licht und prächtigem Donnerhall. Ehrlich gesagt ist sein Abgang viel majestätischer, als er verdient. Nicht jeder hat so ein Glück.

Es ist einfach unfassbar grandios.

Ich weiß nicht genau, wann Andrews Geheul verstummt. Weil alles wirklich ohrenbetäubend laut wird, als die Triple-Whistler-Raketen losgehen.

Nach der letzten Explosion, als die Funken nur noch wie ein paar vereinzelte Sternschnuppen zu Boden fallen, nähere ich mich wieder der Lichtung. Der Geruch nach Salpeter, Schwefel und verbranntem Fleisch weht von der verkohlten, rauchenden Gestalt in der Mitte der Wiese zu mir.

Ganz vorsichtig gehe ich dorthin. Ich kann nicht sehen, ob er noch atmet, und werde ihm auch ganz gewiss nicht den Puls fühlen. Für ihn ist es ohnehin gleich. Trotzdem betrachte ich ihn eine ganze Weile, während die Musik noch immer aus dem Lautsprecher im hohen Grast dröhnt. Vielleicht suche ich nach einem Lebenszeichen. Vielleicht warte ich auch auf ein Lebenszeichen aus meinem eigenen Inneren. Ein normaler Mensch würde doch Schuld oder Reue empfinden, oder nicht? Schließlich habe ich Andrew zwei Jahre lang geliebt. Zumindest dachte ich das. Aber ich bereue im Grunde nur, dass ich nicht früher gesehen habe, wer er wirklich ist.

Doch selbst dieser Anflug von Reue wird überlagert vom Gefühl des Erfolgs. Von Erleichterung. Es liegt Macht darin, Geheimnisse herauszufinden und sie in einem gleißenden Funkenregen in die Luft zu jagen. Und ich habe mein Versprechen gehalten. Es kommen nur die zu Schaden, die es verdienen. Ich habe mich selbst darum gekümmert. Wenn eine Seele dafür gezeichnet wird, dass sie ein Leben genommen hat, dann ist es meine.

Nie wieder.

Ein leises Stöhnen dringt durch die Musik. Zuerst traue ich meinen Ohren nicht, aber dann ertönt es in einer Rauchwolke erneut.

»Heilige Scheiße, Baby«, sage ich und lache ungläubig. Mir hüpft das Herz. »Ich fasse es nicht, dass du noch lebst.«

Andrew antwortet nicht. Ich weiß nicht, ob er mich überhaupt hören kann. Seine Augen sind zugeklebt, die Haut ist verbrannt und rot, und Blut tropft ihm aus dem rohen Fleisch. Ohne den Blick von dem Rauch zu lösen, der ihm aus dem offenen Mund quillt, wühle ich in den Tiefen meiner Tasche, bis ich finde, wonach ich suche.

»Ich hoffe, du hast die Show genossen. Es war ein tolles Feuerwerk«, sage ich, entsichere die Schusswaffe und drücke sie ihm an die Stirn. Erneut steigt ein leises Stöhnen in die Nacht. »Allerdings habe ich nicht genug Raketen für eine Zugabe mitgebracht, also musst du deine Fantasie bemühen.«

Ich betätige den Abzug, und nach einer letzten Explosion gibt es eine Heuschrecke weniger auf der Welt.

Und ich fühle nur eins:

Triumph.

Abgetaucht

Lark

»Nicht die Luft anhalten!«, brülle ich dem Mann im sinkenden Auto zu, als er gegen das Fenster hämmert und um Gnade fleht. »Kapiert?«

Ich glaube, er hört mich gar nicht. Aber das ist schon okay. Also winke ich ihm nur lächelnd zu, halte meine Waffe aber weiterhin auf ihn gerichtet, falls die Scheibe nachgibt und er sich doch noch rauswinden kann.

Glücklicherweise macht der Druck des steigenden Wassers eine Flucht fast unmöglich, und schon nach kurzer Zeit ist das Fahrzeug versunken. Luftblasen steigen an die Oberfläche des schwarzen Wassers, als der Wagen unter die sanften Wellen des Scituate Reservoirs gleitet. Zwar flackern die Scheinwerfer, als die Kabel ins Wasser tauchen, doch leuchten die Scheinwerfer weiterhin zu den Sternen hinauf.

»Ach, Scheiße!«

Das ist nicht gut.

Obwohl es eigentlich ziemlich erstaunlich ist. Aber es ist auch verdammt nervig.

Nervös starre ich auf die Stelle, bis die Lichter ausgehen und die Wasseroberfläche ganz glatt wird. Als ich mir sicher bin, dass sich nichts mehr rührt, hole ich mein Handy raus und scrolle durch die Kontakte. Mein Daumen verharrt über Ethels Nummer. Sie war schon immer die, die ich angerufen habe, wenn irgendwas in die Hose ging. Zugegeben, ein Auto auf dem Grund eines Sees strapaziert vielleicht ein bisschen die übliche Definition von in die Hose gehen, aber das Timing erlaubte auch nicht, Ethel um Hilfe zu bitten.

Seufzend tippe ich stattdessen auf die Nummer über ihrer.

Zweimal das Rufzeichen, dann meldet er sich.

»Lerche«, sagt mein Stiefvater am anderen Ende. Lächelnd verdrehe ich die Augen, weil er meinen deutschen Spitznamen aus der Kindheit benutzt.

Mein zaghafter Tonfall ist ein erstes Zeichen für ihn, dass etwas nicht stimmt. »Hi, Daddy.«

»Was ist los, Schatz? Alles in Ordnung?«

»Ja, schon …«

»Hat dir jemand auf den Teppich gekotzt?« Vermutlich hat er sich auf seiner eigenen Halloweenparty schon ein paar Drinks genehmigt, weil er noch nicht gemerkt hat, dass es bei mir keinerlei Hintergrundgeräusche wie wummernde Bässe oder grölende Stimmen gibt. »Ärger dich nicht, Liebes, ich sag Margret gleich, dass sie dir ein paar Putzkräfte schicken soll.«

Da platzt eine letzte, verräterische Luftblase aus der Wasseroberfläche, als wollte sie ein Ausrufezeichen setzen. »Äh, solche Reinigungskräfte brauche ich eigentlich nicht …«

Am anderen Ende wird es ganz still.

Ich schlucke. »Dad …? Bist du noch da?«

Da höre ich, wie bei ihm eine Tür geschlossen wird und Gelächter, Stimmengewirr und Musik dämpft. Als Nächstes dringt mir ein zittriger Seufzer meines Stiefvaters ans Ohr. Ich sehe förmlich, wie er sich in dem vergeblichen Versuch, sich zu beruhigen, mit den Fingern über die Stirn streicht. »Verdammt, Lark! Geht es dir gut?«

»Ja, alles super«, versichere ich, als handelte es sich nur um ein kleines Problem – obwohl ich mir ein zusammengeknülltes, blutiges T-Shirt gegen die tiefe, pochende Wunde auf meiner Stirn presse. Mein Lächeln wirkt bestimmt ziemlich irre. Das Harley-Quinn-Kostüm und zwanzig Lagen Make-up tragen sicherlich auch zu dem Eindruck bei, also kann ich vermutlich aus mehreren Gründen dankbar sein, dass niemand in der Nähe ist. »Ich kann das selbst regeln, wenn du mir einfach die Nummer gibst.«

»Wo bist du? Hat Sloane irgendwas gemacht?«

»Nein, gar nichts«, erwidere ich entschieden und lächle nicht mehr. Ich hasse es, dass er direkt den Schluss zieht, Sloane wäre schuld, schlucke meinen Ärger aber runter. »Wahrscheinlich hat sie sich mit einem schweinischen Buch und ihrer dämonischen Katze in ihrem Haus vergraben. Ich bin nicht in Raleigh, sondern übers Wochenende weggefahren.«

»Also, wo bist du?«

»Rhode Island.«

»Gottverdammt noch mal!«

Ich weiß, was er denkt: dass ich für einen Scheiß wie diesen viel zu nahe an unserem Zuhause bin. »Tut mir leid, ehrlich. Aber das Auto …« Ich suche nach Worten, um es möglichst harmlos zu erklären. »… ist einfach versunken.«

»Dein Auto?«

»Nein. Meins ist …« Ich blicke über die Schulter zu meinem Escalade, dessen zerschmetterte Scheinwerfer mich grimmig anstarren. »Meins hat schon bessere Tage gesehen.«

»Lark …«

»Dad, ich bring’s in Ordnung. Eigentlich brauche ich nur die Nummer von jemandem, der hier aufräumt. Am besten einer mit einem Abschleppwagen. Und vielleicht einer Tauchausrüstung.«

Sein Lachen klingt hohl. »Das soll doch wohl ein Witz sein!«

»Welcher Teil?«

»Alles, hoffe ich.«

»Tja«, sage ich und beuge mich über die felsige Klippe, um einen Blick aufs Wasser zu werfen, »vielleicht reicht auch jemand, der schnorcheln kann. Ich glaube, so tief ist es nicht.«

»Herrgott, Lark!« Ein leidgeprüfter Seufzer dringt durch die Leitung. Ich hasse es, ihn zu enttäuschen. Es fühlt sich an, als stünde er direkt vor mir, mit diesem Blick, den ich schon so oft gesehen habe – dem Blick, der sagt: Ich wünschte, du könntest es besser. Allerdings spricht mein Stiefvater das nicht laut aus, um meine Gefühle nicht zu verletzen. »Schön«, bemerkt er schließlich. »Ich gebe dir die Nummer eines Unternehmens namens Leviathan. Du wirst ihnen den Code meines Kontos nennen müssen. Aber sage ihnen niemals deinen Namen. Nicht am Telefon und auch nicht, wenn jemand kommt. Sie sind zwar Profis, aber auch sehr gefährlich, Schatz. Und bis du wieder zu Hause bist, schickst du mir jede halbe Stunde eine Nachricht, damit ich weiß, dass es dir gut geht. Ist das klar?«

»Natürlich.«

»Und keine Namen.«

»Verstanden. Danke, Dad.«

Dann dehnt sich Stille zwischen uns aus, bis er schließlich wieder zu sprechen anfängt. Vielleicht will er mehr sagen, mir Vorwürfe machen oder ein paar unbequeme Fragen stellen. Stattdessen sagt er nur: »Ich hab dich lieb, Schatz. Pass auf dich auf.«

»Das werde ich. Und ich hab dich auch lieb.«

Kaum ist das Gespräch beendet, bekomme ich von meinem Stiefvater eine SMS mit einer Telefonnummer und einem sechsstelligen Zahlencode. Also ich dort anrufe, meldet sich eine höfliche, tüchtig klingende Frau und nimmt meinen Auftrag entgegen. Ihre Fragen sind direkt, meine Antworten knapp. Sind Sie verletzt? Eigentlich nicht. Wie viele Tote? Einer. Sind für die Beseitigung spezielle Dinge nötig? Eine Tauchausrüstung.

Nachdem sie mir alle Konditionen und Zahlungsdetails genannt hat, beende ich das Gespräch und wende mich zu meinem Escalade, dessen abkühlender Motor unter der eingebeulten Motorhaube tickt. Ich könnte im Wagen warten, wo es warm ist, aber das lasse ich. Dieser Unfall wird mich sowieso schon meinen mehr als schlechten Schlaf kosten, da muss ich nicht auch noch in einem Autowrack sitzen und für weitere Albträume sorgen. Trotzdem nehme ich diese Konsequenzen gern auf mich, weil ich zusehen konnte, wie dieses Arschloch auf den Grund des Sees sank.

Eine weitere Heuschrecke vernichtet.

Als eine Freundin aus meiner Heimatstadt Providence von Gerüchten über einen perversen Lehrer an der Highschool ihrer kleinen Schwester erzählte, hatte ich diesen Kerl ziemlich schnell mit einem meiner gefälschten Social-Media-Kanäle geködert. Es dauerte nicht lange, da bettelte er um Fotos und ein Treffen mit »Gemma«, meinem halbwüchsigen Alter Ego. Und ich dachte: Verdammt, wieso nicht? Ich könnte mal einen Besuch zu Hause machen, Halloween feiern und gleichzeitig ein Arschloch erledigen. Technisch gesehen war ich wohl erfolgreich, auch wenn ich eigentlich nicht beabsichtigt hatte, Mr. Jamie Merrick ins Wasser zu katapultieren. Ich hatte gehofft, ihn von der Straße abzudrängen, ihm ins Gesicht zu schießen, mir eine Trophäe zu schnappen und ihn wie Müll auf der Straße liegen zu lassen. Was menschlicher Abschaum wie er verdient. Leider schien er Unheil zu wittern und konnte mir fast entkommen. Wahrscheinlich gab ich ihm einen Hinweis, als ich ihm in den Reifen schießen wollte, weil er nicht rechts ranfuhr. Es war wohl auch nicht besonders hilfreich, dass ich mit irrem Gackern meine Waffe schwenkte.

Es mag überraschend klingen, aber man kann ziemlich leicht damit durchkommen, jemanden auf einer einsamen Straße zu erschießen und dann abzuhauen. Das Problem ist nur, dass man schwerer unerkannt entwischt, wenn Teile des eigenen Wagens Spuren auf dem des anderen hinterlassen haben.

Andererseits war der dramatische Effekt sehr viel größer, als ich den Wagen des Arschlochs über die Klippe jagte.

»Am Ende wird alles besser«, flüstere ich, während ich mit einer Münze die Schrauben meines Nummernschilds löse. Das vordere ist nur noch ein verbeultes Stück Blech, das ich von der Straße aufgeklaubt habe. Danach hole ich meinen Mantel aus dem Escalade und ziehe eine graue Jogginghose über meine winzige Shorts und die Netzstrümpfe. Ich verstaue die Waffe sicher in meiner Tasche, hole alle Papiere aus dem Handschuhfach, streife mir den Träger der Tasche über die Schulter und drücke die Wagentür zu.

Eine ganze Weile stehe ich einfach nur an der Klippe, über die Jamies Wagen flog und ihn direkt ins Jenseits schickte. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sein Gesicht ganz deutlich, denn es wurde in der Sekunde vor dem Aufprall von meinen Scheinwerfern angestrahlt: vor Panik aufgerissene Augen; lockige blonde Haare; den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Er wusste, er würde sterben, hatte aber keine Ahnung, wieso.

Sollte ich mich deswegen schlecht fühlen?

Denn ich fühle mich nicht schlecht. Nicht im Geringsten.

Ich verdränge die grimmige Entschlossenheit, die ich immer noch spüren kann, und blicke grinsend hinunter aufs nasse Grab. »Manchmal braucht das Karma einen kleinen Schubs, meinen Sie nicht auch, Mr. Merrick?«

Mit einem zufriedenen Seufzer begebe ich mich zum felsigen Ufer.

Nachdem ich meinem Stiefvater eine Nachricht geschrieben habe, dass es mir gut geht, setze ich einen Timer für die nächste SMS. Dann klettere ich über die Felsen, bis ich eine Stelle finde, die von der Straße nicht einsehbar ist. Dort lege ich mich mit meinem vom Unfall schmerzenden Körper auf einen der Granitblöcke, ziehe die Kapuze über die Zöpfchen und blicke hinauf zu den Sternen. Es ist ein perfekter Ort, um zu warten.

Und dann warte ich.

Fast drei Stunden.

Zwar fährt hin und wieder ein Wagen vorbei, aber ich sitze im Schatten der Felsen und bin nicht zu sehen. Keiner hält an, um nach dem Escalade zu schauen. Bevor er völlig schlapp machte, konnte ich ihn noch im rechten Winkel zum See in den Graben manövrieren, sodass der Schaden nicht zu sehen ist, außer man steigt aus und prüft genauer nach. Daher bin ich sofort alarmiert, als sich eine uralte Karre mit dröhnendem Motor langsam nähert und neben meinem SUV anhält. Mit hämmerndem Herzen drücke ich mich noch tiefer zwischen die Felsen.

Da summt mein Handy von der SMS eines Unbekannten.

Angekommen.

»Kurz und auf den Punkt«, murmle ich und stehe auf. Zuerst ist mir leicht schwindlig, und meine Beine drohen einzuknicken, doch als ich mich dem Wagen nähere, habe ich meine Fassung wiedergewonnen.

Der Motor verstummt. Ich drücke meine Tasche an mich, mit einer Hand im Inneren, den Zeigefinger um den Abzug der Waffe gelegt.

Als ich zögernd auf der Straße stehen bleibe, öffnet sich quietschend die Wagentür, und ein muskulöser Mann im Taucheranzug steigt aus. Er hat die Kapuze des Anzugs über den Kopf gezogen, sodass ich nur seine Augen und den Mund sehen kann. Trotz seiner kräftigen Gestalt ist sein Gang ziemlich geschmeidig, während er auf mich zukommt.

Ich umklammere meine Waffe fester.

»Code«, sagt er mit grollender Stimme.

Ich reibe mir mit der freien Hand über die Stirn und versuche, mich an die Ziffernfolge zu erinnern, die ich mir immer wieder vorgesagt habe, nachdem mein Vater sie mir geschickt hat. Aber da mich dieser Fremde anstarrt, brauche ich dazu ein bisschen länger als nötig. »Vier, neun, sieben, null, sechs, zwei.«

Zwar kann ich die Augen des Mannes in dieser mondlosen Nacht kaum sehen, aber ich spüre genau, wie sein Blick mich von Kopf bis Fuß scannt.

»Verletzt«, murmelt er grollend, so als versuchte er, extra so zu klingen, als hätte er Kies verschluckt.

»Was …?«

Mit großen Schritten kommt er näher. Ich weiche zurück, schaffe aber nur drei Schritte, da packt er mich schon am Handgelenk. Gedanken an meine Waffe verflüchtigen sich sofort, als seine Handfläche meine kühle Haut wärmt. Sein Griff ist fest und doch sanft, als er eine Taschenlampe anschaltet und damit meine Wunde auf der Stirn beleuchtet.

»Muss genäht werden«, befindet er knapp.

»Okay … ging hier aber nicht«, erwidere ich.

Darauf grunzt er nur, als wäre es mein Problem, dass ich mir nicht selbst meine Kopfwunde genäht habe.

Ich will ihm meine Hand entreißen, aber er hält mich fest. Mein Versuch, sie ihm zu entwinden, ist auch vergeblich, denn er verstärkt nur seinen Griff, während er zuerst mein linkes und dann mein rechtes Auge anleuchtet.

»Bewusstlos?«, fragt er.

Als ich fragend die Augen zusammenkneife und die Nase krausziehe, klopft er mir sacht mit der Taschenlampe auf den Kopf.

»Aua …«

»Bewusstlos?«, wiederholt er in befehlendem Ton, obwohl er immer noch leise grollt.

»Sie meinen, ob ich in Ohnmacht gefallen bin? Nein.«

»Übelkeit?«

»Leichte.«

»Gehirnerschütterung«, äußert er, und es hört sich an, als würde er diese fünf Silben herausknirschen. Er lässt mein Handgelenk fallen, als wäre ich ansteckend, dann dreht er sich um und marschiert zur Kreuzung, wo ich ein Stoppschild missachtet habe, um Jamie Merricks Wagen zu rammen.

Auf wackligen Beinen folge ich dem Mann, der mit der Taschenlampe den Asphalt absucht. Was er sucht, sagt er mir nicht, aber ich schätze, es sind Teile von den Autos, die beim Aufprall abgesprungen sind.

»Ich hatte noch nie eine Gehirnerschütterung. Könnte ich ins Koma fallen?«, frage ich, als ich ihn eingeholt habe und dichtauf folge.

»Nein.«

»Glauben Sie, ich habe eine Hirnblutung?«

»Nein.«

»Aber wie können Sie da sicher sein? Sind Sie Arzt?«

»Nein.«

»Ah, gut, denn Ihr Umgang mit Verletzten ist echt scheiße.«

Der Mann schnaubt, dreht sich aber nicht um. Als er plötzlich stehen bleibt, knalle ich fast mit dem Gesicht gegen seinen Rücken. Ich stehe so nah bei ihm, dass ich sogar den Geruch nach Meer riechen kann, den sein Taucheranzug verströmt. Ich muss nicht groß meine Fantasie bemühen, um mir die Muskeln vorzustellen, die sich unter der dünnen Isolierschicht verbergen. Sollte ich mich fragen, ob er auch surft oder wie es wohl aussieht, wenn er sich am Strand den nassen Wet Suit von der Haut schält? Wahrscheinlich nicht. Aber ich tue es.

Dann reiße ich meine Aufmerksamkeit von seinem irritierend athletischen Körper los und richte sie stattdessen auf das Licht seiner Taschenlampe, das vom einen Graben zum anderen quer über die Straße und wieder zurück wandert.

Auf einmal zeigt er mit dem Licht direkt vor sich und wird ganz still, als wäre er von einem Gedanken gefangen worden, der ihn einfach nicht loslassen will.

Und je länger er so dasteht, desto klarer wird mir, dass er irgendwie ein Arsch ist.

Mag sein, dass mein Hirn momentan nur langsam und unzusammenhängend denken kann, doch lande ich ohne große Mühe bei den Fakten: Dieser Kerl ist ein einsilbiges Arschloch, der irgendeine unqualifizierte Diagnose vor sich hingegrunzt hat, als wäre die nichts, worum man sich Sorgen machen müsste.

Gehirnerschütterung, hat er gesagt.

»Was ist, wenn …«

»Betrunken?«, knurrt er und dreht sich blitzartig zu mir um.

Ich starre ihn blinzelnd an und spüre, wie Wut in mir aufkommt. »Wie bitte?«

»Betrunken?«

Er neigt sich so weit zu mir, dass unsere Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt sind. Meine schwelende Wut flammt auf, als er plötzlich tief durch die Nase einatmet.

Ich will ihn mit beiden Händen wegschubsen, aber Herrgott noch mal! Es ist, als wollte man eine Marmorstatue umkippen. Er weicht aus meinem persönlichen Schutzraum zurück, jedoch nur, weil er das will, nicht ich.

»Nein, ich bin nicht betrunken, Sie Ein-Wort-Wichser! Ich habe überhaupt nichts getrunken.«

Er schnaubt.

»Ach, haben Sie irgendwas gerochen, als Sie mir direkt im Gesicht hingen und wie ein verfickter Psycho an meinem Atem schnüffelten?«

Wieder schnaubt er.

»Genau. Also vielen Dank für Ihre völlig unnötigen Beurteilungen, Sie Pseudobatman«, sage ich und weise abschätzig auf seinen Neoprenanzug. »Ich würde niemals unter Alkoholeinfluss fahren. Eigentlich trinke ich sowieso nicht viel.«

Es könnte auch ein erleichtertes Grunzen sein, als er knurrt, aber ich höre ein »Aha« heraus.

»Außerdem sollten Sie wissen, dass ich sehr liebenswert bin, wenn ich trinke, und keine Unfälle baue.«

»Unfall«, grunzt er, und obwohl auch das nur ein Wort ist, höre ich den Sarkasmus. Er weist mit der Taschenlampe um uns herum. »Keine Bremsspuren.«

Ich kichere. »W-was für Spuren?«

Er stößt einen frustrierten Seufzer aus. »Brems. Spuren«, wiederholt er. Ich räuspere mich, um meine Belustigung zu unterdrücken. Vergeblich. »Da sollten Spuren von Ihrem Versuch sein zu bremsen.«

Jetzt kann ich mich nicht mehr beherrschen und lache laut los. Und obwohl Pseudobatman eine Maske trägt, fühle ich seinen sengenden Blick auf der Haut.

»Ich weiß, Sie haben wahrscheinlich zusammen mit Ihrer Salamanderbrut unter einem Stein gelebt, aber das stammt aus einem Film: Hot Fuzz. Bremsspuren. Sie wissen schon, der mit Simon Pegg und Nick Frost …? Timothy Dalton endet in einem winzigen Dorf, gepfählt auf einem Kirchturm? Sehr witzig.«

Schweigen.

»Ach bitte! Ihr längster Satz, den Sie in Ihrer Batman-Imitation grollen können, handelt von Bremsspuren? Und Sie erwarten, dass ich da nicht lache?«

»Er hat’s nicht so mit Reden«, ertönt plötzlich eine andere Stimme.

Rechts von mir bewegt sich etwas, und noch bevor ich mich umdrehen kann, schlingt Batman den Arm um meine Taille und schiebt mich hinter sich. Meine Tasche fällt zu Boden, und mein Gesicht knallt gegen die neoprenverkleidete Backsteinmauer, die Batmans Rücken ist.

»Wichser …«

»Die Waffe runter, Bro. Ich bin’s nur«, sagt die neue Stimme und unterbindet die Schimpfkanonade, die ich gerade loslassen wollte. Der Neue gluckst, woraufhin Batman seinen Griff lockert. Da mir jetzt nicht mehr der Kopf schwirrt, erkenne ich, was gerade passiert ist. Instinktiv hat sich Batman zwischen mich und die Gefahr geschoben und mich außer Sichtweite gebracht.

Als ich um Batmans Schulter herumspähe, sehe ich ein paar Meter von uns entfernt einen anderen Maskierten. Er hat begütigend die Hände gehoben, aber seine Haltung ist völlig entspannt, obwohl mein Beschützer eine Schusswaffe auf seine Brust gerichtet hat.

Meine Waffe.

»Scheißkerl, das ist meine! Her damit!«

Pseudobatman stößt einen höhnischen Laut aus, als ich ihm gegen den Bizeps schlage. Er senkt die Waffe.

»Nein«, sagt er und lässt mich einfach stehen.

Ich bleibe im Schatten, als er auf den Neuen zutritt. Meine Tasche liegt vor mir auf dem Boden, und der Inhalt meines Schminktäschchens ist über den Asphalt verstreut. Die beiden Männer reden so leise miteinander, dass ich nur ein paar Bruchstücke mitkriege, während ich meine Sachen zusammensuche. Ihren Wagen abschleppen … Toter im See … Hat wahrscheinlich telefoniert … nur ein blöder Unfall …

Ein blöder Unfall.

Unter meiner dicken weißen Schminke fängt meine Haut an zu glühen. Der Drang, mit der Wahrheit rauszurücken, ist so stark, dass es mir die Kehle zuschnürt, aber ich schlucke sie herunter, hocke mich hin und schiebe meine Sachen in die Tasche zurück. Dabei schieße ich den Männern wütende Blicke zu, die sie in der Dunkelheit nicht sehen können.

Und was würde es bringen, ihnen den Kopf zurechtzurücken? Diese Typen sind professionelle Tatortreiniger. Sie räumen den Dreck von Leuten weg, die viel gefährlicher und gruseliger sind als ich. Ganz sicher haben sie schon alles gesehen, von ganz normalen Unfällen bis zu Folterungen. Was würde es also schaden, wenn sie die Wahrheit wüssten?

Aber ich kann nicht riskieren, dass mein Geständnis auf meine Familie zurückfällt. Auch wenn es nicht die konventionellste und tugendhafteste ist, aber ich habe eine Rolle zu spielen, und es gibt einen Riesenunterschied zwischen Chaotikerin und Mörderin.

Also kleistere ich mir ein übertriebenes Lächeln aufs Gesicht, werfe mir die Tasche über die Schulter und gehe zu ihnen.

»Ich unterbreche nur ungern dieses konspirative Geflüster zwischen zwei Superhelden für Arme, aber wir sollten doch wohl jetzt anfangen, oder nicht? Bis Sonnenaufgang sind es nur noch vier Stunden und zweiundzwanzig Minuten«, sage ich nach einem kurzen Blick auf meine Armbanduhr. Als ich aufschaue, legt der Neue den Kopf schräg, als wäre er verblüfft über meine schnelle Rechnung. Nach meiner Aufmachung zu urteilen, wahrscheinlich zu Recht. Als ich zu Batman schaue, sind seine Augen hinter der Maske nur noch Schlitze. Aber ich straffe die Schultern, hebe das Kinn und wappne mich gegen sein Urteil. »Also? Je schneller wir das in Ordnung bringen, desto früher sehen wir uns nie wieder.«

»Einverstanden, Chaos-Barbie«, knurrt The Dark Knight im Taucheranzug.

Ich meine, einen ganz leichten Akzent herauszuhören, obwohl er den zu verbergen sucht. Aber ich kann ihn nicht zuordnen.

»Ertrinken Sie nur nicht, Pseudobatman. Was würde Rhode Island dann ohne Ihre beispiellose Kundenfreundlichkeit und Ihre empathischen Diagnosen machen?«

Der Neue schnaubt, als ich die Arme vor der Brust verschränke und mich auf ein Wettstarren mit Batman einlasse, das gefühlte sechs Jahre dauert. Schließlich gibt er nach und reicht seinem Kumpel meine Waffe mit der strikten Anweisung, sie ja nicht mir zu überlassen. Dann dreht er sich grunzend um und geht zu seinem Wagen, um seine Tauchausrüstung zu holen.

Der Neue und ich sehen schweigend zu, wie unser grimmiger Gefährte die Sauerstoffflaschen prüft, die Ausrüstung zum Ufer schleppt, seine Stiefel gegen Flossen tauscht und ins schwarze Wasser steigt.

»Ich bin Conor«, sagt mein neuer Begleiter und bietet mir die Hand, ohne seinen Blick vom See zu lösen.

»Badass-Barbie«, antworte ich und schüttle seine Hand. »Alias Harley Quinn, aber nur für eine Nacht.«

»Dachte ich mir schon. Coole Maske.«

»Danke. Aber ob Ihr Freund das auch so sieht? Ist er eigentlich immer so ein Arschloch?«

»Meistens, ja.«

»Na großartig!«

»Normalerweise ist er eher ein Arsch, der andere verscheißert und auf die Palme bringt. Heute ist er einfach nur ein Riesenarsch.«

»Ein Arsch mit vielen Facetten. Gut zu wissen.«

Mit leisem Lachen reicht mir Conor meine Waffe zurück, hält sie aber fest, bis ich ihm in die Augen sehe. »Keine Dummheiten damit.«

»Ehrenwort.«

»Und wenn jemand Ärger macht, einfach erschießen«, fügt Conor hinzu. Als ich nicke, lässt er die Waffe los. Langsam und vorsichtig nehme ich sie an mich. Nach einem letzten prüfenden Blick wendet er sich ab und marschiert die verlassene Straße hinunter.

»Und wenn Ihr Freund mir Ärger macht?«, rufe ich ihm nach.

»Einfach draufhalten. Aber zielen Sie auf die Kniescheiben. Der Rest von ihm könnte noch nützlich sein.«

Lächelnd stecke ich die Schusswaffe zurück in die Tasche und richte meine Aufmerksamkeit auf den See. Unter der sich kräuselnden Oberfläche sehe ich das gedämpfte Licht einer wasserdichten Taschenlampe. Nach kurzer Zeit höre ich Motorengebrumm, und ein Abschleppwagen hält neben meinem Escalade. Routiniert lädt Conor ihn auf die Rampe, und als er damit fertig ist, geht er zum Ufer, um auf seinen Kollegen zu warten.

Kurz darauf taucht eine Leiche auf, direkt gefolgt von meinem schlecht gelaunten Dark Knight.

Mein Herz rast, während er das Mundstück ausspuckt und die Leiche ans Ufer schleppt. Während ich wie gebannt zuschaue, ertappe ich mich dabei, wie ich nervös mit dem Träger meiner Tasche spiele. Bei unserem kurzen Wortwechsel fühlte sich sein durchdringender Blick an, als würde er ein Brandmal in meine Haut sengen. Zwar kann ich wegen der Dunkelheit und der Distanz zwischen uns nicht sehen, wohin er blickt, trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, er würde mich wie mit einer unsichtbaren Klinge durchbohren.

Aber wieso sollte es mich interessieren, wie er mich ansieht? Was er denkt? Er weiß gar nichts über mich, weder, was das hier ist, noch, warum es getan werden musste. Er weiß nicht das Geringste über das Versprechen, das ich halten muss.

»Verdammt, er ist ein Fremder«, sage ich laut, als meine Gedanken nicht ausreichen. »Nach dieser Nacht wirst du ihn nie mehr wiedersehen.«

Ich gehe ein paar Schritte vor, um besser beobachten zu können, wie Conor ihm hilft, die Leiche ans Ufer zu schleppen. Dann steigt Batman aus dem Wasser und legt die Ausrüstung auf einem Felsen ab. Gemeinsam packen sie Merricks Leiche, Conor an den schlaffen Beinen, Batman an den Armen. Ächzend und leicht taumelnd schaffen sie es bis zur Straße, wo sie die Leiche vor mir ablegen.

Eine ganze Weile hört man nur ihren keuchenden Atem.

Die beiden Männer blicken mich an, und ich blicke zurück. Lastendes Schweigen senkt sich über uns. Es ist, als warteten sie darauf, dass ich ein Lied anstimme und zu tanzen anfange. Aber ich habe den Text vergessen und erinnere mich nicht mehr an die Choreografie. Weiß nicht, was sie von mir erwarten.

Als Conor den Kopf schräg legt, erinnere ich mich wieder an meine Rolle.

Ich drücke eine Hand auf mein Herz und zeige auf die Leiche, die vor mir auf der Straße liegt. »O mein Gott! Das ist ja furchtbar … was habe ich getan!«

Stille. Aus dem dunklen Wald schuhuht eine Eule.

»So eine Tragödie«, jammere ich und reibe mir über die tränenlosen Augen. »So schrecklich … das werde ich mir nie verzeihen.«

»Gottverdammte Scheiße noch mal«, grollt Batman. »Typisch.«

»Wie bitte?«

»Typisch«, wiederholt er, marschiert auf mich zu und starrt mich an. »Sie sind eine typische kleine Prinzessin, die einen Scheiß darauf gibt, dass ein unschuldiger Kerl in Ihre Schneise der Zerstörung geraten ist.«

Ich will schon wegen Merricks angeblicher »Unschuld« protestieren, da legt Conor seinem Kollegen beruhigend die Hand auf die Brust. »Hey, Mann, komm schon …«

»Verlässt sich immer drauf, dass jemand zu Hilfe eilt und das Chaos für sie beseitigt«, fährt Batman knurrend fort, ohne auf Conors schwachen Einwand zu achten. Dabei wird sein Akzent immer deutlicher. »Segelt durchs Leben, ganz gleich, wer einem in den Weg kommt, und kriegt selbst keinen Kratzer ab.«

Da stürze ich vor und bleibe so dicht vor ihm stehen, dass ich trotz seines durchdringenden Seewassergeruchs den süßen Duft nach Minze in seinem Atem riechen kann. Mit Todesblick starre ich in sein maskiertes Gesicht. »Wäre dies ein guter Zeitpunkt, Sie daran zu erinnern, dass ich Ihre Kundin bin? Oder lieber später? Schon vergessen, dies hier ist Ihr Job!«

»Nein, ist es nicht.«

»Ach, ich dachte, Sie wären ein gottverdammter Cleaner.«

»Falsch gedacht, Chaos-Barbie.«

»Wieso sind Sie dann hier?«

»Weil ich keine andere Wahl hatte.«

Daraufhin dreht Batman mir den Rücken zu, bückt sich und hievt sich Jamies schlaffen Körper ächzend über die Schulter. Als er sich wieder zu mir umdreht und noch näher kommt, zucke ich nicht zurück, obwohl mein Herz so stark pocht, dass es meine Rippen zu sprengen droht.

»Sie kennen mich doch gar nicht!«, zische ich.

Wieder versengt sein Blick meine Haut. »Will ich auch nicht!«, knurrt er.

Ich sehe ihm nach, während er mit der Leiche über der Schulter zum Abschleppwagen geht. Selbst als sich Conor neben mich stellt, löse ich den Blick nicht von seiner Gestalt, die im Dunkeln verschwindet.

»Tut mir leid wegen ihm«, sagt Conor leise und greift sich mit der behandschuhten Hand in den Nacken. »Er ist nur … tja. War kein guter Abend für ihn. Es ist nichts Persönliches, auch wenn das wahrscheinlich schwer zu glauben ist. Ich vermute, er macht das Ganze einfach schon zu lange.«

Ich nicke und löse den Blick vom Abschleppwagen, wo Batman die Leiche erst in eine Plastikplane und dann in eine Decke hüllt. Ich höre zwar, wie er vor Anstrengung ächzt, als er Merrick auf den Wagen hievt, starre aber zum Wald. Die Bäume locken mich mit einem stillen Plätzchen, wo ich mich hinsetzen und mit meinen Gedanken allein sein könnte. Vielleicht könnte ich ein bisschen Frieden finden, wenn alles ruhig würde, nur ein Weilchen …

»Morgen Nacht kommen wir mit einem Hebefahrzeug, um den Wagen aus dem See zu holen. Heute räume ich noch alles weg, was auf der Straße liegt«, sagt Conor und reißt mich aus meiner Fluchtfantasie. Ich spüre, wie er mich von der Seite ansieht, schaue ihn aber nicht an. »Batman da … er kann schon ziemlich grob sein, aber er ist absolut zuverlässig. Wir kriegen das hin. Wir sorgen dafür, dass hier nichts auf Sie hinweist. Dass es keine Spuren, keine Beweise gibt. Schon bald wird es sein, als wäre dieser Unfall nie passiert.«

»Ist gut«, flüstere ich, aber mein Lächeln ist jämmerlich und straft mich Lügen. Als ich Conor doch anschaue, sehe ich Sorge in seinem Blick, auch wenn der Rest seines Gesichts von der Maske verdeckt wird. Ich strenge mich ein bisschen mehr an zu lächeln. »Welcher Unfall, wie?«

»Genau«, lacht er. Wahrscheinlich denkt er, das wäre nur ein lahmer Witz, während er dem schlecht gelaunten Batman hilft, die Tauchausrüstung vom Ufer zu holen und in den Wagen zu legen. Obwohl immer noch ein schwaches Lächeln auf meinen Lippen liegt, nur für die beiden gedacht, als sie vorbeikommen, fühle ich mich einsamer denn je.

The Dark Knight für Arme schmeißt den Neoprenanzug in den offenen Kofferraum seines alten Dodge Charger. Er hat eine schwarze Jeans angezogen, die seine muskulösen Beine umspannt, ein langärmliges schwarzes Shirt und eine neue Skimaske. Als er sich Lederhandschuhe überstreift und mit großen Schritten auf mich zukommt, widerstehe ich dem Drang, mir die Waffe in meiner Tasche zu schnappen.

»Es ist Zeit, zu gehen«, knirscht er, als er mich erreicht, woraufhin ich meine Füße fest gegen den Asphalt der Straße stemme.

Ich verschränke die Arme. »Wie wär’s denn mit: ›Zeit, zu gehen, bitte?‹ Oder mit: ›Können wir fahren? Mein Batmobil wartet, holde Maid.‹«

Als die kühle Brise ein Brummen zu mir weht, denke ich zuerst, ein Wagen würde sich nähern. Vielleicht einer mit einem kaputten Auspufftopf.

Aber nein.

Er ist es. Sein Grollen.

Ich weiche zurück, aber er stürzt sich auf mich. Mir wird flau, als er mich blitzschnell über die Schulter wirft und herumschnellt, und dann wird mein Bauch im Rhythmus seiner Schritte immer wieder gegen seine muskelbepackten Schultern gedrückt, während er auf die Autos zugeht. Ich kann gerade noch meine Sachen festhalten, bevor sie herunterfallen. Der Drang, ihm in den Arsch zu schießen, ist genauso groß wie der, ihm auf den Rücken zu kotzen.

»Lass mich runter, verdammt noch mal!« Meine Bemühungen, ihn zu schlagen, sind ebenso sinnlos wie die Versuche, mich aus seinem Griff zu winden, ihn mit Flüchen einzuschüchtern oder mit meiner großen Tasche zu Fall zu bringen.

»Da bitte, du verfickte Chaotikerin!«

Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung werde ich unsanft mit meinem Po in den Kofferraum gepflanzt. Meine Beine baumeln noch heraus.

»Auf gar keinen Fall«, wehre ich mich und versuche, mich aus dem Kofferraum zu befreien. Aber irgendwie ist es, als wäre mir mein Gehirn aus dem Schädel gesaugt und durch Suppe ersetzt worden. Alles schwappt. Meine Gedanken. Die Welt. Mein Mageninhalt. Es dauert viel zu lange, bis mir einfällt, wie ich meine Gliedmaßen in Bewegung setze. Da hat Batman mich schon festgenagelt, indem er rechts und links von meinen Beinen seine Hände auf den Boden des Kofferraums stützt. Mit den Daumen berührt er meine Schenkel. Er nimmt den gesamten Raum um mich ein, und obwohl ich die Augen zukneife, ist seine Präsenz allgegenwärtig. Ich rieche ihn: Minze und Seewasser. Ich spüre die Wärme seines Atems auf meinem Gesicht. Als sich unsere Blicke treffen, starre ich wie gebannt in seine dunkelblauen Augen, die vor dem Rahmen der schwarzen Skimaske nur noch leuchtender wirken.

Ich spüre einen Kloß im Hals. Das Zittern beginnt in meinen Armen und wandert bis zu den Händen. »Bitte, was soll denn das?«, sage ich.

»Rein da.«

»Nein.«

»Sofort.«

»Bitte«, flüstere ich. »Nicht da rein. Ich fahre im Abschleppwagen mit.«

»Nein. Nicht mit den ganzen Beweisen, die mein Kollege von hier mitnimmt. Außerdem riskiere ich es nicht, dass du auf dem Beifahrersitz gesehen wirst«, erklärt Batman knirschend.

»Das ist doch übertrieben. Wahrscheinlich willst du nur nicht neben mir sitzen.«

Batman zuckt die Achseln und beugt sich noch dichter über mich. Zwischen uns passt kaum noch ein Faden. Sein Blick senkt sich auf meine Lippen, die dick mit roter und schwarzer Farbe geschminkt sind. »Das wirst du wohl nie erfahren«, knurrt er leise. »Du hast keine Wahl.«

Es sticht mir in der Nase, aber ich widerstehe der Versuchung, vor lauter Frust zu weinen. Ich werde nicht losheulen, nicht vor diesem Arschloch. Sollte er merken, dass meine Knie zittern, äußert er es nicht. Ohne den Blick von meinen Augen zu lösen, beugt er sich noch näher zu mir. Da weiß ich, er wird nicht nachgeben. Und er sieht auch, wie mir das klar wird.

Meine Schultern sacken nach unten. »Ich flehe dich an«, flüstere ich.

»Aber ich fürchte, nicht besonders überzeugend.«

»Du bist wirklich ein Arschloch.«

»Und du willst hier genauso schnell weg wie ich. Da dies deine einzige Möglichkeit ist, hier rauszukommen, verhältst du dich besser ruhig«, sagt er, legt seine Hand auf meinen Kopf und drückt mich sanft in den Kofferraum. Mit der anderen schließt er die Klappe über mir und überlässt mich damit der Dunkelheit, bis ich meine Augen zukneife. »In Providence lass ich dich raus, dann kannst du allein weiteres Chaos anrichten. Bis dahin versuch einfach, dich zu benehmen.«

Mit einem Klicken schließt sich der Kofferraum. Als ich die Augen öffne, sehe ich nur Finsternis. Mein Herzschlag dröhnt mir in den Ohren. Die Tränen, die ich zurückgehalten habe, fließen nun in Strömen. Ich rolle mich zusammen und drücke die Tasche an meine Brust. Über meinem Kopf spüre ich Batmans nassen Neoprenanzug. Ich ziehe einen Ärmel über meine Stirn, wo geronnenes Blut, Schweiß und weiße Schminke darum betteln, von meiner Haut gekratzt zu werden.

Alles gut. Alles gut, alles gut, alles gut. Du weißt, was du tun musst.

Ich wiederhole mein Mantra, bis sich mein panischer Atem so weit beruhigt, dass ich den leisen Wortwechsel zwischen Batman und Conor mitbekomme. Es ist eine knappe, sachliche Unterhaltung. Meine Hoffnung, dass Conor seinen Kollegen zur Vernunft bringt, verflüchtigt sich schnell, denn kurz darauf öffnet sich quietschend die Fahrertür und schlägt wieder zu. Dröhnend springt der Motor an, dann fahren wir los.

Ich brauche einen neuen Plan.

Ich nutze meine Wut, um konzentriert zu bleiben, während der Wagen erst eine Weile herumkurvt, bevor er ein stetiges Tempo annimmt. Als ich sicher bin, dass Batman meint, ich würde mich benehmen, schlage ich heftig von innen mit der Faust gegen die Kofferraumklappe.

»Vielleicht hat dir das noch niemand gesagt, aber du bist ein totales Arschloch!«, brülle ich und spüre, wie mir schon wieder Tränen aus den Augen rinnen. Mein Klopfen untermalt mein Gebrüll: »Arsch-loch, Arsch-loch, Arsch-loch!«

»Halt die Fresse!«, bellt er und drückt aufs Gas.

»Zwing mich doch, komm, trau dich!« Immer wieder hämmere ich gegen die Klappe, bis er schließlich die Musik einschaltet, um mich zu übertönen. Kaum hat er das Radio angestellt, werden meine Schläge und Beschimpfungen schwächer und verstummen schließlich ganz.

Als ich überzeugt bin, dass er glaubt, er hätte diese Runde gewonnen, schalte ich die Lampe meines Handys ein und wühle in meiner Tasche.

Mein hämisches Kichern wird vom Motor und der Musik übertönt, als ich mit zittriger, schweißnasser Hand den anschraubbaren Wimmerhaken für meine Jackson-Gitarre aus der Tasche fische. Auch wenn ich eine geborene Montague bin, aus einer Familie mit ihrer ganz eigenen verrückten Geschichte, bin ich doch auch eine Covaci, und mein Stiefvater hat mir einige nützliche Tricks beigebracht. Zum Beispiel, wie man sich von Kabelbindern befreit. Wie man einen Henkersknoten knüpft. Wie man eine Waffe lädt.

Und wie man aus einem Kofferraum entkommt.

Das alte Schloss ist ein bisschen schwierig zu knacken, andererseits gibt es wahrscheinlich kein Warnlämpchen auf dem Armaturenbrett, das meinen grimmigen Chauffeur warnt, als ich es beim dritten Versuch schaffe. Ich halte die Klappe nur einen Spalt offen, sodass ich gerade die Straße sehen kann. Wir sind immer noch im tiefsten Nirgendwo: kein Verkehr, keine Passanten, kaum Häuser. Nur der Wald. Ich und die Finsternis und die roten Rücklichter, die von der schwarzen Nacht verschluckt werden.

Der Wagen wird langsamer, ist kurz im Leerlauf, als Batman schaltet und bremst. Die Rücklichter leuchten auf. Dann signalisiert der Blinker ein Abbiegen nach rechts.

Ich hebe die Kofferraumklappe gerade genug, um rauszuspringen, bevor wir ganz halten. Es ist kein eleganter Abgang. Ich schlage mir ein Knie auf und reiße ein Loch in die Jogginghose. Als ich mich hinter die Stoßstange hocke, bläst mir der Auspuff Abgase ins Gesicht. Behutsam halte ich die Klappe unten, damit er nichts im Rückspiegel sieht. Die alten Scharniere sind so eingerostet, dass sie nicht wieder hochspringt, als ich den Druck mindere. Ich kann sie nicht ganz schließen, aber wenn Batman mich beim Abbiegen nicht sieht, habe ich vielleicht genug Zeit, um zu verschwinden.

Das Bremslicht geht aus, als er den Fuß von der Bremse nimmt. Dröhnend und mit einer grauen Rauchwolke fährt der Motor hoch. Der Wagen biegt nach rechts und entfernt sich.

Ich hocke noch eine Sekunde auf der leeren Straße. Dann stehe ich auf, wische mir die trocknenden Tränen vom Gesicht und gehe in die entgegengesetzte Richtung davon.

Du kennst mich nicht, denke ich und werfe einen letzten Blick auf den Wagen, bevor er hinter einer Biegung verschwindet.

Und Batman hat recht.

Das will er auch gar nicht. 

Ins Schwarze

Lachlan

… ein Jahr später

»So eine Happy Hour hatten wir schon seit Jahren nicht mehr«, bemerkt Leander und schießt seinen Dartpfeil. Unmittelbar darauf werfen die Betonwände einen erstickten Schrei zurück, als die Metallspitze in Robbie Ushers Wange landet. Er zittert vor Angst und Schmerz, denn in seinem Gesicht stecken schon ein paar Pfeile. Ein Schluchzen entfährt seinem Mund, der von einem Knebel so auseinandergezogen wird, dass man sein geschwollenes, blutiges Zahnfleisch sieht. Bis auf seine Backenzähne hat er keine mehr. Abgesehen von dem blutenden Zahnfleisch sieht der Pfeil an seiner Unterlippe besonders schmerzhaft aus. Natürlich ist das Leanders Lieblingswurf.

Bislang.

Ehrlich gesagt, ist das nicht das Leben, das ich mir erträumt habe: an einem Freitagabend im Keller von meinem Boss jemandem mit der Kneifzange die Zähne ziehen und ihm Dartpfeile ins Gesicht werfen. Aber wer träumt schon von einem solchen Leben?

Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich in meiner Kindheit wahrscheinlich kaum einen Gedanken daran verschwendet, was ich werden wollte, wenn ich groß bin. Ich war zu sehr damit beschäftigt, einfach nur zu überleben. Ich erinnere mich nicht an Fantasien, Feuerwehrmann oder Polizist oder Lehrer oder sonst was zu werden. Der lebhafteste Tagtraum, an den ich mich erinnern kann, war der, wie man mit Mord davonkommt. Zu meinem dreizehnten Geburtstag wünschte ich mir das sogar, als meine Brüder Geld zusammenkratzten, um die Zutaten für einen Kuchen zu kaufen.

Und wir wissen ja, was man über Wünsche sagt.

Leander hält mir einen neuen Dartpfeil auf der Handfläche hin. Ich starre darauf. Schlucke meinen Widerwillen herunter. Unterdrücke einen entnervten Seufzer. Bemühe mich, weiterhin keine Miene zu verziehen. Aber Leander Mayes kennt mich, seit ich siebzehn war. Da erschien er mir in meiner dunkelsten Stunde wie ein Engel.

Nur wusste ich nicht, dass dieser Engel eigentlich der Teufel war.

»Komm schon, Lachlan. Du weißt, wie sehr ich Darts liebe.«

»Klar …«, sage ich, führe langsam mein Glas an die Lippen und trinke einen großen Schluck Wasser. Verdammt, ich wünschte, es wäre was Stärkeres, aber ich habe auf die harte Tour gelernt, mich nicht von Leanders riesigen Vorräten an dreißig Jahre altem Whiskey zu bedienen, wenn er freitagabends mal wieder Lust auf eine »Happy Hour« hat. Als das das letzte Mal passiert ist, kam ich drei Tage später am Straßenrand in Carlsbad, New Mexico, zu mir, ohne zu wissen, wie ich da gelandet war. New Mexico. Drecksau.

Leander grinst, als könnte er meine Gedanken lesen, während ich den Pfeil nehme und ihn in Robbies Richtung werfe, ohne den Blick von meinem Boss zu lösen. Nach dem metallischen Klappern zu urteilen, habe ich ihn wohl verfehlt und die Wand getroffen.

Leander seufzt und fährt sich mit der Hand durch die silbernen Haare. Seine Augen glitzern vor Belustigung, obwohl er versucht, enttäuscht zu wirken.

»Du weißt doch«, sagt er und legt einen neuen Pfeil auf seine Handfläche, »dass ich mein Versprechen dir gegenüber immer gehalten habe. Du musstest nie einen Unschuldigen töten. Und du weißt genauso gut wie ich, dass Robin kein Heiliger ist.«

Da hat er recht, das weiß ich. In den letzten Jahren habe ich Robbie Ushers Namen häufig gehört. Sogar mein Bruder erwähnte einmal, dass er ihn sich vornehmen wollte. Das war, bevor der skrupellose kleine Scheißer den alljährlichen Mordwettstreit mit Sloane anfing und sein Interesse an Dealer-Ärschen wie Robbie verlor.

»Ja, aber ich hab’s lieber, wenn wir so was schnell und einfach über die Bühne bringen. Sauber. Nicht … nicht so«, sage ich und weise mit der Hand in Robbies Richtung.

Als ich ihn anschaue, versucht er, um Gnade zu flehen. Tränen und Schnodder sammeln bei ihrem Weg übers Gesicht Blut auf und versehen seine bleiche Haut mit roten Streifen. »Mein Job ist Auftragsmörder. Nicht Cleaner. Nicht Folterer.«

»Dein Job ist, alles zu tun, was ich von dir brauche.«

Als ich Leander wieder anschaue, ist jegliche Belustigung aus seinen moosgrünen Augen gewichen, und geblieben ist nur eine Warnung.

»Wie ich mich erinnere, hat es dir das letzte Mal, als du deinen Job und deine Manieren vergessen hast, ein bisschen Ärger eingebracht. Ich kann mich definitiv nicht daran erinnern, dich angewiesen zu haben, einen unserer wichtigsten Kunden gegen uns aufzubringen. Oder? Hab ich das?«

Obwohl ich oft glaube, ich müsste mittlerweile immun sein gegen Gefühle wie Scham oder Verlegenheit, überkommen sie mich doch manchmal und quälen mich dann. So auch jetzt, als ich an die Folgen des Aufräumjobs denke, den er mir letztes Jahr an Halloween auftrug. Nach jener Nacht platzte der Vertrag mit dem Kunden und damit auch meine Hoffnung, irgendwann von Leander freizukommen.

Und am meisten nervt mich, dass ich nicht mal weiß, wieso ich so ein Arsch gegenüber der Frau war, deren Problem ich beseitigen sollte.

Vielleicht war ich schon sauer, weil ich auf der verdammten Party Fionn zurücklassen musste, der ein einziges Wrack war, um irgendwo aufzuräumen, was nicht meine Aufgabe ist. Vielleicht lag’s daran, dass sie so tat, als wären Tod und Verderben, die sie verursacht hatte, keine große Sache. Vielleicht ging’s auch darum, dass sie eindeutig verletzt war, wo es doch vorher hieß, es ginge ihr gut. Es ging ihr eindeutig nicht gut. Und unerklärlicherweise machte mich das fast genauso wütend wie der Umstand, dass ich am Halloween-Abend im dunklen, eiskalten Wasser herumtauchen musste. Ich weiß nicht, was den Ausschlag gab. Ich weiß nur, dass mir Chaos-Barbie unter die Haut ging. Was ich zuließ, verdammt noch mal! Schlimmer noch, sie entkam meiner Obhut, und ich weiß nicht mal, wie. 

Jetzt schüttle ich den Kopf.

Eine ganze Weile starren wir uns an, bis Leanders Miene weich wird. Während er mir mit der einen Hand immer noch den Dartpfeil wie ein kostbares Geschenk anbietet, legt er mir die andere auf die Schulter.

»Robbie steckt hinter der letzten Lieferung Rainbow-Fentanyl, die die Cops letzte Woche bei der Razzia entdeckten. Verficktes Rainbow-Fentanyl! Er lässt seine Drogen aussehen wie Süßigkeiten«, flüstert Leander düster und drohend. Als Robbie quiekend vom anderen Ende des Raums protestiert, zieht er die Augenbrauen hoch. »Er hat es bewusst auf Kinder abgesehen, Lachlan. Allerdings hat er diesmal zufällig Kinder erreicht, deren Eltern Leute angeheuert haben, die für Gerechtigkeit sorgen, wenn es am nötigsten ist. Leute wie wir.«

Ich blicke hinüber zu Robbie, der sich gegen die Kabelbinder wehrt, die ihn an den Metallstuhl fesseln. Seine aufgerissenen Augen sind nicht unschuldig. Sein vom Knebel gedämpfter Protest ist nur selbstsüchtige Bettelei, kein Zeichen der Reue. Obwohl ich mir nicht die Mühe gemacht habe, mir die Details von Robbies letzten Eskapaden anzusehen, bevor wir ihn schnappten, weiß ich, dass Leander nicht lügt. Er lügt nie.

Ohne den Blick von Robbie zu lösen, nehme ich den Pfeil von Leanders Handfläche. Es ist nicht nötig, mich meinem Boss zuzuwenden, um seine Reaktion abzuschätzen. Ich kann sie fühlen. Sein Lächeln äußert sich in seinem Atem an meiner Haut, bevor er einen Schritt zurücktritt.

Ich werfe meinen Pfeil. Robbie schreit auf, als er an seiner Stirn auftrifft, vom Knochen abprallt und in seinem Schoß landet.

»Oh, guter Versuch. Fast ein Volltreffer. Aber ich gewinne«, verkündet Leander und nimmt Aufstellung für seinen nächsten Versuch. Gerade will er seinen Pfeil werfen, da meldet die Sicherheitskamera über den Lautsprecher einen Besucher. Wir wenden uns gleichzeitig zum Bildschirm, der hinter der Bar hängt. Dort läuft stumm geschaltet ein Rugbyspiel, und eine Kachel in der oberen rechten Ecke zeigt den Haupteingang zu Leanders Grundstück. Dort wartet ein alter Honda Civic auf Einlass.

Eine Sekunde später klingelt Leanders Handy. »Reinlassen«, sagt er statt einer Begrüßung und beendet das Gespräch sofort wieder. Ich beobachte auf dem Bildschirm, wie sich das Tor öffnet. Der Wagen rollt über die Einfahrt, die sich durch Nadelbäume schlängelt.

Ich tausche mein Glas gegen meine Waffe und marschiere zur Sicherheitstür des Kellers, während Leander einen weiteren Dartpfeil fliegen lässt. »Bin gleich wieder da«, knurre ich. Robbies Schrei schrillt mir in den Ohren, als die schwere Stahltür hinter mir zuknallt.

Die Stille im restlichen Haus ist wie Balsam, süß und tröstlich nach dem Schmerz. Die Oktobersonne steht schon so tief über dem Wald, der das Haus umgibt, dass all die teuren Möbel und sorgfältig ausgesuchten Dekogegenstände im Schatten liegen. Leanders Frau und Kinder sind übers Wochenende weggefahren. Sogar die Wachmänner halten Abstand. Manchmal tut der Boss gern so, als wäre er nur ein ganz schlichter Kerl mit einem einfachen Leben. So ein Kerl, der Freitagabend ein paar Bier trinkt. Spaß beim Herumwerkeln hat. Essen bestellt. Vielleicht ein, zwei Runden Darts spielt. Aber als typischer höchst effizienter Psychopath verleiht Leander fast allem einen blutigen Twist.